AN: Vielen, vielen Dank für euere lieben Reviews! Hab mich riesig gefreut!
12.
Zeitgleich in Hogwarts
„Komm nur herein, Harry", ertönte Silvers Stimme und als Harry zögernd eintrat, erkannte er, dass Silvers Worte aus dem angrenzenden Raum zu seiner Linken kommen musste, der nur durch einen schweren, dunkelgrünen Vorhang abgetrennt war. Harry hatte eine Art Wohnzimmer mit Sesseln, Tisch und Ähnlichem erwartet, doch als er sich in Silvers privatem Raum umsah, konnte er außer einigen dicken Bodenkissen, die zusammen mit einer wuchtigen Kommode die einzige Möblierung des Raums darstellten, keine weiteren Sitzgelegenheiten erkennen. Der Raum war mit einem dicken, flauschigen Teppich ausgelegt, der Harry das Gefühl vermittelte, auf einer weichen, federnden Matte zu laufen. Zwischen den Sitzkissen, die vor dem Kamin lagen, stand ein rundes Tablett mit Teetassen und einer Kanne aus der es leicht dampfte. „Viel zu gemütlich für Unterrichtsstunden in Occlumency", dachte Harry, während er sich verwirrt umblickte. Auf dem Kaminsims stand eine Schale mit Kräutern, deren Duft Harry bereits an der Tür wahrgenommen hatte. Ein breiter, fremdartig aussehender Wandteppich war das Einzige was die kahlen Wände schmückte, doch noch ehe Harry Gelegenheit hatte diesen Wandteppich näher zu betrachten, kam Silver herein. Da Harry Silver während den Ferien nie anders als in Jeans und bunten Fransenjacken gesehen hatte, benötigte ereinige Tage, um sich an dessen verändertes Aussehen in Hogwarts zu gewöhnen; doch genauso gewöhnungsbedürftig empfand Harry nun den Anblick, den Silver in seiner privaten Umgebung bot. Das strenge, makellose Outfit eines Lehrers war verschwunden, stattdessen trug Silver nun eine dunkelgraue Jogginghose und ein reichlich zerknittertes T-Shirt. Seine nackten Füße steckten in leichten Lederschlappen und auch die Haare, die er bisher in Hogwarts immer streng im Nacken zusammengebunden hatte, fielen lässig auf seine Schultern.
„Freizeit-Look", schoss es Harry unwillkürlich durch den Kopf, während ihn Silver mittels einer einladenden Handbewegung aufforderte, vor dem Kamin Platz zu nehmen. "Man könnte fast vermuten, wir wären hier zu unserem Vergnügen."
Silver schenkte Tee ein und reichte eine Tasse an Harry weiter, ehe er sich ihm gegenüber setzte und lächelnd dessen Unsicherheit beobachtete.
„Entspann dich, Harry! Hier wird nichts geschehen, zu dem du nicht bereits bist", sagte Silver ruhig.
Harry atmete tief ein, ehe er zögernd nickte und sich gleichzeitig fragte, was Silver unter Bereitsein verstand. Von seinem Kopf her wusste Harry um die Wichtigkeit dieser Stunden, doch seinem Gefühl nach, wäre er am liebsten aufgesprungen und davon gelaufen. Die Vorstellung dieselbe Tortur, wie im letzten Schuljahr nochmals vor sich zu haben, ließ seinen Magen ein Stück tiefer sacken.
„Erzähl mir was du von Occlumency weißt", fordert Silver ihn nach einer kurzen Pause auf.
„Occlumency ist die Fähigkeit, seinen Geist vor fremder Beeinflussung zu schützen", begann Harry mit heiserer Stimme. „Mit dem Zauberspruch Legilimens kann man gewaltsam in den Geist eines Menschen eindringen und so dessen Gedanken erkennen. Dem kann man entgegenwirken indem man seinen Geist verschließt."
Harry wusste selbst, dass dies eine mehr als stümperhafte Erklärung war, doch Silver schien sich nicht daran zu stoßen.
„Das ist richtig, wenn auch etwas unvollständig", sagte er, während er gelassen an seiner Teetasse nippte. „Wie du selbst im letzten Schuljahr erlebt hast, gibt es mehr als eine Methode um in den Geist eines anderen Menschen einzubringen. Professor Snape benutzte den Zauberspruch Legilimens, Voldemort nutzte die Verbindung zu deiner Narbe, oder den Augenkontakt. Es gibt aber noch eine weitere Möglichkeit, die auf geistiger Konzentration beruht und die weitaus gefährlicher ist, da sie oftmals gar nicht bemerkt wird."
„Sie meinen, dass jemand in meinen Kopf eindringen kann und ich es überhaupt nicht bemerke?", stieß Harry verblüfft aus, während ein Gefühl von Panik in ihm hochstieg.
„Ja, hat Professor Snape dies nicht erwähnt?", fragte Silver stirnrunzelnd, während er Harry scharf ansah.
„Nein, vermutlich lag es daran, dass ich keine sehr großen Fortschritte in seinem Unterricht gemacht habe", gab Harry kleinlaut zu.
„Hm", brummte Silver nachdenklich, ehe er mit einem leisen Seufzen die Tasse zur Seite stellte. „Nun, nur wenige Menschen beherrschen diese Kunst, die ein hartes, jahrelanges Training erfordert."
„Und Sie beherrschen diese Methode?", fragte Harry unsicher.
„Ja", nickte Silver bedächtig, während er kurzzeitig einen imaginären Punkt auf dem Fußboden fixierte. „Es ist auch die Methode, mit der ich unser Training beginnen werde. Erst wenn du gelernt hast, dich gegen diese Form des Eindringens zu wehren, werden wir mit den härteren Techniken fortfahren."
Harrys Panikgefühl machte einen heftigen Satz nach oben. Wenn Silver diese Methode gefährlicher als den Legilimens-Spruch bezeichnete, wie sahen dann erst die härteren Techniken aus?
„Bist du bereit für eine kleine Demonstration?", lächelte Silver, Harrys offensichtliche Beklemmung ignorierend.
Harry fühlte sich alles andere als bereit, doch gleichzeitig wusste er, dass er um diese Demonstration eh nicht herum kam. Wollte Harry ernsthaft Occlumency erlernen, musste er sich früher oder später auch diesem erneuten Schmerz des Eindringens stellen, daran würde kein Weg vorbei führen.
„In Ordnung", sagte Harry beklommen, während er gleichzeitig seine krächzende Stimme verfluchte, die Silver nur zu deutlich die Angst in Harrys Innerem zeigte.
„Gut!", nickte Silver, zu Harrys Verdruss noch immer lächelnd. „Dann möchte ich, dass du dich jetzt auf eine Erinnerung konzentrierst, die du mir zeigen möchtest."
„…die ich Ihnen zeigen möchte?", wiederholte Harry ungläubig.
„Ja. Ich werde in deinen Geist eindringen, um sie mir anzusehen, doch ich möchte vorläufig nicht, dass du deine Energie darauf verwendest mich aufzuhalten. Es geht mir darum, dir das Gespür für dieses Eindringen zu vermitteln. Du musst erst mal nichts anderes tun, als auf den fremden Geist zu achten, der sich deinem Bewusstsein nähert", erklärte Silver und fügte, als er Harrys verständnislosen Blick sah, lächelnd hinzu. „Deshalb auch eine Erinnerung, bei der es dich nicht stört, dass ich sie mir ansehe; suche dir etwas aus, das nicht zu privat ist."
„Ok", nickte Harry, während er krampfhaft nach einer harmlosen Erinnerung suchte.
„Lass dir Zeit und sag mir bescheid, wenn du soweit bist", sagte Silver gelassen.
Harry zermarterte sich den Kopf, bis er sich schließlich für seine Ankunft in Hogwarts entschied. Es dauerte einige Minuten und Silver wartete geduldig, bis Harry schließlich zögernd nickte.
„Schließe deine Augen und entspann dich, Harry", hörte er Silvers Stimme, während er sich selbst, zusammen mit Ron und Hermine sah, wie sie Hagrid zum See folgten. Die kleinen Schiffe warteten bereits auf sie und er hörte Neville noch einmal hinter sich schniefen. „Nicht mehr als vier in einem Boot", erklang Hagrids Ruf, als sich auch schon Hermine und Neville zu ihm und Ron ins Boot gesetzt hatten. Langsam glitten die kleinen Boote über den dunklen, spiegelglatten See….
Ganz am Rande seines Bewusstseins spürte Harry wie Silver seine Hand berührte, doch da es nicht unangenehm war, störte es ihn nicht. In Gedanken sah Harry sich noch einmal aus dem Boot klettern, während Hagrid hinter ihm Neville zurief: „He du da! Ist das deine Kröte?"
„Trevor!", schrie Neville glücklich auf und als Harry sich nach ihm umdrehte, sah er wie Hagrid die Kröte in Nevilles ausgestreckte Hände setzte.
„Kannst du meine Anwesenheit spüren, Harry?" Silvers Stimme klang klar und deutlich, doch sie drang nicht durch sein Ohr, sondern befand sich direkt in seinem Kopf. Harrys Erinnerungen zerbarsten so rasch, als hätte jemand einen Spiegel zerschlagen und Panik stieg in ihm hoch. Er hatte Silvers Eindringen nicht gespürt und nun befand sich dieser mitten in seinem Kopf. In rascher Folge rasten Bilder durch Harrys Bewusstsein, die schließlich bei der Situation in Snapes Kerker hängen blieben, als Harry unbefugterweise in Snapes Denkarium geschaut hatte. Schlagartig riss Harry die Augen auf, doch im gleichen Augenblick gab auch Silver seine Hand frei und Harry wusste, dass sein Lehrer im gleichen Moment die Verbindung ebenfalls abbrach.
„Sie waren in meinem Kopf", stieß Harry panisch aus und konnte nicht verhindern, dass er automatisch ein Stück zurückrutschte.
„Natürlich!", sagte Silver stirnrunzelnd.
Plötzlich kam Harry sich schrecklich albern und bloßgestellt vor. „Natürlich, was für eine dämliche Frage", dachte Harry resignierend und spürte wie ihm das Blut ins Gesicht schoss. „Was dachtest du, wie er sich deine Erinnerung ansehen will?", meldete sich eine sarkastische Stimme aus seinem Hinterkopf.
„Hier, trink einen Schluck Tee, der beruhigt", riet ihm Silver und reichte Harry dessen zur Seite gestellte Teetasse.
Harry nickte hastig, während er mit zitternden Händen und rasendem Herzen die Tasse entgegennahm. In diesem Augenblick wusste Harry selbst nicht, was ihn bei Silvers Eindringen so in Panik versetzt hatte, denn nüchtern betrachtet war nichts geschehen, was Silver nicht schon vorher angekündigt hatte. Es schmerzte nicht, ja er spürte diese Berührung seines Geistes nicht mal, bis Silver in auf seine Anwesenheit aufmerksam gemacht hatte. Aber vielleicht war es genau dieses leise, unbemerkte Anschleichen, das Harry so verunsicherte und ängstigte. Snapes Attacken waren immer laut, schmerzhaft und brutal gewesen, doch Harry konnte dessen Zauberspruch hören, fühlte den Schmerz und wusste, dass Snape in seinen Geist eindrang. Bei Silver hatte er nichts von alledem gespürt; es war eine lautlose, unbemerkte Attacke und plötzlich verstand Harry, warum Silver sie als gefährlicher, als den Legilimens-Spruch bezeichnet hatte.
„Sie haben weder einen Zauberstab noch einen Zauberspruch benutzt", sagte Harry nach einer kurzen Pause und sah Silver das erste Mal seit seinem Eindringen ins Gesicht. „Wie haben Sie das gemacht?"
„Der menschliche Geist ist nicht an diese gegenständliche Welt gebunden, er existiert wohl in ihr, doch er unterliegt nicht ihren Gesetzen", begann Silver mit seiner Erklärung. „Du kannst ihn nicht sehen, hören, riechen oder schmecken, aber er ist dennoch ein Teil von dir; im Grunde sogar der wichtigste Teil, der dich zu dem macht was du bist. Er verleiht dir die Fähigkeit richtig und falsch zu unterscheiden, er speichert Erlebnisse als Erinnerungen ab und lässt dich Gefühle entwickeln.
Was ich eben getan habe, war nichts weiter, als eine Berührung von meinem Geist mit dem deinen. Ich schickte den Meinen sozusagen, auf die Reise zu dir."
Für Harry klang diese Erklärung reichlich abgehoben und das musste sich wohl auch in seinem Gesicht widerspiegeln, denn Silver fing plötzlich zu Schmunzeln an und schüttelte den Kopf.
„Ich erwarte von dir nicht, dass du dies jetzt nachvollziehen kannst und für unseren Unterricht ist das auch nicht weiter wichtig. Entscheidend ist, dass du dieses heimliche Eindringen erst mal bemerkst und im Anschluss lernst, dich genau davor zu schützen."
„Ich habe Sie erst bemerkt, als Sie mich ansprachen", seufzte Harry und nahm einen kräftigen Schluck Tee, als könnte er damit seine Unsicherheit wegspülen.
„Meine Anwesenheit hat dir einen gehörigen Schrecken eingejagt", nickte Silver verstehend.
„Ja, es war so, als würde ich mich in einem Raum befinden und plötzlich würde jemand unerwartet hinter mir auftauchen."
„Das ist ein sehr guter Vergleich, denn dein Körper ist nichts anderes, als der Raum in dem sich dein Geist normalerweise aufhält", lächelte Silver versonnen in seine Teetasse, ehe sein Gesicht wieder ernst wurde und er Harry direkt ansah. „Die Erinnerung auf die du dich konzentriert hast, war deine Einschulung in Hogwarts, doch was hat dich bewogen, bei meinem Eindringen an den Zwischenfall mit dem Denkarium zu denken?"
„Sie wissen davon?", fragte Harry unangenehm berührt.
„Ja!", nickte Silver mit einem unterdrückten Schmunzeln. „Professor Snape hielt es für angebracht, mich über deine ungestüme Neugier zu informieren."
Für einen kurzen Moment wäre Harry am liebsten im Erdboden versunken. Dem Gefühl bloßgestellt zu sein, folgte eine unbändige Wut auf Snape. „Warum musste er Silver das erzählten?" Gleichzeitig keimten aber auch Schuldgefühle in Harry hoch und das Wissen, dass Snape allen Grund hatte, wütend auf ihn zu sein. „Warum musste ich mich auch von meiner Neugier hinreißen lassen? Ist doch eigentlich klar, dass Snape sich diese Gelegenheit mich zu demütigen nicht entgehen lässt." Harry wagte nicht, Silver in die Augen zu sehen und er fragte sich unwillkürlich, wann Snape ihm dies erzählt hatte und weshalb Silver ihm dennoch unterrichten wollte. Was musste er nun von ihm denken? Und ohne dass Harry es willentlich hätte beeinflussen können, sprudelten plötzlich die Worte aus ihm heraus.
„Es tut mir wirklich leid, so neugierig gewesen zu sein und ich verspreche Ihnen…"
„Keine Versprechungen, Harry!", unterbrach Silver ihn mit einem entschiedenen Kopfschütteln.
„Aber…"
„Auch kein aber, denn zum einen werde ich kein Denkarium benutzen um Geheimnisse meiner Vergangenheit zu schützen und zum anderen ist es eine Frage des gegenseitigen Vertrauens." Harry konnte Silvers Reaktion nicht nachvollziehen, aber noch ehe er sich weitere Gedanken dazu machen konnte, fuhr Silver erklärend fort. „Niemand wird dich in dieser Form der Occlumency unterrichten können, ohne dass auch du etwas über deinen Lehrer erfahren wirst. Dies lässt sich weder durch den Gebrauch eines Denkariums verhindern, noch durch sonstige Vorsichtsmaßnahmen. Ich kann dich nicht unterrichten, ohne dass du sehr bald den Menschen hinter deinem Lehrer sehen wirst und das…mit all den Fehlern und Schwächen, die zu meiner Person gehören."
„Und Sie vertrauen mir…", fragte Harry zweifelnd.
„Ich vertraue meinem Gespür für Menschen", lächelte Silver.
„Was macht Sie so sicher, dass ich…dass ich…" Plötzlich wusste Harry nicht mehr, wie er diesen Satz beenden sollte, doch Silver schien ihn auch so zu verstehen.
„Ich möchte kein Versprechen von dir, weil ich mir ziemlich sicher bin, dass du es nicht hundertprozentig halten kannst. Du bist 16 Jahre alt, Harry, es wäre mehr als ungewöhnlich, wenn du nicht irgendwann an einen Punkt kommen würdest, an dem dich deine Neugier übermannt."
„Und Sie unterrichten mich trotzdem?"
„Ja! Denn trotz deiner Neugier, deiner Neigung Regeln zu umgehen und deinem noch unbeherrschten Temperament, wirst du mit dem was du erfährst achtsam umgehen, da bin ich mir sicher."
Harry nickte, obwohl er sich noch immer nicht sicher war, Silvers Gründe verstanden zu haben.
„Was hat dich bewogen, bei meinem Eindringen an den Zwischenfall mit dem Denkarium zu denken?", wiederholte Silver, nach einer kurzen Pause, seine zuvor schon einmal gestellte Frage.
„Ich weiß nicht", murmelte Harry, während er beschämt zu Boden sah. „Diese Erinnerung ist einfach aufgeflammt, ohne dass ich es verhindern konnte."
„Hm, kann es sein, dass es genau die Erinnerung war, die du am weitesten wegschieben wolltest?"
„Ist anzunehmen", seufzte Harry schwer. „Ich weiß, dass ich einen Fehler gemacht habe und…es tut mir wirklich leid, doch ich kann es nicht ungeschehen machen."
„Hm", brummte Silver erneut, während er sich nachdenklich über das Kinn fuhr. „Was genau tut dir leid? Ist es die Tatsache, dass du in Professor Snapes Privatsphäre eingedrungen bist, oder ist es ehe die Konsequenz Dinge gesehen zu haben, die du nicht sehen wolltest?"
„Eher das Letztere", gestand Harry nach einigem Nachdenken.
Silver nickte, als hätte er genau dies erwartet, doch er stellte keine weiteren Fragen dazu. Für einige Momente schien er tief in Gedanken versunken zu sein, bis er schließlich mit einem unterdrücken Seufzen aufsah.
„Ich denke, wir sollten noch einmal einen Versuch starten. Mal sehen, ob du mein Eindringen nun eher spürst."
Harry seufzte ergeben und konzentrierte sich auf seine Erinnerung. Wieder liefen die Bilder an seinen inneren Augen vorbei, doch auch diesmal konnte er Silvers Anwesenheit nicht fühlen. Der einzige Unterschied bei diesem neuen Versuch bestand darin, dass Harry nun nicht mehr panisch zusammen zuckte, als Silver ihn ansprach und seine Gedanken keine Kapriolen mehr schlugen.
„Hermine und Neville haben sich, im Vergleich zu dem Tag eurer Einschulung, gewaltig verändert", lächelte Silver, als sie die Verbindung abbrachen.
„Ja, das haben sie", nickte Harry nachdenklich. „Hermine war eine fürchterliche Besserwisserin und Neville ist heute viel selbstbewusster."
Silver nickte mit einem verstehenden Lächeln, ehe sein Gesicht wieder ernst wurde. „Nun gut! Noch eine letzte Aufgabe für heute; du hast vorhin gesagt, es war so, als würdest du dich in einem Raum befinden, in dem ich plötzlich aufgetaucht bin. Schließ nun bitte mal die Augen und stell dir nun diesen Raum vor. Wie groß ist er? Wie sieht er aus? Stehen Möbel darin? Gibt es Türen und Fenster? Wie fühlt sich der Boden an auf dem du sitzt oder stehst?"
Harry war überrascht wie leicht es ihm fiel, sich genau diesen Raum vorzustellen. Es war, als wäre er schon tausendmal hier gewesen und jede noch so kleine Einzelheit war ihm längst vertraut.
„Kannst du ihn sehen?", hörte er Silver, doch es klang so, als würde sein Lehrer durch eine geschlossene Tür mit ihm sprechen.
„Ja, ohne Probleme."
„Gut, dann stell dir jetzt bitte mal vor, du würdest alle Zugänge zu diesem Raum fest verschließen, so dass niemand zu dir hineingelangen kann. Egal ob du gedanklich einen Schlüssel, einen Verschlusszauber oder auch etwas ganz anderes benutzt."
Harry nickte, während er in Gedanken seinen Zauberstab zog, um die Tür mit einem Verschlusszauber zu belegen, bis ihm einfiel, dass man diesen Zauber mit einem einfachen „Alohomora" öffnen konnte. Gedanklich versuchte er sich die verschiedenen Möglichkeiten ins Gedächtnis zu rufen, bis er nach einigen Minuten frustriert die Augen öffnete.
„Ich finde keine Möglichkeit diesen Raum vernünftig zu schützen, denn alle Zauber die ich kenne, können auch wieder gebrochen werden."
„Nun das ist deine Hausaufgabe bis zu unserer nächsten Stunde", schmunzelte Silver. „Nutze deine Kreativität. Ich bin sicher, du wirst eine Möglichkeit finden."
Mit arg verwirrten Gefühlen machte Harry sich auf den Weg in den Gryffindorturm, wo Hermine bereits auf ihn wartete.
„Wie war´s?", fragte sie, kaum dass Harry sich neben sie gesetzt hatte.
„Verwirrend!"
„Du siehst besser aus, als nach Snapes Unterrichtsstunden", sagte sie mit einem kritischen Blick in sein Gesicht.
„Ja", nickte Harry mit einem schiefen Grinsen. „Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich behaupten, dass dies kein wirkliches Occlumency-Training war."
Harry erzählte ihr in kurzen Sätzen was er bei Silver erlebt hatte, während Hermine ihre Hausaufgaben, die noch immer vor ihr auf dem Tisch lagen, einpackte. Als er geendet hatte nickte sie versonnen.
„Ich denke, Silver ist nicht nur in Verteidigung gegen die dunklen Künste ein prima Lehrer. Ich bin froh, dass Dumbledore ihn für deine Occlumency-Stunden ausgewählt hat."
„Und ich erst!", lächelte Harry, während er über den Tisch hinweg nach ihrer Hand griff und diese kurz drückte. „Sieht wirklich so aus, als wenn dieses Schuljahr um einiges besser laufen wird als das Letzte."
* * * *
Als Harry am nächsten Morgen erwachte, hatte er die seltsame Vorstellung, sich noch immer in dem imaginären Raum zu befinden, den er sich in allen Einzelheiten vor dem Schlafengehen vorgestellt hatte. Selbst Nevilles Stimme klang, als würde dieser durch eine geschlossene Tür mit ihm sprechen.
„Harry, nun mach schon! Es gibt gleich Frühstück!"
„Hm", brummte Harry und lauschte auf die vertrauten Geräuschen des Schlafsaals. Offensichtlich waren die Anderen bereits alle wach. Harry streckte sich, doch noch ehe er die Augen aufschlug bemerkte er Sölämen, die sich auf seinem Bauch zusammengerollt hatte und nun, da er sich regte, ebenfalls die Köpfe hob. Müde blinzelte er in die Morgensonne, während er die Runespoor sachte zur Seite schob und sich in seinem Bett aufsetzte. Durch das Fenster konnte er den strahlendblauen Himmel sehen, der eher einen Frühlingstag als einen Septembermorgen vermuten ließ. Ein sanftes Glücksgefühl machte sich in ihm breit, als die warmen, energiespendenden Sonnenstrahlen sein Gesicht trafen. Harry gähnte herzhaft, ehe er gut gelaunt die Beine aus dem Bett schwang und sich ausgiebig streckte.
„Mensch seht euch dieses Traumwetter an", grinste Dean, der gerade das Fenster aufriss und damit einen Schwall frischer, wenngleich auch kalter Luft hereinließ. „Schade, dass wir heute keine Pflege magischer Geschöpfe haben. Wäre schön bei diesem Wetter draußen zu sein."
Harry nickte mechanisch, während er gedanklich seinen Stundenplan für diesen Tag durchging. In der ersten Stunde hatten sie Verwandlung bei McGonagall und im Anschluss Zauberkunst. Unwillkürlich griff Harry nach dem vertrauten Amulett unter seinem T-Shirt, als er sich wieder an die übergroße Fliege erinnerte. „Vielleicht sollte ich Andreas Anhänger während des Unterrichts lieber nicht tragen?", grübelte Harry gedankenverloren. „Wie soll ich meine Kräfte richtig einschätzen, wenn dieser Anhänger meine Magie beeinflusst?"
Sölämen räkelte sich in der Sonne und für einen kurzen Moment überlegte Harry, ob er das Amulett im Schlafsaal lassen und die Runespoor bitten sollte, es zu bewachen. Doch dann verwarf er diesen Gedanken. Harry wusste, dass die Runespoor die morgendliche Ruhe, während alle Schüler im Unterricht waren nutze, um ungestört durch das Schloss zu streifen und die Vorstellung ihre Bewegungsfreiheit durch die Bewachung des Amuletts einzuschränken, kam ihm in diesem Augenblick schon fast ungerecht vor. Sicher würde Sölämen ihm diesen Gefallen tun, doch war es wirklich notwendig? Mit einem unterdrückten Seufzen verwarf er diesen Gedanken und zog sich eilig an. Als er wenige Minuten später den Gemeinschaftsraum betrat, wartete bereits Hermine auf ihn.
„Einen schönen guten Morgen!", trällerte sie gut gelaunt und Harry konnte sich nicht daran erinnern, wann er sie das letzte Mal so munter und gelöst gesehen hatte.
„Offensichtlich bin ich nicht der Einzige, dem die Sonne am Morgen gut tut", dachte Harry amüsiert, während sie gemeinsam Lavender und Parvati folgten, die in diesem Moment kichernd durch das Porträtloch stiegen.
Sie erreichten die sonnendurchflutete Große Halle, in der bereits die meisten Schüler beim Frühstück saßen. Während sie sich neben Ginny und Neville setzten, wanderte Harrys Blick automatisch zum Lehrertisch hoch, doch zu seiner Verwunderung, waren an diesem Morgen nur die Professoren Sprout, Flitwick und Vektor anwesend. Alle anderen Plätze waren verwaist und es sah auch nicht danach aus, als ob sie ihr Frühstück bereits zu sich genommen hätten. Harry wollte Hermine gerade darauf aufmerksam machen, als sich die Tür zur Großen Halle öffnete und McGonagall, gefolgt von Snape, Silver und Hagrid herein kam.
„Sieht fast so aus, als hätten die heute Morgen schon eine Krisensitzung abgehalten", flüsterte Ginny und runzelte nachdenklich die Stirn, während ihre Augen den Professoren folgten.
Harry gab ihr im Stillen Recht. Die Art wie die Professoren schweigend zum Lehrertisch hochgingen, erinnerte Harry an eine Trauerprozession und schlagartig war das Hochgefühl, das ihn beim Aufstehen ergriffen hatte, verschwunden.
„Hoffentlich ist nicht wieder etwas geschehen", hauchte Hermine und als einen Moment später die Posteulen eintrafen, griff sie hektisch nach dem Tagespropheten.
Zu Harrys Beruhigung prangte auf der Titelseite nur das Bild des Zaubereiministers mit der Schlagzeile Unfähigkeit – Rufe nach Veränderungen werden laut. Hermine überflog kurz den Artikel, ehe sie nervös den Rest der Zeitung durchblätterte.
„Nichts!", atmete sie erleichtert auf. „Kein Überfall oder Ähnliches!"
„Vielleicht erfahren wir später was von McGonagall", seufzte Harry.
Hermine nickte stumm und als sie wenig später im Verwandlungsklassenzimmer saßen, begann McGonagall mit ihrem Unterricht, als sei nichts gewesen und Harry beschloss, sie im Anschluss daran einfach zu fragen. Aber Harry kam nicht dazu, denn kurz bevor es zum Unterrichtende läutete, klopfte es an die Klassenzimmertür und ein Schüler übereichte McGonagall eine Notiz. Sie überfolg die Nachricht, nickte ihm kurz zu und wandte sich an die Klasse.
„Bis zum nächsten Mal lesen sie das Kapitel und schreiben eine kurze Zusammenfassung. Sie dürfen gehen!", sagte sie knapp, ehe sie mit forschen Schritten aus dem Klassenzimmer stürmte.
Auch die nächsten beiden Tage erfuhr Harry nichts; ja er hatte schon fast den Eindruck, sämtliche Lehrer würden ihm aus dem Weg gehen. Dem Einzigen dem dies nicht gelang, war Hagrid. Sie passten ihn auf dem Weg zum Frühstück ab - doch auch von ihm erfuhren sie nur, dass der Orden sehr viel zu tun hatte.
„Als ob das was Neues wäre!", grummelte Harry, während er lustlos in seinem Haferbrei stocherte. „Ich werde heute Abend Silver fragen, bei den Occlumency-Stunden kann er mir nicht ausweichen."
„Gute Idee", seufzte Hermine, während sie der Posteule das Geld für den Tagespropheten in das Beutelchen am Bein steckte.
Harry wollte sich gerade zu ihr hinüberbeugen, um einen Blick auf die Titelseite zu werfen, als ein Waldkauz mit einem länglichen Päckchen vor ihm landete.
„Von wem ist das?", fragte Hermine, als Harry das Päckchen losgebunden hatte.
„Keine Ahnung, steht kein Absender drauf", sagte Harry, während er das Päckchen von allen Seiten betrachtete.
„Vielleicht von Schnuffel?"
„Nein, das ist nicht seine Handschrift."
Mit einem unguten Gefühl begann Harry das Packpapier zu entfernen und zum Vorschein kam eine schmale, längliche Schachtel. Als er den Deckel öffnete, fand er zu seiner Verwunderung einen Zauberstab, der ihm merkwürdig bekannt vorkam und einen zusammengefalteten Brief. Ohne den Zauberstab weiter zu beachten, faltete Harry den Brief auseinander und plötzlich verstand er.
Dein Freund Lupin wird ihn nicht mehr brauchen!
Es waren nur diese wenigen Worte, ohne Unterschrift oder einer weiteren Erklärung; doch das war auch nicht nötig. Harry wusste, von wem diese Nachricht kam und plötzlich machte auch das seltsame Verhalten der Lehrer Sinn. Mit zitternden Händen reichte er Hermine den Brief, während seine Augen unverwandt auf Remus Zauberstab hafteten.
„Sie haben Remus Lupin!", hauchte Hermine fassungslos.
Harry nickte stumm, ohne den Blick von Remus Zauberstab wenden zu können. „Sie haben Remus Lupin…sie haben Remus Lupin…sie haben Remus Lupin", hallten Hermines Worte wie ein Endlosband in ihm nach.
Fortsetzung folgt….
Autornote: So meine lieben treuen Leser, hier ist nun auch das 12. Kapitel. Leider steh ich derzeitig etwas im Stress und komme kaum zum Schreiben, so dass ihr auf das 13te wohl bis nach Ostern warten müsst, doch ich tue mein Möglichstes. Versprochen!!!! Gleiches gilt auch für die Review-Antworten….sie kommen mit dem 13 Kapitel!
Liebe Grüße von euerem Sternchen!
