ChrissiTine na ja, also ich würde nicht sagen, dass jetzt endgültig Schluss ist (vor allem, weil ich dir ne Hochzeit versprochen hab), aber es stimmt schon, dass Harry erst jetzt mal bemerkt, was ihm wirklich an ihr liegt. Auch die nächsten Kapitel werden sich mehr mit Harry befassen. Die Mädles kommen zwar hin und wieder vor, weil ja am Jubiläum die beiden Geschichten praktisch verschmelzen, aber es wird eindeutig mehr um Harry und auch seine Beziehung zu Lyn gehen.
Alraune Vielen Dank! Also das Chap hat meine Freundin geschrieben, aber ich denke es macht nichts, wenn ich noch mal sag, dass die Sache zwischen Harry und Ginny noch nicht gelaufen ist
Tamira na ja, also die Geschichten werden jetzt ja wie gesagt zusammenlaufen und ich hoffe, es ist dann nicht mehr zu verwirrend. Allerdings können wir ja auch schlecht bei jedem Sichtwechsel ein neues Chap anfangen. Mit DD das kommt noch, wir haben uns was mehr oder weniger Logisches ausgedacht (d. h., ich glaube persönlich nicht daran, dass er noch lebt, aber er ist halt so bedeutend für die Story und da haben wir uns halt was aus den Fingern gesogen). Es wird im übernächsten Kapitel noch erwähnt, aber eher am Rande. Wir werden sehen, wie wir die Sache am besten komplett aufklären
Star Danke, freut mich, dass wir die Charaktere so gut getroffen haben! Das hört man irgendwie so oft, aber im Grunde ergibt sich alles beim Schreiben von selbst
Yippieh Bei den ersten Kapiteln ging es uns auch hauptsächlich darum, die Parallelitäten zwischen Harry und Lyn einzubauen, bevor wir mit unserer eigenen Story loslegen. Mit dem Unterricht werden wir mal schauen, wir hatten auch eigentlich nicht vor, soviel von Harrys Unterricht einzubringen, aber wenn wir dann mal in Nebensätzen erwähnt haben, was Harry halt so mit den Kindern macht, haben wir halt Sachen genommen, die wir schon kannten. Es ist nämlich schwierig, zu überlegen, was jetzt für die einzelnen Jahrgänge angemessene Themen sind... Zu Thema Howard/Lyn: Also, da warten wir natürlich noch auf alle Fälle mit. Ich meine, es stimmt schon, die kinder sind 11, da kann man nicht viel erwarten. Aber ich glaube, sie sehen ihre Beziehung gar nicht so liebesmäßig an. Ich meine, in dem Alter habe ich auch Dinge gesagt, die ich heute als flirten bezeichnen würde, die mir damals aber nicht so vorkamen. Also sagen wir, sie verstehen sich gut und wenn sie mal älter sind, 14 oder 15 oder so, sehen wir weiter (haha, das haben wir nämlich alles schon festgelegt).
Das JubiläumDie Woche des Jubiläums brach an und brachte den ersten Schnee mit sich. Harry stand an seinem Fenster und starrte trübsinnig hinaus auf die Ländereien von Hogwarts, die langsam unter einer feinen weißen Schneedecke verschwanden. Er lehnte die Stirn an die kühle Fensterscheibe und dachte mit Wehmut daran, wie er und Ginny im letzten Winter eine Schneeballschlacht im Garten ihres Hauses gemacht hatten und sich anschließend, völlig durchnässt und verfroren, auf dem Sofa vor dem Kaminfeuer gewärmt hatten. Sie hatten sich unter einer warmen Wolldecke zusammengekuschelt und beide einen Becher mit dampfendem Glühwein in der Hand gehabt. Harry seufzte. Er ging zurück an seinen Schreibtisch und wollte sich gerade wieder an seine Arbeit setzen, als es an der Tür klopfte. Überrascht blickte er auf.
„Ja?", rief er nach draußen. Die Tür öffnete sich und ein ihm vertrautes Gesicht schaute lächelnd herein.
„Na, wie geht's dir?"
„Susan!", rief Harry erfreut und erhob sich, „komm doch rein!"
Sie trat ein und setzte sich auf einen der Stühle, die in Harrys kleinem Zimmer platziert waren.
„Was verschlägt dich hierhin? Das Jubiläum?", erkundigte sich Harry rasch, um nicht auf die Frage nach seinem Befinden eingehen zu müssen.
„Eigentlich ist es unsere Bella", meinte Susan und musterte ihn kritisch während sie die dampfende Tasse Kirschtee entgegen nahm, die Harry eifrig zubereitet hatte.
„Ich nehme an, du hast es im Propheten gelesen?", fragte sie und nippte vorsichtig an ihrer Tasse.
„Ja, nun, es ließ sich nicht umgehen", sagte er und lächelte sie gequält an, „ohne diesen Artikel wäre mir so einiges erspart geblieben."
„Entschuldige", sagte Susan und schluckte schwer, „ich wollte wirklich nicht..."
„Ich weiß, schon gut. Das macht die Sache auch nicht besser", sagte Harry und ließ sich erschöpft in den Stuhl gegenüber von ihr sinken. „Es ist nun mal so, da kann man wohl nichts ändern."
„Es tut mir so leid, Harry", seufzte sie und Harry wusste nicht, was er darauf erwidern sollte. Ihm tat es auch leid. Sehr sogar. Aber was geschehen war, war geschehen.
„Schickt dich das Ministerium?", fragte er stattdessen schnell. Susan schien nicht weniger erfreut über den Themenwechsel.
„Jaaah. Ich soll hier alles inkognito im Auge behalten", erklärte sie, „nur zur Sicherheit. Die Dame war immerhin ziemlich alt und man kann nicht wissen, ob sie sich nicht vielleicht geirrt hat. Aber du weißt ja aus eigener Erfahrung: mit Bella ist nicht zu spaßen."
„Ich bin froh, dass das Ministerium nicht so leichtfertig mit solchen Informationen umgeht wie manch anderer. Und ich schwöre dir: wenn sie mir in die Finger kommt, dann –"
Er knackte bedeutungsschwer mit den Knöcheln. Susan lächelte milde, aber er war sich sicher, einen Anflug Mitleid in ihrem Gesicht lesen zu können.
„Harry, ich verspreche dir, dass sich, solange ich hier bin, keiner Sorgen zu machen braucht. Am wenigsten du. Dir geht es in letzter Zeit nicht allzu gut, du solltest dich nicht in etwas reinsteigern", sagte sie beschwichtigend, „wenn du sie wirklich kriegen solltest, falls sie hier rumläuft, ist das natürlich toll, das bezweifelt niemand. Wir alle wissen, dass du einer der besten Auroren deiner Zeit bist, aber du solltest jetzt erst einmal an dich selbst denken. Wir werden dafür sorgen, dass ihr euch alle ein paar nette Tagen machen könnt. Das wird dir sicher gut tun. Wie hoch stehen die Chancen, dass sie wirklich hier ist? Wie viel gilt für dich das Wort einer Zweiundachtzigjährigen?"
Sie stockte auf Harrys verbissene Miene hin.
„Susan, du weißt genauso gut wie ich, was das Wort einer Einzelnen in manchen Lagen bedeuten kann", sagte er scharf.
„Natürlich weiß ich das! Ich will dir nur sagen, dass sie genauso gut noch in Ungarn sein könnte oder sonst wo, in der Antarktis vielleicht. Und ich will dir sagen, dass du dich um nichts zu kümmern brauchst während ich hier bin, und ich bin die ganze Woche hier", setze sie nachdrücklich hinzu.
Harry sah sie zerknirscht an.
„Außerdem bin ich nicht hergekommen, um mich mit dir zu streiten", sagte sie lächelnd.
„Ich bin froh, dass du da bist", sagte er schließlich.
„Ich bin auch froh, dich wieder zu sehen. Es ist echt ziemlich lahm in der Aurorenzentrale ohne dich. Ich muss mich praktisch den ganzen Tag mit Frührentnern rumschlagen", erzählte sie lachend. Harry wusste, dass sie drastisch übertrieb, aber er wusste auch, dass das Aurorenbüro seit ihm und Susan nur zwei weitere Zauberer eingestellt hatte und es somit überwiegend alteingesessene Auroren beschäftigte.
„Und du bleibst die ganze Woche?", fragte er.
„Ja, bis Sonntag. Sie hatten ja Skrupel, mich so lange hierhin zu schicken, falls es zum Ernstfall kommen würde, aber ich habe sie dann doch noch überredet", meinte sie grinsend.
„Skrupel?", wiederholte er stirnrunzelnd. Er verstand bei weitem nicht, wieso man Skrupel haben sollte, Susan in Hogwarts einzusetzen. Natürlich war sie noch relativ jung, aber sie war schon mit so einigen Todessern fertig geworden, und die Hälfte davon, das wusste er, war nicht minder gefährlich als Bellatrix Lestrange gewesen.
Susan hingegen lachte verschmitzt und deutete grinsend auf ihren weiten Umhang. Dann fiel es Harry wie Schuppen von den Augen. Zwar war es schwerlich zu erkennen, dennoch zeichnete sich eine leichte Wölbung ihres Bauches deutlich ab.
„Du bist...? Ihr bekommt ein Baby?", fragte er verblüfft, wo er doch nur wenige Monate zuvor ausführlich die Diskussion zwischen Parvati und Lavender mitbekommen hatte, die nach der Bereinigung der Gerüchte rund um Susans und Justins Ehe allerdings zu dem Entschluss gekommen waren, bei solch hartnäckigen Gemunkel wäre doch meistens ein Funken Wahrheit dran.
„Es kommt im Frühling", verkündete Susan strahlend.
„Das freut mich für euch", meinte Harry lächelnd, jedoch überkam ihn ein Hauch Bitterkeit, als er daran dachte, dass mit der Trennung von Ginny wohl auch die Trennung von sämtlicher Hoffnung auf Nachwuchs gekommen war.
„Und wie es mich erst freut", lachte Susan.
Harry war glücklich, sie so fröhlich zu sehen, denn er wusste genau, dass ihr Leben nicht gerade angenehm verlaufen war.
Allerdings schmerzte es ihn sehr, denn je glücklicher und zufriedener seine Freunde waren, desto mehr sah er sein eigenes Leben in Scherben liegen. Er machte sich nichts vor – es war einfach unmöglich, so zu tun, als würde alles wieder gut werden. Er wusste es, es war alles zu offensichtlich um es zu verdrängen. Geradezu lächerlich kam er sich vor bei dem Gedanken, er könnte noch einmal vor Glück Lachen können. Es war absolut jämmerlich zu glauben, er würde noch einmal einen Menschen finden, den er so lieben könnte wie er Ginny geliebt hatte. Und wie er sie noch immer liebte.
Aber man musste den Tatsachen ins Auge blicken, es nützte doch nichts, davor wegzulaufen. Es war vorbei mit ihm und Ginny, endgültig, für immer.
„Harry?", sagte Susan zaghaft.
Jetzt saß er hier, nutzlos, während Bellatrix dort draußen rumlief. Er trank Tee und dachte darüber nach, was er für ein kümmerliches Dasein fristete, während vor seiner Tür eine Mörderin auf freiem Fuß war. Dieser Frau musste man ein für alle Mal ein Ende bereiten, bevor sie noch mehr Schaden anrichtete als sie es ohnehin schon getan hatte. Er würde nicht weiter hier ruhen und warten, bis sie gegen seine Fensterscheibe klopfte. Für ihn war es sowieso schon gelaufen, da war nichts mehr dran zu rütteln. Es war zu spät, aber es war früh genug um sie zu kriegen. Er wusste, dass er sie kriegen musste.
„Harry?"; wiederholte Susan.
Harry schreckte auf.
„Tut mir leid, ich war gerade mit meinen Gedanken woanders", entschuldigte er sich.
„Schon in Ordnung. Ich muss jetzt auch gehen. Ich hoffe, wir treffen uns noch mal, bevor ich wieder weg bin und ich hoffe, du zeigst der Zaubererwelt, was ein guter Sucher ist", sagte sie und stand auf. Auch Harry erhob sich.
„Und Harry, denk daran, was ich dir eben gesagt hab und bau keine Scheiße", flüsterte sie, während sie ihn umarmte.
Das war nun wirklich das Letzte, was Harry vorhatte. Er würde die Augen offen halten und er würde tun, was getan werden musste.
„Hagrid, nun stellen Sie sich doch nicht so an!", regte Professor McGonagall sich auf, „es ist doch nur ein Spiel, um Himmels Willen!"
Sie standen in einem der Umkleideräume des Quidditchstadions. Harry hatte sich bereits seinen Quidditch-Umhang übergestreift und saß nun nachdenklich auf einer der Bänke, während Professor McGonagall versuchte, Hagrid zu überzeugen, dass er sich nicht bis auf die Knochen blamieren würde – zumindest nicht mehr als die anderen Lehrer.
Harry dachte an Susans Besuch gestern. Ihr Auftauchen hatte es tatsächlich geschafft, seine Stimmung um eine winzige Nuance zu heben.
„Alles in Ordnung, Harry?", fragte eine leise Stimme neben ihm. Harry sah auf. Dumbledore hatte sich neben ihm niedergelassen; er wirkte in dem schlichten schwarzen Quidditchumhang mit den weißen Aufnähern einfach nur ulkig und kauziger denn je.
„Ja, danke der Nachfrage, Professor", erwiderte Harry und zwang sich zu einem Lächeln. Hoffentlich sprach Dumbledore ihn nicht auch noch auf die Sache mit Ginny an.
„Ich habe seit einer Ewigkeit kein Quidditch mehr gespielt", erzählte Dumbledore fröhlich, „das letzte Mal war das während meiner eigenen Schulzeit. Und ich muss sagen, es juckt mich richtig in den Fingern; so ein richtig schönes Quidditchspiel wieder einmal hautnah miterleben zu können, das ist wirklich eine bereichernde Erfahrung."
Harry lächelte.
„Ich glaube nicht, dass wir sehr große Chancen haben, zu gewinnen", meinte er und ließ seine Augen mit kritischem Blick über das restliche Lehrerteam schweifen; Hagrid saß noch immer mit verheulten Augen da und schniefte in regelmäßigen Abständen vor sich hin, Professor McGonagall stand mit rot glühenden Wangen vor ihm und hielt ihm eine Standpauke nach der anderen, Professor Flitwick hatte sich in seinem Quidditchumhang verheddert und Slughorn futterte aus lauter Aufregung einen Schokofrosch nach dem anderen.
„Oh, da bin ich ganz deiner Meinung", erwiderte Dumbledore gut gelaunt, „aber was macht das schon? Es geht doch nur um das Spiel an sich!"
Harry nickte. Er fragte sich, was er wohl für ein Gesicht gemacht hätte, wenn er zu seiner Schulzeit gegen das Quidditch-Team seiner Lehrer verloren hätte.
Wenige Minuten später traten sie hinaus auf das verschneite Quidditchfeld. Die Tribünen waren überfüllt mit Schülern; ein solches Ereignis wollte niemand sich entgehen lassen.
Das Schüler-Team kam ihnen über das Feld hinweg entgegen. Es war eine Auswahl aus den Quidditch-Teams der vier Häuser. Helen Lynch war Harrys Gegenspielerin als Sucherin – das war zu erwarten gewesen. Dass sie mit Abstand die beste Sucherin der ganzen Schule war, konnte niemand bestreiten. Die Jäger wurden gestellt von Lorrain Miller, Ilka Krum, die in Hufflepuff war, und Lindsay Chang, deren Können als Jägerin Harry schon bei den Auswahlspielen aufgefallen war. Thomas Smith war der Hüter des Schülerteams und die Treiber waren Dylan Wood und ein Slytherin-Junge, der aussah, als bräuchte er zum Schlagen der Klatscher nur seine bloßen Hände.
Madam Hooch, die extra für dieses Spiel aus ihrem, wie sie sagte, wohlverdienten Ruhestand nach Hogwarts zurückgekehrt war, würde die Schiedsrichterin machen.
Harry atmete tief durch. Er nahm sich vor, zumindest für dieses eine Spiel sowohl Bellatrix als auch Ginny aus seinen Gedanken zu verbannen.
Die Spieler bestiegen nun alle ihre Besen und auf Madam Hoochs Pfiff stiegen sie in die Luft.
Es war, als wären all seine Sorgen auf dem Erdboden zurückgeblieben. Der Wind rauschte Harry durch die Haare, die Zuschauer um ihn her jubelten laut um die Wette und um ihn her flogen die anderen Spieler durch die Luft.
Harry stieg rasch hoch über den ganzen Tumult. Von hier oben wirkte das Spielfeld klein wie ein Modell und das Lärmen der Menge drang nur schwach an sein Ohr. Während er wachsam über das Spielfeld spähte, bemerkte er, dass Helen sich ebenfalls in luftige Höhe begeben hatte und nun wie er das Geschehen mit ihren Augen verfolgte.
Die Stimme des Kommentators wehte nur Bruchstücke weise an Harrys Ohren, denn der Dezemberwind blies scharf und kalt und trug den Lärm des Quidditchstadions über den Verbotenen Wald davon.
Es war klar zu sehen, dass das Schülerteam die besseren Spieler besaß. Lorrain, Ilka und Lindsay waren einfach schneller und wendiger. Zwar konnte Katie ihnen locker das Wasser reichen, doch Harry bemerkte schmunzelnd, dass Dumbledore und McGonagall mehrere Male von den drei Jägerinnen den Quaffel abgeluchst bekamen, den Katie nur Augenblicke vorher mühsam erkämpft hatte.
Slughorn schien vor den Klatschern noch immer mehr Angst zu haben, als für einen Treiber gesund – wenn er denn die schwarzen Bälle traf, dann waren seine Schläge meist nicht stark genug und die Klatscher änderten ihre Richtung wieder, bevor sie ihr Ziel erreichten. Professor Flitwick machte sich erstaunlich gut; er hieb munter auf die Klatscher ein und traf sogar einige Male. Allerdings machte ihm das windige Wetter ziemlich zu schaffen und Harry überlegte, dass es wohl nur eine Frage der Zeit war, bis es Flitwick vom Besen wehen würde.
Zu ihrem Glück getrauten sich die Treiber des Schüler-Teams wohl nicht so wirklich, die Klatscher gegen Professor McGonagall zu schlagen – und schon gar nicht, Dumbledore anzugreifen. Katie hingegen musste sich einige Male unter einem der tückischen schwarzen Bälle wegducken.
Soweit Harry das Spiel richtig verfolgte, gingen die Schüler rasch in Führung. Am Anfang waren sie wenig glückreich – Hagrid schwebte vor den Torringen wie ein lebendiger Felsen, und selbst Lorrain schaffte es nicht, an ihm vorbeizukommen.
Dummerweise lernten die Spieler des Schüler-Teams rasch dazu und entdeckten bald einen Trick, Hagrids gewaltige Gestalt auszutricksen. Und so stand es nach einer Stunde hundertvierzig zu dreißig für die Schüler.
Harrys Augen suchten jeden Millimeter des Spielfeldes ab, doch der Schnatz ließ sich nicht blicken. Ein kurzer Seitenblick auf Helen sagte ihm, dass auch sie vergeblich nach dem kleinen goldenen Ball Ausschau hielt.
Hagrid war durch die vielen Treffer nun so verunsichert, dass er anfing, Fehler zu machen. Er wirkte unkonzentriert und seine Bewegungen fahrig. Mit gerunzelter Stirn beobachtete Harry das Spiel. Es schien so, als hätte zumindest der Slytherin-Treiber seine Skrupel überwunden, denn nun schlug er die Klatscher auch in Richtung von Professor McGonagall und Professor Dumbledore. Eine halbe Stunde später stand es hundertneunzig zu dreißig.
In diesem Moment erblickte Harry einen kleinen goldenen Schimmer am Rande des Spielfeldes. Er warf Helen einen raschen Blick zu – sie schien es noch nicht bemerkt zu haben.
Harry zögerte. Sollte er den Schnatz fangen? Irgendwie hatte er das Gefühl, er müsse den Sieg den Schülern überlassen. Und dann fiel es ihm wie Schuppen vor den Augen:
Das Schüler-Team lag mit hundertsechzig Punkten vorne – wenn er jetzt den Schnatz fing, würden dennoch die Lehrer verlieren! Harry grinste zufrieden und ging über in einen steilen Sinkflug.
Die Welt rauschte in rasender Geschwindigkeit an ihm vorbei. Wie verschiedenfarbige Schatten rauschten die anderen Spieler und die Zuschauer an ihm vorbei – Helen war ihm dicht auf den Fersen, das wusste er – die Hände fest um den Besenstiel geklammert und hochkonzentriert hielt Harry weiter auf den kleinen goldenen Schimmer zu, der dort unten am Fuß des Spielfeldes flatterte.
Der Boden kam näher.
In letzter Sekunde riss Harry seinen Besen in die Waagerechte und flog wenige Handbreit über dem Boden weiter. Immer dichter kam er an den kleinen goldenen Ball heran. Schräg hinter sich konnte er Helen aus den Augenwinkeln wahrnehmen. Sie folgte ihm noch immer. Harry starrte konzentriert auf den Schnatz, der vor ihm davonflog.
Ein unheilvolles Rauschen und Sirren näherte sich ihm von hinten. Ein Klatscher, keine Frage. Harry warf sich flach auf den Besen und der schwarze Ball zischte Zentimeter über seinen Kopf hinweg. Rasch richtete Harry sich wieder auf – der Schnatz war jetzt ganz nah – er streckte die Hand aus – warf sich nach vorne – und der kleine goldene Ball flatterte zwischen seinen Fingern.
Harry zog seinen Besen in die Höhe. Auf der Tafel, die den Spielstand anzeigte, stand zu lesen:
Lehrer – 180
Schüler – 190
Harry lächelte zufrieden, während auf den Tribünen ein Begeisterungssturm losbrach. Er verlangsamte sein Tempo und flog gemeinsam mit den anderen Spielern zurück zum Boden. Sie landeten im weichen Schnee und das Schüler-Team fiel sich gegenseitig um die Hälse.
Dumbledore kam mit zerzaustem Haar und Bart auf Harry zu und strahlte ihn an.
„Gut gemacht!", meinte er und klopfte Harry auf die Schulter, „eine Glanzleistung, Harry, wirklich!"
„Wahnsinn, Harry, so nen Schnatzfang hab ich lange nicht mehr gesehen!", rief Katie begeistert und fiel ihm strahlend um den Hals, „ich dachte ja noch, Dylans Klatscher erwischt dich, aber nein, du hast es tatsächlich geschafft!"
„Dylan hat also den Klatscher geschlagen", meinte Harry und wandte sich Dylan Wood zu, der ihn ein wenig unbehaglich ansah.
„Professor, tut mir leid, ich wollte Sie eigentlich gar nicht treffen", meinte er ein wenig verlegen.
„Haben Sie ja nicht, Mister Wood", erwiderte Harry lächelnd, „und schließlich, genau dazu sind Sie doch im Spiel, um die gegnerischen Spieler zu treffen."
Dylan lächelte erleichtert.
Harry wandte sich Helen Lynch zu. Ob es sie wohl wurmte, dass sie es nicht geschafft hatte, den Schnatz zu fangen? Zu Harrys Überraschung strahlte sie ihn an.
„Wahnsinn", sagte sie, „ich habe ja schon gehört, dass Sie in Ihrer Schulzeit ein sehr guter Sucher waren, aber dass Sie so gut sind – Respekt!"
„Danke", antwortete Harry, „Sie fliegen aber auch außerordentlich gut, Miss Lynch. Ihr Vater muss stolz auf Sie sein."
Helen grinste geschmeichelt.
Harry wollte gerade noch etwas sagen, als sein Blick auf die Tribüne fiel – und er augenblicklich verstummte. Dort stand, in der zweiten Reihe, ganz am Rand, eine schlanke Gestalt mit langem rotem Haar. Ginny.
Harry schluckte. Er blickte hinauf zu ihr. Doch in diesem Moment schien sie zu bemerken, dass er sie entdeckt hatte, und sie wandte sich um und ging.
Harry hatte einen dicken Kloß im Hals. Die Hochstimmung, die er noch eben verspürt hatte, als er den Schnatz gefangen hatte, verpuffte wie ein Rauchwölkchen.
Später gab es ein großes Festessen in der Großen Halle, mit dem das 1234-jährige Jubiläum der Schule offiziell eröffnet wurde. Harry hatte das Gefühl, dass der Ausgang des Spiels für alle Beteiligten am besten war, und dennoch stellte sich keine Zufriedenheit bei ihm ein. Er sah sich immer wieder um, ob Ginny nicht vielleicht noch auftauchen würde, doch eigentlich wusste er selbst, wie unsinnig diese Gedanken waren.
„Dein Schnatzfang war phantastisch", meinte Susan und setzte sich neben ihn. Harry nickte abwesend. „Was ist los?", fragte Susan beunruhigt.
„Sie war da", seufzte Harry und starrte in seinen Krug mit Glühwein, „Ginny. Sie hat sich das Spiel angeschaut. Ich hab sie erst hinterher bemerkt. Und dann ist sie einfach wieder gegangen."
Susan schwieg einen Augenblick.
„Was hattest du denn erwartet, was sie tun würde?", meinte sie leise.
„Ich weiß nicht", erwiderte Harry, „aber irgendwie – dass sie so einfach verschwunden ist, ohne irgendwie auch nur hallo zu sagen..."
„Hättest du dich an ihrer Stelle anders verhalten?", fragte Susan. Harry schwieg. Sie hatte Recht. Er seufzte erneut.
Susan gab ihm einen Stoß in die Seite.
„Jetzt blas kein Trübsal", meinte sie, „davon wird nichts besser! Genieß das Jubiläum, so eine Feier wirst du kein zweites Mal miterleben."
Unter den einströmenden Massen, die sich seit Anfang der Woche stets vermehrten, fanden sich am Donnerstagnachmittag auch Ron und Hermine mitsamt ihren Kindern. Überall im Schloss waren Zimmer und Säle für die Besucher eingerichtet und auf dem Gelände häuften sich die Zaubererzelte, die Harry das letzte Mal auf der Quidditchweltmeisterschaft gesehen hatte. Nur waren sie noch prunkvoller, offenbar waren ihre Besitzer der Meinung, auch ruhig einmal zeigen zu können, was sie hatten. Er hörte noch heute Mr. Weasleys Worte im Ohr: „Wir können es einfach nicht lassen, ein wenig zu prahlen, wenn wir zusammenkommen."
Früher hätte es ihm Freude bereitet, all das zu bestaunen, aber heute würde es ihm nicht einmal auffallen, wenn unter den geschmückten Zelten ein Schloss von der Größe eines Hochhauses stehen würde.
Unter normalen Umständen hätte er den Besuch seiner Freunde sehnlichst erwartet und sich gefreut, sie in Hogwarts begrüßen zu können. Er hätte mit ihren Kindern gespielt und er hätte sich über Sirius und James amüsiert, darüber, wie ihre Mutter sich über sie aufregte und wie Ron jedes Mal ein wenig bedröppelt daneben stand. Wäre allerdings alles normal gewesen wäre Ginny da.
Den ganzen vorigen Nachmittag hatte er in seinem Zimmer gesessen und war nicht in der Lage gewesen, auch nur einen Schritt nach draußen zu tun, wenn es nicht unbedingt sein musste. Auch jetzt saß er wieder dort. Auf seinem Schreibtisch lag ein Fotoalbum und er konnte sich noch genau an den Abend erinnern, als er bei Ginny in Hogsmeade gewesen war und sie diese Bilder eingeklebt hatte. Harry hatte die ganze Zeit wie ein kleines Kind gequengelt, dass sie das auch noch später erledigen könnte.
Ginny hatte nur gelacht und gesagt, irgendwann wären diese Bilder vergessen, wenn sie es nicht jetzt täte und irgendwann würden sie sich darüber freuen, gemeinsam die Fotos zu betrachten.
Doch nun saß er allein mit diesen Fotos dort und er konnte sich nicht entschließen, ob es schlimmer war ihn und Ginny so glücklich zusammen zu sehen oder ob es schlimmer wäre, sie überhaupt nicht mehr zu sehen.
Damals wäre er nie auf die Idee gekommen, dass es einmal so enden würde. Er hatte nicht einen Gedanken daran verschwendet, dass es überhaupt einmal enden würde.
Er und Ginny im Schnee. Er und Ginny mit Julia im Arm. Er und Ginny auf Hannahs und Nevilles Hochzeit. Er und Ginny im Fuchsbau. Ginny in ihrem Gärtchen in Hogsmeade. Harry, wie er dort Äpfel pflückte. Ginny mit dem fertigen Apfelkuchen.
Er knallte das Album zu. Im selben Moment ertönte ein lautes Klopfen.
„Herein", rief er missmutig.
Die Tür tat sich langsam auf und Hermine wurde von Ron hereingeschoben, der auf einem Arm Jack hielt, gefolgt von Julia, Liv und Sirius und James. Hermine lächelte sanft, Ron schaute ein wenig verwirrt drein, so als ob er sich nicht genau entscheiden könnte, ob hier eine mitleidige oder betont fröhliche Miene am besten passte. Liv strahlte über das ganze Gesicht, Julia schaute genauso drein wie eh und je und Sirius und James warfen sich bisweilen eigentümliche Blicke zu.
„Hallo Harry", sagte Hermine lächelnd.
„Hallo", sagte Harry schnell und probierte, das Fotoalbum unauffällig in seiner Schreibtischschublade verschwinden zu lassen.
„Harry, Mann", sagte Ron und ließ Hermine für einen Augenblick los, um ihm freundschaftlich auf die Schulter zu schlagen. Dann jedoch griff er direkt wieder nach ihrer Hand und schaute sie mit einem Gesichtsausdruck an, als glaube er daran, dass sie alles wieder in Ordnung bringen könnte.
Aber Harry wusste, dass sie das nicht konnte. Das konnte keiner.
Harrys rieb sich schnell übers Gesicht. Er hatte gar nicht registriert, dass ihm beim Blättern durch das Album die Tränen gekommen waren. Er wollte nicht, dass die Kinder ihn so sahen. Doch auch ohne die Tränen war ihm klar, dass er einen jämmerlichen Eindruck machen musste.
„Hallo Onkel Harry", quietschte Liv und Harry musste schief grinsen. Ob sie ihn immer noch „Onkel" nennen würde, wenn sie wüsste, was vorgefallen war?
„Hallo Liv", sagte er und bückte sich, als sie ihre kleinen Ärmchen nach ihm ausstreckte. „Kommt her, meine Feen", sagte er und breitete die Arme aus, in die sich Julia und Liv direkt stürzten.
Sirius und James traten beunruhigt von einem Fuß auf den anderen.
„Geht raus spielen", sagte Hermine betreten und scheuchte Sirius und James mit einer unwirschen Handbewegung aus dem Zimmer, „Nun macht schon, Fred und George warten unten auf euch."
Sie waren also auch hier, dachte Harry verbittert. Niemals hatte er je daran gezweifelt, als Familienmitglied der Weasleys betrachtet zu werden. Jetzt allerdings – jetzt war alles anders.
„Ihr auch", wandte sich Hermine an Julia und Liv, „nehmt Jack mit und geht zu Katie."
Kaum hatten die Kinder das Zimmer verlassen, als Hermine auch schon leise anfing zu schluchzen. Sie schaute zuerst Ron an, der noch immer fest ihre Hand hielt, dann fiel sie ihm um den Hals. Ron tätschelte ein wenig unbeholfen ihren Rücken.
Harry kam sich höchst unwohl in seiner Haut vor. Sollte er es nicht eigentlich sein, der weinte? Aber wahrscheinlich hatte er nicht nur sein eigenes Leben zerstört, sondern seine Freunde auch noch in eine leidliche Zwickmühle gebracht.
Immerhin war Ginny Rons Schwester und Hermines Freundin.
Es würde schwer für sie werden.
Hermine hatte sich von Ron gelöst und sich nun an ihn klammerte.
„Oh Harry", sagte sie wieder und wieder, „oh Harry, oh Harry, oh Harry..."
„Es ist gut, Hermine", sagte Ron mit gesenkter Stimme und zog sie am Umhang zurück.
„Gar nichts ist gut", schrie Harry plötzlich wütend, „gar nichts ist gut, verdammt noch mal!"
Er packte sein Wasserglas und warf es aufgebracht zu Boden. Seine Stimme bebte. Doch so plötzlich wie die Wut in ihm aufgekommen war, verschwand sie auch wieder und machte entsetzlicher Trauer Platz.
„Es wird nie wieder gut", sagte er leise und ließ sich erschöpft auf seinen Stuhl fallen. Seine Augen waren feucht und die Tränen, die er vorhin erst so schwerlich zu verbergen versucht hatte, rannen ihm die Wangen herunter.
„Harry, Mann", wiederholte Ron.
„Oh Harry...", schluchzte Hermine, „oh Harry."
Ron hatte sie wieder an sich gezogen. Ob zu seiner oder ihrer Beruhigung wusste Harry nicht.
„Und, wie gefällt euch das Fest?", fragte Harry rasch.
„Toll, es ist einfach toll", sagte Hermine müde lächelnd.
„Kommt, wir gehen runter", sagte Ron und bugsierte Hermine sanft aus dem Raum.
„Ich...ich komm direkt", meinte Harry. Ron nickte geistesabwesend und schloss die Tür hinter sich. Harry eilte in sein kleines Badezimmer und drehte den Hahn auf. Kaltes Wasser lief ihm über die Hände und er klatschte es sich ins Gesicht.
So lange Zeit hatte er damit verbracht, seine Situation zu bedauern, aber nun musste er sich beherrschen. Es machte doch alles nur noch schlimmer, für alle. Er wollte Hermine nicht mehr weinen sehen, genauso wenig wollte er Ron so hilflos dastehen sehen. Er wollte einfach, dass alle sich verhielten wie immer.
Wenige Minuten später war er aus dem Schloss getreten und fand Hermine und Ron mitten im Winterschnee wieder. Julia hatte ihre Bommelmütze tief ins Gesicht gezogen und Liv hatte eine scharlachrote Nase, während sie mit Sirius und James im Schnee tollten. Sie sahen aus wie zwei kleine Engel. Sirius und James erinnerten eher an Kobolde, stellte er leicht schmunzelnd fest. Fred und George standen neben den beiden und verhexten Schneebälle. Ron und Hermine hielten sich an den Händen gefasst und betrachteten ihre Kinder glücklich.
All das hätte er auch haben können. Aber jetzt war es zu spät. Er hatte eine Weile so da gestanden und sie beobachtet, dass er nicht bemerkte, wie sich eine Frau mit einem kleinen Jungen auf dem Arm herbeischob. Sie hatte einen dicken Schal um Hals und Kopf gewickelt, nur hie und da spähten ein paar flammendrote Haare heraus. Ginny war wieder da. Er wusste nicht, ob er lieber auf dem Absatz kehrt gemacht hätte oder auf sie zugerannt wäre und sie geküsst hätte, als wäre alles wieder wie früher.
Allerdings war eines so falsch wie das andere. Eigentlich war alles falsch und nichts mehr richtig. Nichts war mehr so wie es sein sollte. Er bahnte sich seinen Weg durch das Getümmel. Er merkte, wie Ginny ihn kurz anblickte, ihm aber dann direkt wieder den Rücken zuwandte. Ron und Hermine hatten ihn auch gesehen und lächelten ihm matt entgegen. Er ging langsam auf sie zu. Das beste würde es wohl sein, er verhielt sich ganz normal. Er wusste, dass dies das einzig richtige war was er tun konnte und er wusste ebenso, dass Ginny es ebenso wusste.
Er gesellte sich ein wenig zu Ron und Hermine, dann traten Fred und George zu ihnen und Harry war glücklich, dass sie die Lage so weit es ging ignorierten und ihre Witze machten wie eh und je.
Es war so erbärmlich kalt, dass Hermine zitterte und Harry zitterte auch. Ron fröstelte ein wenig. Harry war sich beinahe sicher, dass dies nichts mit dem Winterwetter zu tun hatte. Es war eher die Stimmung, die kälter war als das eisigste Klima und zerbrechlicher war als das dünnste Eis, auf das man gespannt einen Fuß setzte und abwartete, ob es einen trug.
Tatsächlich trug das Eis sie ein Stück weit und Fred und George redeten bald über ihre neuesten Scherzartikel und Hermine plauderte über das Ministerium, während Ginny und Harry stumm daneben standen und gelegentlich nickten oder zustimmende Geräusche von sich gaben oder den Kindern Ermahnungen zuriefen.
Als das Eis anfing unter ihren Füßen zu brechen lief erfreulicherweise Emma, gefolgt von Lyn und Claire, vom Schloss herunter zu ihnen.
„Mum! Dad!", rief sie und warf sich glücklich in die Arme ihrer Eltern. Bei Ron klappte das einwandfrei, bei Hermine jedoch hatte sie einige Schwierigkeiten. Bald würde ihr Baby geboren werden und Hermines Bauch hatte den Umfang eines aufgeblasenen Wasserballs angenommen.
„Emma, wie geht es dir, Schatz?", fragte Ron und strich ihr übers Haar.
„Prima", meinte Emma strahlend, „prima."
„Hallo Claire", sagte Hermine fröhlich und beugte sich zu ihr herunter, um ihr einen Kuss auf die Wange zu geben. Ron verstrubbelte indes ihre silberblonde Mähne.
„Und du musst Lyn sein", wandte sich Hermine dann an das schwarzhaarige Mädchen, das etwas schüchtern hinter Claire stand.
„Ja, hallo, Mrs. Weasley", sagte sie und schüttelte Hermines Hand.
„Hallo Lyn", sagte nun auch Ron und reichte ihr ebenfalls seine riesige Hand.
„Hallo Mr. Weasley", erwiderte sie artig.
Harry sah wie Ron sie ein wenig ungläubig von der Seite musterte, sich aber bemühte, dies heimlich zu tun. Allerdings war es mehr als offensichtlich. Er schüttelte kaum merklich den Kopf und Harry bemerkte, wie er einmal kurz die Augen schloss und sie dann wieder öffnete, vermutlich um sicher zu gehen, dass er richtig sah. Harry schmunzelte.
„Onkel Harry, Onkel Harry", rief Liv aufgeregt und hastete auf ihn zu. Ihre Locken wippten auf und ab und ihre Wangen glühten rot. „Baust du einen Schneemann mit mir, Onkel Harry?", schnaufte sie und ihre Augen funkelten.
„Natürlich, Liebes", sagte er, hob sie auf seinen Arm wobei der Schnee von ihrer Mütze ihm das Gesicht nässte und stampfte mit ihr zu Julia, die ein wenig abseits stand und schon angefangen hatte zu bauen.
Er war froh, den ewigen mitleidigen und besorgten Blicken der anderen entkommen zu sein.
„Du machst die untere Kugel, Onkel Harry", wies Liv ihn an und Harry machte sich an die Arbeit. Wenige Minuten wühlte er einfach nur im weißen Schnee vor sich hin und ließ sich von Liv und Julia abwechselnd Anweisungen erteilen, wie der Schneemann aussehen musste und wie er die Kugeln am besten formte. Die Mädchen waren mit Vergnügen bei der Sache und lachten, als könnte ihr Leben nicht besser sein. Harry wünschte sich sehnlichst, er könnte das auch von sich behaupten, aber er wusste, dass es hoffnungslos war.
„Lass meinen Schneemann in Ruhe", hörte er Liv ärgerlich rufen, „du machst ihn noch kaputt!"
Harry drehte sich um und sag einen kleinen Jungen dort stehen, nicht älter als Liv, der hämisch kicherte und sich erneut bückte, um einen Schneeball zu formen. Liv sag ihn säuerlich an und drohte:
"Wenn du das noch einmal machst, dann ruf ich meinen Onkel!"
Sie stemmte ihre kleinen Händchen in die Hüften und Harry fiel auf, dass sie so eine verblüffende Ähnlichkeit mit ihrer Mutter hatte.
Der Junge schien sich daran aber nicht weiter aufzuhalten, sondern feuerte den nächsten Schneeball ab. Liv schnaubte aufgebracht.
„Lass das!", quietschte sie wieder.
Der Junge warf ihr einen Schneeball mitten ins Gesicht. Nun ärgerte sich auch Harry.
„Komm schon, Abraxas", vernahm er eine kalte Stimme hinter Abraxas und ein junger Mann mit bleichem Gesicht und spitzem Kinn legte dem Übeltäter eine Hand auf die Schulter.
Abraxas entwand sich jedoch schnell dem Griff seines Vaters und stürzte sich auf die kreischende Liv, deren Vater nun aufgeschreckt durch das Geschimpfe und Geheule seiner Tochter, angelaufen kam. Der blonde Mann scherte sich nicht weiter darum und wandte sich wieder ab. Harry hatte die ganze Zeit einige Meter daneben gestanden ohne sich zu rühren, nur jetzt schreckte er auf und schämte sich ein wenig, denn er hätte doch schon längst eingreifen müssen.
„Kannst du das nicht lassen?", schrie Ron den Jungen an und riss ihn, am Genick gepackt, zurück. „Wo sind überhaupt deine Eltern?"
Er hatte Liv hochgenommen und drückte sie nun Harry in die Arme.
„Der Junge da ist total blöd", flüsterte sie Harry zu, „guck mal hier." Sie deute auf einen Kratzer unter ihrem Auge.
„Komm her, Schätzchen, das geht bald schon wieder", murmelte er und sie vergrub ihren lockigen Kopf in seinem Arm.
Ron inzwischen fauchte Abraxas weiter an: „Haben deine Eltern dich nicht erzogen? Man geht nicht auf kleine Mädchen los!"
„Lass meinen Sohn gefälligst in Ruhe, Weasley", mischte sich der Vater Abraxas' nun wieder in das Geschehen.
„Oh", sagte Ron, „du bist es, Malfoy."
„Ja, ich bin es", sagte Malfoy und strich sich sein Haar aus dem Gesicht, während er seinen Jungen hinter sich schob, „was fällt dir ein, so mit meinem Sohn umzugehen?"
„Dein Sohn", sagte Ron laut, „hat meine Tochter geschlagen."
Malfoy zog eine Augenbraue hoch. Es schien ihn nicht im mindesten zu interessieren, für welche üblen Verletzungen sein Sohn soeben gesorgt hatte.
„Mein Sohn wird seine Gründe gehabt haben", meinte Malfoy kalt.
„Oh, ja, sicher, natürlich", rief Ron verärgert. Rons Ohren waren nun knallrot. „Ich wird dir gleich mal zeigen, was hier Gründe sind."
Harry seufzte, obwohl er Rons Wut durchaus nachvollziehen konnte. Was fiel Malfoy eigentlich ein? Liv wimmerte ein wenig und Julia hatte sich an sein Bein geklammert. Harry konnte sich gut vorstellen, dass sie ihren Vater noch nie so wütend erlebt hatten. Harry tat sein bestes, um die beiden zu beruhigen und er strich Julia wieder und wieder übers Haar während er Liv sanft in seinem Arm wiegte.
„Tu das, Weasley", sagte Malfoy ungerührt.
Ron funkelte ihn an, trat einige Schritte auf ihn zu und holte weit aus. Dann verpasste er Malfoy einen Schwinger, der es zweifelsfrei in sich hatte. Harry stöhnte angesichts Malfoys blutender Nase auf.
Hermine, die das Spektakel, das sich hinter ihrem Rücken ereignete, erst jetzt bemerkt haben zu schien, schrie auf:
„Ron, lass das! Das hat doch keinen Sinn!"
Sie rannte auf sie zu und versuchte, Ron zurückzuziehen, allerdings erfolglos, denn genau in diesem Augenblick hatte Malfoy zu einer Gegenattacke angesetzt und Hermine musste sich in Deckung bringen, um nicht selbst getroffen zu werden. Ehe sie sich versehen hatte, steckten Ron und Malfoy in einer Prügelei, die es so in sich hatte, dass Hermine keine Möglichkeit mehr blieb, ihren Mann unversehrt daraus heraus zu bekommen.
„Jetzt lasst es doch endlich!", tobte Hermine, „das ist einfach zu lächerlich, Ron! Lass das!"
Sie atmete einmal tief durch, dann zückte sie ihren Zauberstab und binnen weniger Minuten hatte sie dem allen ein Ende gesetzt. Malfoy und Ron lagen blutend im Schnee, nicht fähig, sich zu rühren.
„Na bitte, das hat schon immer funktioniert", sagte sie mit bebender Stimme und bemüht ruhig. Dann nahm sie die Ganzkörperklammer von den beiden.
Malfoy schnaubte verächtlich, wischte sich das Blut aus dem Gesicht und stolzierte ohne ein weiteres Wort zurück zu seiner Frau und seinen Söhnen.
Ron rappelte sich zerknirscht auf. Hermine rannte auf ihn zu und nahm sein Gesicht in die Hände, um ihn bekümmert zu mustern.
„Ist dir was passiert?", flüsterte sie und küsste ihn auf die Wange, „lass mal schauen..."
Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass Ron in bester Ordnung war, fiel ihr jedoch wieder ein, was vorgefallen war und sie schrie ihn an:
"Was hast du dir bloß dabei gedacht? Wirst du denn nie erwachsen? Du solltest dich schämen! Vor den Augen deiner Kinder! Du prügelst dich hier wie ein kompletter Idiot! Das kann ich nicht fassen, das kann ich nicht fassen! Lächerlich, einfach lächerlich – "
„Lass schon gut sein, Hermine", sagte eine leise Stimme hinter ihr. Harry brauchte sich nicht umzuwenden, um zu erkennen, dass Ginny an sie herangetreten war. Sie hatte Hermine einen Arm um die Schulter gelegt und sagte: „Reg dich nicht so auf, Hermine, das ist nicht gut für dich. Er hat ja bekommen, was er verdient."
Sie warf Ron einen bösen Blick zu, Harry jedoch ignorierte sie.
„Hermine, nun ist aber mal gut", rief Ron aufgebracht, „sieh dir Liv an."
Er riss seine Tochter an sich und zeigte ihr den winzigen Schnitt unter ihrem Auge, den sie Abraxas zu verdanken hatte.
„Nun, kein Grund, dich so lächerlich zu machen! In aller Öffentlichkeit! Es hätte sicher noch andere Möglichkeiten gegeben. Aber so was! Nein, ich kann es nicht glauben!", fauchte Hermine wütend.
„Hermine", flüsterte Ginny, „du solltest dich nicht so aufregen!"
„Aber das ist doch einfach ungeheuerlich! UNGEHEUERLICH!", schrie Hermine. Sie beruhigte sich nur ganz allmählich auf Ginnys Zureden hin. Harry bemühte sich krampfhaft, einerseits nicht unbeteiligt von der ganzen Aktion zu wirken, und andererseits Ginny nicht zu beachten.
„Vielleicht – ähm – sollten wir einfach alle reingehen", meinte er ein wenig unsicher und versuchte Julia, die sich immer noch an sein Bein klammerte, von ihm zu lösen, „sonst holen sich die Kinder noch eine Erkältung."
„Ja, gehen wir rein!", stimmte Ron ihm erleichtert zu. Ihm schien die Aktion mit Malfoy nun doch ein wenig peinlich zu sein.
Mit den Kindern im Schlepptau machten sie sich auf den Weg zurück ins Schloss. Emma, Claire und Lyn waren längst zum Ufer des Sees verschwunden, um zu testen, ob das Eis schon dick genug war, um sie zu tragen.
In der Großen Halle wurde seit einigen Tagen ständig heiße Schokolade und Glühwein ausgeschenkt, die von den fleißigen Hauselfen im Akkord produziert wurde. Durchgefroren, wie sie waren, ließen sie sich erleichtert an einem der vielen Tische nieder, die nun statt der vier großen Haustische in der Großen Halle standen. Als endlich alle Kinder einen Platz gefunden hatten, saßen Harry und Ginny sich genau gegenüber. Harry fühlte sich äußerst unbehaglich dabei; er strengte sich weiterhin an, so zu tun, als sei Ginny nicht anwesend.
Hermine musterte stirnrunzelnd die Hauselfen, die mit Tabletts vollbeladen mit Bechern heißer Schokolade und Glühwein zwischen den Tischen umherwuselten und mit piepsenden Stimmchen die Leute nach ihren Wünschen fragten.
„Ich frage mich, ob ihnen diese Überstunden auch angemessen bezahlt werden!", murmelte sie vor sich hin.
„Ich glaube schon, Hermine", meinte Harry, der fürchtete, sofort wieder mit einem Vortrag über die Arbeit von B.ELFE.R überfallen zu werden.
Eines der Tabletts wuselte zu ihnen heran, so vollbeladen mit Bechern, dass der zugehörige Hauself offenbar Mühe hatte, nicht die Balance zu verlieren. Ein kleines rundes Gesicht mit riesigen Fledermausohren, großen Glubschaugen und einer bleistiftdünnen Nase kam unter dem Tablett zum Vorschein.
„Möchten Sie etwas trinken?", quiekte der Hauself, bevor er plötzlich verstummte und seine Augen sich weiteten, „Harry Potter, Sir!"
„Hallo Dobby", grinste Harry, „wie geht es dir?"
„Dobby geht es prächtig, Sir, vielen Dank!", quiekte Dobby aufgeregt und versuchte vergeblich, sich zu verbeugen, wobei ihm fast das Tablett von den Händen rutschte. Hermine fing es in letzter Sekunde auf.
„Danke, Mrs. Weasley!", keuchte Dobby, „möchten Sie etwas trinken?"
„Ich mach das schon", meinte Harry rasch und nahm einige der Becher von dem Tablett. Die Kinder stürzten sich begeistert auf die heiße Schokolade. Harry blickte Ginny nicht an, als er einen Becher mit Glühwein in ihre Richtung schob.
Hermine unterhielt sich indes mit Dobby.
„Oh ja", quiekte er gerade und nickte eifrig, „Professor Dumbledore hat darauf bestanden, die Hauselfen für die Woche des Jubiläums doppelt zu bezahlen. Und er hat sogar eine Extraerhöhung beim Weihnachtsgeld angesetzt. Er sagte, das sei nur gerecht, weil doch das Jubiläum so viel mehr Arbeit für die Hauselfen bedeutet."
„Und wie haben die anderen Hauselfen die Entscheidung Professor Dumbledores aufgenommen?", erkundigte Hermine sich. Dobby wiegte seinen großen Kopf hin und her.
„Oh, sehr unterschiedlich, Mrs. Weasley, sehr unterschiedlich. Einige sind begeistert davon, sie freuen sich sehr. Aber es gibt sehr viele Hauselfen, die überhaupt kein Verständnis für die Entscheidung ihres Meisters aufbringen können. Natürlich reden sie nicht schlecht über Professor Dumbledore, oh nein, das würden sie niemals tun! Aber Dobby merkt es, dass sie Professor Dumbledore für verrückt halten."
Hermine seufzte.
„Nun ja, es ist immerhin ein Fortschritt, wenn du nicht mehr der Einzige bist, der erkennt, dass Freiheit ein Grundrecht eines jeden Hauselfen ist", meinte sie.
In der Nacht setzte der Schneefall wieder ein. Am Freitagmorgen war die weiße Decke, die noch am Tag zuvor mit Fußspuren übersäht gewesen war, wieder vollkommen eben und unberührt.
Beim Frühstück in der großen Halle rieselten die Schneeflocken von der Decke und verloren sich auf halben Weg zum Boden ins Nichts.
Hermine und Ron mit ihren Kindern schienen die erste Nacht gut überstanden zu haben; sie wirkten wunderbar erholt und ausgeschlafen. Harry konnte das von sich selbst nicht behaupten. Er hatte wieder die halbe Nacht wach gelegen, war immer wieder kurz eingeschlafen und wenige Zeit später wieder hochgefahren, mit Ginnys Gesicht vor Augen. Müde saß er am Tisch und kaute lustlos auf seinem Toast herum.
„Was hast du heute noch vor, Harry?", fragte Ron mit vollem Mund. Harry zuckte die Achseln, während Hermine ihrem Mann einen tadelnden Blick zuwarf.
„Ich habe gehört, dass draußen ein Schloss aus Schnee aufgebaut wurde, in verkleinerter Form, für Kinder", meinte Hermine. Sofort begann Liv zu betteln:
„Oh Mum, bitte! Darf ich dahin? Darf ich? Bitte, Mum!"
„Ja, Liv, nach dem Frühstück!", erwiderte Hermine und wischte Liv den Mund sauber, der mit Erdbeergelee verschmiert war.
„Morgen Mum, Dad!", ließ sich plötzlich eine Stimme vernehmen. Emma, Claire und Lyn waren an den Tisch heran getreten.
„Guten Morgen mein Schatz!", begrüßte Hermine ihre älteste Tochter.
„Wir können uns doch zu euch setzen, oder?", fragte Claire und ließ sich, ohne eine Antwort abzuwarten, neben Sirius und James nieder. Auch Emma und Lyn setzten sich an den Tisch.
„Mum, ich wollte dich noch was fragen", begann Emma, „wäre es nicht möglich, eine Jugendorganisation von B.ELFE.R hier in Hogwarts aufzumachen?"
Hermine sah ihre Tochter überrascht an.
„Wie kommst du denn darauf?", fragte sie.
„Ich habe mich mit zwei Mädchen unterhalten, auf einer Party bei Professor Slughorn. Und wir kamen auf die Idee, dass B.ELFE.R doch eine Jugendorganisation gebrauchen könnte."
Sofort waren Hermine und Emma in eine eifrige Diskussion über die Planung einer solchen Jugendorganisation vertieft.
Nach dem Frühstück gingen sie hinaus, wo das Schneeschloss für die Kinder errichtet worden war. Es war mit einem speziellen Zauber belegt, der verhinderte, dass der Schnee auseinander fiel, wenn die Kinder darüber stapften.
Liv und Julia stürzten sich mit begeistertem Jubel auf das Schloss. Sie krochen durch den Eingang und waren bald im Inneren verschwunden.
„Eine schöne Idee, so was für die Kinder zu bauen", meinte Ron zufrieden und legte Hermine einen Arm um die Schultern. Harry sah den Kindern lächelnd zu, die durch die Gänge des Schlosses tobten.
„Haaallooo Muuuuum!", schrie Liv aus dem obersten Fenster des einen Turmes und winkte begeistert. Hermine lachte und winkte zurück.
„Serr schön das Schloss, nicht war?", sagte plötzlich eine tiefe Stimme hinter ihnen. Sie wandten sich um. Ein großer kräftiger Mann, in einen dicken Pelzumhang gehüllt, stand da und lächelte sie an. Harry runzelte die Stirn. War das etwa ...?
„Viktor?", fragte Hermine ungläubig. Der Mann lächelte sie breit an.
„Der Selbige", erwiderte er und ergriff ihre Hand, „es freut mich serr, dich wieder zu sehen Herminne." Er küsste ihr galant die Hand. Hermine errötete leicht.
„Was machst du hier?", fragte sie mit glühenden Wangen.
„Meine Tochter ist in Hogwarts", erklärte Viktor, „ebenso wie eines deiner Kinder, nehme ich an?"
„Ja, unsere Älteste, Emma", erzählte Hermine strahlend, „damit hätte ich ja gar nicht gerechnet, dich hier zu treffen!"
„Für mich ist es auch eine angenehme Überraschung", antwortete Viktor lächelnd. Harry bemerkte, dass Rons Miene einen höchst unwilligen Ausdruck angenommen hatte.
„Also dann", meinte Hermine, „ich denke, man sieht sich in den kommenden Tagen noch mal."
„Das hoffe ich doch", erwiderte Viktor lächelnd. Er verneigte sich leicht und ging dann in Richtung des Schlosses davon. Hermine sah ihm versonnen nach.
„Er hat eine Tochter", meinte Ron in einem seltsamen Tonfall, „wer ist wohl die Mutter?"
Hermine sah Ron fragend an.
„Was ist denn los?", meinte sie.
„Was soll los sein? Nichts ist los", erwiderte Ron. Einen Moment lang sah Hermine ihn schweigend an. Dann lachte sie los. „Was ist denn?", fragte Ron schroff.
„Ron, du bist ja eifersüchtig!", rief Hermine lachend. Ron schnaubte.
„Eifersüchtig, ich? Auf den?", meinte er abfällig. Hermine kicherte.
„Warst du doch von Anfang an", meinte sie lächelnd und küsste ihn auf die Wange. Ron wirkte noch immer missmutig. Hermine seufzte und sah ihm in die Augen. „Ron. Ich habe dich geheiratet. Ich habe sechs, bald sieben Kinder mit dir. Ich liebe dich. Und jetzt hör auf, zu gucken, als hätte die Maulende Myrthe dir einen Heiratsantrag gemacht!" Ron musste grinsen.
„Versprochen!", meinte er und küsste sie. Harry lächelte. Es war schön, zu sehen, dass seine Freunde so glücklich waren. Doch es versetzte ihm trotz allem einen Stich, sie so zu sehen. Er war auch einmal so glücklich gewesen. Es kam ihm vor, als sei es schon Jahre her, dabei waren es nicht einmal zwei Wochen. Er wandte sich wieder dem Schneeschloss zu, wo Julia und Liv jetzt über einen der Wehrgänge tobten.
Am Samstag begann der zweite große Ansturm der Besucher zum Jubiläum. Auf der verschneiten Wiese vor der Schule war fast kein Platz mehr für all die Zelte und in den Gängen des Schlosses wimmelte es nur so von Zauberern jeden Alters.
Zum Mittagessen hatten sich Harry und sämtliche Weasleys, die da waren, an einem der besonders großen Tische niedergelassen. Hermine war damit beschäftigt, Jack zu füttern, Liv und Julia nervten ihren Vater mit dem Wunsch, nach draußen gehen zu dürfen, Sirius und James hatten mal wieder die Köpfe mit ihren Paten zusammengesteckt und tuschelten eifrig mit ihnen und Harry saß inmitten alldem und fühlte sich irgendwie außen vor.
Hin und wieder warf er einen Blick auf die Tür der Großen Halle, durch die in unregelmäßigen Abständen die Leute hereinkamen. Er hatte sich gerade einen Bissen des Schweinebratens in den Mund geschoben, als jemand die Große Halle betrat, über dessen Anwesenheit er ganz und gar nicht erfreut war. Harry hielt mitten in der Bewegung inne und starrte hinüber zu dem schlanken rothaarigen Mann mit der dicken Hornbrille auf der Nase.
Ron musste seinen Blick bemerkt haben.
„Was ist?", fragte er sah ebenfalls zur Eingangstür. Schlagartig verfinsterte seine Miene sich. „Percy!", murmelte er abfällig. Schlagartig verstummten alle am Tisch. Fred und George starrten in die Richtung ihres älteren Bruders.
„Dieser Schleimbeutel soll sich bloß nicht zu nah hier heran wagen", meinte Fred halblaut.
Percy jedoch schien selbst auch keinen gesteigerten Wert auf ein Zusammentreffen mit seinen Geschwistern zu legen. Harry beobachtete, wie er mit seiner Frau hinüberging zu einem der Tische, an denen Roger und Georgia saßen.
„Schaut euch nur diese missratenen Gören an", meinte George und starrte die Familie seines Bruders an, als handele es sich um eine Gruppe schleimiger Aliens, „die ganze Familie, total verkorkst."
„Kommt, beachtet sie doch einfach nicht", meinte Hermine ungehalten, „ihr wollt nichts mit ihnen zu tun haben, und sie wollen nichts mit euch zu tun haben, also wird es wohl kaum zu einem ungewollten Zusammentreffen kommen!"
Ron warf Percy samt Familie noch einen angeekelten Blick zu und widmete sich dann wieder seinem Essen.
Nach dem Mittagessen gingen die Weasleys wieder nach draußen. Harry, dem der Sinn nicht schon wieder nach Schnee und Kälte stand, machte sich auf den Weg in sein Zimmer. Er wusste nicht genau, was er stattdessen noch den restlichen Tag tun würde; normalerweise hätte er irgendetwas mit Ginny unternommen. Ihm wurde immer wieder schmerzlich bewusst, wie selbstverständlich Ginny ein Teil seines eigenen Lebens gewesen war.
Gerade bog er um eine Ecke, als ihn jemand ansprach.
„Harry?"
Er wandte sich um. Vor ihm stand eine hübsche Frau mit langen schwarzen Haaren, die ihn anlächelte. Er stutzte kurz. Dann –
„Cho?", fragte er verblüfft. Sie nickte lächelnd. „Ich hätte dich ja fast nicht wiedererkannt nach all den Jahren! Wie geht es dir?"
„Es geht", antwortete sie und lächelte ein wenig gequält, „und selbst?"
„Frag lieber nicht", meinte Harry dumpf. Ein paar Augenblicke standen sie schweigend da.
„Hättest du Lust, runter nach Hogsmeade zu gehen? Wir könnten in den Drei Besen etwas trinken", schlug Cho schließlich vor, „ich weiß nicht, was ich sonst noch den restlichen Tag über machen könnte. Roger..." Sie brach ab.
„Ja, warum nicht?", meinte Harry. Er war froh, nicht den ganzen restlichen Tag alleine verbringen zu müssen.
Wenige Zeit später saßen sie sich in den Drei Besen gegenüber. Vor ihnen stand je ein Becher mit Butterbier. Harry grinste.
„Wie früher, wenn man an den Wochenenden nach Hogsmeade gegangen ist", meinte er und nippte an seinem Butterbier.
„Ja", meinte Cho und grinste ebenfalls. Sie schwieg einen Augenblick. „Was machst du eigentlich jetzt, Harry? Wir haben uns ja seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen."
„Im Moment bin ich Lehrer in Hogwarts", begann Harry. Cho nickte.
„Ich weiß. Lindsay hat es mir geschrieben", sagte sie, „Verteidigung gegen die Dunklen Künste, nicht wahr?" Er nickte. „Klar, was auch sonst. Mir fiele niemand ein, der besser für diese Aufgabe geeignet wäre. Aber was machst du sonst? Bis letztes Jahr war doch Professor Tonks noch in diesem Posten."
„Ich bin Auror", erzählte Harry, „und du?"
„Roger geht arbeiten", antwortete Cho, „ich bin zu Hause und kümmere mich um Lindsay. Das heißt, solange sie kleiner war, jetzt ist sie ja in Hogwarts, im zweiten Jahr. Da kümmere ich mich eben um das Haus."
„Deine Tochter ist eine gute Quidditchspielerin", meinte Harry und lächelte, „hat dein Talent wohl geerbt." Cho lächelte geschmeichelt.
„Und du? Hast du auch Kinder?", erkundigte sie sich. Harry schüttelte den Kopf. Ein Schatten legte sich über sein Gesicht.
„Und wie es aussieht stehen die Chancen, dass ich jemals noch einmal Kinder haben werden, im Moment ziemlich schlecht", seufzte er. Cho blickte ihn fragend an. „Meine Freundin und ich haben uns vor knapp zwei Wochen getrennt", erklärte er mit rauer Stimme.
„Oh. Tut mir leid für dich", meinte Cho leise, und Harry wusste, dass sie es ernst meinte.
„Na ja. Nichts währt ewig", seufzte Harry und lächelte gequält.
„Wem sagst du das", erwiderte Cho leise. Harry blickte sie fragend an. „Weißt du... Roger und ich... wir haben im Moment ein bisschen Probleme." Sie lächelte, doch es war ein trauriges Lächeln. „Wir streiten uns nur noch die ganze Zeit. Ich... ich habe einfach Angst, dass sich das verliert. Was soll dann mit Lindsay werden? Sie ist ja jetzt zum Glück in Hogwarts, da bekommt sie von alledem nichts mit. Aber wenn..." Sie brach ab. Einige Augenblicke schwiegen sie.
„Irgendwie verrückt, dass es uns beiden momentan nicht so gut geht, oder?", meinte Cho dann und lächelte unsicher. Harry lachte leise und nickte.
„Ja, irgendwie schon", meinte er und trank einen Schluck Butterbier.
„Weißt du", sagte Cho leise, „als du damals Voldemort getötet hast ... ich weiß nicht, irgendwie war ich dir unendlich dankbar dafür. Und ich fand es schade, dass ich es dir nicht sagen konnte."
Harry nickte.
„Ich meine, natürlich hat sich jeder gefreut, dass Voldemort besiegt war", fuhr Cho fort, „aber ... mir war es persönlich wichtig. Und ... ach, ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll. Er hatte Cedric damals getötet. Und du warst dabei gewesen. Und dann hast du ihn besiegt, das war irgendwie – richtig. Verstehst du, was ich meine?"
Harry nickte wieder. Er musste an sein fünftes Jahr in Hogwarts denken, als das mit ihm und Cho gewesen war. Er lächelte.
„Weißt du noch", meinte er versonnen, „als wir immer unsere DA-Treffen hatten?"
„Natürlich!", erwiderte Cho, „du warst ein phantastischer Lehrer, Harry."
Sie lächelte ihn an. Schweigend saßen sie sich einige Zeit gegenüber. Harry sah sie an. Er dachte daran zurück, wie er damals kaum ein anständiges Wort herausgebracht hatte, wenn er ihr gegenüberstand. Sie hatte noch immer ein hübsches Gesicht, auch wenn sie jetzt viel älter war.
„Schade eigentlich, dass das mit uns damals nicht funktioniert hat", sagte er leise. Cho nickte.
„Ja", antwortete sie, „schade eigentlich."
Sie schwiegen wieder eine Weile. Harry sah sie an. Er konnte sogar noch nachvollziehen, warum er sich damals so in sie verliebt hatte. Er lächelte.
„Ich bin ja wirklich gespannt auf das große Fest morgen", meinte Cho, „das wird bestimmt toll."
„Ja, ich denke auch", antwortete Harry und trank noch einen Schluck Butterbier, „Dumbledore hat sich sicherlich wieder etwas ganz besonderes einfallen lassen."
„Oh Mann, freu ich mich auf morgen!", meinte Claire und grinste breit. Emma verdrehte die Augen.
„Wir wissen es, Claire", meinte sie genervt und sah von ihrem Buch auf, „das sagst du nämlich jetzt zum ungefähr hundertsten Mal!"
Claire streckte ihr einfach die Zunge raus. Lyn grinste. Auch sie war gespannt auf den morgigen Tag, an dem die große Abschlussfeier des Jubiläums stattfinden sollte. Am darauffolgenden Tag würden die Ferien beginnen und sie würde zu ihrer Familie nach Little Whinging zurückkehren – zu Weihnachten wollte ihre Mutter sie zu Hause haben. Emma und Claire hatte versucht, Lyn zu überzeugen, Weihnachten mit ihnen im Fuchsbau zu verbringen, doch Lyn wollte ihre Mutter nicht enttäuschen.
Emma schlug ihr Buch zu.
„Ich geh ins Bett", verkündetet sie.
„Ich auch", meinte Lyn. Dann würde sie morgen wenigstens ausgeschlafen sein.
„Also schön, ich komme auch!", seufzte Claire. Die drei Mädchen stiegen die Treppe zum Schlafsaal hoch. Als sie in ihrem gemütlichen weichen Bett lag dachte Lyn an den morgigen Tag und das, was er wohl mit sich bringen würde. Sie lächelte zufrieden und war bald darauf eingeschlafen.
