Adam

„Bist du dir sicher, dass Madam Pomfrey das schafft?", fragte Harry und schritt den Gang vor dem Krankenflügel auf und ab.

„Natürlich, sie schafft alles", sagte Ginny, „setz dich, dein Rumgelaufe macht mich ganz nervös." Sie deutete auf einen der wenigen leeren Stühle neben sich.

„Ich BIN nervös."

„Ich weiß, vielleicht sollten wir Madam Pomfrey nach einem Beruhigungstrank fragen."

„Paaah, so was brauch ich nicht!", verkündete Harry.

„Gut, schon gut", sagte Ginny. Die Situation war ohnehin aussichtslos. Harry würde sich nicht beruhigen, das wusste sie.

„Also, das ist schon irgendwie aufregend, oder?", meinte Alicia, die auf dem Boden saß, den Rücken an die Wand gelegt und Jack auf ihrem Schoß hatte, der seelenruhig schlief.

„Ja, schon irgendwie", stimmte ihr Katie zu. Sie saß zwei Stühle neben Ginny. Eine Weile schwiegen sie alle.

„Wann passiert denn mal was?", fragte Fred schließlich.

„Hör auf, so dumme Fragen zu stellen", wies Mrs. Weasley ihn an.

„Tut mir leid, ich hab halt nicht so die Erfahrung", sagte er beleidigt. Liv rutschte auf dem Boden herum und war begeistert von der Stimmung.

„Wird es ein Brüderchen oder ein Schwesterchen?", fragte sie.

„Ich weiß nicht", sagte Angelina und strich ihr das Haar aus dem Gesicht, „wir werden sehen."

Seit kaum einer halben Stunde saßen und standen sie alle mehr oder weniger erwartungsvoll im Korridor und starrten die Tür zum Krankenflügel an. Für das Jubiläum hatte Dumbledore ein wenig Hilfe für Madam Pomfrey aus dem St. Mungo angefordert und so liefen die jungen Heilerinnen ein und aus und keine von ihnen war bereit, auf längere Fragestellungen einzugehen, was Harry immer nervöser machte.

„Das ist laaaaangweilig", beschwerte sich Liv.

„Nun gedulde dich schon ein wenig, Engelchen", bestimmte Mrs. Weasley. Es wurde kaum ein Wort gesprochen. Diese Tatsache machte Harry besonders hibbelig.

„Denkt ihr, es ist etwas schief gelaufen?", fragte Katie nach einer Weile.

„Was soll denn schief laufen?", fragte Mrs. Weasley.

„Na ja, keine Ahnung ... Was kann denn so alles schief laufen?", erkundigte Katie sich.

„Oh, nicht viel", beruhigte Mrs. Weasley.

Dann war es wieder still. Die Kinder wurden langsam müde und Liv hatte sich auf Angelinas Schoß eingerollt und schlief nun. Sirius und James, die sich die ganze Zeit merkwürdig ruhig verhalten hatten, murrten ein wenig. Harry hatte das Gefühl, dass Mrs. Weasley sie ganz gut im Griff hatte, immerhin hatte sie es auch schon mit Fred und George aufnehmen können. Julia fielen hin und wieder die Augen zu und Lee hatte sie auf den Stuhl neben Ginny gesetzt, damit sie in Ruhe schlafen konnte, aber die Tatsache, dass sie bald ein neues Geschwisterchen haben sollte, schien sie wach zu halten.

„Dauert das immer so lange?", fragte George zehn Minuten später.

„Jaaah", sagte Mr. Weasley.

„Du musst es ja wissen", murmelte George.

„Das kannst du glauben."

„Himmel, wann tut sich denn endlich mal was?", entfuhr es Harry schließlich. Er konnte es einfach nicht mehr ertragen, so unbeteiligt daneben zu stehen und nicht in der Lage sein, etwas auszurichten. Niemand sagte ein Wort.

Das Schweigen war nicht still, sondern unruhig und Harry wurde immer angespannter. Er hatte keine Ahnung, was im Krankenflügel vor sich ging. Die Räume waren schallisoliert und so drang kein Wort nach draußen. Auch von den Heilerinnen ließ sich keine mehr blicken. Ob das nun ein eher positives oder negatives Zeichen war, wusste er nicht.

Ginny hatte sich auf ihrem Stuhl zusammengerollt und döste vor sich hin. Fred und George hatten angefangen, mit Sirius und James Zauberschnippschnapp zu spielen. Alicia war auf Lees Schoß eingenickt und Jack schlief immer noch in ihrem Arm. Angelina redete leise mit Liv und Julia, während Katie unruhig mit den Beinen zuckte. Mr. und Mrs. Weasley hatten sich verabschiedet, um nach Emma zu sehen, was Harry für absolut unnötig hielt, aber er hatte eher das Gefühl, als hätten sie genug von der Ungeduld, die in der Luft hing, was er auch nachvollziehen konnte nach sämtlichen Geburten ihrer Kinder und Enkelkinder. Es war noch früh, aber das ewige Schweigen machte alle sehr schläfrig. Vom Fenster aus konnte man den See sehen und Harry wünschte sich, er könnte auch dort draußen sein. Warum musste sich dieses Baby auch so viel Zeit lassen?

Er dachte schon, es würde sich überhaupt nichts mehr tun, als sich die Tür plötzlich ruckartig öffnete und zwei der Heilerinnen einen rothaarigen Mann aus dem Raum schleppten und ihn unsanft zu Boden gleiten ließen.

Ron war nicht mehr bei Bewusstsein.

„Der stört nur", rief Madam Pomfrey und steckte ihren roten Kopf zur Türe heraus. Sie war ganz angespannt. „Solche Waschlappen können wir momentan nicht gebrauchen. Wirklich, und da sollte man meinen, der Vater von so vielen Kindern würde mehr aushalten!" Sie schnaubte verächtlich und ließ die Tür mit einer Zauberstabbewegung wieder zuschwingen.

Einige Augenblicke herrschte Stille, dann brach der Tumult los.

„Was heißt das jetzt, geht es los?", schrie Alicia.

„Was soll denn losgehen?", rief Lee, „die sind doch schon die ganze Zeit da drin!"

„Na irgendwann muss ja mal was passieren!", rief George.

„Und was sollte deiner Meinung nach passieren?", erkundigte sich Katie.

„Himmel, irgendwas wird schon sein!", sagte Fred.

„Kriegen wir jetzt unser Geschwisterchen?", fragte Julia schlaftrunken.

„Nachher, Schätzchen", meinte Angelina.

„Mann, das ist ja so was von nervenaufreibend", beschwerte sich Harry.

„Es ist nicht dein Kind!", wies ihn Ginny zurecht.

„Ist doch egal!"

„Wieso ist Ron überhaupt ohnmächtig?", fragte schließlich Angelina. Zum ersten Mal fiel überhaupt auf, dass Ron reglos auf dem Boden lag und sein Gesicht käseweiß war.

„Es wird doch nichts passiert sein?", fragte Lee und rappelte sich in seinem Stuhl hoch, während Harry schneller denn je auf und ab schritt.

„Nein, er wird immer ohnmächtig", klärte Ginny ihn auf. Lee lachte nervös.

„Ist eine Geburt wirklich so schlimm?", fragte er dann.

„Da fragst du die Falsche", meinte Ginny.

„Himmel, wann tut sich denn endlich mal was?", entfuhr es Harry. Er konnte es einfach nicht mehr ertragen, so unbeteiligt daneben zu stehen und nicht in der Lage sein, etwas auszurichten.

Gerade spielte er mit dem Gedanken, sich zu setzen, auch auf die Gefahr hin, dass die schläfrige Atmosphäre sogar ihn ergriff, als sich Ron zu seinen Füßen zu bewegen begann. Zuerst ruderte er mit den Armen durch die Luft, sodass er Harry unsanft am Bein erwischte, als dieser über ihn hinwegsteigen wollte. Ron ruckte mit dem Kopf hin und her, dann schlug er die Augen auf.

„Wo bin ich?", murmelte er und schüttelte den Kopf wie ein nasser Hund.

„Vorm Krankenflügel", erklärte Katie ihm. Ron sah sie eine Weile an, als wüsste er nicht so genau, wovon sie überhaupt sprach, dann stand er so plötzlich kerzengerade vor ihnen, dass Harry unwillkürlich einen Sprung rückwärts machte und Alicia auf den Fuß trat. Alicia schreckte direkt aus dem Wachschlaf, in den sie augenblicklich wieder gefallen war.

„Wasn los? Ist das Baby da?", fragte sie müde und rieb sich verschlafen die Augen.

„Baby?", fragte Ron alarmiert, „unser Baby? Also, Hermine ist da drin?"

„Ja, schon die ganze Zeit. Aber du hast es ja vorgezogen, in Ohnmacht zu fallen", sagte George und verdrehte die Augen.

„Ich muss da rein!", verkündete Ron.

„Wieso denn?", meinte Fred gespielt unbeteiligt, „es hat dich doch die ganze Zeit nicht gekümmert."

Harry fand es ein wenig übertrieben. Immerhin hatte Ron nur ein, zwei Minuten verpasste, aber er hatte das Gefühl, als ließen Fred und George ihn absichtlich im Glauben, dass er ewig auf dem Boden gelegen hatte.

„Also, jetzt hör mal", empörte sich Ron, „mein Kind kommt gerade auf die Welt."

„Ja, das wissen wir", sagte Ginny.

„Dad!", rief Julia, „Daddy, wann ist das Baby da?" Sie sah ihn erwartungsvoll an.

„Ich werde direkt mal nachgucken gehen", sagte Ron entschlossen und schritt zur Tür. Er warf den anderen vielversprechende Blicke zu und drückte die Klinke herunter. Doch die Tür öffnete sich nicht. Ron gab ein fassungsloses Geräusch von sich.

„Sie haben abgeschlossen", flüsterte er, „sie haben mich ausgesperrt!"

Fred und George brachen in schallendes Gelächter aus.

„Das hättest du dir früher überlegen sollen", lachte Lee. Ron fluchte laut und machte rüde Gesten zu Fred, George und Lee.

„Sie können mich doch nicht so hier stehen lassen! Ich bin immerhin der Vater!", beschwerte er sich lautstark. „Also, so was ist mir ja noch nie passiert", fügte er leise hinzu.

„Es wurde ja auch noch keines deiner Kinder in Hogwarts geboren", meldete sich Angelina zu Wort.

„Aber ... aber ..." Offenbar fehlten Ron die Worte. Harry musterte ihn amüsiert. Hoffentlich würde ihm das nie passieren.

„Was soll ich denn jetzt machen?", fragte Ron verstört.

„Warten", sagte Ginny. Sie war wieder hellwach.

„Ja ... aber"

„Dir wird gar nichts anderes übrig bleiben", meinte Harry.

„Aber ... ich bin doch der Vater", nuschelte Ron erneut, „das können sie doch nicht machen." Fred stöhnte entnervt.

„Du siehst doch, was unsere Poppy so alles kann", meinte er sachlich. Dann wandte er sich wieder Sirius und James zu.

Ron sah Harry mit großen Augen an, als könnte dieser etwas ändern. Harry zuckte nur die Schultern. Alicia gähnte laut und schmatzte ein wenig, dann legte sie ihren Kopf wieder in Lees Schoß.

„Aber ..."

„Halt die Klappe", meinte Fred halblaut.

„Aber ..."

„Ron!", sagte Ginny erschöpft.

„Ich mein ja nur ..."

„Jahaaa", sagte Angelina.

„Was hat Dad denn?", fragte Liv Angelina. Sie schien das alles ziemlich interessant zu finden.

„Er darf nicht zu deiner Mum", erklärte Angelina ihr. Liv riss ihre blauen Augen weit auf.

„Hat er sich nicht benommen?", fragte Liv.

„Ich weiß es nicht, Häschen", meinte Angelina matt.

„Dein Dad ist ein ziemlich fieser Typ", fing George an. Livs Augen wurden größer.

„Jaaah, er konnte sich noch nie benehmen", erklärte Fred ihr. Liv schaute ihre Onkels neugierig an.

„Was hat er denn gemacht?", fragte sie interessiert.

„Gaaanz böse Sachen! Ich glaube, darüber sollten wir gar nicht sprechen", meinte George und schaute geniert zur Seite.

„Das ist zu schlimm für dich, Liv", sagte Fred und nickte ernst.

Liv sah sie erschüttert an.

„Lasst die Scheiße!", fuhr Ron Fred und George an, „am Ende glaubt sie noch ich wäre ein Killer oder so."

„Ron, steh zu deinen Taten!", sagte George sachlich. Ron wurde immer wütender, Liv immer aufgeregter.

„Zu welchen Taten?", fragte sie vorwitzig.

„Liv, darüber dürfen wir nicht sprechen", sagte Fred und setzte ein bekümmertes Gesicht auf. Er schüttelte theatralisch den Kopf und fügte hinzu: „Sonst würde es uns ergehen wie den anderen. Und wenn du es wüsstest ..." Er senkte seine Stimme verschwörerisch. Liv geriet zusehends aus dem Häuschen.

„JETZT HÖRT ENDLICH AUF", schrie Ron. Liv warf ihm einige beunruhigte Blicke zu.

„Was ist denn das für ein Geschrei?", hörte Harry plötzlich eine Stimme hinter sich rufen. Harry drehte sich so rasch um, dass er sich das Genick verknackste.

Die Tür hatte sich endlich geöffnet und Madam Pomfrey war herausgetreten. Ron sah sie an, als müsste er erst sicher gehen, dass sie echt und keine Fata Morgana war. In einem Bruchteil einer Sekunde waren sie alle hellwach und saßen kerzengerade in ihren Stühlen.

Harry schluckte. Alle schauten Madam Pomfrey erwartungsvoll an. Man hätte eine Stecknadel fallen hören. Schließlich, zuerst ganz leise, dann immer lauter, hörte man das leise Schreien und Weinen eines Babys.

„Es ist ein - " Doch bevor Madam Pomfrey ihren Satz zu Ende gebracht hatte, hatte Ron sie schon grob zur Seite geschubst und war in den Krankenflügel gestürmt. Sie lächelte milde.

„ES IST EIN JUNGE!", schrie Ron ausgelassen und nun war keiner mehr zu halten.

„Los, los, los!"; schrie Harry und riss Ginny mit sich. Angelina, Katie und Alicia suchten in Windeseile sämtliche Kinder zusammen und Sirius und James setzten ihre Ellbogen tatkräftig ein, um zuerst bei ihrer Mutter zu sein.

„Wir haben einen Bruder, wir haben einen Bruder, wir haben einen Bruder", schrieen Sirius und James ausgelassen. Harry fluchte entnervt, denn ihm war die Sicht noch vollkommen verdeckt durch Fred und George.

„Lasst mich auch rein", rief er säuerlich.

„Ist das Baby da?", hörte er Emmas Stimme hinter sich.

„Oh Mann, der Tag wird besser und besser", verkündete Claire, die nun ebenfalls erschienen war. Sie stieß Harry unsanft zur Seite. Offenbar hielt sie nicht viel davon, Lehrern oder sonstigen Autoritätspersonen Vortritt zu lassen.

„Ich war vor dir", maulte Harry sie an.

„Oh, das muss ich übersehen haben, entschuldige, Harry", sagte sie und klimperte mit den Wimpern, „du hast doch nichts dagegen, wenn ich ..." Sie knuffte ihn sehr schmerzlich in die Seite und schlüpfte zwischen Fred und Ginny in den Raum.

„Es ist mein Geschwisterchen", bemerkte Emma, „ich möchte es jetzt sehen, es wäre schön, wenn sich das irgendwie einrichten ließe!"

Harry schnaubte.

„Ich will auch, aber denkst du ich komm hier durch?", fragte er, „warum dauert das denn so lange?"

„Ist ja schon gut", sagte Ginny und gab George einen derartigen Schubs, dass er in den Krankenflügel stolperte und so nicht weiter die Tür blockieren konnte, was ihm bisweilen sichtlich Vergnügen bereitet hatte.

„So, nachdem Sie es nun alle gesehen haben: Abmarsch bitte!"

„Was?", rief Harry und wandte sie um. Madam Pomfrey hatte eine ernste Miene aufgesetzt.

„Mrs. Weasley braucht jetzt vor allem eins: Ruhe!", erklärte sie streng.

„Aber ...", begann Harry, „ich war noch nicht mal drinnen!"

„Das tut mir leid für Sie, Mr. Potter, aber Sie werden sich wohl alle gedulden müssen."

Etwas in ihrer Stimme sagte ihm, dass sie nicht scherzte.

„Wissen Sie eigentlich, wie lange wir schon warten?", fragte Fred entrüstet.

„Mr. Weasley, ich glaube, Sie haben absolut keine Vorstellung von den Anstrengungen, die eine Geburt mit sich bringt. Ich muss Sie nun wirklich alle bitten, das Zimmer zu verlassen!", wiederholte sie mit vor der Brust gekreuzten Armen.

Rons Kinnlade klappte runter.

„Ja, auch Sie, Mr. Weasley, bitte!", sagte Madam Pomfrey nachdrücklich.

„Aber ich bin doch der Vater!", rief Ron aufgebracht.

„Nicht schon wieder", seufzte Ginny. Bevor Ron noch weiter Einspruch erheben konnte, hatte Madam Pomfrey die Tür erneut verriegelt.

„Und ... was heißt das jetzt genau?", fragte Ron bedröppelt.

„Warten", antworteten Fred und George im Chor.

Harry fand es äußerst gemein von Madam Pomfrey, sie alle solange hinzuhalten, dass er sich schmollend auf einen Stuhl verzog. Allerdings sagte eine leise unparteiische stimme in seinem Hinterkopf, dass sie Recht hatte. Zuviel Aufregung würde dem Kind sicher nicht gut tun. Ob es nun fair war oder nicht, darüber ließ sich streiten, aber Harry wusste: ändern würde sich nichts. Und so ließen sie sich alle wieder nieder und vertrieben sich die Zeit so gut es ging mit Nichtstun, oder, im Falle der Kinder, mit Plappern und Unfug.

Harry glaubte schon, es müsste ein Wunder geschehen, dass er dieses Baby überhaupt noch mal zu Gesicht bekam, als sich die Tür erneut auftat.

Lyn wartete geduldig, bis sie am Zuge war. Das Gedrängel löste sich nach und nach und irgendwann war die Türe frei, sodass sie unbemerkt hineinschlüpfen konnte.

„Mein Sohn!", schrie Ron wieder und wieder, während er das Baby durch die Luft wirbelte, „sieht er mir nicht ähnlich?"

Er warf Harry zustimmungsheischende Blicke zu. Harry nahm ihm das Baby aus den Händen und betrachtete es eingehend. Er schaute kritisch und äußerst ernst drein. Lyn grinste.

„Nun komm schon, Harry, er sieht doch aus wie ich, sag es schon, na los!", forderte Ron ihn auf.

„Lass mich doch erst einmal in aller Ruhe schauen", sagte Harry wichtigtuerisch. Er musterte das kleine Baby, eingepackt in einen blauen Strampelanzug, auf dem Lyn, wenn sie sich nicht täuschte, kleine Besen und Quidditchbälle erkennen konnte. Das Baby schrie und quietschte und seine Wangen waren rot wie ein Apfel.

„Und?", fragte Ron erwartungsvoll.

„Na ja, eine kleine Ähnlichkeit kann man schon erkennen", gab er zu.

„Ich wusste es!", jubelte Ron lautstark.

„Wie heißt es überhaupt?", erkundigte sich Lyn scheu.

„Ja, genau, wie heißt es?", fragte Claire aufgeregt.

„Adam!", rief Ron.

„Und wäre es ein Mädchen geworden?", fragte Angelina neugierig.

„Es ist ja kein Mädchen", sagte Ron.

„Aber wenn es eins geworden wäre?"

„Ich wusste, dass es ein Junge wird."

„Soso", sagte Hermine. Ron setzte sich wissend zu ihr und legte einen Arm um sie.

„Ein Vater spürt so was", erklärte er bereitwillig.

„Natürlich. Du warst dir bei Emma ja auch absolut sicher, dass es Drillinge werden", lachte sie. Ron schaute sie ernst an:

„Nun, da hat mir vielleicht ein bisschen die Erfahrung gefehlt. Aber bei Sirius und James wusste ich es!"

„Ja, da hattest du deine Erwartungen schon ein wenig runtergeschraubt", neckte Hermine ihn.

„Und wenn schon", sagte Ron ein wenig beleidigt, „jedenfalls hab ich es bei Adam einfach gespürt."

„Muss ich jetzt stolz auf dich sein?", fragte Hermine grinsend. Ron gab ihr einen Kuss auf die Wange.

„Nein, ich muss stolz auf dich sein, weil du beste Mutter von allen bist", sagte er leise. Hermine kuschelte sich in seine Arme und lächelte selig.

„Onkel Harry, ich möchte jetzt", ließ Liv verlauten und trat mit gerecktem Kinn zielstrebig auf ihn zu.

„Genau, ich auch!", sagte Emma schnell und riss Adam an sich, noch bevor Liv ihn mit ihren kleinen Armen erreichen konnte. Liv jedoch ließ sich davon nicht abschrecken und riss ihrer großen Schwester mehrmals derart heftig am Ärmel, dass diese Schwierigkeiten hatte, Adam sicher zu halten.

„Gib ihn her", forderte Liv laut.

Emma setzte sich auf den Boden und bettete Adam in ihrem Schoß. Liv ließ sich schnell neben sie auf den Boden plumpsen und patschte Adam mit ihren Händchen auf eine Art auf den Kopf, die sie selbst scheinbar für ziemlich zärtlich hielt. Nun kam auch Julia angeschlichen und nahm neben ihren Schwestern Platz.

„Zum Glück ein Junge", sagte Fred erleichtert.

„Wieso?", erkundigte sich Angelina und setzte sich auf einen der Stühle, die Madam Pomfrey mittlerweile hereinfliegen lassen hatte.

„Na ja, in der Familie", meinte Fred wissend. Angelina sah in verständnislos an.

„Da werden die Männer doch total untergebuttert! Sieh dir nur Ron an. Zum Glück sind Sirius und James keine von der Sorte", sagte er und schaute die beiden mächtig zufrieden an, „die können sich noch durchsetzen!"

Lee und George nickten unterstützend.

„Sind sie nicht süß, wie sie da zusammen auf dem Boden sitzen", seufzte Katie versonnen.

„Ja, man konnte sie gleich auffressen!", sagte Alicia munter. Emma schnaubte.

„Ich bin keine fünf mehr", sagte sie.

„Natürlich", sagte Fred dramatisch, „mein kleiner Sonnenschein ist jetzt schon elf. Wie schnell doch die Zeit vergeht. Bevor ich mich versehe, bist du eine von diesen lästigen alten Damen, die dir ihre knüppelharten Stöcke so fest gegen das Schienbein schlagen, dass du zwei Wochen später noch blaue Flecken hast, nur weil sie denken, du könntest ihnen schicke Häkeldeckchen an den Wühltischen unter den Nägeln wegreißen!"

„Wahrscheinlich werde ich so", sagte Emma unbekümmert, „oder ich sterbe als alte Jungfer."

„Emma, ich glaube nicht, dass du schon in dem Alter bist, in dem du dir darüber Gedanken machen müsstest!", rief Ron empört.

„Ist ja schon gut, Dad, das sagt man einfach nur so", erklärte Emma schnell.

„Magst du runter? Na, magst du runter, du kleiner süßer Wonneproppen?", fragte Alicia inzwischen Jack, der auf ihrem Arm angefangen hatte zu strampeln.

„Ich will zum Baby", sagte Jack und schaute sie groß aus seinen braunen Augen an.

„Magst du zu deinem Brüderchen, du kleiner süßer – "

Doch bevor sie weitersprechen konnte, hatte Lee ihn ihr schon aus dem Arm gerissen und meinte:

„Mach die Sache doch nicht so schwierig."

Er setzte Jack auf den Boden, der nun schnell auf seine Geschwister zukrabbelte.

„Baby", sagte er. Er deutete auf Adam und quietschte ausgelassen.

„Sei doch nicht so albern", meinte Liv streng. Offenbar genoss sie es, dass er, als jüngerer von ihnen, als einziger auf sie hörte.

„Das ist mein Bruder", sagte Jack und strahlte so breit, dass ihm ein wenig Spucke aus dem Mundwinkel lief.

„Du bist so kindisch", meinte Liv und zog die Augenbrauen hoch. Anscheinend hatte sie sich schon so einiges von ihrer Mutter abgeguckt.

„Und du bist meine droße Swester", sabberte Jack weiter. Liv sah ihn ein wenig mitleidig an.

„Meine liebe droße Swester", wiederholte Jack. Nun fühlte sie sich doch ein wenig geschmeichelt und ließ sich dazu herab, ihm die Wange zu streicheln.

Lyn fand die beiden unglaublich goldig. Nicht zum ersten Mal wünschte sie sich, selbst Geschwister zu haben. Oder wenigstens anständige Eltern, das wäre mal ein Anfang.

„Ich hätte auch gerne noch ein Geschwisterchen", sagte Claire und machte einen Schmollmund, „aber auf mich hört ja kein Mensch. Obwohl, Arthur ist manchmal ziemlich nervig. Aber normalerweise gibt er Ruhe, wenn ich ihn eine halbe Stunde in seinem Zimmer eingesperrt hab."

Emma sah sie missbilligend an.

„Das kannst du doch nicht machen. Das ist ja wie ... du bist doch kein Auror!", belehrte sie Claire. Claire zuckte die Schultern.

Harry hoffte, dass seine Kinder nicht zu denselben Mitteln wie Claire greifen würden.

Adam gluckste die ganze Zeit wild zwischen sämtlichen Kindern, bis die Tür sich öffnete und Mrs. Weasley hereingestürmt kam.

„Oh, es ist da!", rief sie heiter, „ein Junge oder ein Mädchen? Wie heißt es? Himmel, Arthur, ich hab doch gesagt, dass wir uns beeilen müssen, aber du musstest mal wieder so lange herumbummeln."

Mr. Weasley zuckte entschuldigend die Achseln, aber seine Frau hielt sich nicht weiter an ihm auf. Eigentlich hielt sie sich an niemandem auf und noch bevor jemand Zeit hatte, ihre Fragen zu beantworten, hatte sie sich schon Adam geschnappt.

„Komm mal her zu Oma, mein kleiner Schatz. Na, wie heißt du denn? Wie heißt du denn, mein Schatz?", sagte sie und liebkoste ihn ungestüm.

„Adam", sagte Hermine von ihrem Bett herüber.

„Oh, Adam, na das ist aber ein feiner Name, oder, mein kleiner Liebling? Bist du ein süßer kleiner Junge, ja?"

„Oma", sagte Liv laut und hing sich an ihr Bein, „Oma, ich bin auch noch da!"

Ginny auf Harrys Schoß lachte.

„Ich weiß, mein Goldkind, wie könnte ich dich vergessen?", sagte Mrs. Weasley, reichte Adam Ginny und hob Liv auf ihren Arm. Liv sah sofort um einiges beruhigter aus.

Ginny wiegte Adam sanft hin und her. Der Kleine gluckste und brabbelte unverständlich vor sich hin, aber seine Wangen waren noch immer karmesinrot und seine blauen Augen strahlten.

„Ich will auch mal", sagte Harry und schob Ginny so zurecht, dass er ebenfalls Adam erreichte.

„Er ist so süß", lächelte Ginny. Harry kitzelte ihn leicht und sofort begann er zu lachen.

„Da würden sich ja zwei gut als Eltern machen", rief eine Stimme neben ihnen. Tonks war hereingestürmt und hatte Lupin, der hinter ihr stand, Lily in die Hand gedrückt.

„Aber jetzt ist Schluss damit, ich bin dran", bestimmte sie und riss Adam an sich. „Na, mein kleiner süßer Hase, bist du aber ein ganz Knuddeliger!"

Und so ging es den ganzen Abend weiter und ständig stürmten irgendwelche wilden Besucher herein. Hermine und Ron hatten sichtliche Mühe, ihren Sohn überhaupt noch mal zu Gesicht zu bekommen.

Schließlich hatte Ron Adam wiederergattert, als er stutze und mit einem Blick auf seine Uhr verkündete:

„Ich gehe jetzt." Hermine sah ihn verwirrt an.

„Was jetzt?", fragte Fred verständnislos.

„Ich gehe jetzt", wiederholte Ron und seine Augen funkelten wild, „gleich beginnt das Konzert."

„Es wäre ja auch zu schön gewesen, wenn du deine Familie einen Tag lang deinen sonstigen Launen vorziehen könntest. Anstatt dass du dich um deinen Sohn kümmerst – "

Doch schon hatte Ron Hermine unterbrochen: „Mein Sohn kommt natürlich mit!"

„Und wie sieht es mit deinen anderen Kindern aus?", fragte Hermine.

„Die kommen auch alle mit!"

„Ich auch?", fragte Jack.

„Du auch, mein Sohn, du auch!", strahlte Ron, „heute wird dir dein Vater mal zeigen, was eine Band ist!"

„Jaaah", rief Jack begeistert.

„Denkst du, dass das sinnvoll ist? Es wird nicht gerade leise dort unten sein", wandte Hermine ein. Ron schnaubte.

„Nein", bestimmte Hermine, „Adam bleibt hier bei mir!"

Die Große Halle war verdunkelt und sämtliche Kerzen hatten sich alle über einer Bühne gesammelt, auf der bisweilen nur Instrumente standen.

Die Luft war schwer und es war warm in der Halle, aber Harry meinte, dass es sich so für ein Konzert wie dieses gehörte.

„Wann fängt es denn endlich an?", fragte Ron und ließ sich auf einen Stuhl plumpsen.

„Wir werden sehen", sagte Tonks munter.

„Ja, ich frag ja nur", murmelte Ron.

Liv hüpfte angetan um ihn herum und sang ein wenig vor sich hin. Jack stolperte neben ihr herum und Julia ließ sich erschöpft neben ihrer Mutter nieder. Lee, Fred und George waren genauso begeistert von der Stimmung wie Ron. Claire verdrehte die Augen.

„Machen hier so nen Aufstand", murmelte sie, „wenn Opa jetzt auch noch mitmacht, kann ich zu Gott beten, dass keiner sie sieht. Das wäre eine Blamage. Überlegt euch mal, wie eine Bande Frührentner – "

„Jetzt sei nicht so unverschämt! Also wirklich, so alt sind sie ja auch noch nicht!", fuhr Emma dazwischen.

„Lasst uns von hier verschwinden", meinte Claire ungeduldig, „bevor Opa anfangen kann, Disco Fox zu tanzen!"

Lyn grinste.

„In Ordnung, lasst uns rüber zu Gabriel gehen", schlug sie vor, auch wenn sie das Problem nicht so ganz verstand. Es wäre viel eher eine Schande, würde ihr Dad die Hüften kreisen lassen. Bei dem Gedanken daran musste sie lachen.

„Was ist?", fragte Claire. Lyn winkte ab. Sie schoben sich durch das Gewühl, was weitläufig vor der Bühne herrschte. Mehrere Leute standen mit gezückter Kamera in der Gegend herum, offenbar wurde der Auftritt dieser Band nicht nur von Mr. Weasley heiß ersehnt. Ein kleiner Mann hüpfte neben ihr und trat ihr einige Male mächtig auf den Fuß, doch es schien ihn nicht groß zu kümmern. Nachdem er zum ungefähr siebten Mal nach einem waghalsigen Luftsprung auf ihren Füßen landete, sagte sie laut: „Autsch!" Der Mann beachtete sie nicht weiter, sondern rief:

„Ich bin vom Propheten, auf Seite, Mädchen!"

Lyn schüttelte stumm den Kopf. Wenige Augenblicke später erreichten sie Gabriel, der mit Nathaniel und Dominic vor der Bühne stand, wenn die beiden auch nicht halb so fröhlich wirkten wie er.

Gerade wollten die drei Mädchen sie begrüßen, als mit einem Mal der samtene Vorhang, der alles mehr oder weniger verhüllt hatte, aufgerissen wurde.

Für einen kurzen Augenblick trat Stille ein, dann schrie und pfiff die Zaubererwelt nur so, dass Lyn keinen Grund zu der Annahme hatte, dass sie sich in diesem Punkt mit der der Muggel unterschied.

Der Mann, der auf die Bühne trat, war in einen elegant zerschlissenen schwarzen Umhang gekleidet und seine Augen wirkten ziemlich dunkel. Wenn Lyn sich es recht überlegte, wollte er wohl einen mysteriösen Effekt damit erreichen. Bei Lorrain hatte er dies anscheinend geschafft, denn sie pfiff derart laut, dass Thomas ein wenig verstört aus der Wäsche schaute.

Wäre Lyn ein Muggel, würde sie wahrscheinlich annehmen, sie wäre mitten in einer schwarzen Messe gelandet. Das flackernde Kerzenlicht verlieh dem Ganzen eine unheimliche Stimmung. Für die meisten anderen allerdings schien dies total normal zu sein. Offenbar zelebrierten Hexen und Zauberer ihre Konzerte immer derart.

Die Band begann zu spielen und die Große Halle brodelte. Lyn sah deutlich, wie Professor McGonagall und Professor Dumbledore begannen, im Takt der Musik einen schnellen und leicht abgeänderten Walzer hinzulegen. Ihre Nasen schienen verdächtig rot, allerdings war es schwer, das von ihrem Standpunkt aus zu beurteilen.

„Oje", stöhnte Gabriel und verbarg sein Gesicht in den Händen, „was macht meine Mum denn da? Das ist ja einfach lächerlich! Hoffentlich sieht sie keiner!"

Mrs. Finnigan schien völlig aus dem Häuschen, allerdings wurde Lyn der Blick durch Hagrid verdeckt, Claire jedoch seufzte mitleidig:

„Ja, mein Vater dreht auch völlig am Rad. Es ist einfach erbärmlich. Da denkst du, sie wären aus dem Alter raus und dann so was in aller Öffentlichkeit!"

Lyn schaute sie verwundert an. Claire war normalerweise keine, die mit irgendwelchen Peinlichkeiten Probleme hatte. Scheinbar sah sieh das bei ihren Eltern etwas anders.

„Keiner denkt an mich, immerhin habe ich einen Ruf zu verlieren", erklärte sie theatralisch.

„Ach ja, hast du?", fragte Emma scheinheilig. Claire nickte leidend.

„Jetzt hört doch mal auf mit euren Eltern!", schrie Lyn über das Getöse hinweg, „guckt halt einfach nicht mehr hin!"

Claire schien dies für einen durchaus akzeptablen Vorschlag zu halten und wandte sich wieder der Band zu. Gabriel warf seiner Mutter noch mehrere hoffende Blicke zu, dann drehte er sich zu Claire.

„Viel passiert heute", sagte Harry zu Ginny. Sie standen noch in der Eingangshalle.

„Ja, sehr viel", stimmte Ginny ihm zu.

„Hoffen wir, dass es nicht noch mehr wird", lachte Harry.

„Harry", flüsterte Ginny.

„Ja?"

„Ich bin froh, dass es so ausging."

„Was denn?" Sie kuschelte sich in seinen Arm.

„Alles. Ich meine, es ist alles wieder gut", sagte sie leise.

„Ich würde eher sagen, alles ist perfekt", meinte Harry.