Bedenkt das einfach und seht das in der Kammer erst mal als Höhepunkt. Es ist sinnlos, jetzt schon nach den tieferen Gründen zu suchen, weil das alles erst im 3. Band gelüftet wird (falls wir überhaupt noch dazu kommen, den zu schreiben).
Nach dem Schrecken„Also, ich glaube, das mach ich dann mal", verkündete Lyn. Harry konnte nur ahnen, wie ihr nach all dem zu Mute sein musste. Sie sah ein wenig scheu in die Runde. Harry lächelte ihr kurz zu, genauso wie Hermine. Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass niemand probierte, sie aufzuhalten, eilte sie zur Treppe. Ihre Schritte wurden immer schneller, bis sie schließlich verschwunden war.
„Sie hat uns wirklich den Hals gerettet", meinte Harry leise. Er konnte es kaum fassen. Zum einen schämte er sich unsäglich für die Dummheit, mit der er sie bis eben betrachtet hatte, zum anderen bewunderte er sie aufrichtig für ihren Mut. Er kannte nur wenige Leute, die in einer solchen Situation einen derart kühlen Kopf behalten hätten und sogar diese waren weitaus mehr ausgebildet als ein zehnjähriges Schulmädchen.
„Du gehst dich jetzt am besten auch erst einmal duschen und ruhst dich ein wenig aus", wies Ron Hermine an, doch die lächelte nur.
„Wie wäre es, wenn du dich ausruhst, während ich oben bin?", fragte sie.
„Ausruhen? Wovon denn?", fragte Ron ein wenig beleidigt.
„Trink einen Tee", meinte Ginny. Zum ersten Mal seit sie aus der Kammer gekommen waren, nahm Harry sie bewusst war. Die ganze Aufregung hatte sie aus seinem Kopf vertrieben, doch jetzt ...
„Miss Weasley, Ihnen steht es natürlich frei, die Bäder des Schlosses zu benutzen", ließ Dumbledore vernehmen. Ginny schaute ein wenig verwirrt drein, offenbar war sie mit ihren Gedanken nicht ganz dort gewesen.
„Oh, nein, danke, Professor", sagte sie dann lächelnd, „ich gehe mich lieber nach Hause umziehen, es ist ja nicht weit."
„Ganz wie Sie wünschen", sagte Dumbledore.
Harry wollte nicht, dass sie jetzt ging. Er wollte sie nie wieder gehen sehen. Aber immerhin war er es gewesen, der gegangen war. Er wusste, dass sie ihn noch immer liebte. Hatte sie das nicht gesagt?
„Harry, Mann, jetzt mach schon", raunte Ron ihm ins Ohr und verpasste ihm einen unsanften Schubs. Ginny hatte die Tür der Eingangshalle bereits erreicht.
„Los", rief Ron, während er sich umdrehte und auf die Große Halle zuschritt. Er schaute ihm hinterher. Neville, noch immer leichenblass im Gesicht, reichte ihm eine große Tasse Tee.
Jetzt standen nur noch er und Dumbledore dort.
„Nun, Harry, ich denke, du weißt, was zu tun ist", meinte Dumbledore, legte ihm eine Hand auf die Schulter und lächelte ihm aufmunternd zu.
Dann ließ er ihn allein.
„Ginny, Ginny, bleib stehen!"
Harry hetzte die Länderein des Schlosses herunter, so schnell es ihm der Schnee unter seinen Füßen erlaubte. Es musste immer noch kalt sein, aber er spürte es nicht. Er spürte nur, dass das, was er jetzt tat, das einzig Richtige seit langer, langer Zeit war.
„Ginny, jetzt warte endlich!", rief er erneut. Das Schulgelände war leer, niemand außer Ginny war weit und breit zu sehen. Wahrscheinlich hatte das Magische Strafverfolgungskommando die Besucher in die Große Halle gebracht.
Er lief schneller und schneller. Harry wusste nicht, ob Ginny seine Rufe absichtlich ignorierte oder ob sie ihn wirklich nicht hören könnte. Nur noch wenige Meter trennten sie.
„Ginny, ich liebe dich doch!", schrie er. Er war erschöpft. Nicht nur von den letzten Stunden, sondern von den letzten Tagen, von den letzten beiden Wochen. Von der Zeit, die er ohne Ginny hatte verbringen müssen. Er wollte nicht, dass es so endete. Nicht so. Das konnte es doch nicht gewesen sein.
Doch dann blieb sie stehen. So abrupt, dass er fast in sie hineingelaufen wäre. Ganz allmählich drehte sie sich um. Harry konnte sehen, dass sie geweint hatte. Ihre Augen waren gerötet, aber sie lächelte unter all ihren Tränen.
Sie stand vor ihm, direkt vor ihm.
„Ich liebe dich doch", flüsterte er. Sie schluchzte ein wenig und wieder quollen Tränen aus ihren wunderschönen blauen Augen. Sie war die schönste Frau, die er je gesehen hatte, in seinem ganzen Leben. Ihre roten Haare leuchteten, auch wenn ein wenig Dreck und Spinnenweben darin klebten. Ihr Gesicht war so schmutzig, dass man die hellen Sommersprossen darunter nur noch schwerlich erkennen konnte. Und trotzdem war sie schön, so schön. Ihre Mundwinkel zuckten. Sie hatte noch kein einziges Wort gesagt. Egal, was sie jetzt sagen würde, er würde sie immer lieben, das wusste er.
„Ich dich auch, Harry, ich dich doch auch", hauchte Ginny und schlang die Arme um ihn. Er hielt sie fest und in diesem Moment wusste er: er würde sie nie wieder loslassen, egal, was kommen würde.
„Immerhin hatte sie Recht, oder, diese Amanda Jones?", fragte Harry Ginny. Sie drehten die mittlerweile zweite Runde um den zugefrorenen See. Die Ländereien von Hogwarts füllten sich wieder allmählich mit Menschen. Die Eltern hielten ihre Kinder fest gepackt und ließen sie nicht aus ihrer Reichweite, was wohl auch kein großes Wunder war. Harry konnte sich gut vorstellen, dass es ziemlich eng im Schloss gewesen sein musste, bei den ganzen Besuchern.
„Natürlich, aber darum ging es doch gar nicht, Harry", meinte Ginny sanft.
„Sie hat für alles bezahlt", sagte Harry leise, „für alles, was sie Sirius angetan hat, für alles, was sie je in ihrem verfluchten Leben getan hat."
„Für alles, was sie dir angetan hat", murmelte Ginny, „aber jetzt ist es vorbei, endgültig vorbei."
Harry schluckte. Ja, es war vorbei. Bellatrix Lestrange war tot.
„Es tut mir alles so unendlich Leid", sagte Harry und drückte ihre Hand ein wenig fester.
„Du warst schon immer viel zu stolz", meinte sie lächelnd. Harry lachte. Sie hatte Recht. Er hatte oft Probleme gehabt, über seinen Schatten zu springen.
„Kommt sofort da runter!", hörte Harry eine laute Frauenstimme hinter sich, „gleich bricht es, runter mit euch! AUF DER STELLE!"
Harry blickte sich um. Sirius und James standen auf dem zugefrorenen See, in der Mitte Liv, die leise gluckste. Das Eis unter ihren Füßen machte einen stabilen Eindruck, aber Hermine regte sich trotzdem mächtig auf.
„Ich hab es euch verboten!", rief sie.
Sirius und James grinsten sich an.
„Mum, du siehst doch, dass es hält", sagte James. Liv nickte begeistert und rief:
„Mum, komm auch, hier ist es ganz glitschig!"
„Ja, das sehe ich. Komm da runter, Liv! Wir gehen nachher zusammen drauf. Ihr wisst doch, dass der See ab achtzehn Uhr zum Schlittschuhlaufen freigegeben ist."
„Aber Mum", sagte Sirius mit einem Blick auf seine Armbanduhr, „das dauert noch über zwei Stunden."
„Runter jetzt!", rief Hermine. Sirius und James verzogen das Gesicht, Liv jedoch strahlte immer noch.
„Onkel Harry, Tante Ginny", rief sie begeistert und stürmte auf Harry und Ginny zu. Ginny lachte und hob sie hoch.
Hermine drehte sich rasch um, als sie Liv ihre Namen rufen hörte. Ron, der die ganze Zeit ein wenig unbeteiligt etwas abseits gestanden hatte, kam nun auf sie zu.
„Na, ist alles wieder in Ordnung?", fragte Hermine, milde lächelnd. Harry zuckte grinsend die Schultern.
„Habt ihr euch gestritten?", fragte Liv und machte große Augen, bevor sie weiterplapperte: „Ich streite mich auch manchmal mit Julia. Und mit Sirius und James, die ärgern mich oft. Gestern haben sie meinen Teddy geklaut, da ist Mum wütend geworden und sie mussten sich entschuldigen. Dann haben wir uns wieder vertragen. Musstet ihr euch auch wieder vertragen?"
„Ja, Liv, das mussten wir, sozusagen", meinte Ginny und hielt Harrys Hand.
Liv nickte verstehend.
„Na ja, dann wollen wir euch nicht weiter stören", sagte Hermine bestimmt und nahm Liv zu sich rüber. „Julia und Jack sind noch oben im Schloss, wir sehen uns dann nachher."
Sie suchte ihre Kinder zusammen und trieb sie wie eine Schar Hühner hinauf zum Schloss.
Gerade wollte Harry sich wieder Ginny zuwenden, als jemand ihn am Umhang packte und grob zur Seite zog.
„Frag sie endlich", zischte ihm Rons Stimme zu, dann machte er kehrt und lief seiner Frau und seinen Kindern nach.
Harry wusste nicht, ob er es wirklich wagen konnte. Aber wenn nicht jetzt, wann dann? Plötzlich fühlte er sich ziemlich mulmig. Ginny stand noch immer neben ihm. Sollte er wirklich ... ? Doch noch bevor er sich überhaupt entschlossen hatte, war er schon am sprechen:
„Also, Ginny ... die Sache ist die ... "
Leider wusste er selbst nicht so genau, was die Sache denn nun war. Das einzige, was er wusste war, dass sein Mund seinem Verstand ein Schnippchen geschlagen hatte und er gleich alles verbocken würde.
„Ja, was ist die Sache?", fragte Ginny sanft.
Um etwas Zeit zu schinden küsste er sie erst einmal, dann legte er den Arm um sie und räusperte sich.
„Nun ... " Er zog sie ein wenig näher an sich. „Also, sicher ist dir aufgefallen ... " Ja, sicher war ihr aufgefallen, dass er sich wie ein kompletter Vollidiot benahm. Er räusperte sich erneut. „Also, nun, wir sind schon ziemlich lange zusammen und – äh ... "
Sie sah ihn erwartungsvoll an.
„Was ich dich eigentlich fragen wollte – "
„Was wolltest du mich fragen?"
Er stellte sich so abrupt vor sie, dass sie beinahe in ihn hineinlief. Sollte er sich hinknien? Nein. Sie würde sich ohnehin überrumpelt fühlen, nach allem, was heute passiert war. Aber jetzt gab es kein Zurück mehr. Wieso hatte er nicht einen Moment nachgedacht? Vielleicht sollte er einfach irgendetwas anderes fragen. Zum Beispiel ob sie zusammen in Urlaub fahren sollten? Das wäre etwas harmloser. Nein, dachte Harry, jetzt hast du angefangen, jetzt musst du es auch zuende bringen.
Er hatte nichts dabei, nicht mal eine Blume. Beim Barte des Merlin, diesen Tag hatte Harry sich eindeutig anders vorgestellt.
„Harry?", fragte Ginny leicht verwirrt.
„Wo war ich stehen geblieben?" Als ob er das nicht wüsste.
„Du – ähm – wolltest, glaube ich, etwas fragen."
„Oh, ja, genau, sicher." Wenn er hier noch weiter dermaßen rumstammeln würde, konnte er es wirklich vergessen.
Er packte sie an den Schultern. So kann sie wenigstens nicht weglaufen, dachte er belustigt.
„Ginny, was ich dich fragen wollte – es kommt jetzt vielleicht etwas überraschend – " Wieder stockte er. Ginny lächelte ihn aufmunternd an.
„Willst du ... willst du meine Frau werden, Ginny?"
Jetzt war es raus. Sollte sie tun, was sie wollte. Nein, eigentlich sollte sie das nicht. Er schloss einen Moment die Augen. Jahrelang hatte er auf diesen Augenblick gewartet und beim besten Willen hatte er ihn sich in seinen Träumen etwas anders ausgemalt.
Als er sie wieder öffnete, strahlte Ginny über das ganze Gesicht.
„Ja, das will ich. Natürlich will ich das!", rief sie und schlang die Arme um ihn. Harry konnte es nicht fassen Hatte er sie wirklich gefragt?. Hätte ihm jemand an diesem Morgen erzählt, dass er am Nachmittag verlobt sein würde, er hätte ihn für verrückt erklärt.
„Was ist los mit dir? Hast du es dir wieder anders überlegt?", flüsterte Ginny in sein Ohr.
„Wie könnte ich?", fragte er und küsste sie.
Harry und Ginny betraten die Große Halle. Obwohl sie vergrößert war, sah es doch so aus, als würde sie bald aus allen Nähten platzen. Draußen hatte es zu dämmern begonnen und es wurde immer windiger, sodass die Gäste die angenehme Wärme der Großen Halle eindeutig vorzogen. Wahrscheinlich trauten sie sich einzelne immer noch nicht, die schützenden Mauern des Schlosses zu verlassen, vor allem nicht Familien, denn die Kleinen, die zuvor entführt worden waren, schienen das beste Beispiel für Kinder, die eine Sekunde aus den Augen gelassen wurden (was im Fall der Weasley-Kinder nicht einmal zutraf) und beinahe nicht zurück zu ihren Eltern gekommen wären. Außerdem würde um achtzehn die riesige Eisfläche des Sees als Schlittschuhlaufbahn freigegeben und so wollten sich die meisten wohl noch einmal aufwärmen. Der Schrecken saß wohl allen noch zu tief in den Gliedern, aber Harry merkte, dass sich alle die größte Mühe gaben, nach den vergangenen zwei Stunden wieder zur Normalität zurückzukehren. Allerdings war dies gar nicht so leicht.
An ein paar aneinander gereihten Tische in einer der Ecken der Halle konnte Harry seine Freunde ausmachen. Zumindest sah er ein paar rote Haarschopfe, also konnte die eingeschlagene Richtung so verkehrt nicht sein.
„Mum, ich mag aber jetzt aufs Eis!", hörte er Julias Stimme rufen und sie zupfte ihrer Mutter wie wild am Ärmel.
„Es geht im Moment nicht, Julia! Das ist zu gefährlich, sie müssen das Eis erst noch verzaubern! Wie oft willst du das noch hören?", sagte Hermine gereizt.
„Wir können sie mitnehmen, alle beide", bot Sirius bereitwillig an und deutete auf seine jüngeren Schwestern. Hermine schnaubte.
„Ihr bleibt auch hier! Denkt ihr, ich habe eine ruhige Minute, wenn ihr über den See springt? Wir warten!", befahl sie.
„Aber Mum, wir schon immerhin schon neun!", rief James verärgert.
„Genau, wir sind keine kleinen Kinder mehr. Lass uns aufs Eis!", stimmte Sirius lautstark zu. Liv hatte ihre Ärmchen vor der Brust verschränkt.
„Ich will auch!", sagte sie.
„Beim Barte des Merlin, nein! Es dauert nur noch zwei Stunden!", rief Hermine aufgebracht, „Ron, jetzt sag du mal was!"
„Daaad", begann James und machte große Hundeaugen, „Dad, bitte!"
„Wir werden ganz vorsichtig sein", versprach Sirius.
„Du bist der beste Daddy der Welt", verkündete Liv und schlang die Arme um Rons Bein. Offenbar hatte sie verstanden, wie ihre Brüder es bei Ron versuchen wollten.
Ron schaute sie gerührt an, sichtlich zufrieden mit sich selbst.
„Nun, ich denke, wenn Fred und George mit ihnen gehen", sagte Ron, aber nach einem Blick auf Hermine änderte er seine Meinung schnell wieder: „Also, das heißt, nein! Natürlich gehen wir erst um sechs Uhr zusammen! Hört auf eure Mutter! Geht spielen! Macht was ihr wollt, solange ihr nicht den See betretet!"
Hermine schaute ihn säuerlich an, doch er zuckte nur entschuldigend mit den Schultern und setzte sich zurück an den Tisch, neben einen Mann Anfang dreißig. Bei näherem Hingucken erkannte Harry Oliver Wood und die junge Frau mit dem welligen braunem Haar musste Norah sein, seine Frau. Harry schon lange nicht mehr mit Oliver gesprochen. Nicht, dass er ihn gemieden hätte, aber als Auror fehlte ihm leider die Zeit dafür.
Ron allerdings sah ihn öfter. Die beiden trafen sich zwar eher selten beruflich (Oliver war Hüter bei Pride of Portry), aber sie unterhielten sich gern über Quidditch, wenn es sich wie heute ergab.
Hermine hatte sich inzwischen entschlossen, das Nerven ihrer Kinder zu überhören, soweit diese überhaupt noch anwesend waren. Harry sah sich um. Im Grunde war keines ihrer Kinder noch da, stellte er verblüfft fest. Liv und Julia waren mit Angelina, Katie und Alicia verschwunden, Sirius und James hatten sich mit ihren Paten und Lee aus dem Staub gemacht und Harry hoffte nur, dass sie es sich nicht wagten, trotz Hermines striktem Verbot den See zu betreten.
Mrs. Weasley hatte Jack auf dem Arm und stand mit Mr. Weasley bei einer Gruppe Leute, die vom Alter ehemalige Klassenkameraden sein konnten.
Nur Emma stand noch in Hermines Nähe, denn sie betrachtete, zusammen mit Claire und Lyn, immer noch ausgiebig Lily, deren Eltern stolz daneben standen.
Harry und Ginny gingen auf sie zu. Harry hatte keinen blassen Schimmer, wie er sich am besten verhalten sollte. Immerhin hatte er sich gerade verlobt und es war unmöglich, diese Tatsache bis zum Hochzeitstag zu verschweigen. Aber er konnte sich wohl auch schlecht hinstellen und es jedem stecken. Also tat er erst einmal überhaupt nichts und setzte sich an den Tisch, um den schon Seamus und Lavender, Dean und Parvati und Neville und Hannah saßen. Auch sie hatten wohl ihre Kinder schneller abgenommen bekommen, als ihnen lieb war nach dem ganzen Aufruhr.
Das Ereignis lag nun gut zwei Stunden zurück, Neville jedoch sah sich weiterhin andauernd beunruhigt um, als fürchtete er, Bellatrix könnte erneut auftauchen und sich seine Tochter vornehmen, wie sie es auch schon mit seinen Eltern getan hatte. Lavender zuckte das ein oder andere Mal nervös mit dem Kopf und Parvati saß näher an Dean, als es für Harrys Verhältnisse nötig gewesen wäre.
„Hi Harry", sagte Seamus, der ihn als Erster erblickt hatte. Sie alle begrüßten ihn und musterten ihn betont unauffällig, aber Harry war froh, dass sie nicht weiter auf seinen Aufenthalt tief unter dem Schloss eingingen.
Keiner verlor ein Wort darüber und das war Harry gerade recht. Wahrscheinlich hatten sie vorher ausgemacht zu schweigen. Andernfalls beruhigte es sie wahrscheinlich ein Stück weit selbst, die Sache so schnell wie möglich zu vergessen oder zu umgehen, davon zu sprechen. Harry sah, dass ihre Mienen aufgesetzt und ihre Bewegungen ruckartig waren, der Griff, mit dem sie andere öfters hielten war vielmehr ein Klammern und das aufgeschreckte Wenden der Köpfe, sobald man irgendwo Schreie eines Kindes oder erhobene Stimmen hörte, zeugte noch deutlich von der Angst, die sich noch immer in ihren Gliedern verbarg.
„Jedenfalls sage ich ihnen jedes Mal, sie sollen es lassen", seufzte Dean und nahm einen Schluck Butterbier, „aber sie wollen ja einfach nicht hören."
Harry wusste sofort, wovon Dean sprach. Er hatte den ersten magischen Fußballverein gegründet und organisierte seither regelmäßig Spiele gegen Muggelvereine. Meistens waren sie nicht größer als ein läppisches Regionsspiel, aber Dean hatte alle Hände damit zu tun, seinen Spielern einzuschärfen, keine Magie zu benutzen, was sie nur allzu gern taten.
Harry erinnerte sich an ein Spiel, das er besucht hatte, als plötzlich ein gegnerischer Spieler wie wild auf dem Platz rumrannte und versuchte, ein Eigentor nach dem anderen zu schießen, bis ihn seine wütenden Mitspieler mit Hilfe ihrer Fäuste davon abhielten.
Parvati sah Dean stumm an, bevor sie sagte:
„Ich war ja schon immer dafür, dass du dir einen anderen Beruf suchst. Ich meine, du verdienst zwar nicht schlecht, aber es ist doch etwas anstrengend."
„Was erwartest du? Jede Arbeit ist anstrengend!", belehrte Seamus sie, aber Lavender warf ihr einen verständnisvollen Blick zu.
„Ja ja, Seamus ist auch nur selten daheim. Aber Männern ist ihr Job einfach wichtiger als die Familie. Ich sitze den ganzen Tag mit Miranda und Samuel daheim herum, Gabriel ist ja zum Glück in Hogwarts – "
„Was soll das denn heißen?", erkundigte Seamus sich aufgebracht, „dir gefällt es doch so, oder? Du langweilst dich doch nie! Immer wenn ich heimkomme, sitzt du mit Parvati im Wohnzimmer und ihr amüsiert euch doch köstlich, nehmt sämtliche Beziehungen und Probleme auseinander oder spielt mit den Kindern im Garten. Du hast dich noch nie beschwert!"
Nun war es an Lavender zu seufzen.
„Du weißt doch genau, wie ich das gemeint habe. Würdest du deine Arbeit aufgeben, nur um den ganzen Tag daheim zu bleiben?"
„Na, irgendwoher muss das Gold ja kommen! Denkst du, wenn ich nicht arbeiten gehen würde, hätten wir uns dieses nette Doppelhäuschen leisten können? Und den riesigen Garten erst?"
„Harry, Ginny!", rief Parvati nun, als hätte Seamus sie gerade auf eine Idee gebracht, „ihr habt uns noch nie besucht! Immer versprecht ihr es, und dann kommt ihr doch nicht!"
Harry schaute verlegen auf die Kerze vor ihm. Ja, tatsächlich lagen Lavender und Parvati ihm seit Jahren damit in den Ohren, sie endlich einmal besuchen zu kommen. Seit fast drei Jahren, um genau zu sein. Seit sie dieses Doppelhaus in Irland gekauft hatten, luden sie ihn und Ginny ständig ein, aber es hatte sich noch nicht ergeben, und ehrlich gesagt hatte er auch nicht gerade darunter gelitten.
„Kommt doch im Sommer!", rief Lavender sofort begeistert, „da ist es im Garten am schönsten. Wir haben diesen lästigen Zaun endlich beseitigt, seitdem ist es dort noch toller. Ron und Hermine, ihr kommt doch auch!"
Aber es klang mehr wie ein Befehl als wie eine Frage. Ron drehte sich leicht verwirrt aus seiner Unterhaltung mit Oliver zu ihnen, als er seinen Namen hörte. Hermine ließ sich auf einen Stuhl neben Harry plumpsen.
„Was ist los?", fragte Ron, der sich einige Augenblicke später neben seiner Schwester niederließ.
„Ihr kommt uns doch alle besuchen im Sommer, oder?", fragte Parvati erneut und ihre Augen sprühten vor Begeisterung. Harry überlegte, dass sie sich nichts schöneres vorstellen konnte, als ihre Freunde zu einem Drei-Gang-Abendessen einzuladen und wahrscheinlich hörte sie schon die Grillen zirpen und sah die Motten in ihrem traumhaften Garten in der Dämmerung um die Laternen flattern und die Glühwürmchen leuchten, während ihre Kinder lieb und brav im Baumhaus spielten, dass Seamus im Frühling nach langem Quengeln und Zetern endlich zusammen mit Dean gebaut hatte und an dem sich Lavender und Parvati nun Tag für Tag erfreuten, wenn sie auf der Terrasse saßen, ihren Tee tranken und die neuesten Gerüchte besprachen. Er hatte ihr Bild direkt vor Augen. Dann würden sie in die Küche gehen und den Abwasch machen, zusammen mit Lavenders Kindern zum Spielplatz gehen und sonntags empfingen sie Freundinnen zum Kaffeeklatsch.
„Was ist, Harry?", bohrte Parvati nach.
„Nun, ich denke, das ließe sich einrichten. Aber vorher", er zögerte und warf Ginny einen Seitenblick zu, „vorher müsst ihr uns erst alle besuchen kommen."
„Warum?", fragte Ron verdutzt.
„Du wirst doch wohl nicht deinen ersten Einsatz als Trauzeuge verpassen wollen?"
Alle starrten ihn an. Dann wanderten ihre Blicke zu Ginny, schließlich blieben sie erneut an ihm hängen.
Ron war ganz weiß um die Nase, Hermine hatte den Mund geöffnet, als ob sie etwas sagen wollte, dann schloss sie ihn wieder. Dann stieß Lavender einen spitzen Schrei aus.
„Mum, was ist ein Trauzeuge?", fragte Liv, die in diesem Moment hereingestürmt war, ihre Mutter.
„Also, dann: Herzlichen Glückwunsch!", sagte Dean, der als Erster die Sprache wiederfand und klopfte ihm auf die Schulter.
„Damit hätte ich wirklich nicht gerechnet", sagte Hermine, teils verwirrt, teils erfreut.
„Ja, ich auch nicht", stimmte Ginny ihr fröhlich zu, „da sieht man mal, wie es gehen kann!"
„Ja, das sieht man mal", hauchte Ron verstört.
Und bevor Harry sich retten konnte, fand er sich in einem Sturm Glückwunsche, Umarmungen und Küssen wieder. Ginny neben ihm lachte.
„Was zum Teufel ist denn hier los?", fragte eine Stimme hinter ihnen. Harry wandte sich um und sah Bill mit Fleur im Arm, die die Entführung Arthurs wohl nicht so schnell vergessen konnte.
„Nun, es sieht ganz so aus, als würden wir endlich einen Schwager bekommen!", rief Ron, der sich mittlerweile gefangen hatte und grinste breit. „Im Grunde habt ihr es alle mir zu verdanken, wenn ich nicht zu Harry gesagt hätte –"
„Schon gut, deshalb wirst du ja auch Trauzeuge", sagte Harry schnell, bevor Ron weiterplappern konnte. Harry war es lieber, wenn Ginny erst mal nichts davon mitbekam. Am Ende hieß es noch, er hätte nur auf Rons Zureden oder gar Drohungen gehandelt. Nein, es war eindeutig besser, wenn sie das nicht hörte. Oder zumindest nicht heute.
„Hä?", sagte Bill und kratzte sich am Kopf, als müsste er überlegen, wer jetzt genau heiratete.
„Also, wir haben nur eine Schwester", sagte er dann.
„Bravo!", tönte Fred hinter ihm, „weißt du's jetzt endlich auch?"
Dann war die Stunde der Wahrheit wohl gekommen, nun würden er und Ginny es allen erzählen müssen. Fred und George traten zu ihnen, gefolgt von Angelina und Katie, sowie Lee und Alicia. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis Mr. Und Mrs. Weasley von dem Menschenauflauf rund um ihren Tisch angelockt würden.
„Das heißt, wir können nur einen Schwager bekommen", schlussfolgerte Bill schließlich und starrte Harry an, „also, ich nehme mal an, dass es sich um dich handelt?"
„Das nehme ich auch mal an", grinste Ginny.
„Schwager?", fragte George sprachlos.
„Wenn deine Schwester heiratet, ist ihr Mann dein Schwager", erklärte Katie im lachend.
George grinste.
„Na, dann darf man wohl gratulieren. Ich darf die Braut doch küssen, oder?", fragte er gespielt ernst.
„Aber nur dieses eine Mal", meinte Harry lächelnd.
„Ja, die Gelegenheit kommt wohl nicht so schnell wieder. Bis an den Rest ihres Lebens wird sie wohl am Herd stehen müssen, das arme Mädchen ... Tja, aber das ist der Lauf der Dinge", sagte Fred altklug und küsste Ginny auf die Wange.
„Da kann ich mich ja schon mal auf was einstellen", murmelte Angelina.
„Noch hab ich dir keinen Antrag gemacht", lachte Fred.
„Ich wäre mir auch nicht so sicher, ob jemand da Ja sagen würde. Ich meine, es ist schon eine Qual, mit jemandem wie dir seine Zeit zu verbringen", sagte sie und machte ein gequältes Gesicht.
„Eine Qual? Na warte, dir zeig ich gleich, was eine Qual ist!", rief er und kitzelte, woraufhin Angelina laut quieksend drei Sprünge nach hinten machte.
„Habt ihr es Mum und Dad schon erzählt?", fragte Bill.
„Nein", gab Ginny zu.
„Isch freue misch natürlisch sehr für eusch, aber denkt ihr nischt, es wäre besser – ihr seht ssiemlich schmutzisch aus", sagte Fleur und deutete auf ihre dreckigen Umhänge.
„Mist", murmelte Harry, „ja, vielleicht sollten wir uns wirklich umziehen."
„Sie haben sich tatsächlich verlobt?", schrie Claire.
„Pscht", machte Hermine und legte einen Finger auf die Lippen. Bill wandte sich um, aber seine Eltern schienen das Theater rund um Harry und Ginny noch nicht mitbekommen zu haben.
„Es wäre besser, wenn eure Großeltern das von Harry und Ginny persönlich zu hören bekommen und nicht durch dein Geschrei", belehrte er sie.
„Du bist einfach so fürschterlisch laut", seufzte seine Frau, „das passt gar nischt zu deinem sanften und anmutischen Aussehen."
„Natürlich, ich meine: Sie haben sich tatsächlich verlobt?", flüsterte Claire erneut, ohne auf die Worte ihrer Mutter einzugehen.
Claire stand zwischen ihren Eltern in einer Ecke der Großen Halle. Emma saß neben ihrer Mutter, die sich einen Stuhl herbeigezogen hatte. Lyn stand ein wenig unbeteiligt daneben und kam sich etwas fehl am Platz vor. Sie war ein wenig unruhig. Zwar hatte sie selbst gesehen, dass keinerlei Gefahr mehr bestand, allerdings tauchte das Bild Bellatrix', wie sie taumelte und zitterte und plötzlich reglos dalag, immer noch verschwommen in ihren Gedanken auf. Sie hatte lange mit Emma und Claire darüber geredet, soweit dies überhaupt mit einer Person wie Claire möglich war, und sie hatten Lyn weitgehend beruhigt. Lyn hoffte, dass sich solche Geschehnisse nicht öfter ereigneten. Aber immerhin war Bellatrix nun endgültig verschwunden und die anderen drei würden wahrscheinlich den Rest ihres Lebens in einer schmutzigen Zelle hausen, also musste sie sich wohl nicht weiter Gedanken machen. Außer es liefen noch mehr von denen frei herum. Jemand wie dieser ... Meister. Emma hatte ihr versichert, dass es sich um niemand anderen als Voldemort handeln konnte und der war tot. Waren die Todesser tatsächlich davon ausgegangen, in seinem Auftrag zu handeln? Waren sie überzeugt davon, dass er noch lebte? Lyn schüttelte kaum merklich den Kopf. Sie mussten sicherlich verrückt sein.
„Ja", sagte Ron schlicht.
„Das hätte ich nicht erwartet", meinte Emma dann, „ich meine, das kam doch jetzt alles ziemlich überraschend."
„Wann genau heiraten sie?", fragte Claire neugierig.
„Jetzt kriegst du endlich deine Hochzeit", sagte Lyn grinsend. Schon an dem Tag, an dem sie Claire das erste Mal gesehen hatte, hatte sie sich darauf gefreut. Nun guckte sie, als wäre ihr sehnlichster Wunsch in Erfüllung gegangen. Ohne die Antwort abzuwarten fragte sie:
„Wer ist alles eingeladen? Jetzt sagt mir schon, was los ist."
„Chérie, du bist immer so ungeduldisch", sagte Fleur bekümmert.
„Es steht doch noch gar nichts fest, am besten, du fragst selbst", meinte Bill nur.
„Na da kannst du aber Gift drauf nehmen", erklärte sie ihrem Vater. Lyn lachte. Da konnte er wohl wirklich Gift drauf nehmen. Niemand, der Claire kannte, würde ernsthaft annehmen, sie würde Ruhe geben, bevor sie nicht alles genauestens wusste.
„Das befürschte ich", seufzte ihre Mutter.
„Na hör mal, das passiert schließlich nicht alle Tage!", rief Claire ausgelassen.
„Das kannst du laut sagen", sagte Emma, die nun nicht mehr überrascht, sondern fröhlich aussah.
„Das wird so was von toll!" Claire war ganz aus dem Häuschen, ihre Wangen glühten rot.
„Das hoffe ich doch!", sagte eine Stimme hinter ihnen. Emma und Claires Tante Ginny war hinter sie getreten, Harry an der Hand.
„Wann genau heiratet ihr? Jetzt bald? Ich bin doch eingeladen, oder?", sprudelte aus Claire heraus.
„Wenn du weiter so viele Fragen stellst, sorge ich persönlich dafür, dass du nicht kommst", neckte Ginny sie.
„Irgendwann nächstes Jahr", sagte Harry.
„Wir gehen dann noch mal rüber", sagte Hermine mit einem besorgten Blick auf Sirius und James, die momentan scheinbar keiner im Auge hatte außer ihren Paten, die etwas tranken, das aussah wie Feuerwiskhy.
Auch Bill und Fleur gingen hinüber zu Arthur. Lyn dachte sich, dass sie wohl keine ruhige Minute mehr haben würde, seit man ihren Sohn in diese Kammer mitgenommen hatte.
„Jetzt erzählt schon", drängte Claire, „wie habt ihr euch das denn alles so vorgestellt?"
„Eigentlich haben wir uns das noch gar nicht so genau überlegt", gestand Harry.
„Nun." Claire zog fachmännisch eine Augenbraue hoch. „Ich denke, Frühling ist ganz gut für eine Hochzeit. Jetzt im Winter ist es ein bisschen kalt, da kann man ja nicht so lange feiern, das wäre etwas ungünstig. März oder April oder so wäre besser."
„Wenn du es sagst", meinte Ginny lächelnd.
„In Ordnung, also steht das erst mal fest", hakte Claire das Thema ab.
„Claire, ich glaube, das können sie alles ganz gut alleine regeln", sagte Emma leise, doch Claire brachte sie mit einer Handbewegung zum Schweigen. Offenbar wollte sie sich nicht stören lassen, um sich ganz der Hochzeitsvorbereitung zu widmen.
„Wie sieht's aus, wo wollt ihr feiern?", fragte sie nun geschäftlich.
„Keine Ahnung", sagte Harry grinsend.
„Hmmm", machte Claire, „also bei dir daheim schon mal gar nicht, viel zu wenig Platz. Ginnys Haus ist auch zu klein für die ganzen Gäste ..."
Harry warf ihr einen verständnislosen Blick zu.
„Na hör mal, das wird eine Riesenfeier! Denk mal an die ganzen Leute, die kommen!", sagte Claire geringschätzig. Emma verdrehte die Augen. Lyn grinste. Das sollte sie später mal beruflich machen, sie wäre sicher spitze.
„Ach so, klar, Riesenfeier ... Wer kommt denn alles?", fragte Harry dann, als würde das alles in Claires Hand liegen.
„Also, ich natürlich", fing Claire an, „die ganze Familie halt, eure Freunde, Klassenkameraden, Arbeitskollegen und so weiter."
„Verstehe." Harry nickte. „Das sieht ja dann wirklich nach einer Riesenfeier aus."
„Um das Essen kümmert ihr euch am besten", wies Claire Harry und Ginny an, „das einzige, was wirklich Probleme macht, ist der Ort ..."
„Darum kümmern wir uns später, in Ordnung?", fragte Ginny.
„Jaaah, es wird wohl nicht anders gehen. Ich kümmer mich darum ...", meinte Claire und zog die Stirn kraus. Scheinbar überlegte sie eifrig.
„Gut", lachte Ginny, „dann ist ja für alles gesorgt. Das wird sicher toll, was meinst du, Lyn?"
Lyn war überrascht, so direkt angesprochen zu werden, dass sie erschreckt hochfuhr.
„Ja, sicher", sagte sie schnell. Ginny lächelte sie an. Lyn fand, dass ihr Großcousin eine wirklich gute Wahl getroffen hatte. Ginny war nicht nur nett, sondern auch auffallend hübsch. Allerdings wusste Lyn nicht, warum sie gerade sie fragte. Immerhin war sie die Einzige in der Runde, die mit der ganzen Sache nichts am Hut hatte.
„Die Frage ist nur, wo alle Gäste schlafen sollen", fiel es Claire schließlich ein.
„Da wird sich schon was finden", beruhigte Harry sie, „und überhaupt: wie lange soll diese Hochzeit eigentlich dauern? Willst du gar nicht mehr schlafen gehen?"
„Eigentlich nicht", lacht Claire, „ich meine, dafür sind Hochzeiten doch da, oder?"
„Zur Not schläfst du bei uns", sagte Ginny, die scheinbar bemerkt hatte, dass Claire keine ruhige Minute mehr haben würde, bis sichergestellt war, dass sie nicht vor Mitternacht gehen musste.
„Ich könnte natürlich mein Zelt mitbringen", überlegte Claire weiter, „da könnten wir dann alle drin schlafen."
„Ja, das könntet ihr natürlich auch", sagte Harry. Lyn hatte das Gefühl, dass er gar nicht so richtig mitbekam, was er hier eigentlich ausmachte und versprach. Immerhin hatte er Claire bereits so einiges zugesagt.
„Wir wollen euch ja in der Hochzeitsnacht nicht stören", gab sie zu bedenken.
„Wie rücksichtsvoll von euch", sagte Harry lachend.
„Jetzt lass es aber mal gut sein, Claire", meinte Emma schließlich, „das hat doch noch Zeit."
„Ich glaub, ihr habt gar keine Ahnung, was für eine Arbeit das bedeutet", sagte Claire wissend.
„Das glaube ich allerdings auch, wenn ich dich so reden höre. Es ist schon ganz gut zu wissen, dass man einen Fachmann in der Familie hat", sagte Ginny und setzte sich auf den leeren Stuhl neben Lyn. Anscheinend stellte sie sich auf ein längeres Gespräch ein.
„Was ist mit Musik? Könnt ihr euch eine Live-Band leisten?", erkundigte sich Claire und sah Harry und Ginny erwartungsvoll an. „Ich hätte gerne eine", fügte sie bestimmt hinzu.
„Wenn das so ist. Ich meine, wenn schon, denn schon, oder?", meinte Harry, „wir wollen doch, dass es unseren Gästen gefällt."
„Super", strahlte Claire, „dann kann ja nichts mehr schief gehen!"
Lyn war sich nicht sicher, ob ihm Claires Wohlwollen oder sein Geld wichtiger war. Oder ob ihm überhaupt bewusst war, wie Claire reagieren würde, wenn sie nicht die erwartete Live-Band antraf.
„Ich hoffe, deine Eltern lassen dich kommen, Lyn", sagte Harry und legte ihr die Hände auf die Schultern.
„Was?", fragte sie ein wenig aufgeschreckt. Hatte er sie tatsächlich gerade zu seiner Hochzeit eingeladen? Sie musste sich wohl verhört haben. Sie drehte sich um.
„Na, so wie ich Dudley kenne, wird er sicher nicht gerade begeistert davon sein, wenn du auf meine Hochzeit kommst", meinte er grinsend.
„Nein, das würde er sicher nicht", murmelte sie.
„Da wird ich wohl noch ein Wörtchen mit ihm reden müssen", sagte Harry und legte die Stirn in Falten, „er hat sich schon immer ein wenig vor mir gefürchtet." Harry lachte. „Hatte wohl Angst, ich verpasse ihm einen Ringelschwanz oder so."
„Jedenfalls werden wir das sicher irgendwie mit deinen Eltern geregelt bekommen", meinte Ginny lächelnd.
„Das ist wirklich sehr freundlich von Ihnen, Miss Weasley –"
„Ginny", wurde sie von Harry unterbrochen, „du glaubst doch wohl nicht ernsthaft, dass du meine zukünftige Frau siezen musst? Immerhin bist du die einzige Verwandte, die ich vorzuzeigen habe. Zumindest die Einzige, mit der ich noch spreche."
„Natürlich", fuhr Lyn fort. Sie probierte angestrengt ihre Überraschung zu verbergen. Dieser Tag hatte wohl so einiges verändert. „Aber ich glaube kaum, dass sie mich gehen lassen. Meine Mutter will nicht, dass ich zuviel mit Hexen und Zauberern zu tun habe – " Claire schnaubte empört. „ – und was mein Vater von Magie hält, brauche ich wohl nicht zu sagen."
„Na ja, aber immerhin bist du eine Hexe", meinte Emma, „das müssen sie doch zur Kenntnis nehmen, ob sie wollen oder nicht."
„Kennst du meine Eltern?", fragte Lyn nur.
„Nein, aber ..." Offenbar fehlten Emma die Worte, was bei ihren Eltern wohl kein Wunder war.
„Wir holen dich schon da raus", versicherte Claire ihr, „ich komme dich persönlich mit Opas neuem fliegenden Auto holen!"
„Das wäre eine Möglichkeit. Allerdings will ich nicht wissen, was deine Großmutter davon hält. Ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass sie mit so was ziemlich empfindlich ist", gab Harry zu bedenken.
„Ja", meinte Claire und wiegte den Kopf, „mit Opa ist sie immer besonders streng."
„Es wird schon irgendwie gehen", sagte Emma beruhigend.
„Zur Not schreiben wir einen Brief", bestimmte Harry.
„Und was genau soll ein Brief bei meinen Eltern bringen? Ich weiß nicht mal, ob Dad überhaupt lesen kann", schnaubte Lyn.
„Sag ihm einfach, sonst komm ich vorbei und verhexe ihn. Ich glaube, er hat ziemlich Angst davor. Seit ich siebzehn war hat er kein Wort mehr mit mir gewechselt. Hat sicher Angst, ich könnte mich rächen", lachte Harry.
„Für was?", erkundigte sich Lyn neugierig.
„Oh, das ein oder andere", meinte Harry rasch. Offenbar behagte es ihm nicht, Lyn Geschichten von Dudley zu erzählen, die ihn in ein schlechteres Licht als ohnehin schon zerren können. Lyn fragte nicht weiter nach.
„Es wird schon irgendwie gehen", wiederholte Ginny, „wir werden sehen."
„Und ich glaube, wir müssen jetzt ein wenig mit euren Großeltern plaudern", sagte Harry und zog Ginny mit sich fort.
„Ich freu mich ja schon so", sagte Claire aufgeregt.
„Das wissen wir", sagten Emma und Lyn gleichzeitig.
„Ich mein ja nur. Überlegt euch mal, wir können feiern bis sonst wann!"
„Mmmmh", machte Lyn.
„Wir werden alle da sein! Das wird ein Riesenfest! Ich meine, wenn Harry Potter heiratet, kommt sicher so mancher!", teilte Claire ihnen mit.
„Harry Potter heiratet?"
Lyn drehte sich um. Hinter ihnen stand Tonks, Lily auf dem Arm und Lupin im Schlepptau. Claire machte große Augen.
„Das habt ihr noch nicht gehört?", fragte sie verblüfft.
„Nein, aber das ist ... eine ... etwas unerwartete Botschaft", sagte Lupin erstaunt. Tonks schien diese Tatsache nicht halb so überraschend zu finden.
„Na endlich, wurde auch mal Zeit", meinte sie laut, „wir waren die ganze Zeit draußen. Sie haben jetzt die Eislaufbahn eröffnet. Und da deine Brüder", sie sah Emma an, „schon den ganzen Tag darauf warten, dachten wir, wir kommen sie mal holen."
„Oh, wir kommen auch mit!", sagte Claire sofort. Scheinbar hatte sie den Nachmittag schon ganz vergessen, geschweige denn, dass sie sich nur noch ansatzweise daran erinnerte, dass ihr kleiner Bruder nur knapp dem Tod entronnen war. Aber die bevorstehende Hochzeit ihrer Tante und des besten Freund ihrer Eltern schien das alles aus ihrem Gedächtnis gewischt zu haben, was wohl auch besser war, denn ein besonders angenehmes Ereignis war das sicher nicht für Claire gewesen, auch wenn sie reichlich wenig davon mitbekommen hatte, schließlich war Lyn es gewesen, die mit Harry und Ginny unten in der Kammer gewesen war.
Es war wunderschön unten am See. Da die Nacht bereits angebrochen war, war rundherum alles mit schwebenden Kerzen beleuchtet, denen die Schneeflocken, die sanft über ihren Köpfen kreisten, nichts auszumachen schienen. Die Lichter spiegelten sich wunderschön auf der glatten Oberfläche des Sees und der Schnee auf dem Gelände funkelte und glitzerte. Es sah alles wunderbar weihnachtlich aus und Lyn wünschte sich, sie müsste nicht am nächsten Morgen schon wieder nach Hause zu ihren Eltern. Sie wollte gar nicht an den Anblick ihres Vaters denken, wie er den Plumpudding in seinem verschmierten Mund versenken würde. Seine Doppelkinne würden nur so wabbeln vor lauter Glück über den fetttriefenden Weihnachtstruthahn, den ihre Großmutter alljährlich zuzubereiten pflegte. Schon allein bei der Vorstellung musste sie sich nur so schütteln vor lauter Ekel.
Emma und Claire boten ihr jeden Tag an, die Ferien zusammen mit ihnen im Fuchsbau zu verbringen, aber sie hielt es trotzdem für eine Art Pflicht, Weihnachten mit ihrer Familie zu feiern. Immerhin musste sie ihrer Mutter in einem Punkt Recht geben: Egal, ob sie mehr Abneigung oder Zuneigung empfand, sie waren dennoch eine Familie. Daran konnte man nichts ändern, ob sie wollte oder nicht. Und solange sie beim essen die Augen schloss und ihre Mutter ihr nicht wieder einen rosafarbenen Plüschkosmetikkoffer schenkte, würde sie es überleben.
„Jetzt steh nicht so blöd darum, sondern komm endlich aufs Eis!", rief Claire ihr zu. Auf der Lauffläche tummelten sich schon allerhand Menschen, vor allem Familien mit kleinen Kindern. Claire machte auf dem Eis nicht einmal halbwegs die Figur, die man von einem Mädchen ihres Aussehens erwartete. Sie schlitterte laut quieksend vor sich hin und landete das ein oder andere Mal unsanft auf dem Boden, was sie aber nicht im mindesten zu stören schien. Emma drehte elegant ihre Runden, allerdings passte sie geschickt auf, dass sie weder ihren unvorsichtigen Brüdern noch deren Paten zu nahe kam. Claire hatte sich wieder aufgerappelt und hatte nun eine von Emmas Schwestern an der Hand, die sie wage als Liv in Erinnerung hatte. Sie hatte scheinbar ein ähnliches Gemüt wie das Claires und ihrer Brüder. Fred und George hatten sich nun ihre Freundinnen auf die Eisfläche geholt und Lyn bedauerte die Leute, die ihnen bei ihren wüsten Manövern zu nah standen, denn diese hatten mit Sicherheit nicht die besten Chancen, diesen Abend unbeschadet zu überstehen.
Nervös wühlte sich Harry durch das Getümmel, das noch immer in der Großen Halle herrschte. Immerhin verkündete er nicht alle Tage irgendwelchen Eltern, ihre Tochter heiraten zu wollen. Er hatte keinen blassen Schimmer, ob erst noch fragen sollte, ob sie damit einverstanden waren, so dass sie eine Art Mitspracherecht hatten, oder ob er Mr. und Mrs. Weasley einfach vor vollendete Tatsachen stellen sollte. Auf diesem Gebiet war er sehr unerfahren, aber was sollte man auch anderes erwarten? Hoffentlich wusste Ginny da besser bescheid.
Doch bevor er sich weiter überlegen konnte, wie genau er alles anstellen sollte, hatten sie Ginnys Eltern bereits erreicht. Natürlich, nach all den Jahren würde es sie nicht wundern. Aber nach dem, was in den letzten Wochen passiert war? Was, wenn sie ihre Verlobung als verzweifelten Rettungsversuch ihrer Beziehung ansehen würden?
„Mum, Dad, würdet ihr einen Augenblick rüberkommen?" Ginny zog ihre Mutter am Ärmel zur Seite.
„Sicher, meine Lieben, was gibt es denn?", fragte Mrs. Weasley. Immer noch hielt sie Jack auf dem Arm. „Arthur, würdest du bitte kommen?", rief sie ihrem Mann zu, der scheinbar so in ein Gespräch mit alten Klassenkameraden vertieft war, dass er Ginny gar nicht wahrgenommen hatte.
„Oh, natürlich", sagte er und verabschiedete sich kurz mit einem Kopfnicken von der kleinen Gruppe. „Was ist denn?", fragte er nun.
Wenn das so leicht zu erklären wäre! Harry trat unsicher von einem Fuß auf den anderen. Mrs. Weasley sah sie erwartungsvoll an.
„Es ist doch nichts passiert, oder?", fragte Mr. Weasley beunruhigt.
„Also, das könnte man so sagen", meinte Harry verlegen. Ihm fehlten einfach die Worte, um die Lage am besten zu beschreiben.
„Etwas Schlimmes?", fragte Mrs. Weasley besorgt.
„Ich hoffe nicht", lachte Ginny.
„Na dann mal los", forderte Mr. Weasley sie auf. Himmel, Harry hatte so was noch nie gemacht, da durfte wohl ein bisschen Unsicherheit erlaubt sein. Aber was sollten sie groß machen? Vor allem würde es wahrscheinlich überhaupt kein Thema für sie sein, nach den ganzen Kindern, die sie schon heiraten gesehen hatten. Harry fragte sich, wieso er eigentlich so ein Drama daraus machte. Allerdings war es natürlich auch eine große Sache für ihn. Eine Heirat würde zwar nicht sonderlich viel in seiner und Ginnys Beziehung ändern, außer dass sie zusammenziehen würden, aber es war schon ein eigentümliches Gefühl. Ginny Potter. Das klang nicht schlecht.
„Wir werden heiraten", sagte er schließlich. Seine Worte hatten ihre Wirkung nicht verfehlt. Mrs. Weasley ließ fast Jack vom Arm fallen, aber Ginny fing ihn geschickt auf. Mr. Weasley strahlte sie an. Wenigstens einer, dachte Harry erfreut.
„Das ist einfach großartig, Kinder!", rief er ausgelassen und drückte zuerst Ginny an sich, dann Harry. „Denkt ihr, ihr werdet auf Muggelart heiraten?"
„Wohl eher nicht", lachte Harry, obwohl er nicht glaubte, dass es da überhaupt einen großen Unterschied gab.
„Oh, Ginny, Schatz, Harry, mein Lieber!", rief Mrs. Weasley, nachdem sie die Sprache wiedergefunden hatte, „das ist das Beste, was ich in letzter Zeit von euch gehört habe! Oh, es freut mich ja so! Das ist einfach toll! Wie lange habe ich darauf gewartet!"
Harry hatte das Gefühl, als könnte es nicht besser werden. Er konnte gar nicht sagen, wie erleichtert er war. Im Grunde hatte er auch nicht damit gerechnet, dass Mr. und Mrs. irgendetwas gegen ihre Heirat einzuwenden hatten, aber es tat gut, ihre Freude noch einmal so offen zu hören.
Mrs. Weasley packte ihn und küsste ihn stürmisch, bevor sie sich Ginny schnappte.
„Oh, mein Liebes, oh, das ist einfach ...", schniefte sie, „das ist einfach so toll, Herzchen ... Es kommt mir vor, als wäre es gestern gewesen, als Fred und George erzählten, sie hätten Harry Potter gesehen. Du warst so aufgeregt, Ginny, Schatz, ich hätte doch schon damals wissen müssen ... und nun heiratet ihr schon! Wie schnell die Zeit doch vegeht. Oh, ich bin so stolz, das ist alles so wunderbar, ich weiß gar nicht – "
„Molly", sagte Mr. Weasley sachte und zog sie von Ginny zurück, die deutlich erleichtert schien. Mrs. Weasley rieb sich die Augen und seufzte ein letztes Mal.
„Du bist meine einzige Tochter, da ist es schon besonders schwer. Du wirst Ginny Potter heißen, da muss ich mich erst mal dran gewöhnen", erklärte sie mit rührseligem Blick. Ihr Lächeln schien total verklärt und ihre Augen glänzten.
„Molly, nun ist aber mal gut. Ich glaube nicht, dass du bei einem der Jungs je so einen Aufstand gemacht hast", wies Mr. Weasley sie zurecht.
„Arthur, bei den Jungen war das etwas anderes. Ich meine, also, man konnte immerhin sicher sein, dass ..." Sie hickste einmal kurz, dann hatte sie sich wieder halbwegs gefasst.
„Glauben Sie mir, ich werde gut auf Ginny aufpassen", versprach Harry ihr lächelnd.
„Jaaah, und wenn ich frech bin, bekomme ich Hausarrest", lachte Ginny.
„Aber, aber, so weit wirst du es doch wohl nicht treiben wollen", lachte Mr. Weasley.
„Nein, solange ich mein Taschengeld pünktlich bekomme sicher nicht", meinte Ginny ernst.
„Dann ist ja für alle bestens gesorgt", säuselte Mrs. Weasley.
„Nun, das will ich doch hoffen!", sagte Mr. Weasley und zog seine Frau zu sich, bevor sie weiteren Gefühlen Luft machen konnte.
„Harry, da wäre noch eine Sache", sagte Mr. Weasley. Harry atmete tief durch. Was konnte es denn jetzt noch geben? Etwas in Mr. Weasleys Tonfall sagte ihm, dass es sich um eine bedeutende Angelegenheit handeln würde, und das machte ihn ein wenig unsicher.
„Ja, Mr. Weasley?", fragte er und gab sich Mühe, seine Stimme unbekümmert klingen zu lassen.
„Damit wären wir schon beim Thema", sagte Mr. Weasley. Leider wusste Harry nicht, um welches Thema es sich nun handelte. Er hatte doch nur gefragt, was es noch gäbe. Das war doch kein Thema. Er runzelte die Stirn.
„Wie es aussieht, wirst du wohl künftig offiziell zur Familie gehören", begann Mr. Weasley, „wenn man es genau nimmt, haben Molly und ich dich ja schon lange Zeit zuvor wie einen Sohn gesehen."
Harry errötete leicht. Ja, das hatten sie. Sie hatten ihm wirklich sehr geholfen und waren immer für ihn da gewesen, das ließ sich nicht bestreiten. Sie hatten soviel für ihn getan, dass er gar nicht dankbar genug sein konnte, das wusste er.
„Es kommt vielleicht ein bisschen spät, aber denkst du nicht, es würde eigenartig klingen, wenn du deine Schwiegereltern Mr. und Mrs. Weasley nennst?"
„Doch", gab Harry zu, „doch."
„Ich hoffe mal, ihr habt Claire nicht zu viel versprochen", meinte Bill, der neben Harry und Ginny unten am See stand und schaute seiner Tochter beim Schlittschuhlaufen zu.
Harry zuckte mit den Schultern. „Sie wird bekommen, was sie will", sagte er. Bill lachte.
„Bist du dir sicher, dass das nicht den Rahmen sprengt? Sie hat mir von einer Live-Band erzählt!", erwiderte er und zog eine Augenbraue hoch.
„Na ja ... wir sehen mal", sagte Harry unschlüssig. Die Wahrheit war, dass er zehn Bands holen würde, wenn es nur allen gefiel. Diesen einen Tag würde er nicht geizig sein, vor allem, es war unnötig, das zu bestreiten, war er nicht gerade arm. Als Auror verdiente man nicht schlecht und auch Dumbledore zahlte ihm ein anständiges Gehalt. Solange er nach Claires Live-Band nicht den Tropfenden Kessel wienern und sein Haus verkaufen musste, war es ihm egal.
„Lass uns aufs Eis gehen!", sagte Ginny und zog ihn mit sich fort, ohne dass er weiter über seine Hochzeitsfinanzierung nachdenken musste.
Die Nacht war wunderschön und die Lichter gaben ihr eine so zauberhafte Atmosphäre, dass es unmöglich war, Hogwarts nicht zu bewundern. Wie das Schloss dort oben in der finsteren Nacht thronte, konnte man tatsächlich meinen, man befände sich in einem Märchen. Die Schule hatte wirklich ihr Bestes getan, und er war sich sicher, dass alle Besucher auf ihre Kosten gekommen waren, nicht zu letzt wegen des Überraschungsbesuches von „Black Velvet", der Band Allisters, an dem Luna wahrscheinlich nichts so ganz unschuldig war (falls sie überhaupt bemerkt hatte, dass ihr Freund ungefähr den selben Berühmtheitsgrad wie Harry Potter erlangt hatte). Ron war schon ganz aus dem Häuschen. Harry sah, wie er am Rand des Sees ganz nervös herumtippelte. Hermine warf ihm bisweilen missbilligende Blicke zu, aber er kümmerte sich nicht darum.
Fred, George und Lee ließen sich inzwischen durch Sirius und James Gelächter zu Aktionen anstiften, die Hermine wohl den letzten Nerv geraubt hätten.
„Pass auf, seht ihr die da?", fragte Lee verschwörerisch. Sirius und James nickten eifrig, mit einem schelmischen Grinsen um die Mundwinkel.
„Die war in Slytherin in unserem Jahr, und sie war nicht gerade das, was man nett nennt", erklärte Lee ihnen. Sirius und James Grinsen wurde breiter.
„Was würdet ihr davon halten, wenn wir sie einfach ein bisschen ... fliegen lassen würden?", fragte er dann.
„Jaaah, das Eis ist wirklich glatt. Da kann man sich schon mal auf die Nase legen", meinte Sirius bedächtig.
„Oder auch zwei Mal", stimmte James ihm zu. Ihre Paten lachten begeistert und zückten die Zauberstäbe. Doch genau in dem Moment, in dem die pummelige Frau Anfang dreißig ausrutschte und wie eine Verrückte auf dem Bauch vor sich hin schlitterte, als wolle es gar kein Ende mehr geben, und die Menschen bestürzt und gleichzeitig amüsiert zur Seite sprangen und die Frau in eine steile Linkskurve ging, die Neville beinahe von den Beinen riss, genau in diesem Moment wurde Hermine merkwürdig weiß im Gesicht und presste die Lippen zusammen.
Sicher hatte das Geschrei und Gejohle die Zwillinge verraten. Ron sprang sofort auf und meinte:
„Keine Panik, Hermine, ich gehe dem allen ein Ende bereiten!" und schon schritt er zur Tat. „SIRIUS! JAMES! Kommt sofort her!"
Harry wunderte sich noch über Rons neugeweckten Tatendrang, als Hermine sagte:
„Das ist es nicht!"
Sirius und James hatten sich mittlerweile so unter die Menschen gemischt, dass sie kaum mehr ausfindig zu machen waren, was Harry sehr beruhigte. Fred, George und Lee allerdings kamen elegant vom Eis gefahren, offenbar in sehr reumütiger Stimmung, woran der Feuerwiskhy wahrscheinlich nicht gerade unschuldig war.
„Hermine, es tut mir Leid", sagte Fred sofort, „ich weiß, ich hätte das nicht tun dürfen!" Es klang eher, als würde er sich über Hermine lustig machen, was er wahrscheinlich auch tat. Lee räusperte sich.
„Hermine, das wird natürlich nie wieder vorkommen", versprach er. George verkniff sich ein Grinsen.
„Das ist es nicht", wiederholte Hermine, nun noch blasser. Harry musterte sie ein wenig besorgt von der Eisfläche aus. Sie sah wirklich nicht allzu gut aus.
„Lass uns rübergehen", murmelte er Ginny zu und binnen weniger Augenblicke hatten sie Hermine erreicht.
„Was ist es dann?", drängelte Ron. Alle sahen sie groß an.
„Es ist nur", setzte Hermine an.
„Was?", fragte Ginny.
„Meine Fruchtblase ist gerade geplatzt!"
