Wenn die Glocke erklingt und der Donner grollt,
Ein Flammenstern vom Himmel fällt,
Wenn der Vollmond im Haus des Skorpions erstrahlt,
Wird den Hochkönig ehren die ganze Welt.
Die Prophezeiung aus Scorpion King
Kapitel 1: Dunkle Vorahnung
Cassandra war schlagartig wieder hellwach. Schnell stand sie auf. Doch in dem dunklen Zimmer konnte sie nichts erkennen. Aber sie spürte das sie allein war. Sie ging zum größten der drei Fenster an der Seite des Raumes, die mit Fensterläden aus filigranen Schnitzereien verschlossen waren. Nun öffnete sie einen der Läden, und sah in die dunkle Nacht hinaus.
Sie konnte sich denken wohin ihr Mann verschwunden war. Und tatsächlich konnte sie auf der Mauer, die den Palasthof umrandete das schwache Licht einer Lampe erkennen.
Kurz entschlossen drehte sie sich um, und verließ das Schlafzimmer in Richtung Palasthof. Sie ging durch die endlos wirkenden Gänge, die nur hin und wieder von einer Fackel erhellt wurden. Und auch die Wachen, die ihr einige male begegneten, beachtete sie nicht weiter.
Leise öffnete sie die Tür des großen Thronsaals. Es war der einzige Raum, der auch nachts hell erleuchtet war. Es war niemand zu sehen.
Der Saal aus Sandstein, war eines Königs würdig. Er war vergoldet, und besaß zahllose Pilaster und war mit dezenten und doch farbenprächtigen Ornamenten geschmückt, die bereits die Kultur Ägyptens vorweg nahmen, die sich erst in den folgenden Jahrhunderten entwickeln würde. Fackelartige Lampen - dunkle Metallschalen auf dünnen Beinen - erfüllten den weitläufigen Raum mit einem sanften goldenen Schimmer, in dem sich zahllose Draperien, kunstvolle Bildteppiche und einfache schwere Möbel befanden.
Ein riesiger, goldgeschmückter Thron, über dem ein Symbol prangte, dass einem Schild glich und das Bild eines Skorpions zeigte, war wie geschaffen für einen großen Herrscher. Man konnte bei der betrachtung des Raumes nur noch erahnen, wie verwüstet er nach dem großen Feuer damals gewesen war.
Doch sie war nicht hier herunter gekommen, um sich den Saal anzusehen. Neben dem Thron führte eine Tür hinaus in den Hof. Sie schob den schweren Stoff des Vorhangs zur Seite, der die Tür verdeckte und trat auf die Terrasse.
Im selben Moment schlug ihr die kalte Nachtluft entgegen. Sie hätte ihren Umhang mitnehmen sollen. Andererseits war die frische Luft eine Wohltat. Es war Still. Die ganze Stadt lag friedlich zu ihren Füßen. Kein Vergleich zu dem hektischen Treiben, von dem sie tagsüber beherrscht wurde.
Am Horizont zeichnete sich bereits ein heller Streifen ab, der den neuen Tag ankündigte. Doch das schwache Leuchten reichte noch lange nicht aus, um etwas erkennen zu können. Doch das war nicht nötig. Cassandra spürte, dass er hier war.
Er stand neben der im Boden eingelassenen Metallplatte, die einen Skorpion zeigte. Der Rest des Altares der früher dort gestanden hatte hatte das Feuer nicht überstanden. Anders als der Thronsaal wurde dieser nicht wieder aufgebaut.
Nachdem Memnon besiegt worden war, sollten alle Erinnerungen an ihn ausgelöscht werden. Soweit dies möglich war. So wurden in der ganzen Stadt sämtliche Statuen, Bilder usw. entfernt. Nur in den Köpfen der Bevölkerung lebte der Dunkle Schrecken weiter. Und so würde es wohl noch lange bleiben.
Sie trat leise näher. Er hatte sich auf die Mauer gestützt, und blickte ganz in Gedanken versunken zum Horizont. Er bemerkte nicht das sie näher kam.
„Mathayus?"
Als sie ihn ansprach, schreckte er augenblicklich aus seinen Gedanken auf. Sie ging gerade die letzten Stufen hinauf, als sich Mathayus zu ihr umdrehte.
„Was tust du denn hier draußen?"
„Das selbe könnte ich dich fragen? Solltest du um diese Zeit nicht im Bett liegen?"
In der Zwischenzeit war sie zu ihm getreten, und beide sahen nun in die Wüste hinaus.
„Ich bin aufgewacht, und du warst nicht da. Ich habe mir eben Sorgen gemacht."
„Was denn? Um mich? Ich dachte immer du kennst mich gut genug um zu wissen das ich eigentlich auf mich aufpassen kann. Nur für den Fall der Fälle."
„Oh hör auf mit dem Schwachsinn!"
Sie sah zu ihm hoch, und entdeckte das scheinend bestens gelaunt war. Das verriet ihr schon sein Grinsen, dass sich in seine Gesichtszüge geschlichen hatte. Er hatte recht: Sie kannte ihn einfach zu gut. Außerdem war er ein Mann, der durchaus auf sich selbst aufpassen konnte.
Doch gerade als er ihr antworten wollte, überlegte er es sich doch noch anders. Er ergriff ihre Hand, und zog sie in die Arme.
„Wie lange bist du schon hier draußen? Du bist ja ein einziger Eisblock!"
„Weiß nicht. Ich wollte eigentlich ein wenig nachdenken."
„Worüber denn?"
„Nicht so wichtig."
Mit diesen Worten zog er seine Frau endgültig an sich, und erstickte ihren leisen Protest mit einem Kuss.
„Lass uns wieder hinein gehen. Nicht das du dir noch den Tot holst."
„Oh wie nett!"
Sie hakte sich bei ihm unter, und gemeinsam gingen sie wieder Richtung Thronsaal. Doch erst als der Vorhang wieder hinter ihnen zugefallen war, sprach er sie wieder an:
„Weswegen bist du wirklich hergekommen? Und sag jetzt nur nicht, weil du nicht mehr schlafen konntest. Also, was ist los?"
Mathayus konnte man einfach nichts verschweigen. Und seitdem er über das Volk von Gomorra herrschte, hatte sich seine Fähigkeiten Lügen und oder auch nur verschwiegene Einzelheiten zu erkennen nur noch weiter verschärft. Was meistens von Vorteil war.
Ach was solls!
Dachte sie sich darauf.
Ich sag es ihm einfach. Früher gibt er sowieso nicht nach.
„Na schön! Kann man vor dir eigentlich irgendetwas verbergen?"
„Oh sicher geht das. Nur leider kenne ich dich schon lange genug um zu wissen wenn irgendetwas nicht stimmt. Also was ist los? Es ist so gar nicht deine Art um Sachen herum zu reden."
Inzwischen hatten sie ihr Schlafzimmer wieder erreicht. Nachdem sie eingetreten waren, lies sich Cassandra auf eines der großen Kissen fallen, die vor den Fenstern auf dem Boden verteilt waren. Mathayus tat es ihr gleich, und setzte sich ihr gegenüber. Stockend fing sie an ihm alles zu erzählen:
„Ich hatte eine Vision!"
„Eine was?"
Er sah im Moment so aus, als hätte jemand einen schlechten Scherz gemacht.
„Wie soll das gehen? Ich meine die letzte Vision hattest du doch vor-„
„Vor zwei Jahren ich weiß ja!"
„Na schön. Angenommen es war eine Vision, weshalb gerade jetzt? Was hast du gesehen?"
„Nun, ich weiß es nicht."
„Du weißt es nicht? Wie das?"
„Kannst du dich daran erinnern was ich dir damals erzählt habe? Über meine Visionen?"
„Wie könnte ich das vergessen?"
„Hör auf so dämlich zu grinsen! Ich mein´s ernst!"
„Schon gut! Erzähl weiter!"
„Auf jeden Fall war diese Vision nicht besonders klar. Ich konnte nicht einmal erkennen, ob sie von guten oder schlechten handelte. Tut mir leid!"
Fügte sie niedergeschlagen hinzu. Sie wandte den Blick von ihm ab, und sah aus dem Fenster. Langsam wurde es hell draußen, und die ersten Geräusche der erwachenden Stadt drangen zu ihnen herauf.
„Hey!"
Er streckte die Hand nach ihrem Gesicht auf, und zwang sie dazu ihn wieder anzusehen.
„Das eines klar ist! Denk nicht einmal daran das ich dir nicht glauben würde. Und was diese Vision angeht, denk einfach nicht daran ok?"
„Du hast recht. Weißt du was? Lass uns einfach normal weitermachen, als wäre nichts passiert. Es wird schon nicht gleich bedeuten, dass sich die Götter gegen uns verschworen haben."
Lachend streckte er ihr die Hand entgegen. Sie griff danach, und lies sich von ihm in seine Arme ziehen. Die in letzter Zeit sowieso selten gewordenen Momente, die sie ganz für sich allein hatten, wollte sie sich nicht auch noch von einer unklaren Vision nehmen lassen.
Und der Tag würde bestimmt noch hektisch genug werden.
