42.

Einen Augenblick später erschien Sirius an Remus Seite.

„Los, beeilt euch!", drängte er und streckte Andrea die Hand entgegen. „Hier wimmelt es bald von Todessern, genauso wie von Auroren und keinen von denen sollten wir in die Arme laufen."

Remus nickte, während er sich besorgt zu Andrea umwandte, die Sirius Hand stur ignorierte und ein weiteres Stück zurück rutschte.

„Andrea, wir sind es wirklich, du brauchst keine Angst zu haben. Wir sind hier um dir zu helfen", sagte Sirius in beschwörenden Tonfall und ging vor ihr in die Hocke, so dass sich ihre Gesichter auf gleiche Höhe befanden. Andrea jedoch rutschte weiter zurück, bis sie dichtes, undurchdringliches Gestrüpp im Rücken hatte und nicht mehr weiter kam.

„Nein, nein, geht weg!", wimmerte sie, während ihr Blick ängstlich über die kleine Lichtung huschte.

„Andrea, bitte, wir tun dir nichts. Wir wollen dich in Sicherheit bringen", versuchte es nun auch Remus, was allerdings nur den Erfolg hatte, dass Andrea noch heftiger zu zittern begann und sich gehetzt umsah.

„Nein!"

„Bitte, wir können hier nicht bleiben", startete Sirius einen neuen Versuch und wie zur Bestätigung seiner Worte, hörte sie aus der Ferne die Rufe von den Auroren.

„Nein, lass mich!", schrie Andrea panisch auf, als Sirius nach ihrer Hand griff, um sie hochzuziehen. „Nein, ich will nicht! Geh weg! Lass mich!"

„Verdammt, Andrea sei leise! Sie können uns hören!", zischte Sirius, doch sie schien seine Worte nicht zu begreifen.

Mit einem lauten Aufschrei riss sie sich los und stand eine Sekunde später auf den Füßen. Noch ehe Sirius sie erneut festhalten konnte, war sie unter seinem Arm hindurchgetaucht und hatte nach Remus Zauberstab gegriffen, der noch immer neben dem leblosen Körper des Todessers lag.

„Lasst mich! Verschwindet!", keuchte sie, während sie drohend den Zauberstab gegen Sirius richtete.

Die Hand, mit der sie den Zauberstab umklammert hatte, zitterte heftig, während sie Sirius mit einer Mischung aus Wut und Panik anfunkelte. Einen kurzen Moment starrte Sirius sie fassungslos an, ehe er ungläubig den Kopf schüttelte und die Hand nach dem Zauberstab ausstreckte.

„Gib ihn her, Andrea", sagte er betont ruhig und trat einen vorsichtigen Schritt auf sie zu.

Andrea öffnete bereits den Mund um ihm zu antworten, als ein Schauer aus blassvioletten Funken aus der Spitze des Zauberstabs hervorbrach. In diesem Augenblick war es schwer zu sagen, wer von diesem Schauspiel mehr überrascht war - Sirius, der erschrocken zurückwich oder Andrea, die bestürzt auf den Zauberstab in ihrer Hand starrte, ehe sie ihn mit einem leisen Aufschrei fallen ließ, als hätte sie sich daran verbrannt. Die Funken erstarben im selben Augenblick, da der Zauberstab den Boden erreichte. Andrea starrte einen Moment fassungslos auf ihre Hand, ehe sie sich besann, und noch bevor Sirius oder Remus etwas sagen konnten, stürzte sie kopflos in die Richtung davon, aus der sie kurz zuvor die Rufe der Auroren gehört hatten.

„Silencio!"

„Stupor!"

Die beiden Zauber trafen Andrea zeitgleich und noch ehe sie zwischen den Bäumen verschwinden konnte, brach sie lautlos zusammen. Sirius und Remus hatten im gleichen Augenblick eingesehen, dass hier gutes Zureden sinnlos war und während Remus sich auf einen Zauber beschränkte, der Andrea daran hinderte, sie alle durch lautes Geschrei zu verraten, hatte Sirius sie kurzerhand geschockt. Es dauerte nur den Bruchteil einer Sekunde, bis Remus mit zwei drei langen Sätzen die Lichtung überquert hatte und besorgt neben ihr niederkniete. Vorsichtig drehte er den leblosen Körper um, holte tief Luft und fasste besorgt nach ihrem Handgelenk, um dort den Puls zu fühlen.

„Der Puls ist ziemlich schwach; kaum zu spüren", sagte Remus stirnrunzelnd, während er ihr das regennasse Haar aus dem Gesicht strich und sich unschlüssig umblickte.

„Ich hätte sie nicht schocken sollen", seufzte Sirius, während sein Blick reumütig auf ihrem bleichen Gesicht ruhte.

„Vermutlich war das die einzige Möglichkeit. Du hast sie erlebt, sie wäre nicht freiwillig mitgekommen", sagte Remus matt. „Madam Pomfrey wird sie wieder hinbekommen."

„Es ist nicht mehr weit, dann können wie apparieren", nickte Sirius, auch wenn sein Gesicht deutlich die Zweifel und Schuldgefühle in seinem Inneren verriet.

x x x x

Harry starrte aus dem Fenster, als könnten seine Augen etwas anderes, als die undurchdringliche Dunkelheit davor sehen. Bei Tag hatte man von Silvers Büro einen guten Ausblick auf den See, doch nun war es sicherlich fast Mitternacht und der Nachthimmel Wolkenverhangen und pechschwarz. Hinter sich konnte Harry das leise Wispern von Hermine und das Kranzen von Rons Feder über dem Pergament hören, während durch die Fensterscheibe das leise Wimmern des Windes hereindrang. Harry wusste nicht, wie lange sie nun schon in Silvers Büro saßen und Hermine in dem alten Buch las und dabei Ron immer wieder zuflüsterte, was dieser aufschreiben sollte. Eine quälende Unruhe hatte ihn ergriffen, von der er nicht sagen konnte, wo sie genau herrührte. Einerseits sicher von der Tatsache, dass sie nicht wussten, was das Auftauchen der Ministeriumsleute wirklich zu bedeuten hatte - doch je länger Harry darüber nachdachte, um so mehr drängte etwas anderes seine Sorge um Silver in den Hintergrund. Er konnte es nicht klar definieren; es war, als würde in der Ferne eine gigantische Welle aus Angst und Verzweiflung spüren, die sich langsam auf ihn zu bewegte und sein Herz in unregelmäßigen Intervallen schmerzhaft zusammen presste.

„Was ist los mit dir, Harry?"

Hermines Frage riss ihn so unerwartet aus seinen Gedanken, dass Harry unwillkürlich zusammenzuckte und dabei die Blumenvase von der Fensterbank stieß. Mit einem lauten Knall landete sie auf dem Boden und zerschellte.

„Nichts", entgegnete Harry hastig, während er die Scherben aufhob und auf das Fensterbrett zurücklegte. Mit einem leisen „Reparo" fügten sich die Teile wie von Geisterhand zusammen und Harry wandte seine Aufmerksamkeit wieder seinen Freunden zu. „Es ist wirklich nichts, ich war nur in Gedanken", sagte er und verdrehte entnervt die Augen.

Ron und Hermine wechselten besorgte Blicke, während Ted Moran, der bisher mit verschränken Armen an der Kommode gelehnt hatte und genau wie Harry tief in Gedanken versunken schien, jetzt ebenfalls aufsah. Einige Sekunden trafen sich ihre Blicke, bis Ted tief einatmete, die Hände in den Taschen seiner Robe vergrub und sich abwandte. So ruhig und beherrscht der Slytherin sich auch sonst zeigte, Harry war sich sicher in seinen dunklen Augen die gleichen Gefühle von Angst und Verzweiflung gesehen zu haben, wie jene, die er, Harry, in seiner Brust fühlte und nur mühsam zurückdrängen konnte. Für einen Moment grübelte Harry darüber nach, ob es vielleicht Ted Morans Gefühle waren, die ihm so zusetzten, oder ob es sein konnte, dass der Slytherin dieses unbekannte Etwas ebenfalls fühlen konnte, bis ihm bewusst wurde, dass Ron und Hermine ihn noch immer beobachteten.

„Wie weit seid ihr?", sagte Harry, eher um die unangenehme Stille zu durchbrechen und die Blicke seiner Freunde von sich abzulenken, als dass es ihm wirklich wichtig gewesen wäre.

„Fast fertig", antwortete Hermine mit einem tiefen Seufzen, während sie zögernd den Blick von Harry zum Buch in ihrer Hand wandern ließ. Nachdenklich blätterte sie darin vorwärts, bis sie schließlich wieder zu der Stelle zurückkehrte, an der sie bisher gelesen hatte. „Der Rest hier ist eher uninteressant, da geht es nur noch um…"

Der Rest von Hermines Worten ging in einer Welle aus grenzenlosem Schmerz unter, denn von einer Sekunde zur anderen hatte Harry das Gefühl, seine Brust würde zerspringen, seine Eingeweide in Flammen stehen und seine Lungen wären statt Luft mit flüssiger Lava gefüllt. Keuchend rang Harry nach Luft, während seine Hand unwillkürlich durch den Stoff seiner Robe nach dem Anhänger griff und diesen, soweit es möglich war, von seiner Haut wegzog; das Zentrum des Schmerzes schien genau an der Stelle zu sitzen, wo Andreas Amulett die Haut seiner Brust berührte. Harry schnappte nach Luft, seine Sicht trübte sich, kleine funkelnde Lichtblitze tanzten vor seinen Augen, dann wurde es dunkel.

x x x x

Als Harry wieder zu sich kam, lag er in einem der Betten des Krankenflügels und Madam Pomfrey beugte sich mit besorgter Miene über ihn.

„Na geht es wieder?", sagte sie sanft und griff nach seinem Handgelenk.

„Was ist passiert? Wie komme ich hierher?", stieß Harry betroffen aus und nun konnte er auch sehen, dass Ron und Hermine, Dumbledore, und zu seiner Überraschung auch Remus Lupin, an seinem Bett standen.

„Du hast plötzlich aufgeschrieen und dann bist du umgekippt", sagte Hermine mit bebender Stimme, noch ehe Madam Pomfrey antworten konnte.

Madam Pomfreys kühle Hand, die sich in diesem Augenblick auf seine Stirn legte, ließ Harrys Blick zur Seite gleiten und was er dort sah, veranlasste sein Herz einen kleinen Hüpfer zu machen; dicht neben seinem Bett stand ein großer schwarzer, bärengleicher Hund. Harry streckte unwillkürlich seine Hand nach ihm aus, was Sirius veranlasste, näher an das Bett heran zu kommen, so dass Harrys Finger sein strubbeliges Fell berühren konnten.

„Wie fühlen Sie sich jetzt?", sagte Madam Pomfrey mit einem zweifelnden Seitenblick auf den Hund. „Haben Sie noch Schmerzen?"

„Nein, mir geht es gut", entgegnete Harry und richtete sich im Bett auf, während er fragend von einem zum anderen sah. „Weshalb bin ich umgekippt?"

„Das wissen wir auch nicht so genau", seufzte Dumbledore, während er sich nachdenklich über den langen, silbergrauen Bart strich, und plötzlich erinnerte sich Harry wieder an den Schmerz. „Kannst du uns erzählen, was diesem Zusammenbruch vorausging?"

„Ich weiß nicht", sagte Harry zögernd, während seine Hand unsicher nach dem Anhänger tastete und erst in diesem Moment bemerkte Harry, dass er inzwischen einen Pyjama trug und auch das Amulett verschwunden war.

„Deine Kette ist hier", sagte Dumbledore stirnrunzelnd und nahm die feingliedrige Goldkette mit dem Anhänger vom Nachttisch neben Harrys Bett. „Für uns sah es fast so aus, als würde dir dieser Anhänger Schmerzen bereiten."

Harry zögerte, doch schließlich nickte er, wenn auch widerstrebend. Er konnte es nicht leugnen: dieses Herzstück hatte ihm höllische Schmerzen bereitet, auch wenn er sich beim besten Willen nicht erklären konnte, warum. Andrea hatte ihm dieses Amulett gegeben, damit…ANDREA! Plötzlich, als hätte jemand eine unsichtbare Tür aufgestoßen, konnte Harry die Zusammenhänge erkennen. Seine Vision, als er durch Andreas Augen sah, diese seltsamen Gefühle, die nicht von ihm selbst stammten, bis hin zu diesem qualvollen Schmerz …und plötzlich hörte er wieder Andreas Stimme, die ihm die Bedeutung dieses Herzstücks erklärte:

Dieses Herzstück nimmt mit jedem neuen Träger auch ein Stück von dessen Magie auf und gibt im Gegenzug einen Teil der alten, in sich gespeicherten Energie wieder ab."

Harry fuhr sich in einer unbewussten Geste über die Augen, als ihm bewusst wurde, dass dieses Herzstück vermutlich durch die Tatsache, dass Andrea es direkt vor ihm getragen hatte, eine Verbindung zwischen ihnen herstellte. Für Harry schien dies die einzige logische Erklärung zu sein, auch wenn die Magie, die Andrea in sich trug, verschwindend gering im Vergleich zu einem gewöhnlichen Zauberer oder einer Hexe war.

„Andrea ist hier, nicht wahr?", sagte Harry und ließ sich für einen kurzen Moment kraftlos in die Kissen zurücksinken. „Sie ist hier in Hogwarts."

Einige Sekunden herrschte sprachloses Schweigen. Während Ron und Hermine Harry anstarrten, als würden sie an seinem Verstand zweifeln, tauschten die Erwachsenen überraschte Blicke, bis Dumbledore sich schließlich räusperte und mit einem verstehenden Lächeln nickte.

„Ja, sie ist hier."

„Woher weißt du das?", platzte es aus Hermine hervor, während Ron ihn mit weit aufgerissenen Augen anstarrte.

„Eine Art geistiger Verbundenheit, hervorgerufen durch die Zusammengehörigkeit zwischen dem Salomonschild und seinem Herzstück, das Harry von Andrea erhalten hatte", erklärte Dumbledore an Harrys Stelle und legte die Kette zurück auf den Nachttisch.

„Wie ist das möglich?", meldete sich nun erstmals Remus zu Wort. „Andrea trägt dieses Salomonschild schon seit längerer Zeit nicht mehr."

„An diesem Punkt kann ich nur Vermutungen anstellen, doch ich denke, diese Verbindung beruht auf dem Umstand, dass Andrea beim Erschaffen des Traumportals, beide Teile gleichzeitig trug. Große Mengen an magischer Energie wurden freigesetzt und haben sich mit der unterdrückten Magie ihrer Person vermischt. Es ist eine spezielle Eigenart dieses Herzstücks, dass es die Magie des Trägers aufnimmt und so auch einen Teil von Andreas Energie, während sie sich zusammen mit Remus auf dieser Traumreise befunden hat. Nachdem dieses Amulett später an Harry weiterging, nahm Harry nun seinerseits auch einen Teil von Andreas Magie auf. Harry hat diesen Anhänger lange genug getragen, dass so eine Art geistige Brücke zwischen beiden entstehen konnte."

Harry war sich sicher, dass diese Ausführung Dumbledores nur einem Teil der Wahrheit entsprach; doch für den Moment beschloss er, es darauf beruhen zu lassen. Seine Sorge um Andrea und das nervende Entlangwandern von Madam Pomfreys Zauberstab über seinem Körper, lenkte seine Fragen in eine andere Richtung.

„Wie geht es Andrea? Kann ich sie sehen?"

„Für den Moment sicher nicht", entgegnete Madam Pomfrey und steckte mit einem unterdrückten Seufzen ihren Zauberstab weg. „Sie schläft und das sollten Sie nun auch tun, Mr. Potter."

„Aber…"

„Nein, kein Aber, Sie bleiben über Nacht hier und morgen früh, nachdem ich Sie nochmals untersucht habe, dürfen Sie in ihren Turm zurückkehren!", unterbrach ihn Madam Pomfrey streng und warf gleichzeitig einen bezeichneten Blick auf den Rest der Anwesenden. „Wir haben zwei Uhr morgens und nicht nur ihre Freundin Andrea braucht Schlaf."

Harry sah ein, dass es keinen Sinn hatte, der strengen Krankenschwester zu widersprechen und ließ sich kapitulierend in die Kissen zurück gleiten.

„Schon gut, Poppy", lächelte Dumbledore besänftigend, zwinkerte Harry kurz zu und deutete Ron, Hermine und Remus an, ihm zu folgen.

Mit einem scheuen Blick auf Madam Pomfrey und Dumbledore, trat Hermine einen hastigen Schritt an Harrys Bett heran. „Gute Nacht, Harry!", sagte sie leise, während sie verstohlen seine Hand drückte.

„Schlaf gut!", entgegnete auch Harry, während er unangenehm berührt ihren Händedruck erwiderte.

Für einen kurzen Augenblick stieg etwas wie irrationale Angst in ihm hoch, Hermine mit dieser offensichtlichen Geste der Vertrautheit in Gefahr zu bringen; es wussten schon viel zu viele Menschen von ihrer Beziehung und mit jedem der dazukam stieg, Harrys Meinung nach, das Risiko, dass Voldemort sich dieses Wissen nutzbar machte.

Himmel noch mal, das hier sind deine Freunde! Wenn du ihnen nicht mehr vertrauen kannst, wem dann?", ermahnte er sich selbst und schenkte Hermine ein zögerndes Lächeln, was sie erleichtert erwiderte, ehe sie den Anderen zur Tür folgte.

Sie hatte die Tür des Krankenflügels noch nicht erreicht, als Madam Pomfrey ein vernehmliches Räuspern von sich gab und als Dumbledore sich zu ihr umwandte, auf den schwarzen Hund neben Harrys Bett deutete, der keine Anstalten machte, ebenfalls den Krankenflügel zu verlassen.

„Ich denke, es wird sicherlich niemanden stören, wenn Harrys vierbeiniger Freund ihm über Nacht Gesellschaft leistet", sagte Dumbledore gleichmütig und öffnete mit einer einladenden Geste die Tür für Remus, Ron und Hermine. „Gute Nacht, Harry! Gute Nacht, Poppy!"

Ohne Madam Pomfrey die Gelegenheit zu seinem Widerspruch zu geben, schloss Dumbledore die Tür hinter sich, und der strengen Krankenschwester blieb nichts anderes übrig, als Sirius Anwesenheit zu akzeptieren.

Von seinem Bett aus konnte Harry beobachten, wie sie mit einem letzten säuerlichen Blick auf Sirius durch eine der hinteren Türen des Krankenflügels verschwand. Es war mehr als offensichtlich, dass sie Dumbledores Auffassung nicht teilte; für sie gehörte ein Hund definitiv nicht in den Krankenflügel, auch wenn Harry sich seinerseits sehr freute, Sirius hier zu haben.

Durch die geschlossene Tür des Krankenflügels hörte Harry die sich entfernenden Schritte von Dumbledore, Remus, Ron und Hermine, während auf der anderen Seite kurzfristig das Klappern von Madam Pomfreys Absätzen zu vernehmen war, dann war es still. Harry konnte sich das breite Grinsen nicht verkneifen, mit dem er sich nun zu seinem Patenonkel umwandte.

„Hallo Harry", sagte Sirius leise, der sich unbemerkt von Harry in seine menschliche Gestalt zurück verwandelt hatte und drückte kurz dessen Hand, während ihn nun seine menschlichen Augen besorgt musterten.

„Schön dich zu sehen", erwiderte Harry, konnte jedoch nicht verhindern, dass sein Blick besorgt zu der verschlossenen Tür wanderte, hinter der Madam Pomfrey kurz zuvor verschwunden war.

„Kein Sorge, wenn jemand kommt, werde ich mich schnell genug zurückverwandeln", sagte Sirius mit einem leisen Lächeln. „Wie geht es dir jetzt?"

„Soweit ganz gut", seufzte Harry, während er zögernd nach der Kette auf seinem Nachttisch griff.

Das Metall fühlte sich kühl an und für einen kurzen Augenblick spielte Harry mit dem Gedanken, die Kette sofort wieder anzulegen; entschied sich jedoch dies erst einmal sein zu lassen. Mit einem leisen Seufzen legte er sie zurück auf die Nachttischplatte und sah Sirius fragend an.

„Seit wann ist Andrea hier? Wie habt ihr sie gefunden?"

Sirius warf einen flüchtigen Blick auf die Uhr über der Tür des Krankenflügels. „Seit etwas mehr als drei Stunden", sagte Sirius und gab Harry eine kurze Zusammenfassung der Ereignisse des Abends.

„Das heißt, dass Andrea gar nicht von Voldemort gefangen gehalten wurde?", fragte Harry stirnrunzelnd, als Sirius geendet hatte.

„Gute Frage!", stöhnte Sirius und hob mit einer hilflosen Geste die Hände. „Remus und ich haben Andrea auf direktem Weg nach Hogwarts gebracht und wir hatten bisher noch keine Gelegenheit, mit einem der Anderen zu reden."

„Und wie geht es ihr jetzt?"

„Das ist nicht so leicht zu sagen", seufzte Sirius schwer und rieb sich müde über die Augen. „Madam Pomfrey meinte, es besteht keine direkte Lebensgefahr, hat jedoch um die Unterstützung von Heiler Neill gebeten."

„Was ist los mit ihr?", drängte Harry und richtete sich in seinem Bett auf.

„Offen gestanden, das weiß keiner so genau", entgegnete Sirius zögernd und warf einen nachdenklichen Blick auf die Tür, hinter der Madam Pomfrey verschwunden war, was Harry vermuten ließ, dass Andrea sich in dem Zimmer dahinter befand. „Körperlich leidet sie vermutlich noch immer an den Folgen, die das Lösen der Verbindung zwischen ihr und dem Wächter nach sich zog - außerdem musste Madam Pomfrey feststellen, dass man sie vor kurzem mit dem Cruciatus-Fluch belegt hatte, doch das ist es nicht unbedingt, was uns Sorgen macht." Sirius machte eine kurze Pause und kratzte sich ratlos über den Kopf, ehe er mit einem unentschlossenen Gesichtsausdruck fort fuhr. „Bedenklich ist ihre geistige Verfassung. Andrea reagiert, als wären wir ihr alle völlig fremd und ... sie ist nicht mehr sie selbst."

„Wie meinst du das?", fragte Harry, während er sich gleichzeitig an diese Gefühle von Panik und Verzweiflung erinnerte, die er vor einigen Stunden verspürt hatte.

„Ich musste sie mit einem Stupor außer Gefecht setzten, sonst hätte wir sie vermutlich erst gar nicht bis hierher bringen können. Zugegeben, das war bestimmt nicht die glücklichste Lösung, doch mir fiel in diesem Augenblick wirklich nichts anderes ein. Als wir dann hier in Hogwarts ankamen, weckten wir sie auf, was zur Folge hatte, dass sie wie von Sinnen gebrüllt und getobt hat, bis Dumbledore sie schließlich mit einem Schlafzauber belegt hat. Madam Pomfrey meint, Andrea würde nur unter Schock stehen, doch ich befürchte, dass hier noch was ganz anderes dahinter steckt", sagte Sirius bedächtig, während er erneut auf die hintere Tür des Krankenflügels blickte. „Vielleicht kann uns da Clark Silver bald mehr dazu sagen."

„Silver? Ist er wieder hier?", stieß Harry, der seit seinem Aufwachen im Krankenflügel kein einziges mal an Silver gedacht hatte, verblüfft aus.

„Woher weißt du, dass er weg war?", sagte Sirius, während seine rechte Augenbraue snapemäßig nach oben wanderte.

„Wir haben zufällig gesehen, wie er mit Leuten des Zaubereiministeriums gegangen ist und das sah aus, als hätten sie ihn verhaftet."

Auf Sirius Gesicht entstand ein kurzes Grinsen, dass Harry zeigte, dass Sirius nicht ganz an eine zufällige Beobachtung glaubte und Harry zu einem Augenrollen veranlasste.

„Nein, Fudge hat nur darauf bestanden, dass Clark persönlich zu einer Anhörung vor dem Zauberergamot erscheint; ist aber kein Grund sich Sorgen zu machen", entgegnete Sirius, während seine Mundwinkel verdächtig zuckten, als müsse er sich beherrschen nicht laut loszulachen. „Die meisten Mitglieder des Zauberergamots fanden es wohl ziemlich lächerlich, das Oberste Zauberergericht wegen so einer Lappalie zu einer nächtlichen Sitzung einzuberufen. Sieht fast so aus, als wäre Fudge ganz versessen darauf, sich selbst das Wasser abzudrehen. Dumbledore und Clark sind kurz vor uns in Hogwarts angekommen und haben uns erzählt, dass dies wohl die kürzeste Sitzung der letzten zwanzig Jahre war."

„Hm", brummte Harry zweifelnd. „Und ihr denkt, damit ist die Sache erledigt?"

„Zumindest vorläufig", sagte Sirius mit einem Achselzucken. „Das Zaubereiministerium hat derzeit weit schwerwiegendere Probleme mit denen es sich befassen muss."

Harry nickte nachdenklich, während unweigerlich das Bild eines, die Mitglieder des Zauberergamots einlullenden, Silvers vor seinen geistigen Augen entstand und er sich fragte, ob Silver mit ihnen tiefschürfende Gespräche über Tee geführt hatte.

„Du meintest, dass Silver vielleicht bald mehr zu Andreas Zustand sagen könnte; was hat er vor?", sagte Harry. „Will er in ihren Geist eindringen?"

„Ja", nickte Sirius und rieb sich über die Schläfen, als würde diese Vorstellung in ihm Unbehagen auslösen. „Dumbledore hätte dies natürlich auch machen können; er meinte jedoch, Silver wäre dafür eher geeignet, da er ein besseres Verhältnis zu Andrea hat und sie sein Eindringen möglicherweise nicht so unangenehm empfinden würde."

Harry nickte erneut, auch wenn er dies eher aus einem Reflex, als aus ehrlicher Überzeugung heraus tat. Tief in seinem Inneren war er sich sicher, dass Andrea weder Silver noch Dumbledore oder sonst jemanden in ihrem Kopf haben wollte und Harry konnte es ihr nur zu gut nachempfinden.

Über diese Gedanken musste Harry eingeschlafen sein, denn als er aufwachte, war es taghell im Krankenflügel und Madam Pomfrey stellte eben ein Tablett mit Frühstück neben Harrys Bett ab.

„Guten Morgen", sagte sie mit einem freundlichen Lächeln, doch Harry fiel auf wie müde und erschöpft die Krankenschwester an diesem Morgen wirkte.

„Guten Morgen", erwiderte er ihren Gruß und blickte sich nach Sirius um, doch weder von dem Mann noch von dem Hund war irgendetwas zu sehen.

„Deine Freunde waren heute morgen schon hier", erzählte Madam Pomfrey in einem Ton, der darauf schließen ließ, dass dieser morgendliche Besuch keine Begeisterungsstürme in ihr hervorgerufen hatte. „Wie fühlst du dich heute Morgen?"

„Gut, sehr gut!", erklärte Harry, während die Krankenschwester ihm mit einem strengen prüfenden Blick bedachte - doch offensichtlich entsprach Harrys Erscheinungsbild auch seiner Aussage, denn sie nickte zufrieden.

„Na gut! Wenn du mit dem Frühstück fertig bist, kannst du den Krankenflügel verlassen, dennoch solltest du für die nächsten Tage größere Anstrengungen vermeiden", sagte sie und als Harry das Frühstückstablett heranzog, wandte sie sich zum Gehen.

Für einen kurzen Moment war Harry überrascht, dass sie ihn so ohne weiteres gehen ließ. Nachdenklich beobachtete er, wie sie mit müden Schritten auf die hintere Tür zuging. So wie Madam Pomfrey aussah, schien sie die ganze Nacht über kein Auge zubekommen zu haben und Harry fragte sich unweigerlich, was in den letzten Stunden, die er verschlafen hatte, noch los gewesen war.

„Wie geht es Andrea?", hielt Harry sie zurück, bevor sie den Raum verlassen konnte.

„Sie schläft!", antwortete Madam Pomfrey knapp und fügte, noch ehe Harry weitere Fragen stellen konnte, im strengen Ton hinzu: „und wenn Ihnen etwas an ihr liegt, dann lassen Sie Andrea auch schlafen. Was sie derzeit am dringendsten braucht, ist Ruhe. Aufregung, in welcher Form auch immer, verzögert nur ihre Genesung."

„Ich hatte nicht vor sie zu stören, ich wollte mich nur erkundigen wie es ihr geht", verteidigte sich Harry, verblüfft über ihre heftige Reaktion.

„Es geht ihr nicht sehr gut."

Madam Pomfrey hatte keine Möglichkeit zu weiteren Erklärungen, da sich in diesem Augenblick die hintere Tür des Krankenflügels öffnete und Silver den Kopf heraus streckte.

„Madam Pomfrey, kommen Sie bitte!", sagte er ruhig, auch wenn Harry deutlich die Besorgnis hörte, die in seiner Stimme mitschwang.

Wortlos, jedoch mit einem mahnenden Blick in Richtung Harry, eilte Madam Pomfrey der Tür zu, hinter der er Andrea vermutete. Sicher hätte die Krankenschwester die Tür sofort hinter sich geschlossen, wäre in diesem Moment nicht Sirius gewesen, der sich rasch in seiner Animagusgestalt an ihr vorbeidrängte. Verwirrt beobachtete Harry, wie Sirius den Krankenflügel durchquerte, mit den Pfoten die Klinke der Eingangstür hinunter drückte und Sekunden später verschwand. Unschlüssig was er tun sollte, schwang Harry die Beine aus dem Bett; blieb jedoch auf der Bettkante sitzen und blickte auf die immer noch offen stehende Tür. Aus dem benachbarten Raum hörte er die leisen Stimmen von Silver und Madam Pomfrey.

„Ihre Temperatur steigt und steigt", hörte er Silver und dessen Tonfall verriet Harry, dass sich sein Lehrer ernsthafte Sorgen um Andrea machte.

„Ich verstehe nicht, wo dieses Fieber so plötzlich herkommt", entgegnete Madam Pomfrey nach einer kurzen Pause, in der, wie Harry vermutete, Andrea von ihr untersucht wurde. „Körperlich kann ich keine Ursache dafür finden. Ihre Organe arbeiten alle einwandfrei; ihr Puls ist zwar noch immer sehr schnell und unregelmäßig, doch dies…"

Mehr konnte Harry nicht hören, da sich in diesem Augenblick die Tür schloss und den Rest ihrer Worte verschluckte. Offensichtlich hatte Madam Pomfrey die offen stehende Tür bemerkt und Harrys Lauschen somit ein rasches Ende gesetzt. Missmutig starrte Harry auf die Tür, bis ihm wieder Dumbledores Worte zum Amulett einfielen. Es lag noch immer auf seinem Nachttisch und ohne lange darüber nachzudenken, nahm Harry es in die Hand und legte es sich um den Hals.

Fortsetzung folgt…..

Autornote: Ein ganz, ganz dickes Dankeschön für euere lieben Reviews! Ich hab mich sehr darüber gefreut! Es macht riesigen Spaß für euch zu schreiben!

Review-Antworten:

Kiki : Vielen Dank!

torence : Kaffee und Kekse nehme ich dankend an! Hoffentlich hat sich deine Tastatur wieder beruhigt! (Tastaturen die durchgehen, sind schon was lässtiges!) sfg

Tintenherz : Vielen Dank für dein großes Lob! Wollte jetzt grad schreiben, dass ich mich bemühen werde keine so fiesen Cliff´s mehr zu fabrizieren, aber ich befürchte, da ist Hopfen und Malz verloren. Immer wenn ein Kapitel auf das Ende zugeht….na ja du liest ja selbst, was dann passiert. sfg

Fluffy Bond: Nur Geduld meine liebe Fluffy! (Langsam trau ich mich das schon nicht mehr zu schreiben) Irgendwann werden sich die Fragen klären und das nächste Kapitel wird hoffentlich auch bald kommen! zwinker

Padfoot's Mate :Danke, den schönen Adventssonntag hatte ich und ich hoffe du auch! Freu mich, dass dir das Kapitel gefallen hat.

Tommy: Vielen Dank für dein Lob! Das mit dem Lesen in der richtigen Reihenfolge würde ich dir auch empfehlen. fg

Cho5 : Vielen Dank! "sich tief verbeugt" Hab mich sehr über deine Kommentare gefreut.

Truemmerlotte : Vielen Dank! Das mit Andrea… hm…wird sich im nächsten Kapitel klären. "zwinker"

Eddy1988 : Oh, vielen Dank! rotwerd ja ich bemerke auch, dass sich die Schreibweise langsam verändert und dies ist sich auch den vielen konstruktiven Review´s zu verdanken. Tja, nur das Tempo ist leider von äußeren Gegebenheiten abhängig. Doch nun kommen ja bald die Weihnachtsferien und dann werde ich sicher wieder mehr Zeit zum Schreiben finden.

Kaori : Vielen Dank!

X-Ray : Bekommst du auch! ggg

Ardsmair : Tja, die Gute hat es wirklich nicht so leicht! "zwinker"

Arnold Friedlich : Ja, die Fragen werden beantwortet, aber ob dies in naher Zukunft sein wird, hängt vermutlich von deiner Definition der „nahen Zukunft" ab. Ein bisschen wird es schon noch dauern! "knuddel

Lord Slytherin : Hm… hoffe ja, dass deine Tastatur noch ein bisschen aushält, vor allem die „?"-Taste. gggMit Luna und DA bin ich noch am überlegen, ich hab einfach Bedenken, dass die FF zu lange wird.

Rapunzelou : Vielen, vielen Dank für dein Lob! Ja, das mit der Vorstellung von Gut und Böse ist so eine Sache für sich, und hängt immer auch vom Standpunkt des Betrachters ab. Freu mich, dass dir das Kapitel gefallen hat.

Reason : Vielen Dank für den Keks, nehme ich gerne an! hmm….lecker Leider hat es nun doch nicht mehr bis zum 7.12. geklappt, wünsche dir aber trotzdem nachträglich alles Liebe und Gute zum Geburtstag. Mögen sich in deinem neuen Lebensjahr ganz viele deiner großen und kleinen Wünsche erfüllen!

xZwergX : Vielen Dank!

Arwen : Freut mich, dass es dir gefallen hat! Das nächste kommt hoffentlich bald! "zwinker"

Nikki : Freut mich, dass du auch so auf deine Kosten kommst! gggg

Andrea Lupin : ps.sirius: guter fluch! hihihihihih – wird ich an Sirius weiter geben! Freut mich, dass es dir gefallen hat!

Anne : Das beruhigt mich aber sehr, dass du mir jeden Fehler, andere Meinung oder Übertreibung verzeihen kannst! kicherFreue mich sehr, dass dir meine FF gefällt!

Friel : Also als erstes mal, Sirius hat niemanden umgebracht, er hat den Todesser nur geschockt. (Ich werde doch aus Sirius keinen Mörder machen) Das mit Andrea wird sich in den nächsten Kapiteln aufklären. Und ja, ich werde fleißig an den neuen Kapiteln weiter schreiben, sofern mir die Pflichten nur ein bisschen Luft lassen. Aber bald kommen ja die Weihnachtsferien. ggg

Syra: Vielen Dank für dein großes Lob! Der Name der Runespoor kommt aus dem Lateinischen. Hab da ein bisschen im Lateinwörterbuch gestöbert. Richtig müsste es allerdings solamen heißen, ö und ä als lang gesprochenes O und A. ggg

Maya: Musst kein schlechtes Gewissen haben, wenn du ein Kapitel mal nicht kommentierst, ich freu mich trotzdem! Schön, dass dich die FF noch immer so begeistert! Hoffe deiner Nase geht es wieder gut und was die Erpressung angeht….hm….

FrodoDanke sehr!

Ming: Aber sicher, mach ich doch!

LinadellFreut mich, dass dir die Story gefällt! Was Silver angeht, nun er kennt Andrea nicht länger als sie ihn, doch er hat Nachforschungen angestellt, und wie Sirius, kannte er auch ihre Eltern. Danke für deinen langen und ausführlichen Kommentar, wird mal drüber nachdenken! "zwinker"

HexeLeaFreut mich sehr, dass dir die FF´s gefallen. Na ja und wer in dieser FF noch mit wem zusammenkommt, oder ob es überhaupt ein weiteres Pairing geben wird, das verrate ich nicht! sfg

Lara: Ich tu was ich kann, doch manchmal geht es leider nicht schneller! Grüße an deine Mutter und deine Schwester!

So das war es wieder mal für heute, hoffe dass euch auch das neue Kapitel gefallen hat und wüsche euch noch einen schönen dritten Adventssonntag!

Liebe Grüße von euere Sternchen!