Kapitel 3:

Die Kutsche hatte einen weiteren Halt hinter sich und man hatte ein leichtes Mittagessen zu sich genommen. Der kleine George verkraftete die Reise recht gut, wie Fitzwilliam anlässlich des Mittagsmahles zufrieden feststellen konnte. Elizabeth hatte ihn in der Abgeschiedenheit eines privaten Salons des Inns angefangen zu stillen, und er war kurz darauf zu den beiden gestoßen, denn um nichts in der Welt wollte er sich diesen trauten Moment entgehen lassen. Lizzie lachte, als sie ihren Mann zur Tür hereinkommen sah. „Jetzt schaust du bereits zum dritten Mal heute zu, wie George an meiner Brust liegt", versuchte sie ihm unter Schmunzeln Vorhaltungen zu machen „hast du nichts Besseres zu tun? Nein? Nun, dann hast du sicher auch noch ein paar Minuten mehr Zeit und kannst mir gerne helfen, ihn von diesem stinkenden Paket zu befreien, mit dem er die letzten zwei Meilen die Luft in der anderen Kutsche verpestet hat". „Oh", Fitzwilliam zog die Nase demonstrativ kraus „ich bemerke es gerade. Was um Himmels willen gibst du ihm da zu trinken, das ihn zu derartigen Düften inspiriert"? Er musste lachen, trat dann aber wieder zur Tür. „Schade, ich hätte euch gerne noch ein Weilchen zugesehen, aber die andere Prozedur schreckt mich doch davon ab, länger zu bleiben".

„Fitzwilliam", drang die Stimme seiner Gattin an sein Ohr „wolltest du es nicht unlängst schon einmal probieren"? „Was probieren"? fragte er vorsichtig nach. „Ihn zu wickeln, mein Lieber", hörte er Lizzie unterdrückt lachend sagen. „Nein, das muss ein Irrtum sein", antwortete er tief einatmend „ich habe einmal dabei zugesehen und muss gestehen, es verwirrt mich kolossal, ich wüsste nicht eine Sekunde lang was wie gemacht werden muss und welche Stoffe und Windeln an welche Stelle gehören. Es ist eine Wissenschaft für sich, wirklich. Und hier im Gasthaus zwischen Tür und Angel, also nein, Lizzie, vielleicht zu Hause – irgendwann einmal". „Ich bin doch bei dir und kann dir helfen, ich würde dir genau sagen, was du zu tun hast", versuchte sie ihn umzustimmen. „Elizabeth, du weißt nicht, was du da verlangst. Ich glaube, es gibt auf der ganzen Welt keinen Mann, der sich damit auskennt und sich mit so etwas beschäftigen würde". „Nun, wäre es dann nicht schön, wenn du von dir behaupten könntest, der erste Mann auf der Welt zu sein, der es kann"? Sie wusste genau, an welchem Punkt sie ihn am Besten zu fassen bekam. Die Tür fiel wieder ins Schloss, er kam näher zu der Bank auf der sie mit dem Baby im Arm saß.

„Wenn jemand hereinkommt und sieht, was wir hier tun, lasse ich dich den Rest der Strecke nach Rosings laufen", polterte er, weniger ernsthaft als gutmütig. Sie streckte ihm gleichsam als Antwort den gesättigten Master George entgegen, er nahm ihn ihr ab, allerdings trug er seinen überaus herb duftenden Sohn mit gebührend weit vom Körper weg gestreckten Armen hinüber zu einem Reisenecessaire und einer Art provisorisch gestalteten Wickeleinrichtung in der Nähe des warmen Kaminfeuers. Dort angekommen schaute er fragend Lizzie an. Diese hatte sich schon die benötigten Utensilien vor dem Stillen von Miss White bereit legen lassen, die eigentlich in der Gaststube darauf wartete, hinzu gerufen zu werden.

Nun instruierte Elizabeth mit ruhiger Stimme ihren Ehemann. „Lege George einfach auf die Laken, ja so, dann öffnest du das Moltontuch an der Seite, ja genau da, und nun…. meine Güte, so zittere doch nicht so mit den Fingern, ach Fitzwilliam, du machst das schon, jetzt hast du es gleich geschafft…, oh ist das alles durchnässt da? Ja? Gib mir die verschmutzte Wäsche, Miss White wird es nachher gleich alles im Wäschesack verstauen. Was ist los, Fitzwilliam"? „Liebes, das ist ja furchtbar, ich glaube ich kann das nicht. Es stinkt wahrlich zum Himmel, du liebe Güte! Und wie das aussieht, Lizzie! Außerdem ist sein, ähm, wie soll ich sagen, Hinterteil ganz verdr…, verschmutzt, wie bekommt man das denn sauber? Und – nein Lizzieee"! Ein panischer Ruf.

„Was ist denn nun passiert"? fragte Elizabeth leicht besorgt, doch sie musste sogleich ganz unpassend loslachen, denn der blank gelegte junge Mann hatte es tatsächlich fertig gebracht, seinem Vater in hohem Bogen am Jackenrevers eine äußerst nasse Visitenkarte zu hinterlassen. Fitzwilliam Darcy schüttelte sich. Lizzie reichte ihm einen warmen weichen Schwamm, damit er sich säubern konnte. Dann bekam er abermals einen Schwamm, der wie Lizzie ihm versicherte, für das verschmierte Popöchen des Babys gedacht war. Mit zusammengebissenen Lippen und aufs höchste konzentriert reinigte der Vater so gut er konnte die betreffenden Stellen seines Sohnes. Lizzie hatte ihn bis dahin ganz allein gewähren lassen, aber nun griff sie doch kurz ein und entfernte geübt noch einige kleine Reste. „Wenn sie nicht mehr üben, Mr. Darcy, werden sie niemals große Fertigkeiten auf diesem Gebiet erlangen", das klang wohl vertraut in seinen Ohren. Wider Willen musste er bei diesen Worten von ihr lächeln. Wozu diese Frau ihn brachte, war schier unglaublich. Sie erklärte ihm nun noch, wie er George wieder fachgerecht einpacken musste, half ihm dann zum Schluss alles fest zu stecken, damit sich so schnell nichts lösen konnte, auch wenn der Kleine etwas heftiger strampeln sollte. Schließlich hielt Fitzwilliam seinen sauberen, angenehmer duftenden Sohn im Arm und merkte, dass Elizabeth wieder ein Gefühl in seinem tiefen Inneren ausgegraben hatte, von dem er bislang nicht einmal ansatzweise geahnt hatte, dass es existiert. Er war vermutlich der erste Mann von Welt (nicht auf der Welt, man sollte die Dinge realistisch sehen), der eigenhändig ein Baby gewickelt hatte. Es war eine so tief greifende Erfahrung, es verschaffte ihm mehr Genugtuung als ein ganzer Tag zugebracht mit Reiten, Fechten und Schwimmen. Er war nicht stolz auf die eben vollbrachte Tat. Er war nur unendlich glücklich. Nicht mehr und nicht weniger.

Miss White, die die Zeit draußen in der Gesellschaft von Georgiana verbracht hatte, hingegen fragte ob es etwas Außergewöhnliches gegeben hätte, da man sie nicht hinzugezogen hätte und der Rückzug ins Private mit dem Kind überdies auch noch um einiges länger als üblich gedauert hätte. Lizzie übergab ihr das Kind mit der lapidaren Erklärung, das Baby sei während des Trinkens zweimal eingeschlafen und sie hätte ihn eben schnell selbst saubergemacht, weil man ihr, Miss White, eine anständige Mittagspause hatte gönnen wollen. Dann waren alle wieder in die Kutschen gestiegen, mit dem Ziel Rosings.