Kapitel 11:

Zwei Jahre ist dies alles nun her. Zwischen dem Colonel und seiner Cousine war seither nichts geschehen, das berichtenswert gewesen wäre, demnach also noch immer nichts Offizielles. Fitzwilliam bezweifelt, dass Lady Catherine inzwischen von der Zuneigung der beiden Kenntnis hatte. Allerdings war der Colonel auch lange Zeit gar nicht in England gewesen, meint er zu wissen. Er ist sehr oft im Ausland unterwegs, manchmal monatelang. Und zu Rosings hatte man ja mehr als ein Jahr keinen Kontakt mehr, lediglich drangen ein paar unwesentliche Neuigkeiten durch, wenn Lizzie Post von Mrs. Collins erhielt.

Georgiana sitzt ihm gegenüber und liest. Sie sieht ihren Bruder kurz an, jetzt da sie seinen Blick auf sich spürt. Er lächelt sie an, sie lächelt zurück. Mit einer kleinen Neigung seines Kopfes weist er auf seine schlafende Frau hin, legt einen Zeigefinger auf seine Lippen. Georgiana nickt und widmet sich wieder ihrem Buch. Viel wird sie nicht mehr lesen können, man ist dem Ziel schon nahe. Die ersten Häuser von Hunsford kommen gerade in Sichtweite. Fitzwilliam entschließt sich nun doch, Elizabeth aufzuwecken. Er vergewissert sich zunächst, dass Georgiana auch tatsächlich in ihre Lektüre vertieft ist, dann dreht er sich um zu seiner Frau. Sehr bedächtig nimmt er ihren Kopf von seiner Schulter und drückt Lizzie in die Kutschenpolster zurück. So hat er sich ein wenig Platz verschafft, um sich ganz zu ihr hinüber zu beugen. Aus den Augenwinkeln beobachtet er Georgiana, die gerade eine Seite umblättert. Dann küsst er mit zarter Vorsicht Elizabeth, verdeckt aber halbwegs geschickt mit seinem Körper diese Aktion vor seiner Schwester. Seine Frau indessen reagiert nicht auf den Kuss.

„Wenn du sie aufwecken möchtest, wirst du dies mit dieser schwachen Berührung wohl kaum erreichen", hört er da Georgiana halblaut sagen „da musst du wahrscheinlich etwas leidenschaftlicher agieren. Und meine nur nicht, mich immer vor derlei Dingen bewahren zu müssen. Oder denkst du ernsthaft, ich hätte noch nie zugesehen, wenn ihr euch richtig geküsst habt?" Sie grinst ihn tatsächlich keck an. Seine Augenbraue schnellt drohend in die Höhe, „Georgiana!" kommt es leise, aber in sehr bestimmtem Ton von ihm. „Lieber Bruder" beeilt sie sich zu antworten, „ich glaube da vorne sehe ich schon das Pfarrhaus".

Er dreht sich rasch wieder um zu Elizabeth und küsst sie erneut, aber diesmal dem Rat seiner Schwester folgend. Elizabeth schlägt die Augen auf und sieht das Gesicht ihres Mannes direkt vor sich. Sie schlingt die Arme um seinen Nacken und presst ihm nun ihre Lippen auf seinen Mund. Er räuspert sich ein wenig und befreit sich verlegen lächelnd von ihrem Zugriff. „Achtung, Georgiana", gelingt es ihm noch schnell, ihr ins Ohr zu flüstern.

Da hält auch schon die Kutsche an, mit rasselndem Geschirr kommen die Pferde zum Stehen. Am Kutschenfenster erscheinen die vertrauten Gesichter von Mr. Collins und einer deutlich von Schwangerschaft gezeichneten Charlotte. Fitzwilliam zeigt sich durchaus erfreut, Mrs. Collins wieder zu sehen, ihrem Mann gegenüber lässt er allerdings nur die übliche floskelhafte Höflichkeit walten. Dieser ergießt einen kaum zu verstehenden Redeschwall über die Reisenden, der einen weiten thematischen Bogen von gewissen Veränderungen auf Rosings, über wiederholt vorgebrachtes enthusiastisches Willkommen bis hin zur eigenen Glückseligkeit über das im Pfarrhaus zu erwartende freudige Ereignis spannt. Elizabeth kann sich ein Lachen nur schwer verkneifen. Als man die letzten Yards rüber nach Rosings zurücklegt, stellt man einhellig in der Kutsche fest, dass manche Dinge und einige Menschen sich eben nie ändern.

Es ist in den vielen Jahren, die Fitzwilliam Darcy zu Ostern nach Rosings reiste, nicht ein einziges Mal vorgekommen, dass ihn seine Tante vor dem Portal des Hauses erwartet hätte. Diesmal aber ist es so. Und sie ist nicht allein, was fast die größere Überraschung darstellt. Neben ihr steht Miss Anne und an deren Seite ein strahlender Colonel Fitzwilliam, dieser allerdings in Zivilkleidung.

Der Schlag der Kutsche öffnet sich, die Lakaien helfen den Insassen beim Aussteigen. Die zweite Kutsche fährt in den Ehrenhof ein, man reicht Mrs. Darcy das Baby. Etwas betreten schweigend macht sich Familie Darcy auf den Weg zu dem auf der Eingangstreppe versammelten Empfangskomitee. Fitzwilliam verbeugt sich, Elizabeth knickst mit Master George auf dem Arm, Georgiana knickst ebenso. Der Colonel und Miss Anne tun das Gleiche.

Dann endlich bricht Lady Catherine das Schweigen „Miss B… ach was rede ich denn da, Nichte Elizabeth, ich heiße Sie wirklich von Herzen willkommen. Mein lieber Fitzwilliam, ich freue mich ganz außerordentlich! Georgiana, mein Kind, lass dich ansehen!" Das ist mit Abstand die familiärste und liebenswürdigste Begrüßung die Lady Catherine fähig ist zu geben. Es fällt ihr nicht direkt schwer, sie findet es nur nach wie vor etwas ungewohnt, mit dieser Leichtigkeit umzugehen. In ihrem Alter kann man sich nun mal nicht so einfach umstellen. Aber sie bemüht sich.

Man begibt sich in das Innere des Hauses. Anne zeigt sich sofort sehr begeistert von dem kleinen Bündel Mensch auf Elizabeth's Arm. Montgomery Fitzwilliam lässt Anne keine Sekunde aus den Augen und bietet ihr bei jeder erdenklichen Gelegenheit seinen Arm. Als alle endlich im Salon Platz genommen haben, gibt es viel zu erzählen.