9.

Für Sirius schienen sich die folgenden Tage endlos in die Länge zu ziehen. Anfänglich gelang es ihm noch, sich mit kleineren Arbeit im Haus und Garten Abwechslung zu verschaffen, doch auch diese Ablenkung wirkte bald nicht mehr und das so vertraute Gefühl des Eingesperrt sein, unter dem er auch im Grimmauld Place gelitten hatte, kehrte unbarmherzig zurück. Der morgendliche Tagesprophet und Remus, der soweit er es einrichten konnte, jeden Abend bei ihnen vorbei kam, unterrichteten sie, was derzeit in der Außenwelt vor sich ging, doch Sirius war hier zum Nichtstun verdammt und schon bald begann er ruhelos durch das riesige Haus zu wandern. Verdrießlich sah er durch die nassen Scheiben dem Dauerregen zu, der seit drei Tagen hartnäckig jeden Sonnenstrahl aussperrte. Hinter sich hörte er das leise, gleichmäßige Klappern von Andrea, die an ihrem Computer saß und unermüdlich tippte.

„Wenigstens einer, der hier etwas Sinnvolles tun kann", dachte er missmutig, stieß sich vom Fenster ab und drehte sich nach ihr um; sie schien seine Anwesenheit kaum zu bemerken. Oder war es eher so, dass sie ihn bewusst ignorierte? Einige Sekunden beobachtete er ihre Finger, die routiniert über die Tasten huschten, ehe sie eine kurze Pause machten, nach der Teetasse griff und feststellte, dass diese leer war. Gedankenverloren stellte Andrea die Tasse zurück, während sie sich kurz mit der andren Hand über die Stirn massierte und dann erneut zu tippen begann.

Sirius beobachtete sie noch einen Moment nachdenklich, ehe er in die Küche ging um Tee zu kochen. Das Leben in diesem Haus war sicher um einiges angenehmer als im Grimmauld Place; es hatte eine warme, gemütliche Atmosphäre, er konnte sich im Garten aufhalten und die Sonne genießen, sofern sie schien und es gab keinen lästigen Kreacher. Auch Andrea war sehr darum bemüht, ihm seinen Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen und doch fühlte er sich mit jedem Tag unbehaglicher. Es war die seltsame Spannung zwischen ihnen, für die er keine Erklärung hatte und die doch von Tag zu Tag größer zu werden schien, aber seine Gastgeberin wich jedem klärenden Gespräch aus. Er hatte gerade das kochende Wasser in die Kanne gegossen, als auch Andrea mit ihrer leeren Tasse in der Hand neben ihm erschien.

„Ich habe gerade welchen gemacht", sagte Sirius leichthin und deutete auf die Teekanne.

„Danke!", antwortete sie mit einem dankbaren Lächeln, ehe sie im Küchenschrank nach Keksen zu suchen begann.

„Gern geschehen", nickte Sirius und füllte ihre Tasse mit frischem Tee, als sie auch schon mit einem triumphierenden Grinsen eine Packung Kekse in die Luft hielt.

„Wusste doch, dass noch Kekse da sind."

Sie füllte das Gebäck in eine Schüssel und hielt sie ihm entgegen, damit er sich einen Keks nehmen konnte. Sirius lehnte dankend ab, doch statt an ihre Arbeit zurückzukehren, lehnte sie sich gegen den Küchenschrank und blickte ihn einige Sekunden nachdenklich an. Ihre Blicke trafen sich kurz, doch noch ehe Sirius etwas sagen konnte, seufzte sie schwer.

„Ich würde dir sehr gern helfen, Sirius, doch ich weiß nicht wie", sagte sie leise, während ihre Hände die Teetasse fest umklammerten und plötzlich spürte Sirius, wie die Distanz zwischen ihnen zu bröckeln begann. Das freundliche, jedoch unverbindliche Lächeln war verschwunden, als hätte jemand einen Schleier entfernt und zum Vorschein kam ehrliche Besorgnis und etwas, das Sirius am ehesten mit einem Ausdruck der Trauer verglichen hätte.

Er wusste sehr genau, dass sie die Suche nach Peter meinte und einem ersten Impuls nach, wollte er ihr sagen, dass sie in diesem Fall absolut nichts tun konnte, aber irgendetwas hielt ihn davon ab, diese Worte auszusprechen. Stattdessen nickte er nachdenklich und als sich ihre Blicke erneut trafen, wusste er plötzlich, dass er ein klärendes Gespräch nicht länger hinauszögern konnte. Was auch immer für diese unsichtbare, jedoch spürbare Distanz verantwortlich war, es musste endlich angesprochen werden.

„Es gibt etwas, bei dem du mir helfen könntest", begann er zögernd, während er ihr Mienenspiel scharf beobachtete. „Ich wüsste gern, was du für ein Problem mit mir hast."

„Ich habe dir schon mal gesagt, dass ich kein Problem mit deiner Person habe", behauptete sie fest, stellte ihre Tasse ab und machte Anstalten die Küche zu verlassen. Schlagartig war die unsichtbare Distanz wieder da, doch diesmal blieb Sirius hartnäckig.

„Andrea, mach mir nichts vor! Auch wenn ich zwölf Jahre in Askaban verbracht habe, so hat doch mein Gespür für unausgesprochene Spannungen nicht darunter gelitten. Du hast ein Problem mit mir und ich wüsste gern welches!", sagte er, während er sie am Handgelenk festhielt.

„So ein Quatsch! Hätte ich dich eingeladen hier zu bleiben, wenn ich mit dir ein Problem hätte?", entgegnete sie ärgerlich und wollte sich aus Sirius Griff befreien, doch ihm entging nicht, dass plötzlich so etwas wie Angst in ihrem Blick aufflackerte.

„Hast du Angst vor mir?"

„Nein, ganz sicher nicht!", erklärte sie ruppig, wich jedoch seinem forschenden Blick aus.

„Und warum zuckst du dann jedes Mal zusammen, wenn ich unerwartet neben dir auftauche?", entgegnete er ruhig, wohl wissend dass er sie mit seinen Fragen in die Enge trieb, doch diese Sache war ihm zu wichtig, als dass er an diesem Punkt nachgeben wollte. Er fühlte, wie sich die Sehnen ihres Unterarms unter seinen Fingern anspannten und wusste auch ohne hinzusehen, dass sie die Hände zu Fäusten ballte. Mit dem Bemühen ihrer Stimme einen möglichst ruhigen, selbstsicheren und überzeugenden Ton zu geben, blickte sie zu ihm auf, aber ihm entging trotzdem nicht das zornige Funkeln in ihren Augen.

„Du reagierst paranoid, Sirius. Fall es wirklich vorgekommen ist, dass ich bei deinem Auftauchen zusammenzucke, dann hat das sicher nichts mit dir, sondern vielmehr mit meinen überreizten Nerven zu tun. Möglicherweise bin ich wirklich etwas schreckhaft, doch ich habe ganz bestimmt keine Angst vor dir."

„Was ist es dann?"

„Gar nichts! Ich habe keine Ahnung wovon du überhaupt redest. Vielleicht lässt dich die Ruhe hier langsam Gespenster sehen", stieß sie gepresst hervor, während sie versuchte, ihre Hand seinem Griff zu entwinden.

„Ich glaube dir kein Wort", entgegnete er, vielleicht eine Spur schärfer als beabsichtigt. „Aber selbstverständlich kann ich dich nicht zwingen…"

„Das ist verdammt richtig! Niemand kann mich zu irgendetwas zwingen, auch du nicht und nun lass gefälligst meine Hand los!", platzte es ungehalten aus ihr hervor und nun war auch alle Selbstsicherheit und Beherrschung verschwunden.

„Andrea…es…".

Sirius brach ab, als er die Tränen sah, die nun ungehindert ihre Wangen hinabliefen und plötzlich tat es ihm leid so grob gewesen zu sein. Mit einem resignierenden Kopfschütteln ließ er ihre Hand los.

„Es tut mir leid, Andrea! Ich denke, es ist besser wenn ich nach oben gehe und meine Sachen zusammenpacke…."

„NEIN!" unterbrach sie ihn hastig und wischte sich mit einer fahrigen Bewegung über das Gesicht. „Bitte geh nicht!"

„Andrea, es hat keinen Sinn so. Wir können nicht…".

„Bitte, es hat wirklich nichts mit deiner Person zu tun", unterbrach sie ihn erneut und trat einen unsicheren Schritt näher an ihn heran. „Es ist…nicht…wie du denkst. Ich möchte wirklich nicht, dass du gehst."

„Dann rede mit mir, Andrea! Sag mir endlich was los ist!", entgegnete er eindringlich, doch sie schüttelte energisch den Kopf und wandte sich von ihm ab.

„Es tut mir leid, ich kann nicht", sagte sie leise und ihre zitternde Stimme verriet Sirius, dass sie weinte. Für einen Moment wallte Zorn in ihm auf und er spürte den brennenden Wunsch, sie einfach zu packen und kräftig zu schütteln, doch gleichzeitig erkannte er auch, dass ihre Verzweiflung echt war. Unsicher was er sagen, oder wie er darauf regieren sollten holte er tief Luft, ging einen Schritt näher an sie heran und legte ihr die Hand auf die Schulter.

„Hängt es mit Remus zusammen? Hast du Bedenken ich würde mich zwischen euch stellen?", forschte er vorsichtig weiter.

„Nein, das ist es nicht", sagte sie matt und drehte sich zu ihm zurück. Ein trauriges Lächeln huschte über ihr Gesicht, als die den Kopf schüttelte und auf einen imaginären Punkt über seiner Schulter starrte. „Ich denke, das ist ein Problem mit dem ich ganz allein fertig werden muss."

„Probleme lösen sich für gewöhnlich nicht dadurch, dass man sie totschweigt", seufzte er und griff erneut nach ihrer Hand, doch diesmal sträubte sie sich nicht dagegen. „Und dieses Problem belastet unser Zusammenleben hier."

„So einfach ist das nicht", flüsterte sie, während ihr Blick auf seiner Hand ruhte, mit der er die ihre noch immer festhielt. Einen Moment lang schien sie mehr sagen zu wollen, doch sie wischte nur mit einer energischen Bewegung ihre Tränen fort.

„Es tut mir leid, Andrea, ich wollte dir nicht wehtun, doch ich weiß nicht wie ich mit dieser Situation umgehen soll. Du weichst mir aus, zuckst zusammen wenn du mich unerwartet siehst, behauptest aber, dass dies nichts mit mir zu tun hat und ich hier bleiben soll. Nehme es mir nicht übel, doch ich verstehe dich nicht und ich wüsste gern, was wirklich mit dir los ist."

„Ich versteh mich ja selbst auch nicht", entgegnete sie seufzend und entzog ihm die Hand.

„Prima, dann sind wir schon zwei", stöhnte er und hob kapitulierend die Hände. „Wie stellst du…".

„Das Problem liegt nicht bei dir, sondern in meiner Vergangenheit", sagte sie leise, seine sarkastischen Worte ignorierend. „Du hast einfach zuviel Ähnlichkeit mit meinem Großvater."

„Wie bitte?", stieß er verblüfft aus, nicht sicher sie richtig verstanden zu haben.

„Du hast die gleichen Augen, das gleiche Lachen und die gleiche Art skeptisch den Kopf schief zu legen. Es gibt Momente, da glaube ich fast, Archibald Black sei zurückgekehrt."

Sirius starrte sie fassungslos an. Von all den möglichen Erklärungen war dies gewiss die Letzte mit der er gerechnet hätte, dennoch bekam ihr ganzes Verhalten damit Sinn. Binnen weniger Sekunden schien sich sein Magen in einen Eisblock verwandelt zu haben, als hätte ihn jemand soeben mit einem Kältefluch belegt. Sirius wusste um die Familienähnlichkeit zwischen ihm und dem Cousin seines Vaters, auch wenn er dies nicht sehr schmeichelhaft empfand. Er schluckte heftig und als er zu sprechen begann, klang seine Stimme rau und krächzend.

„Ich verstehe", nickte er betroffen. „Vielleicht wäre es dann doch sinnvoller ich würde in den Grimmauld Place zurückkehren…", sagte er, sehr darum bemüht ruhig zu bleiben, aber noch ehe er seinen Gedankengang weiter ausführen konnte, trat sie einen eiligen Schritt nach vorn und griff nach seinem Arm.

„Nein, du verstehst es eben nicht", sagte sie mit einem Anflug von Verzweiflung in der Stimme.

„Was ist daran schwer zu verstehen? Archibald Black war durch und durch ein Schwarzmagier und…"

„Nein, Sirius, so einfach ist das nicht", unterbrach sie ihn ungeduldig, doch als er sie fragend ansah, fehlten ihr die Worte, das zu erklären, was wirklich in ihr vorging.

„Es ist sehr viel komplizierter und ich weiß nicht….womit ich eigentlich beginnen soll", seufzte sie nach einigen Sekunden und zog zögernd die Hand zurück, als wäre ihr erst in diesem Moment die körperliche Berührung bewusst geworden.

Sirius hatte nicht die geringste Ahnung, auf was diese Erklärung hinauslaufen sollte, doch plötzlich stieg das unbehagliche Gefühl in ihm hoch, dass es vielleicht besser gewesen wäre, nicht nachzubohren. Er wusste aus eigener Erfahrung wie schmerzhaft es war, den Schatten der Vergangenheit Raum zu geben, doch Andreas Haltung zeigte deutlich, dass sie nun einen Punkt erreicht hatte, an dem sie erklären wollte; erklären musste.

„Möglicherweise sollten wir damit anfangen, dass wir uns setzen", sagte er mit einer Kopfbewegung Richtung Küchentisch. „Im Sitzen redet es sich einfacher."

Andrea atmete tief ein, ehe sie zaghaft nickte und sich schwerfällig auf einen der Küchenstühle setzte. Sirius reichte ihr die Teetasse und ließ sich ihr gegenüber nieder. Für einige Minuten herrschte eine angespannte Stille in der Küche. Andrea umklammerte mit beiden Händen ihre Teetasse und vermied es Sirius anzusehen, bis sie schließlich einen großen Schluck Tee nahm und stockend zu erzählen begann.

„Ich werde ein bisschen weiter ausholen müssen", sagte sie unsicher, doch als Sirius zustimmend nickte, fuhr sie entschlossen fort. „Ich bin als Kind in einer Welt aufgewachsen, in der es keine so krasse Trennung zwischen Zauberern und Muggel gab. Oder ich habe es als Kind einfach nur so empfunden, wer weiß. Jedenfalls lebte ich bei meinen Eltern in einem reinen Muggelhaushalt, doch Magie war mir nie fremd, sie war so selbstverständlich wie die Elektrizität in meinem Elternhaus. Es war für mich normal, dass ich eben magische Verwandte hatte und meine Eltern Muggel waren. Trotzdem fühlte ich mich immer als magisches Wesen und dachte, wenn ich älter werde, würde ich auch einmal eine Hexe sein. Ein Irrtum wie sich herausstellte, doch mit der Erkenntnis, dass ich mein Leben lang ein Muggel bleiben würde, steigerte sich nur mein Interesse an allem, was mit Magie zu tun hatte. Meinen Eltern behagte diese Entwicklung nicht und als ich ungefähr 12 Jahre alt war, gab es einen heftigen Streit deswegen. Ich bin von Zuhause weggelaufen - zu meinen Großeltern. Meine Großmutter war sehr besorgt und versuchte mir den Standpunkt meiner Eltern zu erklären; sie sagte, dass ich mich damit abfinden müsse als Muggel geboren zu sein. Mein Großvater jedoch hörte nur schweigend zu, aber als sich wenig später die Gelegenheit bot, nahm er mich zur Seite und sagte, dass ich alles werden könnte, wenn ich es nur wollte. Ich müsse mich nur gedulden und irgendwann würde eine Zeit kommen, in der ich mein magisches Erbe antreten könnte. Er sagte, dass ich für ihn das Juwel seiner Welt sei und wenn ich später wirklich einmal eine Hexe werden wollte, dann würde er alles in seiner Macht stehende tun, um mir genau das zu ermöglichen.

Ich hab damals nicht begriffen, was er damit wirklich meinte, doch ich fühlte mich von ihm geliebt und verstanden und dachte, er wäre der einzige Mensch der meinen Wunsch wirklich verstehen konnte. Ich habe nie nachgefragt, wie diese Hilfe aussehen sollte, doch ich vertraute ihm. Es war so, als hätten wir beide eine geheime Verschwörung ins Leben gerufen und mit jedem Mal, da er mich sein Juwel  nannte, war es, als würde er dieses Versprechen erneuern. Wenn wir alleine waren, erzählte er mir von dem Casa de anhelo und den Menschen die frührer darin gelebt hatten. Irgendwann hat er mich dann sogar mit in dieses Haus genommen und er zeigte mir die Porträts der Menschen von denen ich abstammte. Wir saßen gemeinsam am Kamin und haben Äpfel gebraten, während er mir alte Geschichten erzählte und ich fühlte mich geborgen und geliebt."

Alte Erinnerungen stiegen in ihr hoch und Andrea machte eine Pause, um sich wieder zu sammeln. Plötzlich sah sie ganz deutlich das lachende Gesicht ihres Großvaters, wie er die Arme ausbreitete, als sie auf ihn zugerannt kam. Fühlte seine starken Arme um sich, als er sie hoch in die Luft hob und sich mit ihr im Kreis drehte.

„Er wollte das Salomonschild benutzen, um an dir eine Umwandlung zur Hexe zu vollziehen", nickte Sirius verstehend und riss sie damit unvermittelt in die Wirklichkeit zurück. „Er wollte dich benutzen um an die Geheimnisse dieses Hauses heranzukommen." Sirius Stimme klang hart und bitter, doch Andrea konnte dem nichts entgegensetzen, auch wenn sie es gern getan hätte. Sirius Worte sprachen genau das aus, was auch sie tief in ihrem Herzen fühlte.

„Ich bin mit dem Gefühl aufgewachsen, dass er mich liebt", sagte sie leise und es klang fast wie eine Entschuldigung. Für einen kurzen Moment wollte Sirius ihr wiedersprechen, wollte ihr sagen, dass Archibald Black zu keinem Gefühl der Liebe fähig war, doch in Andreas Augen lag soviel Schmerz, dem er unmöglich noch Neuen hinzufügen wollte.

„Ich bin mir nicht sicher, was er wirklich wollte oder in mir sah. Irgendwann hat sich sein Verhalten in Bezug auf das Haus hier geändert; plötzlich schien er nicht mehr so versessen darauf zu sein mir die alten Geschichten zu erzählen und eines Tages ging er sogar soweit, dass er sagte, es wäre ein Fluch das Casa de anhelo zu besitzen."

„Was hat diesen Wandel ausgelöst?"

„Ich weiß nicht genau, vielleicht der Tod meiner Großmutter oder auch, dass er mit zunehmendem Alter eine andere Sichtweise bekam, möglicherweise auch irgendetwas ganz anderes; nach so vielen Jahren lässt sich das schwer sagen. Jedenfalls starb kurz nach meiner Großmutter, auch mein Großvater und ein weiteres Jahr später, wurden meine Eltern umgebracht", erzählte Andrea schleppend weiter.  „Francesco brachte mich anschließend in die Muggelwelt und schirmte mich von allem Magischen ab. Nun, den weiteren Verlauf der Geschichte kennst du; durch das Erbe meiner Großtante bekam ich wieder Zugang zu diesem Haus und damit auch zu den alten Aufzeichnungen."

„Und diese alten Aufzeichnungen machten dir grausam klar, dass die Beweggründe deines Großvaters doch etwas anders gelagert waren; mit dem, dass er deinen Wunsch unterstützte, verfolgte er nur seine eigenen Ziele", seufzte Sirius und plötzlich durchströmte ihn das unbändige Verlangen, sie einfach in den Arm zu ziehen, um sie zu trösten, doch er wusste nicht, wie sie auf diese Nähe reagieren würde und so beschränkte er sich darauf, ihr nur sanft über den Arm zu streichen.

Andrea antwortete ihm nicht, doch das war auch nicht nötig, denn in ihren Augen spiegelten sich all der Schmerz und die Enttäuschung, die sie bisher so erfolgreich zurückgedrängt hatte. Einige Minuten saßen sie schweigend da, bis Sirius schließlich das Ruhigsitzen nicht mehr aushielt und aufstand, um neuen Tee zu kochen.

„Ich habe übrigens keine Angst, dass du mich in ähnlicher Weise benutzen könntest wie mein Großvater", sagte Andrea unvermittelt in die Stille hinein. „Es ist eher so, dass…mir die Erinnerung an ihn zu schaffen macht. Ein Teil von mir liebt ihn noch heute, während ein anderer Teil….".

„…ihn nicht für etwas hassen kann, was er nie getan hat", beendete Sirius ihren Satz, während er verstehend nickte.

„Kannst du Gedanken lesen?", fragte Andrea stirnrunzelnd, doch Sirius wusste, dass sie diese Frage nicht ernst meinte.

„Nein, doch ich denke, dass ist es, was ich an deiner Stelle fühlen würde."

Andrea nickte, während sie gedankenversunken mit den Fingern das Muster der Tischdecke nachfuhr. „Wenn ich an meinen Großvater denke, sehe ich immer den Menschen vor mir, der mich lachend in die Arme nahm, der mich glücklich machte, doch ich kann diese Bilder nicht lange halten, denn gleichzeitig wird mir bewusst, dass dies alles nur mein kindliches Empfinden war und die Realität möglicherweise ganz anders aussah. Die Erinnerungen verblassen dann und ich fühle mich nur noch leer und ausgebrannt. Ich habe alles daran gesetzt, in dieses Haus zurückzukehren, doch nun sitz ich hier und frage mich, was ich hier eigentlich tue; was für einen Sinn das Ganze überhaupt hat."

Sirius seufzte schwer und zum ersten Mal, seit er in dieses Haus kam, fühlte er sich wirklich mit ihr familiär verbunden. Spürte, wie sehr Remus Recht hatte, wenn er behauptete, dass sie in der Art ihres Wesens einander ähnlich waren, auch wenn Andrea in ihren Jeans und dem übergroßen Sweatshirt nicht im Geringsten einer Hexe glich. Ihre Blicke begegneten sich und Sirius wünschte, dass er in der Lage gewesen wäre, ihr etwas Hilfreiches sagen zu können, doch ihm fehlten die passenden Worte. Das Gefühl der Sinnlosigkeit kannte er nur zu gut und er wusste selbst, dass Worte dem wenig entgegensetzen konnten, aber noch ehe er sich weitere Gedanken darüber machen konnte, erschien Caspar der Hauself in der Küche.

„Miss Andrea, fremde Männer schleichen umher", piepste er mit dünner Stimme, während er aufgeregt mit den dünnen Armen durch die Luft fuhr. „Sind da draußen und suchen das Haus."

„Wo genau?", stieß Sirius alarmiert aus und war im selben Moment auf den Beinen.

„Niemand kann von außen das Grundstück mit dem Haus darauf sehen", sagte Andrea fest, dennoch bildete sich eine steile Sorgenfalte auf ihrer Stirn. „Zeig uns wo sie sind, Caspar."

Mit hektischen Trippelschrittchen führte sie der Hauself durch die Eingangshalle nach Außen. Kalter Regen peitschte ihnen ins Gesicht und noch ehe sie die Grenze des Grundstücks erreicht hatten, waren sie bis auf die Haut durchnässt. Wie ein grauer undurchdringlicher Schleier fiel der Regen und machte es fast unmöglich etwas zu erkennen, während um sie herum der Wind laut heulte und die Zweige der Bäume kräftig hin und her riss.

„Leise! Auch wenn man uns hier nicht sehen kann, so kann man uns trotzdem hören", flüsterte Andrea angespannt, während sie sich mit zusammengekniffenen Augen der Grundstücksgrenze näherten.

„Dort drüben", raunte Sirius plötzlich und als Andrea mit dem Blick seiner ausgestreckten Hand folgte, sah sie es auch. Keine zwei Meter von dem verwitterten Gartenzaun entfernt, konnte sie die schemenhaften Umrisse von drei Gestalten erkennen. Mit zögernden Schritten gingen die Männer neben dem Zaun her, bis einer von ihnen plötzlich stehen blieb und den Kopf schüttelte. Andrea konnte nicht hören was er sagte, doch seine Gestik war eindeutig; er wusste, dass hier ein Haus stand, doch wegen des Schutzzaubers war es für ihn unauffindbar.

„Lass und näher herangehen", flüsterte Sirius und als Andrea nickte, schlichen sie vorsichtig näher.

Eben hatten sie den Gartenzaun erreicht, als sie auch schon die dumpfen Stimmen der Männer hörten.

„Das bringt nichts, wir können hier noch zwei Stunden herumwandern und würden keinen Schritt weiter kommen."

„Wir sollten versuchen den Zauber zu brechen."

„Eine hervorragende Idee! Wir könnten auch gleich ein Signalfeuerwerk loslassen, damit auch wirklich jeder mitbekommt, dass wir hier sind", antwortete der Erste sarkastisch.

„Was soll schon groß passieren? Er hat gesagt, sie ist ein Muggel und allein im Haus, wir können sie also problemlos überwältigen."

„Das ist richtig", meldete sich nun auch der dritte Mann zu Wort. „Außerdem will der Meister endlich Ergebnisse sehen. Er ist eh schon sehr ungehalten, dass wir in den letzten beiden Tagen keinen Schritt weiter gekommen sind."

„Trotzdem sollten wir nicht überstürzt vorgehen. Was ist, wenn sich der Schutzzauber nicht schnell genug brechen lässt und sie vorzeitig  Alarm schlägt? Dadurch könnte unser Plan ernsthaft in Gefahr geraten."

„Sie ist nur ein dummer Muggel", sagte der zweite Sprecher und machte eine wegwerfende Handbewegung. „Bis sie kapiert, was hier los ist…".

„Dort kommt Parkinson!", unterbrach der Dritte den beginnenden Streit und tatsächlich sah Andrea nun einen vierten Mann, der mit raschen Schritten auf die kleine Gruppe zukam. Zorn brodelte in ihr hoch, während die Worte des Mannes in ihrem Kopf widerhallten. „….nur ein dummer Muggel!"

„Habt ihr schon etwas herausgefunden?", fragte der Neuankömmling kurzatmig, als er sie erreicht hatte.

„Nein! Wenn ich nicht sicher wüsste, dass hier das alte Anwesen stehen muss, würde ich sagen, dies ist nur eine leere Wiese; es ist absolut nichts zu erkennen", erklärte der Mann, der zuerst gesprochen hatte.

„Dann lasst uns zurückkehren. Der Meister hat seine Pläne geändert, er will erst die Sache in Hogwarts erledigt wissen, ehe wir uns um das Haus kümmern", sagte Parkinson mit einer wegwerfenden Handbewegung.

„Ich dachte, das wäre schon längst geschehen?"

„Potter ist wachsamer als vermutet, aber Bellatrix hat bereits eine neue Idee. Doch lasst uns das später besprechen, dies ist kein guter Ort dafür." Die anderen drei Männer nickten zustimmend und Sekunden später waren sie disappariert.

„Wir müssen Dumbledore benachrichtigen", stieß Sirius gepresst hervor und noch ehe Andrea etwas sagen konnte, eilte er bereits mit langen Schritten ins Haus zurück.

Fortsetzung folgt……..

Autor-Note: Vielen Dank für euere lieben Reviews! Hab mich sehr darüber gefreut und hoffe, dass euch auch das Neue gefallen wird. So und nun die versprochenen….

Review-Antworten:

@ X-Ray: Aber klar, mach ich doch!
@ torence: Denke ich nehme nicht zuviel vorweg, wenn ich dir verrate, dass Sirius nicht auf Andrea steht *ggg* Andrea und Remus….hm…lass dich überraschen.
@ Six83: Ja, lass dich überraschen, denn das hinterhältige Sternchen verrät eh nichts! *sfg*
@ Eva Luna: Bist du nach diesem Kapitel ein bisschen schlauer? *sfg* Das mit dem Amulett…hm …sieht fast so aus…oder?
@ Mnemo_chan: Klar kommt noch mehr von Sirius und Remus! *g*
@ AragornsHope: Kann dir verraten, dass auch Sirius diese Erklärung nicht in vollem Umfang verstanden hat und es über diesen Punkt noch ein Gespräch geben wird, dauert aber noch ein bisschen. Zu dem Rest sag ich nix! *ssffgg* Lass dich überraschen!
@ Schnuckiputz: Oh, ich lass mich gern knuddeln! *gggg* Schön, wenn ich euch ins Grübeln bringe *zwinker*
@ Padfoots Mate: Danke für die Schokoriegel! Nervennahrung kann ich z.Z. sehr gut gebrauchen!
@ Kirilein: Tja, Harry denkt ein bisschen beschränkt *kicher* da gebe ich dir Recht, nicht alle Slytherins sind krank im Hirn….wie sich im Laufe der Story rausstellen wird *ssffgg* Und du würdest Sirius Essen nicht einmal probieren tztztztztz da wäre er aber sicher enttäuscht! *gggg* Hm…ob Peter so munter aus dem Nähkästchen plaudern würde, wenn Sirius derjenige ist, der ihn verhört? Irgendwie zweifle ich daran *kicher*
@ Kiki: Danke für dein großes Lob!
@ SB-RL-FAN: Das mit der Fliege hat mir auch Spaß gemacht zu schreiben *ggggggggg* Zu deiner Review zu Kap.8 – bin mir nicht sicher, wie weit die Karte der Rumtreiber geht und ob es das Gelände um den See mit einschließt.
@ Lord Mystic: Nein, du irrst dich nicht! *ggg* Versuche es so einzurichten, dass ihr nicht länger als eine Woche auf das nächste Kapitel warten müsst.
@ uraeus2: Hoffe du hast deinen Zahnarzttermin gut überstanden!? Hast jedenfalls mein tiefes Mitgefühl! *seufz* ……..und was die Nebensächlichkeiten, wie essen und schlafen angeht….*sfg* na ja ein bisschen mehr als drei Stunden Schlaf brauche ich schon….sonst könnte es passieren, dass du zusätzlich zu deinen Zahnschmerzen auch noch Magenkrämpfe bekommst, wenn du das so entstandene Kapitel liest. *schauder* Drück dich jedenfalls mal ganz fest zurück!
@ Millicent-vs.-Hermione: Mach ich! *g*
@ Rapunzelou: Wird noch ein paar Kapitelchen dauern, bis ihr erfahrt, wer sich mit Harry am See treffen wollte *ssffgg* Kann dir aber verraten, dass ihr noch etwas zu lachen bekommt, wenn sich Zauberer in der Muggelwelt bewegen *kicher* (hab da schon ….Nein, ich verrate es nicht!) *sfg*
@ Jessy Black: Aber klar, dein Wunsch sei mir Befehl! *ggg*
@ Lea: *g* Ja, ja, unser lieber Sirius ist schon sehr nett zu Remus. *sfg*
@ ming: Danke! Und hier ist es schon das nächste Kapitel! *zwinker*
@ Hermy-ne: Danke für die Schokotorte! Ach ihr seid ja so großzügig zu mir! *freu*
@ Miss Shirley-Blythe: Macht nix, wenn du dich wiederholst, ich höre bzw. lese es gern *rotwerd*
@ Lilith35: Freut mich, dass dir meine Story gefällt! Und unter den besonderen Umständen weiß ich deine Review ganz besonders zu schätzen. Schwangerschaftsübelkeit ist wirklich nicht lustig, kann mich noch gut daran erinnern. Hoffe es geht dir bald wieder besser.
@ Fluffy Bond: Doch, doch, es lohnt sich schon Fragen zu stellen *fg* und wie du siehst, ist dies ein Kapitel, in dem du zumindest mal eine Frage beantwortet kriegst *ggg* Das mit den übergroßen Fliegen war so eine Spontanidee beim Schreiben, aber ob sie später noch eine Rolle spielen? ....hm…weiß ich selber noch nicht.
@ janine black: Und hier kommt beides, Review-Antworten und ein neues Kapitel! Danke für dein Verständnis! *ggg*
@ Aiwendil1: Freut mich sehr, dass dir meine Storys gefallen!
@ Kaori: Danke! *rotwerd*