Kapitel 8:
Da das schöne Wetter am Ostersamstag anhielt, machte die Gesellschaft von Rosings einen Ausflug. In einer von Lady Catherines Kutschen fuhr man durch die sonnige, frühlingsmilde Landschaft, die Herrin und ihr Neffe Montgomery Fitzwilliam mit dem Rücken zur Fahrtrichtung, da die ehrbare Dame mit der ihr eigenen Bestimmtheit auf der Hauptbank Neffe Fitzwilliam Darcy und Miss Anne nebeneinander platziert hatte. Man inspizierte die Ländereien. Fitzwilliam Darcy langweilte sich zu Tode. Seine Gedanken kreisten um völlig andere Dinge.
Einmal jedoch, als Lady Catherine ausgestiegen war, um sich um die Belange eines Pächters persönlich zu kümmern und diesem in autoritärem Ton Anweisungen erteilte, hörte er das zarte Stimmchen seiner Cousine neben sich, die ihn doch tatsächlich fragte, ob er am Vortag Miss Bennet gesehen habe, da er doch so lange mit dem Pferd unterwegs gewesen war und man sich auf Rosings schon begann, Sorgen zu machen. Er lehnte sich etwas zu Anne rüber und wollte ihr im ersten Ansatz eine Lüge auftischen, doch dann überlegte er sich schnell anders und sagte wahrheitsgemäß, dass er Elizabeth am Mittag zuvor kurz gesehen habe. Dies trug ihm einen raschen Blick von ihr direkt in seine Augen ein, was sie noch niemals zuvor gewagt hatte. Ebenso schnell schlug sie die Augen wieder nieder.
Für Fitzwilliam war dies eine ganz neue Seite an Anne. Sie, die normalerweise niemals das Wort an jemanden richtete, hatte ihm aus heiterem Himmel eine recht persönliche Frage gestellt. Und sie hatte ihn offen angesehen, ebenfalls ganz außergewöhnlich. Er wusste damit nicht recht umzugehen und schaute Hilfe suchend auf Montgomery. Der zuckte bloß mit den Schultern und grinste in sich hinein. Dann erschien Lady Catherine wieder und man setzte den Ausflug fort.
Der Ostersonntag brachte eine deutliche Wetterverschlechterung. Es hatte in der Nacht bereits angefangen zu regnen und es schien nicht, dass es im Laufe des Tages besser werden sollte. Es hatte sich eingeregnet. In der Kirche hielt Lady Catherine mit ihrem kleinen Gefolge Einzug, doch als Colonel Fitzwilliam Miss Bennet in der Kirchenbank erblickte, setzte er sich kurzerhand zu ihr, während die restliche Gesellschaft von Rosings in den für sie vorbehaltenen Chorstühlen gegenüber Platz nahm.
Mr. Collins lieferte einige holprige Versprecher in seiner Predigt ab, über die manch einer schmunzelte, Lady Catherine jedoch tat immer so, als würde sie dies überhaupt nicht bemerken. Fitzwilliam Darcy hielt seinen Kopf die ganze Zeit über gesenkt, für Außenstehende wirkte es so, als wäre er tief in die religiöse Zeremonie eingetaucht. In Wahrheit jedoch beobachtete er aus dieser Position heraus ständig seinen Cousin und Miss Bennet. Er schalt sich selbst einen Idioten, weil er nicht auf die Idee gekommen war, sich neben sie zu setzen.
Und statt der Predigt zuzuhören, unterhielten sich die beiden auch noch angeregt. Zwar leise, um nicht zu stören, aber die Konversation schien kein einziges Mal ins Stocken zu geraten, wie Fitzwilliam Darcy schmerzlich feststellte. Plötzlich setzte sich ein peinigender Gedanke in seinem Kopf fest: Was, wenn sein Cousin selbst sich in Elizabeth verliebt hatte? Vielleicht drehte sich die Unterhaltung da drüben zwischen den beiden um ein ganz bestimmtes Thema. Würde Montgomery es wagen, ihr hier in der Kirche, am Ostersonntag, während der Predigt einen Antrag zu machen? Er war ein Mann der Tat, ein Soldat, unter Umständen fackelte er gar nicht lange.
Fitzwilliam spürte, wie die Eifersucht wie ein riesengroßes Monster in ihm hoch kroch. Er krallte panisch seine Finger in seine Frackschöße unter der Bank und stellte sich vor, es wäre der Hals seines Cousins den er so malträtieren konnte. Ihm blieb förmlich die Luft weg bei der Vorstellung, was sich zwischen Elizabeth und seinem Cousin in diesem Augenblick abspielen konnte. Jetzt, jetzt gleich würde Montgomery sie fragen, er fühlte es in sich, alles bebte in ihm – genau da blickte Elizabeth kurz zu ihm rüber. Er hob mit einem Mal die Augen und sah sie an.
Das was er sah, gefiel ihm nicht. Sie bedachte ihn mit einem äußerst ungnädigen, fast anschuldigenden Blick. Fitzwilliam war völlig irritiert, dann aber äußerst dankbar, dass die Orgel endlich aufbrauste.
Er brauchte ein Weilchen zu lange, um sich aus der Kirche durch die Menge der Leute einen Weg ins Freie zu bahnen, er musste dringend an die Luft, egal wie stark es regnete.
Draußen sah er sich um, aber von Elizabeth keine Spur. Er fluchte stumm. Ohne sich bei den anderen zu entschuldigen rannte er los, in den Park hinein, zunächst ohne Ziel. Er wusste nur eines, nämlich dass er Elizabeth sofort finden musste, um sich hier, jetzt und gleich ihr zu Füßen zu werfen. Nachdem er im Sturmschritt um eine Ecke gebogen war, sah er sie ein gutes Stück voraus laufen, nein, rennen. Er würde es keine Minute mehr länger aushalten, ohne sich ihr erklärt zu haben, so viel war klar. Also beschleunigte er seinen Schritt. Der Regen hatte ihn bereits nach wenigen Yards durchdrungen, ganze Rinnsale liefen seinen Rücken hinab, die Haare eng an den Kopf geklatscht, Frack, Weste und Hemd fühlten sich an, als wären sie gerade ohne Auswringen aus dem Waschzuber gekommen. Nichts davon spürte er wirklich. Nur die Angst, sie an einen anderen zu verlieren, wenn er nicht endlich seinen Gefühlen Luft machte und ihr seine Liebe gestand. Diese Angst trieb ihn vorwärts, bis zu einem großen Pavillon im antiken Stil. Dort hatte sie sich untergestellt, atemlos vom Rennen und fast ebenso durchnässt wie er. Sie sah ihn zuerst nicht kommen und erschrak daher, als er plötzlich vor ihr stand.
