38.
„Wo warst du denn so lange?", erklang Hermines vorwurfsvolle Stimme durch den Gemeinschaftsraum, kaum dass Harry durch das Portraitloch nach innen gestiegen war. „Ron ist bereits losgezogen um dich zu suchen."
„War in der Bibliothek", antwortete Harry zerstreut, während er sich verwirrt im leeren Gemeinschaftsraum umsah. „Wo sind die alle?"
„Beim Abendessen", erklärte Hermine augenrollend und steckte das Buch, in dem sie gelesen hatte zurück in ihre Schultasche.
„Ah!"
„Und falls du es vergessen hast, du warst es, der mich gebeten hat hier zu warten, um vor dem Abendessen noch den Aufsatz für Flitwick durchzulesen."
„Oh tut mir leid, Hermine! Das hab ich wirklich vergessen."
Hermine brummte etwas Unverständliches in sich hinein, als sich auch schon das Portraitloch öffnete und Ron atemlos hinein kletterte. „He da bist du ja! Silver hat dich gesucht."
„Silver?"
„Ja, er sagte, dass er weg müsse und hat mir eine Nachricht für dich gegeben." Ron zog einen zerknautschten, zusammengefalteten Zettel aus der Tasche seiner Robe und reichte sie an Harry weiter.
„Du hast heute Abend Occlumency bei ihm, nicht wahr?", sagte Hermine und trat näher an Harry heran.
„Ja. Er schreibt, dass er unsere Stunde auf morgen verschieben muss, weil er noch etwas Wichtiges zu erledigen hat", erklärte Harry mit einem Schulterzucken und ließ die Nachricht sinken.
„Gut, dann können wir deinen Aufsatz…"
Hermine brach ab, als Harry nicht wie erwartet Anstalten machte zum Abendessen zu gehen, sondern sich mit einem grüblerischen Ausdruck im Gesicht in den nächsten Sessel plumpsen ließ. „Was ist los?"
„Ich würde sagen, so einiges", brummte Harry, knüllte Silvers Nachricht zusammen und warf sie missmutig in die Flammen des Kaminfeuers.
Hermine und Ron tauschten einen besorgten Blick, ehe sie sich zwei weitere Sessel heranzogen und sich zu beiden Seiten Harry setzten.
„Ich habe heute Nachmittag Ted Moran in der Bibliothek getroffen und er…hör auf damit, Ron, Ted ist wirklich ok!", fügte Harry mit einem genervten Seitenblick auf Ron hinzu, dessen Miene sich bei der Erwähnung von Morans Namen, deutlich verfinsterte.
„Ich sag ja schon nichts!", stöhnte Ron und verschränkte mit säuerlichem Gesicht die Arme vor der Brust.
„Was hat Moran erzählt?", sagte Hermine, während sich auf ihrer Stirn eine steile Sorgenfalte bildete.
„Nun…er hat ein Gespräch zwischen Dumbledore, Flitwick und Silver belauscht", begann Harry zögernd und massierte sich über die Schläfen, als könne er sich so die Erinnerung an Morans Erzählung besser ins Gedächtnis rufen. „Offensichtlich hat Silver in der Verbotenen Abteilung ein Buch gefunden, das einer von Hussels Vorfahren über den Spiegelsaal in Andreas Haus verfasst hat. Der Autor erklärte in diesem Buch den Sinn dieses Spiegelsaals und deutete auch an einigen Stellen an, was es mit diesen Spiegeln auf sich hat."
„Das ist ja interessant!", unterbrach ihn Hermine aufgeregt und richtete sich kerzengerade in ihrem Sessel auf. „Was schrieb er über diesen Spiegelsaal?"
„Nun so wie es aussieht, wurde dieser Saal als eine Art von Übungsraum benutzt; Andreas Vorfahren trainierten darin den Gebrauch schwarzer Magie."
„Oh…", seufzte Hermine, während sich gleichzeitig Enttäuschung in ihrem Gesicht widerspiegelte. Es war offensichtlich, dass Hermine einen weit zweckdienlicheren Nutzen darin vermutet hatte.
„Schwarze Magie in einem Raum mit lauter Spiegeln? Das ist…mehr als seltsam", grübelt Ron.
„Das sind doch keine gewöhnlichen Spiegel", belehrte ihn Hermine. „Vermutlich steckt diese schwarze Magie in den Spiegeln."
„Vermutlich!", nickte Harry nachdenklich, ehe er mit seiner Erzählung fort fuhr. „Nun, wie dem auch sein, Silver glaubt, dass man mit Hilfe der Spiegel etwas über Andrea erfahren könnte und bat Dumbledore um die Erlaubnis, mit mir dieses Haus aufsuchen zu dürfen."
„Was Dumbledore selbstverständlich abgelehnt hat", schnaubte Ron verdrießlich und Harry nickte.
„Ja, und ohne mich kommt Silver in dieses Haus nicht hinein."
„Wäre interessant dieses Buch mal in die Finger zu bekommen."
„Ron! Sag mal hörst du nicht zu? Diese Spiegel…", ereiferte sich Hermine wurde jedoch sofort hitzig von Ron wieder unterbrochen.
„Ich sagte nicht, dass Harry in dieses Haus gehen oder diesen Spiegelsaal benutzen sollte, ich sagte nur, dass ich neugierig wäre, was in diesem Buch steht!"
„Und stiftest ihn damit an, doch einen Weg zu suchen in dieses verdammte Haus zu kommen!"
„Das ist doch gar nicht wahr! Du selbst hast doch eben noch gesagt…"
„Hört auf euch zu streiten, sonst erzähl ich euch gar nichts mehr!", fuhr Harry gereizt dazwischen und augenblicklich herrschte betretene Stille.
Einige Minuten sprach niemand, bis Harry mit einer resignierenden Geste die Hände hob und seine Freunde hilfesuchend anblickte. „Ich hab keine Ahnung was Silver dort zu finden hofft und noch weniger, was ich selbst dabei tun kann. Dumbledore hat Silver gebeten, mir nicht mehr als nur das Nötigste zu erzählen und erwartet von mir, dass ich einfach hier sitze und so tue, als ginge mich das alles nichts an. Das ist aber im Anbetracht der Tatsache, dass ich als Einziger in dieses Haus hinkomme, nicht so einfach und nach alledem was Andrea für mich getan hat, denke ich, dass ich zumindest darüber nachdenken sollte, wo ich meinen Teil zu ihrer Rettung beizutragen kann.
Natürlich verstehe ich, dass Dumbledore mich schützen will und auch warum man mich von diesem Haus fernhalten will, doch besonders hilfreich ist das für mich nicht, wenn man mich wie ein Kleinkind behandelt, das noch nicht entscheiden kann, was für ihn gut ist. Seht es einfach mal realistisch; früher oder später werden Voldemort und ich wieder aufeinander treffen und ich habe nur dann eine Chance zu überleben, wenn ich mich entsprechend darauf vorbereite." Hermines Mund öffnete sich bereits zu einer Entgegnung, doch Harry sprach unbeirrt weiter.
„Mir ist noch immer nicht so ganz klar, warum Andrea dieses Erbe an mich weitergegeben hat, aber vielleicht hat sie mir damit die Möglichkeit gegeben, etwas über schwarze Magie, die Voldemort anwendet, zu lernen; was aber deshalb nicht heißt, dass ich sie auch anwende. Aber bevor ihr jetzt gleich hochgeht….ich habe nicht vor, blindlings irgendwo hinein zu stolpern, aber wenn Silver denkt, dass er mit diesen Spiegeln eine Chance hätte Andrea zu retten, dann werde ich ihm dabei helfen. Im Gegenzug kann Silver mir vielleicht was über die dortige schwarze Magie erklären."
„Du weißt doch nicht einmal, ob Andrea überhaupt noch lebt", sagte Hermine leise und blickte betreten zu Boden.
„Doch das weiß ich!", sagte Harry fest.
Hermine blickte nicht auf, aber Harry wusste, dass Rons Mienenspiel genau das widerspiegelte, was auch in Hermines Gesicht zu lesen war; Zweifel und Resignation darüber, ihn, Harry nicht umstimmen zu können.
„Hört zu! Silver ist sich sicher, Andrea spüren zu können und ich glaube ihm. Ich weiß nicht wie, doch irgendwie hat er die Fähigkeit auch über größere Entfernungen die Aura eines ihm vertrauten Menschen zu erkennen", sagte Harry beschwörend, ehe er leiser hinzufügte. „Ich weiß nicht, was ich tun kann oder soll, und noch weniger weiß ich, ob Silver meine Hilfe annehmen würde, doch egal was er oder Dumbledore sagt, ich werde hier nicht stillsitzen. Ich will mehr wissen, als das, was in unseren Schulbüchern steht, aber dazu brauche ich eure Hilfe."
Ron nickte widerstrebend, während Hermine stur zur Seite sah. „Du weißt, dass du immer auf uns zählen kannst."
„Danke, Ron", seufzte Harry erleichtert und blickte fragend zu Hermine,
„Ok, ich werde dir helfen, doch ich sage dir gleich, ich werde keinen blödsinnigen Alleingang unterstützen", sagte Hermine und erhob sich schwerfällig.
„Es wird keinen blödsinnigen Alleingang geben, das verspreche ich dir!", lächelte Harry und streckte die Hand nach ihr aus.
x x x x
Am folgenden Tag stand Harry vor der Tür zu Silvers Privaträumen und wartete. Es war bereits nach 20 Uhr und Harry kam nicht umhin, immer wieder ungeduldig auf die Uhr zu blicken. Silver hatte ihn noch nie warten lassen und wenn er es jetzt tat, so musste es einen wichtigen Grund geben; Harry seufzte schwer, während er den leeren Korridor auf und ab blickte. Die Occlumeny-Stunden bei Silver waren bei weitem nicht so unangenehm, wie noch im letzten Schuljahr bei Snape; dennoch beschlich Harry der heimliche Wunsch, Silver möge noch länger aufgehalten werden und der Unterricht damit ausfallen. Einige Minuten spielte er sogar mit dem Gedanken einfach in den Gryffindorturm zurückzukehren, doch sein gleichzeitiger Wunsch mit Silver über Andreas Haus zu reden, schob diese Gedanken rasch zurück. Die Occlumency-Stunde war die beste Gelegenheit, ungestört mit Silver zu reden und für den Moment gab es nichts, was Harry sich dringender wünschte. An die kühle Wand des Korridors gelehnt, grübelte Harry, was Silver wohl so wichtiges zu erledigen hatte. Niemand hatte ihn seit dem vergangenen Abend gesehen und von den Hufflepuffs hatte Harry erfahren, dass auch der Unterricht in Verteidigung gegen die dunklen Künste an diesem Tag ausgefallen war. Was war so wichtig, dass er seinen Unterricht ausfallen ließ und war er jetzt überhaupt im Schloss? Missmutig stieß Harry sich von der Wand ab und ging langsam nach unten, wo sich Silvers Büro befand. Vielleicht wartete Silver ja dort oder war einfach nur aufgehalten worden.
Mit dem merkwürdigen Gefühl, ein drohendes Gewitter zu erahnen, lange bevor man es überhaupt wahrnehmen konnte, bog Harry im entsprechenden Korridor ein, als er auch schon aufgebrachte Stimmen vernehmen konnte. Irritiert sah er sich um, bis er bemerkte, dass sie offensichtlich aus Silvers Büro kamen.
„Ich protestiere aufs Schärfste!", hörte er McGonagalls überschnappende Stimme. „Wie kommen Sie dazu in Abwesenheit des Schulleiters…"
„Verehrte Minerva, wir tun hier nur unsere Pflicht!", hörte Harry nun die unbekannte Stimme eines Mannes, der sich hörbar Mühe gab, die Hauslehrerin der Gryffindors zu beruhigen; mit wenig Erfolg wie es schien.
„Das ist eine ungeheuerliche Vorgehensweise! Man hat Professor Dumbledore unter dem Vorwand, er müsse vor dem Zauberer-Tribunal aussagen, von Hogwarts weggelockt, nur damit sie ungestört das Büro eines Kollegen durchsuchen können!"
„Das ist doch eine völlig absurde Anschuldigung und das eine hat mit dem anderen rein gar nichts zu tun!", meldete sich nun eine weitere, männliche Stimme zu Wort. „Wenn das Zaubereiministerium eine Durchsuchung anordnet, dann kann auch der Widerspruch des Schulleiters dies nicht verhindern! Oder glauben Sie, dass Ihr Professor Dumbledore über den Gesetzen steht?"
Harry konnte nicht hören, was McGonagall darauf antwortete, da in diesem Augenblick Clark Silver hinter ihm die Treppe nach oben kam, ebenfalls die Stimmen hörte und überrascht stehen blieb. In einem Reiseumhang steckend, sichtlich atemlos und mit geröteten Wangen, machte er auf Harry den Eindruck, im Dauerlauf nach Hogwarts und die Treppen nach oben gelaufen zu sein; dennoch wirkte er erstaunlich gelassen. Für einen kurzen Moment zog er erstaunt die Augenbrauen nach oben, bis er sich mit einem ungläubigen Kopfschütteln Harry zuwandte und ihn durch eine deutliche Handbewegung zum Schweigen aufforderte. Harry nickte und so trat Silver einen weiteren Schritt näher an die Tür heran. Eben hörten sie erneut McGonagalls wütende Stimme.
„Was soll das heißen? Professor Clark Silver ist nicht verpflichtet sich nach Unterrichtsende in Hogwarts aufzuhalten! Wie jedem anderen Lehrer steht es auch ihm frei, seine Abendstunden nach eigenen Wünschen zu gestalten!"
„Das Zaubereiministerium hat Grund zu der Annahme, dass Clark Silver heute Morgen an der Entführung einer Mitarbeiterin des Instituts für magische Frühgeschichte beteiligt war."
„Das ist doch blanker Unsinn!", ereiferte sich McGonagall.
„Die Mitarbeiter wurden mit Hilfe einer speziellen Hypnosetechnik außer Gefecht gesetzt und es gibt äußerst wenige Personen, die diese Technik anwenden können."
„Was allerdings noch lange nicht heißt, dass Professor Silver etwas damit zu tun hat!"
„Ich bitte Sie Minerva, als stellvertretende Direktorin, sollte auch Ihnen der persönliche Werdegang Ihres Kollegen vertraut sein", fuhr die unbekannte Stimme unbeirrt fort.
„Selbstverständlich!", entgegnete McGonagall scharf und Harry konnte sich bildhaft vorstellen, wie sich seine Hauslehrerin zu ihrer gesamten Größe aufrichte und diesen fremden Zauberer mit zornigen Augen anfunkelte. Silver ging es anscheinend ähnlich, denn ein kurzes amüsiertes Grinsen huschte über sein Gesicht.
Die Stimmen im Büro wurden leiser und Harry musste sich sehr konzentrieren, um noch etwas zu verstehen; dennoch konnte er beobachten, wie Silver ihm hin und wieder einen prüfenden Blick von der Seite zuwarf, doch offensichtlich schien er sich keine Gedanken darüber zu machen, Harry könnte hier zuviel erfahren. Mit einer saloppen Bewegung legte er eine Hand flach auf das Türblatt, als wollte er sich daran abstützen, doch als Harry genauer hinsah, konnte er erkennen, dass Silvers Augen sich in Konzentration verengten, bis er sie schließlich ganz schloss. Instinktiv wusste Harry, dass Silver sich nicht zum Ausruhen gegen die Tür lehnte soviel war Harry klar und einen Moment überlegte er, ob es vielleicht möglich wäre, dass Silver durch die geschlossene Tür nach innen sehen konnte. Aus dem Inneren des Büros waren noch immer aufgebrachte Stimmen zu hören, auch wenn sie nun leiser und undeutlicher wurden.
„Nun, das sollte reichen", sagte Silver nach einiger Zeit leise, ehe er wieder die Augen öffnete und die Hand zurückzog.
Einige Sekunden blickten sie einander stumm an, bis Silver schließlich leise seufzte und erneut die Tür anstarrte. Harry war sich nicht sicher, wie er Silvers Verhalten oder seine Aussage interpretieren sollte und plötzlich brach eine Welle von Zweifeln aus seinem Inneren hervor. Im Bruchteil einer Sekunde wurde ihm bewusst, was die beiden Zauberer im Büro Silver zur Last legten und Harry wich unwillkürlich einen Schritt zurück. Hatte Silvers Verspätung tatsächlich etwas mit der angeblichen Entführung dieser Mitarbeiterin aus dem Institut für magische Frühgeschichte zu tun? Harry konnte und wollte dies nicht glauben, doch gleichzeitig schien alles dafür zu sprechen.
Aus dem Inneren des Büros drang ein Geräusch zu ihnen heraus, das verdächtig nach dem Verschieben von Möbelstücken klang und Silver dazu veranlasste, die Hand auf den Türkauf zu legen.
„Das ist jetzt ein recht ungünstiger Zeitpunkt für Erklärungen!", sagte er leise und warf Harry einen letzten entschuldigenden Blick zu, ehe er die Klinke nach unten drückte und eintrat.
Für einen kurzen Moment konnte Harry einen Blick ins Innere des Büros erhaschen, bis Silver mit einem freundlichen „Guten Abend, meine Herren!", die Tür wieder ins Schloss zog. Mit einem Satz war Harry an der Tür und presste das Ohr gegen das kühle Holz.
„Clark, das sind Saller und Preston, sie sind im Auftrag des Amts für magische Strafverfolgung hier und…sie haben einige Fragen", erklärte McGonagall mit hörbar unterdrücktem Zorn.
„Wir kennen uns bereits aus Carlisle, auch wenn die beiden Herren es damals aufgrund der Aufregung leider versäumten, sich vorzustellen", erwiderte Silver freundlich und Harry fragte sich, wie jemand, dem man eben eine Straftat vorwarf und dessen Büro durchsucht wurde, so gelassen reagieren konnte.
„Richtig, richtig… allerdings wurden wir damals unterbrochen."
„Und sind Sie nun hier, um diese Befragung fortzusetzen oder nur um mein Büro zu durchsuchen?", sagte Silver provokant, doch noch immer im freundlichen Ton.
„Sie sind also Clark Nikodemus Silver, geboren in Sheffield?", erklang die Stimme des Zauberers, der zuletzt gesprochen hatte, ohne auf Silvers Frage einzugehen.
„Wenn ich mich recht entsinne, dann habe ich Ihnen das bereits bestätigt", hörte Harry Silvers gleichmütige Entgegnung. „Darf ich Ihnen eine Tasse Tee anbieten?"
„Wie bitte?"
„Ob ich Ihnen einen Tee anbieten darf? Sicher haben sie einen langen und anstrengenden Tag hinter sich und eine Tasse wird Ihnen sicher gut tun. Ich habe hier eine ausgezeichnete Sorte, die ich direkt aus Indien beziehe."
„Ähm…ja gern!", kam die verwirrte Antwort.
Eine Verwirrung die Harry ihm nicht verdenken konnte. Diese beiden Zauberer waren hierher gekommen, um Silvers Büro zu durchsuchen und nun wurden sie zu einem Tee eingeladen, als handle sich ihr Erscheinen um einen Höfflichkeitsbesuch. Stühle wurden gerückt, Tassen klapperten und nicht lange, da zog der feine Duft von frisch aufgebrühtem Tee an Harrys Nase vorbei.
„Ein hervorragendes Aroma", lobte der fremde Zauberer und Harry konnte förmlich sehen, wie er genüsslich an der Teetasse nippte.
„Ja erinnert ein bisschen an die Sorte, die auch der Zaubereiminister bevorzugt", bestätigte der Andere nicht weniger begeistert.
Irritiert und gleichzeitig fasziniert, lauschte Harry dem Gespräch, das sich für die nächsten Minuten ausschließlich um Teesorten, Anbaugebiete und die verschieden Arten der Zubereitung drehte. Die Stimmung entspannte sich, bis sie nach einiger Zeit schon fast ausgelassen bezeichnet werden konnte und Harry fragte sich, welchen Zauber Silver angewandt hatte, um seine ungebetenen Gäste derart einzulullen.
„Nun meine Herren, wie kann ich Ihnen helfen", fuhr Silver nach einiger Zeit im Plauderton fort.
„Ach, reine Routinesache. Heute Morgen ist eine Mitarbeiterin aus dem Institut für Magische Frühgeschichte verschwunden. Sie trat wie gewöhnlich ihren Dienst an, verschwand jedoch eine Stunde später, ohne jemanden eine Nachricht zu hinterlassen. Eine Hexe aus ihrer Abteilung sah sie zusammen mit zwei Zauberern apparieren und nun sind wir beauftragt, etwas Licht in dieses Dunkel zu bringen. Es ist nichts Persönliches gegen Sie, dass wir uns hier Ihnen umsehen."
„Ah, ich verstehen! Selbstverständlich dürfen Sie sich hier umsehen, ich habe bestimmt nichts dagegen."
„Na ja, einen groben Überblick haben wir uns ja schon verschafft, mehr ist nicht nötig."
„Außerdem wird es für uns Zeit aufzubrechen und auch Sie, Professor, haben sicher noch einiges für Ihren Unterricht morgen zu tun", sagte der Zweite nicht weniger freundlich und Harry hörte das Geräusch, das durch das Rücken von Stühlen entstand.
„Das ist richtig", seufzte Silver. „Es gibt noch einen großen Stapel an Aufsätzen, die ich zu korrigieren habe. „Nun, ich wünsche Ihnen noch viel Erfolg bei Ihren Nachforschungen, sicherlich wird es Ihnen bald gelingen, den Verbleib der Frau zu klären.
Schritte näherten sich der Tür und Harry zog es vor, einige Schritte zurückzugehen, um nicht den Eindruck zu erwecken, gelauscht zu haben. Die Tür ging auf und die beiden fremden Zauberer kamen heraus, bedankten sie nochmals überschwänglich für den Tee und schlenderten, ohne Harry weiter zu beachten davon.
Die Tür stand noch immer weit offen und so konnte Harry McGonagall sehen, die mit dem Rücken zum Fenster stand und sich nun fröstelnd über die Arme rieb.
„Du weißt, dass dich derartige Aktionen nach Askaban bringen können?", sagte sie leise, ohne jedoch ihren Kollegen anzusehen.
„Mach dir keine Sorgen, Minerva. Diese Beiden sind so sehr von sich eingenommen, dass sie es niemals ernsthaft in Erwägung ziehen würden, einer Hypnose erlegen zu sein. Sie werden ihren Vorgesetzen einen genauen Bericht abgeben und behaupten, bei gründlicher Durchsuchung und Befragung auf nichts Verdächtiges gestoßen zu sein."
„Ich bezweifle, dass ihr Auftraggeber sich damit zufrieden geben wird."
„Wird er sicher nicht, doch uns verschafft es einen gewissen Aufschub."
McGonagall nickte, auch wenn ihr Mienenspiel deutlich verriet, dass sie sich ernsthafte Sorgen machte, aber sie entgegnete nichts. Mit einer für sie ungewöhnlich mütterlichen Geste, tätschelte sie seine Hand und wandte sich zum Gehen, als sie Harry erblickte, der unentschlossen vor der Tür stand.
„Potter, was tun Sie hier?", fragte sie forsch und plötzlich haftete ihr nichts weniger, wie Mütterlichkeit an.
„Verzeihen Sie Professor, ich suchte Professor Silver, wir haben…."
„Sie haben gelauscht!", unterbrach sie ihn empört, doch Silver hob beschwichtigend die Hand.
„Ich habe Harry gebeten vor der Tür auf mich zu warten", erklärte Silver mit einem müden Lächeln und winkte Harry zu sich herein.
Minerva McGonagall schnappte nach Luft und für einen kurzen Augenblick war Harry sich sicher, dass sie Silver gleich das Wort Idiot an den Kopf werfen würde, doch sie tat es nicht. Stattdessen begnügte sie sich damit die Augen zu rollen und Silver einen Blick zuzuwerfen der sicherlich eine ganze Bibliothek gefüllt hätte, ihn jedoch wenig beeindruckte. Mit einem Schulterzucken und einem gewinnenden Lächeln blickte er seine Kollegin an, bis sie hörbar die Luft ausstieß und mit forschen Schritten das Büro verließ.
„Setz dich, Harry!", sagte Silver und deutete auf dem Stuhl vor seinem Schreibtisch. "Möchtest du eine Tee?"
„Nein, danke!", entgegnete Harry hastig, was Silver ein verstehendes Grinsen entlockte.
„Bist du dir sicher?", grinste Silver und entfernte mit einem lässigen Schlenker seines Zauberstabs das benutzte Geschirr.
„Ich möchte jetzt wirklich keinen Tee", erwiderte Harry, sehr darum bemüht, gelassen zu wirken, auch wenn er wusste, dass ihm dies nur sehr unzureichend gelang.
Einen Moment lang sah es so aus, als wollte Silver noch etwas sagen, doch zu Harrys Erleichterung schenkte er sich nur Tee nach, zog einen Stuhl heran und setzte sich neben ihn. Eine ganze Weile blickte Silver nur auf der Tasse in seiner Hand, von der stetig feiner Dampf aufstieg und Harry wusste, dass Silver nach einem Gesprächsanfang suchte, den er allerdings nicht so einfach fand.
„Du erinnerst dich sicher an den Brieföffner, mit dem mich Andrea bei der missglückten Befreiungsaktion angegriffen hat?", begann Silver nach einiger Zeit bedächtig und stellte seine Teetasse zur Seite.
„Ja", nickte Harry, der sich noch gut an jenen Abend, da der Versuch Andrea zu befreien gescheitert war, erinnern konnte."
„Nun, auf ihm befand sich das Familienwappen der Ackerley, einer sehr reichen und alten Zaubererfamilie, die in Schottland zahlreiche Besitztümer hat", fuhr Silver langsam fort, als müsse er sich gut überlegen, was er Harry sagte. „Sirius und Remus haben die Aufgabe übernommen, sich jedes einzelne Haus dieser Familie anzusehen, da wir davon ausgehen, dass Andrea in einem Landhaus der Ackerleys festgehalten wird."
Silver machte eine kurze Pause, in der Harry unruhig auf seinem Stuhl hin und her rutschte, doch er wagte es nicht, Silver zum weiterreden zu drängen. Laut dem, was Moran ihm erzählte, wusste er, dass Silver die klare Anweisung von Dumbledore erhalten hatte, nicht mit Harry über die Arbeit des Ordens zu sprechen. Harry war ihm unendlich dankbar dafür, auch wenn er sich nicht sicher war, was Silver dazu bewegte. Mit einer für Harry unerträglichen Gelassenheit, nahm Silver seine Teetasse, trank einen großen Schluck, stellte sie bedächtig zurück und sah Harry prüfend an, ehe tief einatmete und fort fuhr.
„Nun, wie der Zufall wollte, konnten die beiden gestern Abend beobachten, wie eine Frau das Haus der Ackerleys in Eddingburg verließ und sich mit Peter Pettigrew traf."
„Pettigrew, haben Sie ihn erwischt?", entfuhr es Harry aufgeregt, doch Silver schüttelte bedauernd den Kopf.
„Leider nicht! Aber Remus erkannte in dieser Frau eine Angestellte des Instituts für Magische Frühgeschichte, oder um es genauer auszudrücken, es handelt sich bei ihr um eine enge Mitarbeiterin von Richard Harvey; erinnerst du dich noch an ihn?"
„Ja, er war dabei, als man Hermine und mich aus der Klosterruine befreite. Harvey ist ein Onkel von Francesco Rasul und ein Freund von Andrea."
„Und vermutlich ein Todesser", ergänzte Silver zögernd.
„Aber Harvey…." Harry brach ab, als er sich wieder an seine Vision von Voldemort erinnerte. Einer der Todesser sprach ganz deutlich von einem Harvey, der Andrea auf dem Fest der Muggel erkannt hatte. Warum war ihm dies nicht früher aufgefallen? Warum hatte…?
„Harvey ist seit dem Tag, da es zu dem Anschlag in Carlisle kam, verschwunden" seufzte Silver und fuhr sich müde mit den Händen über die Augen.
„Und deshalb haben Sie diese Frau entführt, um etwas über Harveys Aufenthalt zu erfahren?", fragte Harry unsicher, dem langsam dämmerte, worauf Silver hinaus wollte.
„Wir haben sie zu einer Unterredung mitgenommen", nickte Silver. „Und sie hat uns, unter der Wirkung von Veritaserum, erzählt, dass Harvey sich derzeit um Andrea kümmert, allerdings weiß auch sie nicht, wo die beiden sich derzeit befinden. Sie selbst hatte auch nie den Verdacht, dass Harvey selbst ein Todesser sein könnte und in Pettigrew sah sie nur einen alten Freund von Harvey, der sich bereit erklärt hat, Botengänge auszuführen."
„Nicht gerade viel, um dafür einen Aufenthalt in Askaban zu riskieren!" Harry hatte nicht vorgehabt, diese Gedanken laut auszusprechen, doch die Worte kamen einfach über seine Lippen, noch ehe er sich bewusst wurde, was er Silver da soeben an den Kopf geworfen hatte.
Silver blickte ihn einen Augenblick überrascht an, ehe sich ein kaum wahrnehmbares Lächeln über sein Gesicht stahl. „Wir haben Vorkehrungen getroffen und keiner wird dafür in Askaban landen."
Unangenehm berührt nickte Harry, auch wenn es tief in ihm zu rebellieren begann. „Es tut mir leid, ich hatte kein Recht….Sie so anzufahren."
„Und trotzdem geht es dir gegen den Strich, dass wir ganz offensichtlich etwas Gesetzwidriges taten", seufzte Silver verstehend. „Ich kann dir versichern, dass diese Frau keinen Schaden davongetragen hat. Sie ist inzwischen wieder frei und der Überzeugung, einen wundervollen Tag mit einer alten Schulfreundin verbracht zu haben."
„Ja, das geht mir allerdings gegen den Strich", platzte es nun ungewollt heftig aus Harry hervor. „Sie haben eine unschuldige Frau entführt, sie unter Veritaserum gesetzt und ihr Gedächtnis manipuliert und das alles, nur um zu erfahren, dass Andrea noch lebt?"
„Sie hätte genauso gut eine Anhängerin Voldemorts sein können", warf Silver halbherzig ein.
„Ich weiß!", entgegnete Harry leise und mit einem Mal war sein Zorn genauso schnell verraucht, wie er gekommen war.
Ganz tief in seinem Herzen wünschte er plötzlich, Silver hätte ihm nicht so frei und offen von der Vorgehensweise des Ordens erzählt. Natürlich wollte auch er, dass man Andrea so schnell wie möglich befreite, doch der Zweck heiligte nicht die Mittel. Oder tat er es manchmal doch? Zweifel keimten in Harry auf und während er nachdenklichen den Ausdruck in Silvers Augen zu deuten versuchte, stellte er sich unweigerlich die Frage, wie er selbst wohl gehandelt hätte.
Fortsetzung folgt……. (bald….sehr bald) ;-)
Autornote: Vielen Dank für euere vielen lieben Reviews! Hab mich sehr darüber gefreut! Das nächste Kapitel ist schon in Arbeit und diesmal müsst ihr auch nicht so lange darauf warten. Review-Antworten kommen mit Kapitel 39.
Liebe Grüße von euerem Sternchen!
