31.

Als Harry den Gemeinschaftsraum der Gryffindors betrat, herrschte dort, wie nicht anders erwartet, reger Betrieb. Überall um die Tische herum saßen Schüler die sich munter unterhielten oder den Abend nutzten, um noch Hausaufgaben für den nächsten Tag zu erledigen. Auch wenn es nicht übermäßig laut war, so erinnerte Harry dieses Gemurmel an das Summen in einem Bienenstock und für einen kurzen Moment spürte er den Wunsch, einfach wieder kehrt zu machen. Hier schlug ihm eine Welle von Sorglosigkeit entgegen, die so gar nichts mit seiner eigenen realen Welt zu tun haben schien. Bemüht darum, möglichst ruhig und unbefangen zu wirken, ging Harry zum Fenster, wo Ron und Hermine an einem Tisch saßen.

„Das war ein kurzes Nachsitzen", sagte Ron überrascht, als Harry einen Stuhl heranzog und sich zu ihnen setzte.

„Hm", brummte Harry, während er sich zurücklehnte und abwesend die Erstklässler beobachtete, die mit Eifer einen Katalog für Rennbesen studierten und sich gegenseitig erklärten, welchen Besen sie sich von ihren Eltern wünschten.

„Ist irgendetwas passiert?", flüsterte Hermine und blickte sich unauffällig zu Dean und Parvati hinüber, die einen Tisch weiter über ihren Hausaufgaben brüteten.

„Nein, Flitwick ist nur beschäftigt", sagte Harry und zog mit dem Versuch eine möglichst gleichgültige Miene aufzusetzen sein Zauberkunstbuch aus der Schultasche.

Ein Versuch, der in Anbetracht des Gefühlsaufruhrs in seinem Inneren und der Tatsache, dass Ron und Hermine ihn einfach zu gut kannten, kläglich scheiterte. Ron und Hermine tauschten einen besorgten Blick, ehe Ron genau das aussprach, was sich auch in Hermines Augen widerspiegelte.

„Warum bist du dann jetzt schon hier?"

„Erzähl ich euch später", brummte Harry ohne aufzusehen und schlug sein Buch auf.

Er konnte hören, wie Hermine neben ihm tief einatmete, doch zu seiner Erleichterung stellten seine Freunde keine weiteren Fragen.

Den Kopf auf die Hände gestützt, begann Harry das Kapitel zu lesen, über das sie einen Aufsatz für Flitwick schreiben sollten. Die ersten beiden Seiten gingen noch recht gut, doch bereits auf der Dritten bemerkte Harry, dass er die einzelnen Absätze mehrmals lesen musste, um ihren Sinn zu erfassen.

„Hör auf zu grübeln und reiß dich zusammen!", ermahnte er sich selbst, während er verdrießlich zum Seitenanfang zurückkehrte. „Es bringt überhaupt nichts, wenn du dir jetzt den Kopf über Dinge zerbrichst, die du eh nicht ändern kannst. Hör auf zu grübeln und schreib jetzt deinen Aufsatz!"

Ein schwieriges Unterfangen, wie Harry sich bald eingestehen musste. So sehr er sich auch um Konzentration bemühte, seine Gedanken schweiften immer wieder ab, wanderten von dem Gespräch der Lehrer zu Andrea und landeten automatisch bei Remus, der seit fast zwei Wochen verschwunden war und von dem sie noch immer keine Spur hatten.

„Zwei Wochen", dachte Harry bitter. „Zwei Wochen und mit jedem Tag wird es unwahrscheinlicher, dass sie ihn lebend finden. Und was mach ich, ich sitze hier und bin zum Nichtstun verdonnert. Vielleicht sollte ich den Spiegel benutzen und mit Sirius reden…?"

Hermine neben ihm berührte kurz seine Hand und als er aufsah, huschte ein zärtliches Lächeln, wie ein Sonnenstrahl über ihr Gesicht. So kurz dieses Lächeln auch war, es hatte eine verblüffend Wirkung; die trübsinnigen Gedanken, die sich noch Sekunden zuvor wie ein Endlosschleife durch seinen Kopf zogen, lösten sich jäh auf und das vertraute Gefühl von Wärme durchströmte ihn. Sein Herz begann schneller zu schlagen und von irgendwo her musste jemand den Starschuss für die Heerscharen von Schmetterlingen in seinem Bauch gegeben haben. Mit einem nervösen Seitenblick auf die wenigen Mitschüler, die sich noch im Gemeinschaftsraum aufhielten, griff er über den Tisch hinweg nach Hermines Hand und drückte sie kurz. Ron gab ein warnendes Räuspern von sich, doch als Harry zu ihm sah, konnte er das Zucken um Rons Mundwinkel sehen, auch wenn sein Kumpel augenscheinlich nur in sein Buch vertieft war. Mit dem unangenehmen Gefühl von allen Seiten beobachtet zu werden, wandte sich Harry erneut seinem Aufsatz zu, doch schon nach kurzer Zeit schweiften seine Gedanken unweigerlich wieder ab.

Versonnen beobachtete er Hermine, die so nah neben ihm saß und er sie doch nicht berühren durfte. Für einen kurzen Augenblick machte sich das zerrende Verlangen in Harrys Brust breit, einfach alle Skrupel über Bord zu werfen und sie hier und jetzt im Gemeinschaftsraum in die Arme zu ziehen, doch die Vernunft siegte und so beschränkte er sich darauf, Hermines Knie unter dem Tisch sanft mit dem seinen zu berühren. Ein warmes Gefühl von Verbundenheit durchströmte ihn, als Hermine diese sanfte Berührung erwiderte und über dem Tisch geschäftig in ihrem Runenwörterbuch blätterte. Harry konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen, als dabei eine widerspenstige Haarsträhne immer wieder in ihr Gesicht fiel und sie diese mit der gleichen Regelmäßigkeit wieder zur Seite strich, ehe er leise seufzte und seine Aufmerksamkeit wieder zu dem vor ihm liegenden Aufsatz lenkte.

Neben ihm kratzte Rons Feder über das Pergament, während Harry selbst über die erste Seite seines Aufsatzes nicht hinaus kam. Wie Gummibälle hüpften die Gedanken durch seinen Kopf und es schien nicht möglich zu sein auch nur einen einzigen davon richtig festzuhalten. Einerseits machte es ihn glücklich hier neben Hermine zu sitzen, doch schon im nächsten Augenblick nagte die quälende Sorge um Andrea und Remus an seinen Nerven. Immer wieder flammten Sequenzen des Streitgesprächs zwischen Silver und Moody in seinem Gedächtnis auf, bis erneut ein leises Geräusch von Hermine ihn aufsehen ließ und ein Blick in ihre Augen diese Erinnerungen hinwegfegte. Harry konnte sich nicht daran erinnern, sich jemals in seinem Leben so zerrissen gefühlt zu haben, wie an diesem Abend.

Der Gemeinschaftsraum leerte sich zusehends, bis außer ihnen nur noch zwei Schüler aus dem dritten Jahrgang da waren.

„Geschafft!", sagte Ron erleichtert in die Stille hinein und rollte zufrieden seinen Aufsatz zusammen.

Harry nickte, ehe er missmutig seine Feder beiseite legte und sich über die schmerzende Stirn rieb.

„Es hat keinen Sinn, ich bekomm den Aufsatz heut nicht mehr fertig", sagte er matt und rollte resignierend sein Pergament zusammen.

„Soll ich dir helfen", fragte Hermine zögernd, während auch sie ihre restlichen Schulsachen in der Tasche verstaute und Harrys unfertigen Aufsatz mit einem zweifelnden Blick bedachte.

„Nein, lass gut sein!", sagte Harry abwesend und starrte einige Sekunden ins Leere, bis ihm die sorgenvollen Blicke von Hermine und Ron bewusst wurden und er rasch seine eigenen Schulsachen wegpackte.

„Möchtest du darüber reden?", fragte Hermine behutsam, während ihr Blick den beiden Drittklässlern folgte, die in diesem Moment in ihren Schlafsaal hochgingen.

„Worüber?", fragte Harry mit ehrlicher Verwirrung; es war so vieles was ihm an diesem Abend durch den Kopf ging.

„Zum Beispiel darüber, warum du heute so früh zurückgekommen bist?", sagte Ron und blickte ihm erwartungsvoll an.

Für einige Sekunden war Harry sich nicht sicher, ob er mit Ron über das sprechen wollte, was er diesen Abend über die Bastet erfahren hatte. Dumbledore hatte ihn und Moran indirekt zur Verschwiegenheit aufgefordert, doch wie war das Ron und Hermine gegenüber, durfte er mit ihnen darüber sprechen? Harry beschloss einen Mittelweg zu gehen, indem er Ron und Hermine nur eine grobe Zusammenfassung des Ganzen gab. Er schilderte ihnen in Ansätzen Silvers Befürchtungen, ließ jedoch Moodys rigorose Einstellung nur in einem Nebensatz anklingen und erklärte ihnen, dass Dumbledore die Entscheidung auf den nächsten Tag verschoben hatte.

„Wieso musste Dumbledore erst darüber nachdenken?", schnaubte Ron und schüttelte ungläubig den Kopf. „ Da gibt es doch nichts zu überlegen, natürlich werden sie diesen Bann aufheben."

„Ich denke nicht, dass das so einfach ist", sagte Hermine nachdenklich.

„Hermine, ernsthaft, wir reden hier über Dumbledore!", stöhnte Ron und verdrehte die Augen. „Wenn wirklich eine Gefahr für Andreas Leben oder Gesundheit besteht, dann würde er nicht eine Sekunde zögern."

In Rons Stimme lag soviel Überzeugung und Vertrauen in Dumbledores Entscheidung, dass Harry es nicht fertig brachte, ihm zu widersprechen. Hermine zuckte unschlüssig mit den Schultern, entgegnete jedoch nichts.

„Vermutlich", nickte Hermine, während sie wie zufällig mit den Fingern über Harrys Arm strich. „Ich denke, wir sollten uns darüber nicht allzu viele Sorgen machen."

Harry nickte eher automatisch, als dass es wirklich seiner Überzeugung und seinem Wissen entsprach. Auch wenn er es seinen Freunden gegenüber nie zugegeben hätte, tief in seinem Inneren hatte er an diesem Abend den Glauben daran verloren, Andrea und Remus jemals wieder lebend zu sehen. Die Gefühle von Ruhelosigkeit und hilfloser Wut waren verschwunden und hatten einer schweren, düsteren Leere Platz gemacht, die selbst die Empfindungen von Liebe und Glück, welche Hermine in ihm hervor rief, in den Hintergrund drängten. Für einige Sekunden schwiegen sie und nur das leise Knistern des Kaminfeuers war zu hören, bis Ron plötzlich aufstand.

„Ich werd schlafen gehen", brummte er und ging ohne eine Antwort abzuwarten zur Treppe, die in den Jungenschlafsaal führte.

„Warte, ich komm auch mit", sagte Harry verwirrt von Rons hektischem Aufbruch und stand ebenfalls auf, um ihn zu folgen.

„Nein! Ähm…na ja, ich dachte …ihr würdet vielleicht gern noch ein bisschen allein sein", brummte Ron und trat unschlüssig von einem Fuß auf den anderen, ohne Harry oder Hermine anzusehen.

„Ja, vielleicht würde ich das auch gern", überlegte Harry, doch noch ehe er etwas sagen konnte, hatte Hermine bereits geantwortet.

„So ein Quatsch, Ron!", sagte sie entrüstet und ging kopfschüttelnd auf ihn zu. „Du bist unser bester Freund, Ron und du musst jetzt nicht befürchten…"

„Schon gut", unterbrach er sie mit einem schiefen Lächeln. „Ich kann das schon verstehen, wenn ihr auch Zeit für euch möchtet."

„Ron, sei nicht albern", sagte Harry mit einer wegwerfenden Handbewegung, auch wenn dies nicht so ganz seiner momentanen Überzeugung entsprach und wandte sich Hermine zu.

„Gute Nacht, schlaf gut", sagte er leise und griff unsicher nach ihrer Hand.

„Gute Nacht, Harry!", lächelte Hermine nicht weniger unsicher und erwiderte sanft den Druck seiner Hand.

Für einige Sekunden sahen sie einander nur in die Augen, bis Harry sich einen Ruck gab und Ron die Treppe nach oben folgte. Ron war auf dem oberen Drittel stehen geblieben und schüttelte nun verständnislos den Kopf.

„Du bist ein Trottel, Harry!"

„Was?"

„Den ganzen Abend, denkst du darüber nach und jetzt…?"

„Von was redest du eigentlich?", erwiderte Harry verständnislos, während Ron, die Arme vor der Brust verschränkt auf ihn hinab grinste. Für einen Moment war Harry sich nicht sicher, ob er nicht eben etwas Entscheidendes verpasst hatte oder Ron ihn einfach nur veralbern wollte.

„Du sollst sie küssen, du Idiot!", grinste Ron, ehe er kopfschüttelnd kehrt machte und die letzten Stufen zum Schlafsaal hoch ging.

x x x x

Zur selben Zeit in Carlisle.

„Hier ist nichts, wenn man von schlechter Luft, Feuchtigkeit und Dreck absieht", stöhnte Tonks, die in diesem Moment stehenblieb und einen ungnädigen Blick zu Sirius warf, der leichtfüßig den vor ihm liegenden Steg überquerte und nun auf der anderen Seite des Kanals haltmachte und nachdenklich das Gitter betrachtete, das in eine neue Abzweigung führte. „Lasst uns zurückgehen."

„Da muss ich ihr Recht geben", sagte Bill, während er sich in beiden Richtungen des Gangs umsah. „Einen Versuch war es wert, doch hier finden wir keine Spur von den Todessern. Falls sie den Zirkel…"

„Gib mir doch noch mal die Karte, Bill", unterbrach ihn Sirius, während er mit den Fingern die blank polierten Gitterstäbe entlang fuhr.

„Na und, das ist eben ein neues Gitter, so eines gab es auch weiter vorn schon mal", schnaubte Tonks ungeduldig und warf die Arme in die Luft. „Das ist doch nun wirklich nichts Ungewöhnliches."

Sirius achtete nicht auf sie. Mit zusammen gekniffenen Augen ließ er den Blick über die Karte wandern, ehe sich ein triumphierendes Lächeln auf seinem Gesicht breit machte.

„Verdammt gerissen, aber nicht gerissen genug!", nickte er zufrieden und klopfte mit den Fingerknöcheln gegen die Metallstäbe. „Silber, die Stäbe sind aus Silber!"

„Bist du dir sicher?", fragte Bill und trat näher an die Vergitterung heran.

„Aber…" Tonks brach ab, als ihr plötzlich ein Licht aufging und einen Moment später stand sie bereits neben Sirius. „Du denkst Remus ist hier?"

„Wäre nahe liegend oder fällt dir ein anderer Grund ein, weshalb jemand Gitterstäbe aus Silber anbringt?", grübelte Sirius, während er mit den Fingerspitzen über das kalte Metal fuhr. „Silber benutzt man um Werwölfe abzuwehren. Was sonst könnte es für eine Veranlassung geben, dass jemand in einem solchen Dreckloch Gitter aus Silber benutzt?"

„Der perfekte Platz um einen Werwolf zu verstecken", stimmte ihn Bill zu und entfaltete die Karte. „Hier unten kommt sicher kein Muggel runter und da über uns auch der Tierpark ist…."

„…fällt nicht einmal das Geheul eines Wolfes auf", vollendete Tonks seinen Satz und stieß einen anerkennenden Pfiff aus. „Selbst wenn jemand Remus hier unten hören würde, so käme er sicher zu der Überzeugung, dass es sich dabei um die alltäglichen Geräusche des Tierparks handelt."

„Ich vermute, dieses Gitter ist nur als zusätzlicher Schutz gedacht", grübelte Sirius und spähte im Licht seines Zauberstabes in den dahinter liegenden Gang. „Remus selbst werden sie weiter hinten versteckt haben."

„Sollten wir nicht Verstärkung holen", sagte Tonks unsicher, als Sirius ein leise Alohomora murmelte und die Gittertür aufdrückte.

„Es würde Stunden dauern, bis…sie hier wäre", sagte Sirius zögernd, ehe er mit einer entschiedenen Bewegung den Kopf schüttelte. „Ihr bleibt hier, ich werde erst mal…" Weiter hörten sie nichts. Sirius hatte sich bereits in seine Animagusgestalt verwandelt und schlich nun, dicht an die Wand gepresst, vorwärts, ehe er Sekunden später in der Dunkelheit verschwand.

Tonks verschränkte augenrollend die Arme vor der Brust und sah ihm missmutig nach. „Nein, ich sag nichts, ich werde ihn nicht zur Vorsicht ermahnen und mich auch nicht über seine Alleingang aufregen", grollte sie.

„Kannst du ihn wirklich nicht verstehen?", seufzte Bill leise und sah sie nachdenklich von der Seite an. „Remus ist sein bester Freund, der Einzige, der aus den so genannten guten alten Zeiten übrig geblieben ist. Wenn er hier…"

„Das weiß ich selbst", unterbrach ihn Tonks ungnädig und lehnte sich erschöpft gegen die Gittertür. „Auch ich möchte, dass wir Remus finden und ich werde sicher auch alles tun, um ihn zu retten, aber gleichzeitig habe ich auch Angst um Sirius, …ich möchte ihn nicht…noch einmal sterben sehen."

Bill nickte stumm. „Es sind schon so viele, die wir verloren haben, und dieser Krieg…hat gerade erst begonnen", dachte er wehmütig, während er das sachte Dahintreiben der Kloake beobachtete. In diesem Teil der Kanalisation war es ruhiger, da es hier weniger Hausanschlüsse gab, die ihr Abwasser in diesen Arm des Kanals leiteten und doch vermittelte das permanente Gluckern, Plätschern und Tropfen den beunruhigenden Eindruck, als würde dieser Gang leben, als wären sie hier in dem entfernten Teil eines lebenden Organismus.

„Tonks, Bill, kommt her!" Sirius Stimme zerriss wie ein Peitschenschlag die monotone Stille und einen Sekunde später flammte das Licht von Sirius Zauberstab auf.

Den schlammigen Boden unter ihren Füßen ignorierend, hasteten sie auf die Stelle zu, von der aus Sirius Zauberstab den Gang ausleuchtete und eine Minute später hatten sie ihn erreicht. Offensichtlich hatte Sirius etwas gefunden, doch ein Blick in sein Gesicht genügte, um ihre Frage was er gefunden hatte, im Keim zu ersticken.

„Hier entlang", sagte Sirius knapp und deutete auf die schmale Öffnung eines abzweigenden Ganges.

Das Licht des Zauberstabs offenbarte ihnen einen Gang, der im Gegensatz zu den Bisherigen kein Abwasser führte. Sein trockener Boden und die blanken Wände zeigten deutlich, dass dieser Gang erst vor kurzer Zeit mit Hilfe der Magie hier geschaffen wurde. Feiner Sand bedeckte den Boden und als Sirius die Hand mit dem Zauberstab senkte, konnten sie auch die Spuren von Ratten und die tieferen Abdrücke von Stiefeln erkennen. Bill nickte und trat, gefolgt von Tonks in den Gang, blieb jedoch schon nach wenigen Schritten stehen, als ihm der süßliche Geruch von Verwesung entgegen schlug.

„Ist kein schöner Anblick", brummte Sirius und trat an ihnen vorbei, um voran zu gehen.

Nach wenigen Metern machte der Gang einen leichten Bogen und wurde zusehends breiter, bis Sirius stehen blieb und auf eine zusammen gekrümmte Gestalt deutete.

„Und weiter hinten liegen noch mal zwei", erklärte er und trat näher heran.

Tonks gab ein würgendes Geräusch von sich, als das Licht da hin fiel, wo sich ehemals das Gesicht des Toten befunden hatte und wandte sich kurzfristig ab.

„Ratten!", nickte Sirius, während Bill sich neben dem Toten kniete, um ihn genauer zu untersuchen.

„Sieht aus, als wäre der hier ein Todesser gewesen", sagte er angewidert und wandte sich wieder Sirius zu. „Die anderen beiden auch?"

„Nur einer von beiden", erklärte Sirius. „Vermutlich hat hier ein Kampf stattgefunden. Weiter hinten, wo die anderen beiden liegen, kann man an der Wand noch die Spuren von Flüchen erkennen."

„Hat er irgendwas bei sich, das uns sagen könnte wer das war?", sagte Tonks, den Brechreiz niederkämpfend und kam nun ebenfalls näher heran.

„Nein, doch damit sollen sich auch die Beamten des Zaubereiministeriums befassen", entgegnete Bill und stand auf.

„Dort hinten liegen die Anderen, scheinen schon ne´ Weile tot zu sein", brummte Sirius, während er gefolgt von Tonks und Bill zu den anderen beiden Leichen ging.

Auch sie waren bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt. Sirius und Bill untersuchten die Kleidung der Toten, als Tonks sich plötzlich bückte und eine Ledermappe vom Boden aufhob.

„Was ist das?", sagte Sirius und hob überrascht den Kopf.

„Hm… scheinen irgendwelche Dokumente zu sein…" Tonks blätterte die Papiere durch, bis sie ratlos die Schultern zuckte und die Mappe wieder schloss. „Es sind notarielle Gutachten und Formulare der Muggel. Vermutlich von einer Erbschaft oder dem Verkauf eines Grundstücks."

„Wir nehmen die Mappe mit und sehen sie später an", sagte Sirius ungeduldig. „Für den Moment ist es wichtiger, Dumbledore Bescheid zu sagen und…"

„Rasul!", stieß Bill betroffen aus und deutete auf den Toten, den Sirius untersucht hatte. „Das hier ist…, beziehungsweise war, Francesco Rasul!"

„Bist du sicher?", sagte Sirius zweifelnd und stand auf, um Bill Platz zu geben, den Toten genauer anzusehen.

„Ja!", seufzte Bill schwer und fuhr sich mit dem Handrücken über die Stirn. „Ich erkenne es an diesem Siegelring. Es ist ein so ungewöhnliches Stück, dass ich es überall wieder erkennen würde. Dieser Ring gleicht vom Äußeren einem europäischen Siegelring, doch die Schriftzeichen auf dem Emblem sind eindeutig ägyptischer Herkunft; solch eine Kombination habe ich zuvor noch nie gesehen."

„Richtig, ich erinnere mich", murmelte Tonks, ehe sie frustriert die Luft ausstieß und sich abwandte. „Er ist seit einiger Zeit verschwunden und wir dachten…."

Sie beendete ihren Satz nicht, aber dies war auch nicht nötig; Sirius und Bill wussten auch so, was sie meinte.

„Lasst uns weitergehen", drängte Sirius nach einer kurzen Pause. „Für Rasul können wir nichts mehr tun, aber vielleicht für Remus."

Bill und Tonks nickten, während Sirius Rasuls Körper mit dessen Robe notdürftig bedeckte. Mit gezückten Zauberstäben gingen sie den Gang weiter, bis ihnen erneut ein Gitter den Weg versperrte.

„Hier muss jemand eine Heidenangst vor Werwölfen gehabt haben", grübelte Bill, während Tonks mit einem Zauberspruch den Durchgang öffnete. „So viele Gitter aus Silber könnte ein Werwolf in hundert Jahren nicht brechen."

„Oder jemand, der eine Heidenangst vor dem Zorn seines Meisters hat, sollte er dessen an ihn gestellte Aufgabe nicht zur Zufriedenheit erfüllen", spekulierte Sirius und ließ den Blick nachdenklich über die Rattenspuren auf dem Boden schweifen.

„Du denkst an Pettigrew…", begann Tonks, als ein schabendes Geräusch sie schlagartig verstummen ließ.

„Was war das?", flüsterte Bill.

„Ihr bleibt hier!", stieß Sirius gepresst hervor und eine Sekunde später hatte er sich bereits in einen Hund verwandelt.

Lautlos wie ein Schatten huschte er den dunklen Gang entlang, bis ihn dasselbe Geräusch, nur diesmal deutlicher, anhalten ließ. Es klang wie das Schaben von Metall über Stein und plötzlich hörte Sirius auch das leise, kaum wahrnehmbare Keuchen eines Menschen. Mit vorsichtigen Schritten näherte er sich der Stelle, von der die Geräusche kamen, bis es plötzlich wieder still wurde und er nur noch das Schlagen seines eigenen Herzens hören konnte. Sirius lauschte, doch das Geräusch wiederholte sie nicht; dafür konnte er nun umso deutlicher den Geruch von Exkrementen, Tod und Verwesung wahrnehmen, der diesen Gang wie der Vorbote des Todes durchdrang. Sirius war gewiss kein furchtsamer Mann, doch diese, mit Unheil gefüllte Atmosphäre ließ ihn, in seiner Hundeform, die Nackenhaare senkrecht stehen.

Schwarze, undurchdringliche Finsternis umgab ihn, während er langsam und immer darauf bedacht kein Geräusch zu verursachen, weiter nach vorn kroch, bis eine neue Gitterwand den Weg versperrte. Sirius konnte sie nur ertasten und doch sagte ihm ein untrüglicher Instinkt, dass auch diese aus Silber bestand. Aus der Ferne ertönte das an den Nerven zehrende Quieken einiger Ratten, bis auch dieses Geräusch wieder erstarb. Lautlos verwandelte sich Sirius in seine menschliche Form, tastete mit den Händen die Gitterstäbe entlang und zog seinen Zauberstab. Für einen kurzen Moment zögerte er, überlegte ob es nicht doch sinnvoller wäre, erst Bill und Tonks zu holen, verwarf diesen Gedanken aber wieder. Keine zwei Meter von ihm entfernt bewegte sich etwas, kam langsam näher und wurde wieder still. Sirius Nerven wurden auf eine harte Zerreißprobe gestellt, als plötzlich eine Ratte über seine Füße huschte und in der hinter ihm liegenden Dunkelheit verschwand.

Seine eigene Stimme erschien ihm ungewohnt fremd, als er ein leises Lumos flüsterte. Das Licht seines Zauberstabs flammte auf und im gleichen Augenblick spürte Sirius, wie ihn eine große Menge Sand im Gesicht traf. Das Folgende ging so rasch, dass Sirius im Nachhinein nicht mehr hätte sagen können, was zuerst geschah. Im gleichen Augenblick spürte er auch eine Hand, die sein rechtes Bein packte und ihn damit von den Füßen riss.

Metall schlug gegen die Gitterstäbe, ein Aufschrei zerriss die Stille, Sirius brüllte ein lautes Stupor und ein dumpfer Aufschlag erfolgte. Die Umklammerung seines Beins war genauso schnell verschwunden, wie ihm bewusst wurde, wer ihn hier angegriffen hatte.

„Remus!", keuchte er und rappelte sich mühsam auf die Füße. „Remus, bist du hier? Lumos!"

Sirius schüttelte hastig den Kopf, fuhr sich mit dem Ärmel seiner Robe über das Gesicht und versuchte verzweifelt den Sand loszuwerden, der seine Augen reizte. Sie tränten und brannten wie Feuer und es dauerte einige Sekunden, bis er endlich wieder sehen konnte. Vor ihm lang eine quadratische Zelle, die auf der Vorder- und Rückseite mit einem von der Decke bis zum Boden reichenden Gitter begrenzt war. Undeutlich konnte er die Gestalt erkennen, die von der Wucht seines Schockzaubers in die Mitte der Zelle zurückgeschleudert wurde und nun regungslos dalag. Es dauerte nur den Bruchteil einer Sekunde, bis Sirius den Öffnungszauber gesprochen hatte, die Tür auf stieß und neben dem Mann kniete.

„Remus!", hauchte er entsetzt, während er gleichzeitig an dessen Schulter rüttelte.

Remus Lupin rührte sich nicht und Sirius fühlte die Panik, die einer jähen Explosion gleich sein Innerstes zu sprengen drohte. Mit zittrigen Fingern strich er Remus Haar zur Seite, um an dessen Hals nach einem Pulsschlag zu suchen, bis er ihn schließlich fand; schwach und unregelmäßig, doch ein eindeutiges Zeichen, dass Remus lebte. Grenzenlose Erleichterung durchströmte ihn, während er erleichtert feststellte, dass Remus keine größeren Verletzungen zu haben schien. Seine Kleidung war zerrissen und verdreckt; an Remus Gesicht und Händen konnte er größere Schürfwunden erkennen und er wirkte abgemagert, doch Remus war am Leben. Hinter sich konnte Sirius die heraneilenden Schritte von Tonks und Bill Weasley hören, doch er drehte sich nicht um.

Enervate, flüsterte er und richtete seinen Zauberstab auf Remus, aber der Zauberspruch blieb ohne Wirkung und erneut flammte Angst in ihm hoch; offensichtlich war Remus Bewusstlosigkeit nicht nur auf den Schockzauber zurückzuführen.

„Was ist passiert?", keuchte Tonks und stolperte in die Zelle um, bis ihr Blick auf Remus fiel und sie scharf die Luft einzog. „Remus! Ist er…"

„Schnell, sag Dumbledore Bescheid! Wir brauchen einen Heiler!", unterbrach sie Sirius atemlos, während er inständig hoffte, dass diese Hilfe nicht zu spät kam.

„Das werde ich machen", sagte Bill und eine Sekunde später war er verschwunden.

Fortsetzung folgt …..

Autornote: Vielen Danke für eure lieben Reviews! Hab mich wie immer riesig darüber gefreut!

Leider hat derzeit ein paar Probleme die Reviews weiterzuleiten, daher hoffe ich sehr, dass ich nun wirklich alle beantworten kann. Falls nicht, kommen die Antworten mit dem nächsten Kapitel!

Review-Antworten:

Louis M. Wolf: Danke für dein Lob, ich weiß das sehr zu schätzen! Nein, ich kenne den Film leider nicht! Was Albus angeht möchte ich jetzt noch nicht zuviel verraten ;-)

Padfoot's Mate: Danke! Ja ich kann mich auch noch an das 100te erinnern. „gggg"

X-Ray; Aber klar doch!

Golbarin: Zu der Voldemort/Andrea/Remus/"Verräter" - Konstellation: Die ist die einfach nur genial geglückt! Ich habe mindestens 3 verschiedene "Lösungsmöglichkeiten" hierzu im Kopf, die alle plausibel wären und ich würde mich nicht wundern, wenn Du mit einer ganz anderen aufwarten würdest! dJa, da gibt es tatsächlich viele Möglichkeiten! „sfg"

Miss Shirley-Blythe: In diesem Fall hab ich überhaupt nichts gegen Wiederholungen einzuwenden. „gggg" Viele Dank für dein großes Lob!

HJ-HJ: Also dass Hermine und Harry noch ein paar Mal vorkommen, das kann ich dir versprechen, das mit einer Fortsetzung der Fortsetzung leider nicht!

Rapunzelou: Danke für dein großes Lob!

Guruh.Heiny: Heute! „sfg"

Moin : Ich werde mich bemühen! „gggg"

Kaori: Danke sehr! Tja, irgendwann wird sich fast alles aufklären! „ggg"

Mini: Danke sehr!

banduan: Ja…und es wurde noch gruseliger! „sfg"

maya: Mach ich! „zwinker"

Schnuckiputz: Danke, ich knuddel ganz fest zurück und sag danke für deine liebe Review!

Frodo: Viele Dank!

reason: Luna wird in dieser FF vermutlich nur am Rande vorkommen, obwohl ich zugeben muss, dass sie eine interessante Figur ist. Mal überlegen, hab ja noch ein paar Kapitelchen vor mir. „ggg"

ardsmair: Das ist der Vorteil am FF schreiben, der Autor kann sich aussuchen wenn er an die Wand kleben möchte! „kicher"

Celestine: Danke sehr, freut mich dass dir die FF gefällt!

Kiki: Danke! „gggg"

padfoot13: Muss dich mit deiner Frage bis auf Kapitel 32 vertrösten! „g"

Arwen: Danke sehr, freut mich!

Rudi: Die Beziehung zwischen H/Hr wird auch noch die nächsten zwei Kapitel etwas kurz kommen, aber dann….. Auch Ginny wird später wieder mehr mit von der Partie sein!

Fluffy Bond: Was genau passiert denn, wenn der Bann, der auf der Bastet liegt, aufgelöst wird? Verschwindet sie dann? Und was bedeutet das dann für Andrea? Ja, die Bastet wird dann zu Staub zerfallen und Andrea…würde sterben. So die Sternchen-Theorie dazu „sfg"

Josephine-19: die nächsten beiden Kapitel werden noch mehr außerhalb Hogwarts spielen, aber dann kommen auch wieder das Trio und Moran in den Vordergrund.

Julyy: Große Gratulation der frischgebackenen Mutter! Ich hoffe sehr, dass du deinem Sohn dieses Kapitel NICHT vorgelesen hast! Ist PG13, das heiß für Kinder ab dem vollendeten 13ten Lebensjahr! Gibt doch dem kleinen Kevin einen Sternchen-Kuss von mir und statt ihm dieses Kapitel vorzulesen, erzähl ihm bitte, dass ich ihn alles Gute für sein vor ihm liegendes Leben wünsche! Und wenn er groß ist, darf er auch Fanfics lesen! „GGGGG"

Meta: Nein, das Ganze hat nichts mit Chlorgas-Unfall zutun! „ggg"

So das war es für heute!