26.

Der Lärm im Korridor schien kurzfristig ins Unermessliche anzuschwellen, bis es abrupt still wurde und nur noch ein keuchendes Atmen zu hören war. Jemand kniete sich neben ihn und griff mit der Hand an Hermines Hals um ihren Puls zu fühlten, doch Harry nahm das nur am Rande wahr. Eine lähmende Taubheit hatte ihn ergriffen, die es ihm unmöglich machte, den Blick von Hermines Gesicht zu wenden. Ihr Oberkörper lastete schwer in seinem linken Arm und selbst durch den dicken Stoff der Roben konnte Harry spüren, wie ihre Körpertemperatur rasch absank.

„Rasch, sie muss in den Krankenflügel", ordnete McGonagall mit bebender Stimme an und sofort kam Bewegung in die Leute, die sie bisher umringt hatten.

„Nein!", widersprach ihr eine entschiedene Stimme und riss Harry unvermittelt aus seiner Trance. Ted Moran aus Slytherin war es, der seiner Professorin hier widersprach und heftig den Kopf schüttelte. „Soviel Zeit haben Sie nicht!"

„Moran, sagen Sie mir nicht was ich zu tun habe", blaffte ihn McGonagall ungehalten an, doch der Slytherin zeigte sich davon unbeeindruckt. Ohne weiter auf die Hauslehrerin der Gryffindors zu achten zog er seinen Zauberstab und richtete ihn auf Hermine. Harry konnte deutlich sehen, wie er den Mund öffnete um einen Zauber zu sprechen, aber noch ehe das erste Wort seine Lippen verlassen konnte, hatte McGonagall ihn hart am Handgelenk gepackt.

„Was glauben Sie eigentlich, was Sie hier tun!", brüllte sie ihn mit hochrotem Gesicht an.

„Ich versuche diesem Mädchen das Leben zu retten", gab Moran gereizt zurück und entzog McGonagall ärgerlich seinen Arm. „Professor Snape hat uns letzte Woche diesen Zauber gezeigt. Mit diesem Fluch wehrt man Geister ab, doch wenn er einen lebenden Menschen trifft, dann versetzt es diesen in eine Kältestarre. Man muss ihn innerhalb einer Minute aufheben, sonst ist er tödlich!"

Benommen sah Harry von Moran zu McGonagall, die den Slytherin ungläubig anstarrte.

„Sie ist eiskalt", drängte Professor Sprout, die ebenfalls neben Hermine kniete und ihre Hand befühlte. Mit einem flehenden Blick sah sie von McGonagall zu Moran. „Ich hoffe Sie wissen was Sie da tun?"

Moran nickte und begann erneut den Zauberspruch zu murmeln und diesmal hielt McGonagall ihn nicht zurück. Unter einem leisen Knistern trat ein warmer Schauer von gelben Lichtpunkten aus Morans Zauberstab, sank auf Hermine nieder und für einen Moment sahen diese Lichtpunkte wie schimmernde Tautropfen aus, ehe sie in Hermines Körper einsanken und verschwanden. Moran ließ seinen Zauberstab dabei in wellenförmigen Bewegungen von Hermines Kopf, über ihren Körper bis hinunter zu den Füßen wandern, doch nichts geschah. Harry spürte wie grenzenlose Panik in ihm hochstieg.

„Keine Angst, Ted macht das sehr gut", sagte eine kurzatmige Stimme neben ihm und als Harry den Kopf hob, sah er Silver, der in diesem Augenblick mit schweißnassem Gesicht neben ihnen in die Hocke ging und Harry aufmunternd anlächelte. Moran wiederholte die Wellenbewegung ein zweites Mal und ein drittes Mal, ehe ein leises Zittern durch Hermines Körper ging und er langsam den Zauberstab sinken ließ.

McGonagall atmete hörbar aus und erst in diesem Moment wurde sich Harry bewusst, dass er ebenfalls die Luft angehalten hatte. Silver griff nach Hermines Handgelenk und nickte zufrieden.

„Sie ist außer Gefahr", sagte er erleichtert und klopfte Moran anerkennend auf die Schulter. „Gute Arbeit, Ted!"

Irgendjemand forderte Harry auf Hermine loszulassen und beschwor eine Trage herauf. Es war ein merkwürdiges Gefühl von Unwirklichkeit, mit dem Harry zusah, wie Professor Sprout die Trage mit Hermine den Korridor entlang in Richtung Krankenflügel schweben ließ. McGonagall scheuchte die Schüler, die noch immer neugierig das Geschehen verfolgten, rigoros in ihre Klassenräume zurück und erst als Silver ihm hilfreich die Hand entgegenstreckte, rappelte sich Harry mühsam auf die Beine, um Professor Sprout und Hermine zu folgen.

„Potter, Moran, Sie beide bleiben hier!", sagte McGonagall schweratmend und blickte besorgt hinter der davon schwebenden Hermine her.

Harry nickte dumpf und auch wenn sich alles in ihm wehrte zu diesem Zeitpunkt von McGonagall befragt zu werden, brachte er doch nicht die Energie für einen Widerspruch auf. Während Professor Sinistra die letzten Schüler davon scheuchte, ließ er sich widerstandslos von McGonagall in Silvers Büro schieben, in dem Silver bereits neben dem bewusstlosen Snape auf dem Boden kniete.

„Was ist mit ihm passiert?", fragte Silver knapp und blickte fragend zu den Professoren McGonagall und Vector hoch.

„Wurde von mehreren Entwaffnungszaubern gleichzeitig getroffen", brummte McGonagall, während sie mit sichtbarem Zorn auf Snape hinab sah.

Silver nickte und sah sich nachdenklich in dem verwüsteten Büro um. „Wir sollten ihn ebenfalls zu Madam Pomfrey bringen", seufzte er und beschwor ebenfalls eine Trage herauf.

„Das werde ich übernehmen", bot sich Professor Vector an und Harry gewann den Eindruck, dass Vector sehr erleichtert war, so dieser unangenehmen Situation entfliehen zu können.

„Gut!", seufzte McGonagall und Professor Vector ließ die Trage mit dem noch immer bewusstlosen Snape in den Korridor hinausschweben.

„Na schön", brummte McGonagall, nachdem sich die Bürotür hinter Professor Vector und der Trage mit Snape schloss. Einige Sekunden blickte sie sich unschlüssig in dem verwüsteten Raum um, ehe ihr Blick an Moran hängen blieb. „Woher wussten Sie, was für eine Art von Fluch es war, der Miss Granger getroffen hat?"

„Peeves hat in den letzten Wochen seine Vorliebe entdeckt, in den Kerkern der Slytherins sein Unwesen zu treiben und Professor Snape zeigte uns diesen Fluch, um ihn abzuwehren", erklärte Moran gleichmütig. „Ich war auf den Weg zu Professor Silver, als…" Moran zögerte kurz, als wäre es ihm unangenehm wiederzugeben, was sich vor seinen Augen abgespielt hatte, ehe er leise seufzte und seinen Satz beendete. „…als ich hörte, wie Professor Snape schrie, dass Sirius Black tot sei. Offensichtlich hatte er sich von irgendetwas in diesem Büro bedroht gefühlt. Ich sah wie der Fluch auf Granger traf und nachdem sie sofort auskühlte, war mir klar welchen Fluch Professor Snape angewandt hatte."

„….und wussten sofort welchen Gegenzauber die Wirkung aufhob?" McGonagall zog die Augenbrauen zusammen und beäugte den Slytherin misstrauisch.

„Ich habe mir zur Angewohnheit gemacht, zu jedem neuen Fluch auch den Gegenzauber zu lernen", entgegnete Moran gleichgültig.

McGonagall sah ihn einen Augenblick zweifelnd an, ehe sie tief Luft holte und resignierend nickte. „Na gut, Sie können gehen, Mr. Moran."

Der Slytherin nickte kurz und wandte sich zur Tür, als Silver ihn zurückhielt. „Einen Moment, Ted! Du sagtest, dass du zu mir wolltest?"

„Ja, Professor Flitwick schickte mich zu Ihnen, ich soll Ihnen ausrichten, dass Ihr Projekt heute Abend erfolgreich abgeschlossen werden kann", sagte Ted mit der Hand auf der Türklinke und plötzlich huschte ein stolzes Lächeln über sein Gesicht. „Wir konnten alle Zauber der Skulptur entschlüsseln."

„Gut gemacht, Ted!", nickte Silver und für einen kurzen Moment huschte ein erleichtertes Lächeln über sein Gesicht.

„Danke, Professor!"

Harry, der noch immer da stand, wo McGonagall ihn hingeschoben hatte, verfolgte dieses kurze Zwischenspiel ohne wirkliches Interesse. Eine dumpfe Leere hatte ihn ergriffen, als wäre all das, was in den letzten Minuten geschehen war, nur ein merkwürdiger Film, den er gezwungenermaßen ansehen musste. Ted Moran verließ das Zimmer und schloss die Tür hinter sich, während McGonagall und Silver leise miteinander sprachen. Zu jedem anderen Zeitpunkt hätte Harry versucht etwas von dem Gespräch der Lehrer zu verstehen, doch nun war es ihm gleichgültig. Sein Kopf schien plötzlich wie leer geblasen und er fühlte sich unendlich müde. Silvers Worte „Sie ist außer Gefahr!" hallten mit einem merkwürdigen Echo in ihm nach, als wären es allein diese Worte die ihm die Kraft gaben, aufrecht zu stehen.

„Potter, ich weiß, dass Sie zu Miss Granger in den Krankenflügel möchten, doch ich muss Ihnen zuvor noch ein paar Fragen stellen", begann McGonagall und trat einen Schritt auf ihn zu. Harry nickte ergeben und lehnte sich erschöpft gegen Silvers Schreibtisch.

„Haben Sie oder Miss Granger Professor Snape mit einem Verwirrungsfluch belegt?"

„Wie bitte?", fragte Harry perplex und fühlte sich, als hätte man ihm soeben einen Kübel mit kalten Wasser über den Kopf gegossen.

„Sie wissen doch was ein Verwirrungsfluch ist!", schnaubte seine Hauslehrerin ungeduldig. „Haben Sie oder Miss Granger…"

„Nein, natürlich nicht!", entgegnete Harry mit Nachdruck und plötzlich war jede Benommenheit verschwunden.

„Können Sie mir dann sagen, was in diesem Büro geschehen ist?", forschte sie stirnrunzelnd nach.

„Nein, tut mir leid, das kann ich nicht!", antwortete Harry ausweichend und blickte hilfesuchend zu Silver, der mit ausdruckslosem Gesicht die umgefallenen Stühle aufstellte. Erst jetzt, da McGonagall die Möglichkeit eines Verwirrungsfluchs genannt hatte, glaubte Harry die Zusammenhänge zu erkennen.  

„Ich denke, wir sollten Professor Dumbledore benachrichtigen", sagte Silver tonlos und als McGonagall zustimmend nickte, fügte er mit einem schwachen Lächeln hinzu: „Und Harry würde sicher gern im Krankenflügel nach Hermine sehen."

„Na schön!", seufzte McGonagall, während ihr Blick zum wiederholten Male unschlüssigen über das Chaos in Silver Büro schweifte. „Wenn Madam Pomfrey keine Einwände hat, soll es mir recht sein. Sie sind vom Nachmittagsunterricht entbunden, Potter!"

„Danke, Professor!"

Harry beeilte sich so schnell wie möglich aus diesem Büro zu kommen, bevor McGonagall noch auf die Idee kam, ihm weitere Fragen zu stellen. Während er mit eiligen Schritten zum Krankenflügel hastete, überlegte er sich immer wieder, was mit Snape wirklich geschehen war. Hatte Sirius ihn tatsächlich mit einem Verwirrungsfluch belegt? Und wo war er jetzt? Was hatte er Silver erzählt?

Mit gemischten Gefühlen betrat er wenig später den Krankenflügel. Madam Pomfrey war offensichtlich über sein Kommen bereits unterrichtet, denn als Harry eintrat nickte sie kurz und deutete auf das Bett an der Fensterseite.

„Sie schläft noch, doch es geht ihr inzwischen besser."

„Danke", sagte Harry heiser und trat zaghaft an Hermines Bett heran, während Madam Pomfrey mit leisen Schritten in den Nebenraum verschwand.

Hermine hatte die Augen geschlossen und an dem regelmäßigen Heben und Senken ihrer Brust konnte Harry erkennen, dass sie tief und fest schlief. Ihre zuvor blassen Wangen hatten inzwischen wieder Farbe bekommen und als Harry vorsichtig nach ihrer Hand griff, spürte er erleichtert, dass auch diese wieder normal warm war. Was auch immer dieser Fluch gewesen sein mochte, Hermine schien ihn bislang gut überstanden zu haben.

„Weißt du, ich bin ganz schön erschrocken", flüsterte Harry, wohl wissend, dass Hermine ihn nicht hören konnte und setzte sich behutsam auf die Bettkante neben sie. „Snapes Fluch hat dich getroffen und du bist plötzlich so blass und kalt geworden, dass ich Angst hatte, ich würde dich verlieren. Ich…ich hab dich sehr gern, Hermine und ich könnte…ich könnte es nicht ertragen, wenn dir etwas passieren sollte."

Mit einem verlegenen Lächeln ließ er seine Fingerspitzen sanft über ihren Handrücken streichen und ein warmes Glücksgefühl machte sich in seiner Brust breit. „Und mir…tut es auch nicht leid, dass ich dich versehentlich auf den Mund geküsst habe. Ich würde…es sehr gern wieder tun."

Für einen kurzen Augenblick überlegte er ernsthaft, ob es sehr verwerflich wäre, wenn er jetzt, da Hermine schlief, sie küssen würde. Die Entscheidung wurde ihm jedoch dadurch abgenommen, dass McGonagall und Silver den Krankenflügel betraten. Madam Pomfrey hatte offenbar ihr Kommen gehört und eilte nun aus dem Nebenraum.

„Mr. Potter, es wird nun Zeit zu gehen", sagte sie streng, aber mit einem nachsichtigen Lächeln. „Miss. Granger benötig noch Schlaf, doch morgen Nachmittag dürfte sie sich soweit erholt haben, dass sie wieder Besuch empfangen kann."

Harry stand vorsichtig, um Hermine nicht zu wecken, auf und ging zögernd einen Schritt auf Madam Pomfrey zu. Einem ersten Impuls nach wollte er Madam Pomfrey noch um ein paar Minuten bitten, doch ein Blick in ihr entschlossenes Gesicht zeigte ihm, dass dies sinnlos wäre und so nickte er nur. Undeutlich konnte er hören, wie McGonagall um einen ausführlichen Bericht über Snapes Zustand bat und erst in diesem Moment fiel Harry auf, dass Snape nicht in einem der Betten im Krankenflügel untergebracht war. Verstohlen sah er sich um, bis er zu der Erkenntnis kam, dass man Snape sicherlich in einen für Schüler uneinsehbaren Raum untergebracht hatte. Auf dem Weg zum Ausgang des Krankenflügels versuchte Harry unauffällig einen Blick in den kleinen Nebenraum zu erhaschen, aus dem Madam Pomfrey gekommen war, aber außer einem leeren, unbenutztem Bett war nichts zu sehen. „Snape hat Hermine angegriffen, es sollte dir egal sein wie es ihm geht", meldete sich eine deutliche Stimme in seinem Hinterkopf, während ihn eine andere daran erinnerte, dass es möglicherweise Sirius unüberlegtes Handeln war, das Hermine hier in den Krankenflügel gebracht hatte. Mit gemischten Gefühlen verließ Harry den Raum, doch er war noch nicht weit gekommen, als Silver in einholte.

„Komm mit, Harry", sagte er schlicht und führte ihn die Korridore entlang, bis sie schließlich seine privaten Räume erreichten. Harry beobachtete ihn heimlich von der Seite, doch Silvers Mimik ließ keinen Schluss zu, was gerade in seinem Inneren vorging. Mit dem dumpfen Gefühl etwas falsch gemacht zu haben, ohne genau bestimmen zu können, in was dieses Etwas überhaupt bestand, setzte er sich stumm auf den Platz, den Silver ihn anbot und wartete nervös auf das, was sein Lehrer ihm zu sagen hatte. Aber Silver ließ sich damit Zeit, er beschwor ein Tablett mit Tee herauf, füllte die Tassen und reichte schweigend eine Tasse an Harry weiter, ehe er sich endlich Harry gegenübersetzte. Seine Teetasse zwischen den Händen drehend, starrte er einige Minuten ins Leere, bis er schließlich tief seufzte und Harry direkt ansah.

„Was genau ist in meinem Büro geschehen?"

„Das weiß ich auch nicht so genau", erklärte Harry, während er einen Schluck Tee trank, um damit Silvers forschenden Blick auszuweihen.

„Dann erzähl mir bitte, was du weißt. Es ist wichtig, damit wir uns ein genaueres Bild von dem machen können, was vorhin in meinem Büro passiert ist."

Harry seufzte schwer, ehe er in schmucklosen Worten schilderte, was sich in Silvers Büro zugetragen hatte. Angefangen mit dem, dass sie dort auf Sirius trafen, Snape in das Büro kam und sie zum Gehen aufforderte bis dahin, dass sich die Tür vor ihnen schloss und Snape allein im Büro zurück geblieben war. Silver hörte ihm mit unbeweglicher Miene zu, bis Harry geendet hatte. Er nickte schließlich nachdenklich.

„War Professor Snape schon ärgerlich oder gereizt, als er in das Büro kam?"

„Wann ist er das nicht?", stöhnte Harry und verdrehte die Augen.

„Ich meine…mehr als gewöhnlich", ergänzte Silver seine Frage und für einen kurzen Moment huschte so etwas wie ein Lächeln über sein Gesicht.

„Nein, er war mürrisch wie immer."

„Hm", brummte Silver und rieb sich unschlüssig über das Kinn.

„Hat Sirius…", begann Harry zögernd, doch er brachte es nicht fertig die Frage zu beenden.

„Nein, Sirius hat keinen Verwirrungszauber gesprochen. Er dachte, es wäre eine…nette Idee Professor Snape zu erschrecken, doch auch er hat keine Ahnung was diese Reaktion ausgelöst hat", erklärte Silver und sah Harry einen Moment forschend an, ehe er ergänzend hinzufügte: „….und er hätte es auch nicht vorhersehen können."

„Aber er hätte es nicht tun sollen", sagte Harry mit einer deutlichen Spur von Bitterkeit in der Stimme.

„Nein, sicher nicht, aber das lässt sich nun nicht mehr ändern", seufzte Silver, während er nachdenklich in seine Teetasse blickte. „Und wer weiß, vielleicht hatte diese Entwicklung ja auch ihren tieferen Sinn."

Harry konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, was das Ganze für einen Sinn gehabt haben sollte. Snape würde irgendwann dahinter kommen, dass er keiner Einbildung erlegen und Sirius tatsächlich zurück war. Snape würde sich von Sirius bloßgestellt fühlen und ihn dafür noch mehr hassen, was Harry ihm sogar nachfühlen konnte. Unweigerlich stiegen wieder die Bilder in ihm hoch, die er im letzten Schuljahr in Snapes Denkarium gesehen hatte; auch damals wurde Snape bloßgestellt. Die Tatsache, dass Harry nun zum wiederholten Male Zeuge von einer für Snape peinlichen Situation wurde, machte es mit Sicherheit nicht einfacher, diesen alten Zorn und Hass der Vergangenheit zu begraben. Harry seufze tief, als er an Dumbledores Worte nach dem Trimagischen Turnier im Krankenflügel dachte; „Es ist an der Zeit, dass ihr die alten Streitigkeiten begrabt und euch gegenseitig vertraut. Ihr seid jetzt auf derselben Seite. Die Zeit ist knapp, und wenn die wenigen von uns, die die Wahrheit kennen, nicht zusammenhalten, gibt es für keinen von uns Hoffnung", und damit Sirius und Snape aufgefordert, sich die Hände zu reichen. Dem alten Zauberer zuliebe hatten sie sich damals für einen kurzen Moment die Hände gegeben, doch das war nur eine äußere Floskel, die nichts an den alten Gefühlen änderte. Ungeachtet der daraus entstehenden Konsequenzen, würden Sirius und Snape sich wohl für den Rest ihres Lebens hassen und unweigerlich fragte sich Harry, ob die beiden den auslösenden Grund dafür überhaupt noch kannten.

Silver schien Harrys Gedanken erraten zu haben, denn er nickte mit einem traurigen Lächeln. „Manchmal dauert es sehr lange, bis wir ein überaltertes Denk- und Verhaltensmuster aufgeben können und es ist auch nur dann möglich, wenn wir bereit sind, unser eigenes Verhalten zu überdenken."

Harry wusste, dass Silver damit nicht nur auf Sirius und Snape abzielte und plötzlich begann sich ein Gefühl von Scham in ihm zu regen; auch er selbst verhielt sich oft genug engstirnig und folgte, ohne groß darüber nachzudenken, einem vorgegebenen Verhaltensmuster. Seine Abneigung gegen alle Slytherins begründete sich einzig und allein in der Tatsache, dass man ihm in seinem ersten Schuljahr erzählt hatte, alle dunklen Zauberer kämen aus dem Hause Slytherin und seine Erfahrungen mit Malfoy und Co. schien diese Meinung nur zu bestätigen. In diesem Moment, da Harry in Silvers Raum saß, musste er sich eingestehen, dass er sich bisher noch nie die Mühe gemacht hatte, einen Slytherin näher kennen zu lernen.

Tief in Gedanken versunken verließ Harry wenig später Silvers Privaträume. Er hatte den Gryffindorturm noch nicht erreicht, als ihm bereits die ersten aufgeregte Schüler entgegen kamen und ihn nach Hermine und dem Zwischenfall mit Snape befragen. Harry erzählte ihnen das Nötigste und nur Ron, der im Gemeinschaftsraum auf ihn wartete, bekam einen ausführlicheren Bericht zu hören.

„Genial! Das bedeutet, dass dieser schleimige Bastard vorläufig keinen Unterricht halten wird und unsere Stunde in Zaubertränke morgen früh wohl ausfallen wird", frohlockte Ron, nachdem er seinen ersten Schrecken, dass Hermine nun im Krankenflügel lag, überwunden hatte.

„Kann sein", brummte Harry einsilbig.

„Na so schnell werden die sicher keine Vertretung organisieren können", grinste Ron und klopfte Harry anerkennend auf die Schulter, als wäre es Harrys Verdienst, dass Zaubertränke entfiel.

„Schön, wenn du dich darüber freuen kannst", schnaubte Ginny, die bisher schweigend zugehört hatte. „Ich kann es nicht! Falls du es vergessen haben solltest, wir haben dieses Jahr unsere ZAG´s und brauchen diese Unterrichtsstunden."

„Oh Mann! Du hörst dich schon an wie Hermine", stöhnte Ron theatralisch und wandte sich erneut augenrollend Harry zu.

„Außerdem bedeutet es für dich, dass du heute Abend kein Nachsitzen bei Snape hast, ist doch auch nicht schlecht."

„Nachsitzen muss ich trotzdem", seufzte Harry und zog seine Hausaufgaben aus der Tasche. „Flitwick übernimmt heute Snapes Aufgabe mich nachsitzen zu lassen."

„Oh! Na dann…kann man nichts machen", brummte Ron enttäuscht. „Ich dachte, dass du mit zum Quidditchtraining gekommen wärst, wenn du heute Abend frei gehabt hättest."

Harry vermied es Ron zu sagen, dass er vermutlich auch in diesen Fall keine große Lust gehabt hätte, sich das Training anzusehen. Mit einem nichts sagenden Schulterzucken schlug Harry sein Lehrbuch für Zauberkunst auf und widmete sich nun konzentriert seinen Hausaufgaben.

Für fast zwei Stunden gelang es ihm auch, seine Gedanken nur auf seine Aufsätze in Zauberkunst und Verwandlung zu richten, bis es Zeit zum Abendessen war und er sich gemeinsam mit Ron, Ginny und Neville auf den Weg in die Große Halle machte. Snapes Ausraster, wie Seamus es nannte, war das beherrschende Gesprächsthema an diesem Abend. Während am Tisch der Slytherins gedämpfte Stimmung herrschte, diskutierten die Ravenclaws und Huffelpuffs eifrig, welche Konsequenzen für Snape daraus entstehen konnten. Am lautesten war es jedoch am Tisch der Gryffindors, die sich einerseits in Beschimpfungen und Beschmähungen gegen alles Slytherins ergingen und andererseits schon euphorisch das Fest für Snapes Rauswurf aus Hogwarts planten. Seamus erklärte im Ton inbrünstiger Überzeugung, dass Dumbledore unmöglich einen Lehrer wie Snape behalten konnte, der ganz offensichtlich unzurechnungsfähig war und unkontrolliert mit Flüchen um sich warf. Ron überlegte lautstark, ob er nicht Fred und George um die nötige Ausstattung für die bevorstehende Party bitten sollte, während Lavender und Parvati haltlos bei der Vorstellung kicherten, dass Snape, ähnlich wie Umbridge im letzten Jahr, von Peeves mit einem Stock davon gejagt wurde. Ein Außenstehender hätte sicherlich vermutet, Gryffindor habe einen lang angetrebten Sieg errungen. Niemals hätte er den wahren Grund dieser Hochstimmung erraten.  

Harry konnte sich nicht daran erinnern, sich an seinem Haustisch jemals so schlecht gefühlt zu haben. Niemand, nicht einmal Ron, schien nur einen einzigen Gedanken daran zu verschwenden, dass Hermine vor einigen Stunden fast ums Leben gekommen wäre und sie ihre Rettung nur dem überlegten Eingreifen eines Slytherin zu verdanken hatte. Natürlich, auch er mochte Snape nicht und die Aussicht Snape würde keinen Unterricht mehr erteilen, hatte durchaus etwas Verlockendes, dennoch konnte er sich nicht wirklich darüber freuen. Missmutig stocherte er in seinem Essen, bis er den Teller nach wenigen Minuten beiseite schob und in die strahlenden Gesichter seiner Hausgenossen blickte. Für einen kurzen Augenblick fühlte er den Wunsch in sich hochsteigen, sie anzuschreien, ihnen zu sagen wie dumm und engstirnig ihr Verhalten doch war und dass sie alle zusammen keine Ahnung hatten, worum es hier wirklich ging. Aber Harry tat es nicht, stattdessen stand er wortlos auf und verließ die Große Halle, um sein Nachsitzen bei Flitwick anzutreten.

Der kleine Professor Flitwick erwartete ihn bereits im Korridor vor seiner Tür.

„Hallo, schön dass Sie so zeitig da sind, Sie können gleich mitkommen", grüßte er eifrig und deutete Harry ihm zu folgen.

Seine kurzen Beinchen schwingend, eilte er den Korridor entlang und einige Treppen nach unten, bis sie im Korridor ankamen, in dem sich auch das Lehrerzimmer befand.

„Ich habe eine spezielle Aufgabe für Sie", nickte Flitwick freundlich, als sie am Lehrerzimmer vorbei gingen und Flitwick die übernächste Türe öffnete.

Harry ging hinein und blieb im nächsten Moment überrascht stehen. Sie befanden sich in einem kleinen Saal, wie es mehrere in Hogwarts gab, doch dieser Raum war anders als alle bisherige, die Harry in seinen vergangenen fünf Schuljahren gesehen hatte. In der Mitte des Saals stand ein wuchtiger ovaler Tisch auf dem eine große, graue Schieferplatte lag und in deren Zentrum eine kleine Figur stand. Um den Tisch herum standen im Abstand von zwei Metern gut ein Dutzend merkwürdig schimmernden Säulen und erst auf den zweiten Blick bemerkte Harry, dass diese einen Kreis bildeten, der den Tisch umschloss.

„Was ist das?", fragte Harry, während er fasziniert auf die Säulen zuging. Wie kunstvoll geschliffenes Glas schimmerten sie in allen Farben des Regenbogens und erleuchteten das Zentrum, des ansonsten düstern Raums. Erst als Harry näher herankam bemerkte er, dass diese Säulen aus keinem festen Material bestanden; sie schienen flüssig zu sein und bei genauerem Hinsehen konnte man erkennen, dass sie leicht pulsierten, als würde es in ihrem Inneren kochen und brodeln.

„Neutralisatoren", erklärte der kleine Professor Flitwick mit einem flüchtigen Blick auf die Säulen, während er den Kreis durchschritt und eine Mappe vom Tisch nahm.

„Ah", sagte Harry, ohne mit diesem Begriff wirklich etwas anfangen zu können. „Und was neutralisieren sie?"

„Jede Art von Magie!", erklärte Flitwick mit einem geheimnisvollen Schmunzeln und schlug die Mappe in seiner Hand auf.

Während Flitwick verschiedene Pergamentbögen aus der Mappe zog, sah Harry sich interessiert im Saal um. Auf der linken Seite standen mehrere Vitrinen mit allerlei seltsamen Gerätschaften und ein steinernes Becken aus dem rosafarbener, aber deutlich nach Minze riechender Dampf aufstieg. Harry fragte sich ernsthaft, ob sein Zauberkunstprofessor hier mit Badezusätzen experimentierte. Auf der rechten Seite des Saals standen einige kleinere Tische mit Stühlen und dahinter konnte Harry eine unscheinbare Tür erkennen, die in einen Nebenraum zu führen schien. Die Wände ringsherum waren mit dunklem Holz vertäfelt und ließen Harry vermuten, dass dieser Saal frührer einem ganz anderen Zweck diente. Ein Klopfen an der Tür riss ihn unvermittelt aus seinen Beobachtungen. Flitwick rief ein vernehmbares „herein" und zu Harry Erstaunen betrat Ted Moran den kleinen Saal. Als er Harry erblickte, zögerte er, ging dann aber mit einem kurzen Nicken in Harrys Richtung, zielstrebig auf Flitwick zu.

„Ah, da bist du ja, Ted", lächelte Flitwick und deutete auf Harry. „Der junge Mr. Potter wird dich heute Abend bei unserer Arbeit unterstützen. Zeig ihm doch bitte was genau zu tun ist, ich muss hier noch einige Dinge für Professor Dumbledore überprüfen."

Moran nickte, auch wenn seinem Gesicht deutlich anzusehen war, dass ihn Harrys Hilfe nicht gerade begeisterte. Harry ging es nicht viel anders, auch er konnte sich etwas Angenehmeres vorstellen, als seine Strafarbeit mit einem Slytherin abzusitzen, trotzdem gelang es ihm sein Unwohlsein darüber zu verdrängen und er ging mit gemächlichen Schritten auf Moran zu.

„Unsere Aufgabe wird sein, zu einer Liste von Flüchen die passenden Gegenzauber zu finden", erklärte Moran gleichmütig, während er Flitwick beobachtete, wie dieser mit seinem Zauberstab die Figur auf der Steinplatte antippte. „Nebenan befindet sich eine kleine Bibliothek in der wir die Zauber nachschlagen können."

Währendessen begann die Figur auf den Tisch zu leuchten und erst jetzt erkannte Harry sie. „Das ist die Bastet aus Andreas Haus", stieß er verblüfft aus und trat näher an den Tisch heran.

Flitwick zuckte zusammen und die Mappe die er bisher lässig in seiner Hand gehalten hatte, entglitt seinen Fingern, so dass sich die einzelnen Blätter über den staubigen Boden verteilten. Harry und Moran bückten sich um ihm beim Einsammeln zu helfen, doch der kleine Lehrer winkte ungeduldig ab. „Ich mach das schon, kümmern ihr euch lieber um die Gegenzauber."

Moran blickte stirnrunzelnd von der Bastet zu Harry und dann weiter zu Flitwick, ehe er sich mit einem Achselzucken aufrichtete und Flitwick das Pergament reichte, das er soeben vom Boden aufgehoben hatte. Harry tat es ihm gleich und folgte Moran in den Nebenraum, der vom Boden bis zur Decke mit Büchern voll gestopft war. Harry hatte eigentlich einen Raum in der Größe eines Klassenzimmers erwarten und war nun erstaunt eine Kammer vorzufinden, die nicht viel größer als Filchs Besenschränke war. Unter dem Fenster stand ein schmuckloser, alter Schreibtisch auf dem bereits einige aufgeschlagene Bücher lagen. Moran ging darauf zu und zog darunter ein Pergament hervor, warf einen prüfenden Blick darauf und reichte es an Harry weiter.

„Das hier ist die Liste mit den Flüchen", sagte er und wandte sich einem weiteren Pergament zu.

„Oh weh, das dauert ja Stunden, bis wir hiermit durch sind", stöhnte Harry, nachdem er die Liste überflogen hatte. Teilweise kannte er die aufgelisteten Zauber, doch ein großer Teil war ihm gänzlich unbekannt und er fragte sich unwillkürlich, wie er diese ganzen Zauber überhaupt finden sollte.

„Sag lieber Tage, statt Stunden", grinste Moran schief und zog ein dickes, in Leder gebundenes Buch aus dem Regal neben Harry. „Hier, in diesem Buch findest du die einfacheren Zaubersprüche, die Kompizierteren…werden wohl auch in irgendeinem der Bücher stehen; aber da heißt es einfach nur suchen."

Harry nickte, zog sich seufzend einen Stuhl heran und schlug das Buch auf. Die nächsten beiden Stunden verbrachten sie damit, immer wieder neue Bücher aus dem Regal zu ziehen und die verschiedenen Zauber darin nachzuschlagen. Ohne eine Spur von Überheblichkeit gab Moran Harry immer wieder Tipps, die ihm die Suche vereinfachten und nach anfänglichem Zögern nahm Harry diese Ratschläge auch dankend an. Es war eine staubige und trockene Angelegenheit, aber nachdem er den Dreh des gezielten Suchens heraus hatte,  machte es Harry mit der Zeit sogar richtig Spaß, die feinen Unterschiede zwischen den einzelnen Zaubern zu ergründen.

„Gönn dir mal eine Pause", sagte Moran, als Harry gerade hustend einen dicken Wälzer aus der obersten Regalreihe zog und hielt ihm eine Flasche Butterbier entgegen. „Niemand erwartet hier von uns, dass wir alles auf einmal schaffen."

„Ähm…danke!", sagte Harry verblüfft und nahm die Flasche entgegen.

„Wenn Flitwick kommt, solltest du die Flasche allerdings verschwinden lassen", grinste Moran und beugte sich über den Pergamentbogen, auf dem Harry seine Gegenzauber aufgeschrieben hatte. „Du bist ganz schön weit gekommen."

Harry wusste nicht, ob dies nun ein Lob sein sollte und noch viel weniger, was er dem Slytherin darauf antworten sollte und zog es deshalb vor, einfach unbekümmert die Achseln zu heben. Für einige Minuten saßen sie einfach nur schweigend da, bis Harry sich schließlich ein Herz nahm und das aussprach, was ihn schon die letzten Stunden bewegte.

„Ich möchte mich bei dir bedanken", sagte er zögernd und als er Morans verständnislosen Blick sah, fügte er mit einem unsicheren Lächeln hinzu: „Danke, dass du Hermines Leben gerettet hast."

„Gern geschehen", seufzte Moran und plötzlich zog sich ein Zug von Bitterkeit über sein Gesicht. Die leere Butterbierflasche zwischen seinen Händen drehend, brütete er vor sich hin, bis er unvermittelt den Kopf hob und Harry direkt in die Augen sah. „Hat einer von euch Professor Snape mit einem Zauber belegt?"

„Nein, haben wir nicht", sagte Harry kopfschüttelnd und hielt entschlossen Morans Blick stand. „Und auch kein Zaubertrank oder ähnliches. Ich hab auch keine Ahnung warum er derart überreagiert hat."

„Aber diesem Ausbruch ging etwas voraus", bohrte Moran nach und plötzlich musste Harry die Augen abwenden.

„Ja, dem Ganzen ging etwas voraus, allerdings nichts was im Normalfall so eine Reaktion auslöst", gab Harry zu und stellte seine Flasche neben dem Schreibtisch ab.

„Hm, wenn du meinst", brummte Moran, während er Harry weiterhin forschend beobachtete.

„Auch wenn sich die Gryffindors heute Abend so verhalten haben: Snape ist keinem Schülerstreich zum Opfer gefallen", entgegnete Harry matt. „Ich weiß, dass du mir nicht glaubst, aber es ist wirklich so."

Moran zuckte unschlüssig die Schultern, doch seinem Gesicht war deutlich anzusehen, dass er scharf nachdachte. Mit gerunzelter Stirn und nach oben gezogenen Augenbrauen fixierte er Harry, bis er schließlich den Kopf schüttelte und sich wieder seiner Liste zuwandte.

„Ich weiß wirklich nicht was ich glauben soll", sagte er leise, während er einen Moment ins Leere starrte. „Sirius Black war dein Pate und nach alledem was Draco Malfoy erzählt, stand er dir sehr nahe. Ich kann mir nicht vorstellen, dass du mit seinem Tod scherzen würdest."

Harry zog unwillkürlich die Luft ein und schluckte schwer. Die Art wie Moran über Sirius sprach, enthielt so viel Gefühl und Anteilnahme, dass es Harry für einen Moment schmerzte, dem Slytherin nicht die Wahrheit sagen zu können.

„Tut mir leid, ich wollte dich nicht verletzen. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass solche Wunden sehr lange brauchen bis sie wirklich heilen", sagte Moran besorgt, der offensichtlich Harrys Reaktion missverstanden hatte.

„Schon gut", wehrte Harry ab, konnte aber nicht verhindern, dass er den Slytherin verblüfft anstarrte.

Moran verhielt sich so völlig anders, als Harry es von einem Slytherin erwartet hätte. Nicht im Traum hätte er damit gerechnet, dass sich jemals ein Schüler aus diesem Haus bei ihm im Glauben, mit seinen Worten die Gefühle verletzt zu haben, entschuldigen würde. Und plötzlich erinnerte er sich auch wieder an Morans Reaktion, als Malfoy sich am ersten Abend in Hogwarts über Harrys Trauer lustig gemacht hatte. Moran hatte an diesem Abend ganz klar Stellung bezogen, auch wenn er sich damit gegen sein eigenes Haus stellte und damit wohl auch schlimmere Konsequenzen für Neville verhindert. Harrys Brust zog sich schmerzhaft zusammen, als ihm bewusst wurde, dass keiner der Gryffindors dies wohl für einen Slytherin getan hätte.

„Kann auch sein, dass der seltsamen Nervenzusammenbruch unseres Hauslehrers etwas mit dem Wächter dort draußen zu tun hat", sagte Moran mit einem unsicheren Lächeln, hob die Schultern und deutete mit dem Daumen in die Richtung des Saals nebenan.

„Was für einen Wächter?", entgegnete Harry verwirrt und drehte sich unwillkürlich zur Tür.

„Ich rede von der Bastet auf Flitwicks Tisch", erklärte Moran zögernd, während sich seine dunklen Augen verengten und er Harry unschlüssig ansah. „Ich dachte, du wüsstest darüber bescheid. Die machen seit Tagen schon jede Menge Aufhebens darum..."

Harrys Kopf begann auf Hochtouren zu arbeiten und plötzlich erinnerte er sich auch wieder daran, was er in Silvers Gedanken gesehen hatte. Professor Flitwick hatte diese Bastet als einen magischen Wächter bezeichnet und nun erst begriff Harry den Zusammenhang mit den Bildern von Andrea.

„Was ist ein magischer Wächter", wandte er sich wieder an Moran. „Was tut er?"

Der Slytherin erklärte Harry was er über magische Wächter im Allgemeinen wusste und fügte, als er den alarmierten Ausdruck auf Harrys Gesicht bemerkte, beschwichtigend hinzu: „Solange dieser Wächter hier unter Verschluss steht, kann Niemandem damit Schaden zugefügt werden."

Harry nickte widerstrebend und starrte mit zusammengekniffenen Lippen in den Saal hinaus, in dem Professor Flitwick noch immer am Tisch mit der Bastet beschäftigt war.

„Du sagtest vorhin…diese Bastet würde einer Andrea gehören - ist sie eine Freundin von dir?", fragte Moran nach einer kurzen Pause.

„Ja", seufzte Harry schwer. „Voldemort hält sie gefangen."

Moran stieß scharf die Luft aus, ehe er sich nachdenklich über das Kinn rieb. „Hm…damit bekommt das Ganze langsam Sinn."

„Wie meinst du das?", sagte Harry irritiert und trat näher an Moran heran.

„Ich rede von der Dringlichkeit mit der hier an der Erforschung dieses Wächters gearbeitet wird. Mir war bisher nicht klar, warum Silver es so eilig hat, die Zauber zu entschlüsseln, aber nun vermute ich, dass die Bastet dazu dienen soll…"

Moran brach ab, als aus dem Nebenraum die Stimmen von Silver und Dumbledore zu ihnen herüber drangen, die sich offensichtlich in diesem Moment angeregt mit Flitwick unterhielten. Mit einem unsicheren Blick auf Moran trat Harry näher an die Tür heran, doch er war immer noch zu weit entfernt, um die einzelnen Worte  verstehen zu können.

„Streng dich nicht an, so wirst du nichts hören", grinste Moran und zog zu Harrys Verblüffung ein Knäuel fleischfarbiger Schnüre aus seiner Tasche, die Harry sofort als  jene Langziehohren erkannte, die Fred und George im letzten Jahr erfunden hatten.

„Woher hast du die?", stieß Harry verwirrt aus, doch Moran winkte mit einer lässigen Bewegung ab.

„Filch hat sie im letzten Schuljahr konfisziert und ein freundlicher Mitschüler hat sie ihm wieder aus dem Hausmeisterbüro geklaut."

Für einen Moment war Harry sprachlos, doch er beschloss alle Fragen auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben und stattdessen das angebotene Langziehohr zu benutzen.

Fortsetzung folgt……..

AN: Vielen, vielen Dank für eure lieben Reviews! Hab mich sehr darüber gefreut!

Viele liebe Grüße von Sternchen (die leider noch immer etwas im Stress steht)