44.

Harry erreichte die schwere Eichentür und holte tief Luft, ehe er zögernd dagegen klopfte. Einige Sekunden hörte Harry nichts und genau in dem Augenblick, als er erneut klopfen wollte, öffnete sich die Tür.

„Hallo Harry!", begrüßte ihn Dumbledore mit sichtlicher Überraschung. „Komm doch herein. Was kann ich für dich tun?"

„Nun... für mich eigentlich nichts", sagte Harry nach Worten suchend und nahm umständlich auf dem Stuhl vor Dumbledores Schreibtisch Platz. „Es geht um Andrea."

Dumbledore seufzte schwer, ehe er seinen Zauberstab zog und eine Sekunde später eine Tasse mit heißem Kakao vor Harry stand. Einige Sekunden blickte Harry nur auf die dampfende Tasse ehe er langsam den Kopf hob und Dumbledore direkt ansah.

„Mir ist vorhin eine Idee gekommen, nur weiß ich nicht, ob die sich auch umsetzen lässt."

Ein leises, kaum wahrnehmbares Lächeln zuckte um die Mundwinkel des alten Zauberers, als er Harry mit einem Nicken aufforderte, fortzufahren.

„Na ja…ich hab mich wieder an dieses Traumportal erinnert, das Andrea in der Ruine mit Hilfe des Salomonschilds erschaffen hat. Nachdem was Andrea uns darüber erzählt hat, besitzt es doch eine regenerative Wirkung auf Körper und Geist. Ich hab mir überlegt, ob es uns nicht möglich wäre, so ein Traumportal für Andrea zu erschaffen; vielleicht könnte es sie heilen. Ich weiß natürlich, dass man dafür das Salomonschild braucht, doch das könnten wir aus dem alten Haus holen und wenn Remus sich noch erinnern würde, wie genau Andrea die Steine verschoben hat..." Harry brach ab, als Dumbledore sich müde über die Augen rieb, fügte jedoch nach einer kurzen Pause zaghafter hinzu: „Ich sage ja nicht, dass ich allein in dieses Haus gehen möchte, doch es wäre eine Chance Andrea zu retten."

„An dieses Möglichkeit haben wir auch schon gedacht, doch es geht nicht, es ist viel zu gefährlich", sagte Dumbledore matt und als Harry bereits den Mund zum Widerspruch öffnete, hob er die Hand mit der stummen Bitte, ihn seine Erklärung näher ausführen zu lassen. „Ich rede hier nicht von der Gefahr, die es mit sich bringt, wenn du in Andreas Haus gehst; es geht mir um die Gefahr für Andreas Leben und Gesundheit. Du hast es nicht mitbekommen, weil du zu der damaligen Zeit in einem sehr kritischen Zustand in St. Mungos gelegen bist, doch auf Andreas Körper und Geist hatte dieses Traumportal nicht dieselbe positive Wirkung, wie bei Remus Lupin."

„Ron und Hermine haben es mir erzählt, die beiden waren danach ganz schön durcheinander", nickte Harry unsicher.

„Ich rede hier nicht von ihrer Verwirrung, die so eine gemeinsame Traumreise mit sich brachte", seufzte Dumbledore. „Andrea erlitt durch das Erschaffen des Traumportals eine magische Vergiftung, deren Ursache uns noch immer nicht völlig klar ist und von der wir einige Zeit sogar dachten, sie wäre für sie tödlich."

„Aber ich dachte, das wäre nur dieser Fluch des alten Hussels gewesen, der damit verhindern wollte, dass seine Erben an die dunkle Magie heran kämen", warf Harry zweifelnd ein.

„Möglich, dass nur dies der Grund war", sagte Dumbledore und wiegte unschlüssig den Kopf. „Doch leider können wir das nicht mit endgültiger Sicherheit sagen. Wir dürfen hier nicht vergessen, dass Andreas Leben von ihrer Geburt an immer wieder von dunkler Magie berührt wurde; angefangen mit einem Generationen übergreifenden Fluch, der ihr die zustehende Magie raubte, die Magie des Wächters, mit der sie schon in ihrer Kindheit belegt wurde, bis hin zu dieser magischen Vergiftung und der Tatsache, dass sie der, für jedes magische Wesen, tödlichen Magie eines Exekutionszirkel ausgesetzt war. Erschwerend kommt hinzu, dass wir ihre Gesundheit zusätzlich belastet haben, als wir den Wächter von ihr abschirmten und der Umstand, dass jemand diesen Bann inzwischen aufgehoben und wir nichts über die Auswirkungen auf Andrea wissen."

Dumbledore machte eine kurze Pause, um Harry die Möglichkeit zu geben darüber nachzudenken. Sicher wusste Harry von alledem, dies jetzt aber so aufgeführt zu bekommen, war noch einmal etwas anderes und verdeutlichte nur zu genau die Gewalt, die man Andrea in der Vergangenheit angetan hatte.

„Wie kann ein Mensch das nur alles durchstehen", sagte Harry betroffen und plötzlich verstand er auch, was Dumbledore mit seinen Worten meinte, Andrea würde möglicherweise nicht mehr die gleiche Person sein, die sie zuvor gewesen war.

„Menschen können oft mehr ertragen, als wir für möglich halten, dennoch gibt es Grenzen und genau darum geht es in diesem Fall", seufzte der alte Zauberer schwer. „Bei all den Möglichkeiten die wir haben, geht es um das genaue Abwägen, wo wir wirklich hilfreich sind und wo wir eventuell mehr schaden. Andreas Seele befindet sich derzeit an einem dunklen Ort, doch sie muss selbst den Ausgang finden."

„Aber es muss doch irgendetwas geben, was wir tun können!", stieß Harry betroffen aus. „Wir können sie doch nicht im Stich lassen!"

Dumbledore stand schwerfällig auf und ging zum Fenster. Die spärlichen Sonnenstrahlen, die an diesem Nachmittag den Weg durch die dicken, grauen Wolken schafften, beleuchteten die tiefen Furchen, welche die Jahre in das Gesicht des alten Zauberers gegraben hatten und unterstrichen den bekümmerten Ausdruck in seinem Gesicht.

„Ich möchte nicht abstreiten, dass wir die Macht hätten, diesen dunklen Ort zu erreichen, doch haben wir auch das Recht dazu?", sagte er leise und blickte Harry mit jenem unergründlichen Ausdruck in den Augen an, den Harry nur all zu gut von ihm kannte.

„Aber wenn es doch ihr Leben retten könnte?", sagte Harry und Verzweiflung krallte sich um sein Herz.

„Niemand weiß vorherzusagen, ob wir dieses Leben wirklich retten würden oder ob es durch diesen neuen Akt der Gewalt nicht endgültig zerstört würde", entgegnete Dumbledore und kehrte müde an seinen Schreibtisch zurück.

„Was meinen Sie mit…einem Akt der Gewalt?", fragte Harry zögernd und beobachtete, wie Dumbledore kraftlos auf seinem Stuhl sank.

„Theoretisch könnten wir in Andreas Geist eindringen und ihn zwingen, zu uns zurückzukehren, doch würde dies bedeuten, dass Clark Silver oder auch ich, kurzfristig die Herrschaft über Andreas Gedankenwelt übernehmen würden", erklärte Dumbledore.

„Über ihre Gedankenwelt?"

„Der menschliche Geist arbeitet mit Bildern und ähnlich wie Voldemort im letzten Schuljahr dir die Bilder von Sirius Gefangenschaft aufgezwungen hat, müssten wir Andrea unsere Gedanken aufzwingen."

Harry fühlte, wie ihm eisige Schauer den Rücken hinab liefen und sich seine Nackenhaare stellten. Voldemort hatte ihn manipuliert und Harry hätte sein Freunde aufgrund dieser Vision beinahe in den Tod geführt. Noch einmal entstanden diese Bilder vor seinen geistigen Augen und er erinnerte sich an dieses Gefühl der ohnmächtigen Wut, als ihm bewusst wurde, dass Voldemort ihn nur benutzt hatte, um an die Prophezeiung zu kommen. Dennoch, hier ging es nicht darum, Andrea zu benutzen, hier ging es um ihre Rettung, um sie, wie Dumbledore es nannte, von diesem dunklen Ort zu befreien. Doch würde Andrea dies auch so sehen?

„Aber könnten Sie nicht einfach mit ihr reden, so wie Professor Silver es bei seinem Occlumency-Unterricht tut?", fragte Harry in einem Anflug von Verzweiflung und Resignation. „Sie könnten ihr sagen, dass sie keine Angst zu haben braucht und hier in Sicherheit ist."

„Das haben wir bereits versucht, Harry, leider mit dem Erfolg, dass sich mit jedem Kontaktversuch ihre körperliche Verfassung verschlechtert hat", erklärte Dumbledore niedergeschlagen. „Sie hat große Angst und wie du dich vielleicht selbst an deine ersten Erfahrungen mit dem Eindringen eines fremden Geistes erinnern wirst, löst dies ein erhebliches Maß an Furcht aus. Ich hatte gehofft, dass Clark Silver ihr hier weniger Angst machen würde, da sich eine gewisse Freundschaft zwischen beiden entwickelt hatte, doch leider mussten wir feststellen, dass dies nicht so war. Sobald er sich bemerkbar machte, reagierte sie mit Abwehr."

„Und verstärkt das, was Professor Silver einen mentalen Kokon genannt hat", nickte Harry verstehend.

„Ja, wir können einen kleinen Teil der Bilder sehen, die derzeit ihre Seele quälen, doch berühren lässt sie sich nicht."

„Aber Sie oder Professor Silver könnten diese Bilder verändern?"

„Ja, das könnten wir, doch wie ich bereits sagte, wissen wir nicht, ob die Folgen nicht gefährlicher, als unser Abwarten wären. Das Einzige was wir derzeit für sie tun können, ist bei ihr zu sein. Ich habe Madam Pomfrey gebeten, dir freien Zutritt zu Andreas Zimmer zu gewähren, denn ich bin überzeugt, dass deine Nähe, auch wenn sie schläft, eine wohltuende Wirkung auf sie haben wird."

Für einen Moment war Harry versucht, Dumbledore zu überreden, doch dann verwarf er diesen Gedanken. Der alte Zauberer hatte recht, gewaltsam in Andreas Geist einzudringen würde ihre Angst zusätzlich verstärken und Harry mochte sich nicht ausmalen, welche Folgen dies haben würde.

So verabschiedete sich Harry kurz darauf und machte sich auf den Weg zu Silver, um mit ihm über das geplante Treffen von DA zu sprechen. Wie Harry es erwartet hatte, gab es von Silvers Seite keine Einwände, auch wenn er überrascht schien. Sie trafen einige organisatorische Absprachen, ehe Silver nochmals darauf hinwies, dass Harry das Amulett auch während der Übungsstunden nicht tragen sollte.

„Ich werde daran denken und es zuvor abnehmen", versprach Harry auch wenn er diese zusätzliche Ermahnung für überflüssig hielt. „Ich werde es, wie auch vor den Unterrichtstunden, in meine Schultasche stecken."

Silver nickte, auch wenn Harry den Eindruck hatte, dass sein Lehrer eine andere Lösung bevorzugt hätte. Einen Augenblick spielte Harry noch mit dem Gedanken, ihn darauf anzusprechen, als diese Überlegung durch ein Klopfen an der Tür unterbrochen wurde und Tonks herein kam.

„Hallo Clark, hallo Harry!", grüßte sie launig, doch Harry konnte es nicht darüber hinwegtäuschen, dass Tonks sich nicht gerade in bester Stimmung befand.

Silver schien es ähnlich wie Harry zu sehen, denn während er Tonks Tee anbot, warf er ihr einen zweifelnden Blick zu, der nur zu deutlich verriet, was er von ihrer aufgesetzten Fröhlichkeit hielt. Harry verabschiedete sich, doch noch ehe die Tür hinter ihm ins Schloss fiel, konnte er Silver nach dem Grund ihres Besuches fragen hören.

„Nun…ich war eben bei Dumbledore", gab Tonks zögernd Auskunft und Harry musste sein Ohr fest an die Tür pressen, um ihre leise Antwort noch zu verstehen. „Er hat mir erzählt, dass ihr wenig Hoffnung habt, Andrea könnte sich wieder vollständig erholen."

Harry hatte genug gehört und stieß sich hastig von der Tür ab, als hätte er sich an dem kühlen Türblatt verbrannt; er wollte ganz sicher nicht noch einmal die Erklärung hören, dass man Andrea derzeit nicht helfen konnte, dass man Geduld haben müsse und nur abwarten konnte. Zorn und Wut kochten in ihm hoch, doch für diese aufwallende Aggression schien es kein Ventil zu geben und so tat Harry das, was er schon den ganzen Tag wollte. Er lief und lief, ohne zu wissen wohin ihn seine Schritte lenkten, doch diesen Bildern schien es kein Entrinnen zu geben. Er mochte wohl bereits zwei Stunden durch das Schloss gelaufen zu sein, war verschiedene Türme hochgestiegen, hatte Hedwig in der Eulerei einen Besuch abgestattet, bis er schließlich erschöpf vor dem Krankenflügel stand.

Einige Minuten stand er nur da und starrte die weiß lackierte Tür an, bis er schließlich seinen Mut zusammen nahm und die Klinke an unten drückte. Madam Pomfrey warf ihm einen überraschten Blick zu, doch als Harry ihr versicherte, dass ihm nichts fehle und er nur Andrea besuchen wollte, ließ sie ihn ohne weiteren Protest durch.

Es war still im Zimmer; nicht einmal die gewöhnlichen Geräusche des Schlosses waren zu hören und Harry fragte sich unwillkürlich, ob Madam Pomfrey hier einen Stillezauber über den Raum gesprochen hatte. Mit leisen Schritten ging er auf Andreas Bett zu und zog sich einen Stuhl näher heran.

„Hallo Andrea!", sagte er leise, doch Andrea reagierte nicht. Mit einem zaghaften Blick zurück zur Tür, um sich zu vergewissern, dass Madam Pomfrey nicht zuhörte, rückte Harry ein Stück näher an das Bett heran. „Ich bin es, Harry. Ich…ich wollte dir nur sagen, dass ich sehr froh bin, dass du wieder hier bist. Wir haben uns alle sehr große Sorgen gemacht und um ehrlich zu sein, die machen wir uns jetzt auch noch." Harry stockte, ehe er mit bedeutend festerer Stimme hinzufügte: „Andrea, bitte wach auf!"

Aber Andrea wachte nicht auf, nicht an diesem Tag und auch nicht an den Folgenden, sooft Harry sie auch besuchte; sie lag regungslos in ihrem Bett und schien nicht das Geringste von der Außenwelt mit zu bekommen. Anfänglich versuchte Harry noch mit ihr zu reden, doch irgendwann saß er nur noch stumm neben ihr. Auch wenn Dumbledore der Überzeugung war, dass Andrea seine Nähe spüren konnte, so empfand es Harry einfach nur als sinnlos. Andrea erschien ihm von Tag zu Tag mehr wie eine leblose Hülle und da halfen auch die Zusicherungen von Madam Pomfrey nicht, dass Andrea sich in einem guten körperlichen Zustand befand. Doch mit jedem Tag der verstrich, schwand auch immer mehr Harrys Hoffnung Andrea würde je wieder aufwachen.

Der November kam und brachte tristes graues Wetter mit sich, was perfekt zu Harrys Stimmung passte und selbst das erste Treffen von Dumbledores Armee besserte seine Laune nicht im geringsten. Hermine hatte dafür gesorgt, dass Zettel in den Gemeinschaftsräumen der anderen Häuser aushingen, so auch bei den Slytherins, doch am Sonntag erschienen kein Einziger von ihnen in Silvers Klassenzimmer.

„Das hab ich dir doch gleich gesagt, die haben Übungsstunden nicht nötig", brummte Ron, als Hermine eine Bemerkung darüber machte.

„Ich dachte, Ted Moran würde kommen", entgegnete Hermine gleichmütig.

„Es ist 14 Uhr, fangen wir an!", sagte Harry, noch ehe Ron zu einer Entgegnung ansetzen konnte.

Zu Harrys Enttäuschung stellte sich bald heraus, dass ein Großteil seiner Mitschüler das meiste, was sie im vergangen Schuljahr geübt hatten, wieder vergessen hatten und so blieb ihm nicht anderes übrig, als noch mal mit den Grundlagen zu beginnen. Die Einzigen die während der Ferien und der Wochen danach offensichtlich nicht alles vergessen hatten, waren seine Freunde, die mit im Zauberereiministerium gegen die Todesser gekämpft hatten. Nicht Wenige waren überrascht, als Neville es schaffte, mühelos einen Schutzschildzauber zu demonstrieren und Hermine mit der Leichtigkeit, als würde sie mit dem Zauberstab Licht machen, einen Patronus heraufbeschwor. Susan Bones hingegen scheiterte bereits an einem einfachen Entwaffnungszauber und Anne Smith aus Ravenclaw setzte bei dem Versuch Ernie Macmillan zu schocken, die Gardinen in Silvers Klassenzimmer in Brand.

„Die können nur hoffen, dass sie nie in ernsthafte Auseinandersetzungen verwickelt werden", stöhnte Ron, als sie später Harry halfen, die Stühle und Tische wieder an ihren Platz zu stellen.

„Bei manchen hab ich wirklich den Eindruck, sie nehmen es nicht ernst", nickte Hermine zustimmend und drehte sich zu Harry um. „Wie der sprechende Hut Luca Ackerley nach Ravenclaw schicken konnte ist mir unbegreiflich, der ist doch…"

„…lang nicht so ungeschickt, wie er uns weismachen will", beendete Harry ihren Satz und schultere sich seine Tasche.

„Wie meinst du das?", fragte Hermine verblüfft.

„So wie ich es sage, Luca Ackerley hat hier eine Show abgezogen. Er ist durchaus in der Lage, die meisten Zauber die wir heute geübt haben, auszuführen."

„Woher willst du das wissen?", entgegnete Ron zweifelnd, doch Harry zuckte nur die Schultern.

„Ich weiß es eben!"

Harry wollte eben die Tür öffnen, als Hermine ihm energisch in den Weg trat. „Oh nein, diesmal wirst du nicht wieder einfach davon laufen!"

„Was heißt hier davon laufen?", fuhr Harry sie ärgerlich an. „Es ist Zeit zum Abendessen und ich werde doch noch in die Große Halle gehen können, ohne vorher um Erlaubnis zu fragen."

„Es geht nicht darum, um Erlaubnis zu fragen! Es geht darum, dass du in letzter Zeit die Unart entwickelt hast, uns ständig stehen zu lassen!"

„Ich wollte euch nicht stehen lassen, ich wollte nur zum Abendessen!"

„Und ich hätten gern eine Antwort von dir!"

„Eine Antwort worauf?" Harry konnte sich beim besten Willen keinen Reim darauf machen, was Hermine so plötzlich auf die Palme brachte und blicke hilfesuchend zu Ron, doch sein Freund schien nicht weniger ärgerlich als Hermine.

„Falls du es vergessen hast, ich habe dir eine Frage gestellt und als Freund darf ich doch noch auf eine Antwort hoffen?"

„Sagt mal, was ist denn jetzt los? Worüber regt ihr euch eigentlich so auf? Ich hab euch gesagt, dass ich es eben weiß, muss ich jetzt alles erklären?"

„Worüber wir uns aufregen? Vielleicht solltest du mal darüber nachdenken, wie du dich in letzter Zeit verhältst", ereiferte sich jetzt auch Hermine. „Du benimmst dich, als wärst du der Einzige, der hier das Recht hätte sich Gedanken zu machen, als wärst du der Einzige, der sich um Andrea sorgen würde und wir nur dumme Kinder sind, die von nichts eine Ahnung haben. Darüber regen wir uns auf!"

Harry starrte sie einige Augenblicke verblüfft an, nicht wissend, ob er nun lachen oder noch zorniger werden sollte, entschied sich dann aber dafür, keines von beiden zu werden. Mit einem verständnislosen Kopfschütteln trat er zurück und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Ich habe keine Ahnung wovon du eigentlich redest, doch könnten wir das trotzdem später ausdiskutieren? Ich habe nämlich wirklich Hunger und würde jetzt gerne zu Abend essen", sagte er, bemüht ruhig zu bleiben und startete sogar den Versuch eines gewinnenden Lächelns, was allerdings gänzlich seine Wirkung verfehlte.

„Guten Appetit!", fauchte Hermine, riss die Tür des Klassenzimmers auf. Die Tür knallte so fest gegen die Wand, dass das Bild neben der Tür ins Schwanken geriet.

„Was ist denn jetzt?", stieß Harry fassungslos aus und blickte verdutzt von Hermine zu Ron.

„Wenn du das selbst nicht weißt, kann ich dir auch nicht helfen", brummte Ron und folgte Hermine nach außen.

„Ron, bleib stehen….", setzte Harry an, doch Ron machte, genau wie zuvor Hermine, keine Anstalten stehen zu bleiben oder sich nach ihm umzudrehen.

Für einige Momente stand Harry einfach nur da und blickte seinen Freunden ratlos nach. Es dauerte allerdings nicht lange, da ging dieses Gefühl der Verwirrung in Zorn über. Wie konnten sie ihm vorwerfen, er würde sie einfach stehen lassen, wenn sie nun genau dasselbe mit ihm taten?

Grollend zog Harry die Tür von Silvers Klassenraum zu und stapfte nach unten. In der Großen Halle hatten bereits die meisten Schüler ihren Platz zum Abendessen gefunden und auch Ron und Hermine saßen bereits am Ende des Gryffindortischs, doch diesmal hatte sie nicht, wie sie es für gewöhnlich taten, einen Platz für ihn freigehalten. Harry zögerte einen Moment, doch dann setze er sich auf den freien Platz gegenüber von Ginny und Neville.

„Dicke Luft?", fragte Neville mit einem Blick hinüber zu Ron und Hermine.

„Nein", antwortete Harry kurz angebunden und schöpfte sich Eintopf in seinen Teller.

Aus dem Augenwinkel heraus konnte er sehen, dass Ginny die Augen verdrehte, doch seine offenkundige schlechte Laune bewirkte, dass ihn niemand ansprach. Ginny unterhielt sich ungezwungen mit einem Mädchen aus ihrem Jahrgang und auch Neville aß ungerührt weiter. Zu gern hätte Harry sich eingeredet, dass ihn dies nichts ausmachen würde; wenn Ron und Hermine ihn nicht bei sich sitzen haben wollten, konnte ihm dies egal sein und wenn Ginny und Neville nicht mit ihm reden wollten, sollte es ihm auch recht sein; er, Harry, würde keinen von ihnen hinterher laufen - doch ganz so einfach war es nicht. Immer wieder ertappte er sich selbst dabei, wie seine Blicke zu Ron und Hermine hinüber wanderten und jedes Mal versetzte es ihm einen Stich, wenn einer von beiden lachte.

War Harrys Laune die letzten Tage schon nicht besonders gewesen, so hatte sie an diesem Abend ihren Tiefpunkt erreicht. Mürrisch und ohne seine Klassenkameraden auch nur eines Blickes zu würdigen, schlang er sein Abendessen in sich hinein, um möglichst schnell wieder die Große Halle verlassen zu können. Es hielt ihn auch niemand zurück und so marschierte er mit weit ausholenden Schritten aus der Halle. Zuerst steuerte er den Gryffindortrum an, doch bereits auf halbem Weg verwarf er diesen Gedanken und bog Richtung Krankenflügel ab.

Tief in seinem Inneren wusste er, dass er seinen Freunden nicht lange aus dem Weg gehen konnte und dass vielleicht auch eine Entschuldigung von seiner Seite angebracht war, doch in diesem Augenblick, da es in seinem Inneren vor Zorn brodelte, konnte und wollte er ihnen nicht gegenübertreten. Was hätte er ihnen auch sagen sollen? Er konnte selbst nicht erklären, warum er wusste, dass Ackerley sie angelogen hatte?

Mit langsamen Schritten durchquerte er den Krankenflügel, bis er vor der Tür zu Andreas Krankenzimmer stand und zaghaft anklopfte. Wie auch die letzten Tage, war das Zimmer leer, nur Andrea lag in ihrem Bett und rührte sich nicht.

„Hallo Andrea", seufzte er leise und zog sich einen Stuhl heran. „Ich bin´s wieder mal."

Eine kleine Lampe auf dem Nachttisch beleuchtete das Zimmer eher spärlich, dennoch konnte Harry erkennen, dass jemand einen Sessel hereingebracht hatte, der nun in der Ecke stand und auf dessen Sitzfläche ein aufgeschlagenes Buch lag. Für einen kurzen Moment überlegte Harry, ob er nun aufstehen sollte, um zu sehen, was das für ein Buch war, als sein Blick auf das kleine lackierte Holzkästchen fiel, das auf dem Nachtisch stand. Harry erkannte es sofort wieder, es war das Kästchen, das Silver ihm gezeigt hatte und aus welchem das Schamanenlied erklang. Unsicher, ob er wirklich das Recht hatte dieses Kästchen zu öffnen, nahm Harry es in die Hand. Es fühlte sich merkwürdig schwer an, fast so als wäre es mit mehr als nur diesem Lied gefüllt.

„Silver hat es mir mal gezeigt", sagte Harry zu Andrea gewandt und hielt das Kästchen hoch. „Er erzählte mir, dass er es mal von einer früheren Lehrerin bekommen hat. Wenn man es aufmacht, kann man das Lied der Schamanin hören."

Harry stellte das Kästchen ungeöffnet auf den Nachtisch zurück. „Ich denke mal, Silver hat dir das Lied vorgespielt, sonst würde das Kästchen wohl nicht da stehen."

Harry machte erneut eine Pause und sah nachdenklich auf Andrea hinab, die regungslos da lag und von allem nichts mitzubekommen schien. „Wenn mich jetzt jemand beobachten würde, wie ich hier mit dir rede, als könntest du mich hören und verstehen, dann würde er mich sicher für bekloppt halten. Ich weiß auch gar nicht, warum ich hier überhaupt sitze und mir dir rede, du antwortest mir sowieso nicht. Vielleicht sollte ich dich einfach in Ruhe lassen und stattdessen zurück in meinen Turm gehen. Ron und auch Hermine warten sicher schon auf mich, sie wollen mit mir reden....doch im Moment weiß ich nicht, was ich ihnen sagen soll. Wir hatten vorhin ziemlichen Krach und ich muss auch gestehen, dass sie ja auch irgendwie Recht haben, ich sollte wirklich mehr mit ihnen reden; doch wenn ich es versuche, dann fehlen mir die Worte." Harry seufzte schwer. „Hm gerade wollte ich sagen, dass dir so was vermutlich nie passiert, doch wenn ich dich jetzt so liegen sehe....sehr gesprächig bist du im Moment auch nicht."

Harry wusste, dass er langsam zurückgehen sollte, doch er konnte sich nicht überwinden aufzustehen. Tief in seinen eigenen Gedanken versunken beobachtete er Andreas Gesichtszüge, die so entspannt und friedlich waren, dass er sich unwillkürlich fragte, ob sie und wenn ja, was sie gerade träumte. Gedankenverloren strich er mit seinen Fingerspitzen über ihren Arm, als er plötzlich das irrationale Gefühl hatte, kopfüber nach unten zu fallen. Einen kurzen Augenblick dachte Harry, er wäre eingeschlafen und von der Bettkante, an der er lehnte, abgerutscht, doch das, was ihn nun umgab, hatte nicht mehr die geringste Ähnlichkeit mit dem Krankenflügel.

Fortsetzung folgt………

Autornote: Wie immer ein ganz herzliches Dankeschön, für euere liebe Reviews und eure Weihnachtswünsche, hab mich sehr darüber gefreut!

Review-Antworten

Rudi: Ganz viele „Warums" Denke aber, dass neue Kapitel hat das ein oder andere beantwortet.

Eddy1988: Vielen Dank! Freut mich, dass dir die Kapitel gefallen!

Linadell Vielen Dank, du machst mich ganz verlegen! Freut mich, dass meine Schreiberei zu deiner Inspiration beträgt. Hab mich sehr über deine lange und ausführliche Review gefreut. Das mit dem Review beantworten ist so eine Sache; einerseits ist es manchmal wirklich Arbeit, doch gleichzeitig freu ich mich über jede Review und denke, wenn ihr euch die Mühe für eine Review macht, bin ich euch auch eine kleine Antwort darauf schuldig und ich schreibe sie sehr gern. Und nein, ich lass mich durch deine lange Review nicht vom schreiben abhalten! J

Guenni: Vielen Dank, stressfrei war die Vorweihnachtszeit leider nicht, doch nun ist es überstanden und auch ich kann meinen wohlverdienten Urlaub antreten.

Megagirli: Vielen Dank! Du siehst, auch ich wiederhole mich hin und wieder! "sfg"

TheSnitch: Eine Umfrage? Hm...ich werde mal drüber nachdenken! ;-)

Andrea Lupin: Na, das war ja dann das perfekte Timeing!

Eva Luna: Nun, das letzte Kapitel werde ich sicher nicht mit einem Cliffhanger beenden, soviel ist schon mal sicher, denn böse Reviews müssen nicht unbedingt sein! ;-)

Arnold Friedlich: Wie du im letzten Kapitel gelesen hast, lagst du mit deiner Vermutung, dass Andrea traumatisiert ist schon ganz richtig! Auch dir einen ganz festen Knuddel zurück! J

Maya: Vielen, vielen Dank, fühle mich sehr geschmeichelt!

Ardsmair Aber klar, schreib ich schnell weiter! Konnte mir deinen niedlichen Hundeblick gut vorstellen! "kicher"

Lord Slytherin: Bei dem Punkt, ob Madam Pomfrey von Sirius wusste, war ich auch lange am überlegen, doch nach eingehender Beratung und Nachlesen sind wir zu dem Schluss gekommen, dass Madam Pomfrey nicht eingeweiht ist. Über das Internet hypnotisieren? Hm...das geht glücklicherweise noch nicht, ihr müsst also noch ein bisschen mit meinen ....öhm....spannenden Kapitelenden leben müssen! ;-)

Golbarin Für eine kritische und konstruktive Anmerkung musst du ganz bestimmt nicht in Deckung gehen! Denke allerdings, dass es wirklich einen Unterschied macht, ob man die einzelnen Kapitel an einem Stück oder immer nur stückchenweise liest.

Jo LizardWas wolltest du denn mit dem Baseball-Schläger? Kann mir das überhaupt nicht erklären! "hust" Zu deiner Frage nach dem "sfg" – nun das ist eine Abkürzung die entweder "sehr frech grinst" oder "saufrech grinst" bedeutet. "fg" wäre dann "frech grinst" und "g" nur ein "grinst"

Arwen Schön, dass ich dich erleichtert aufatmen lassen konnte! ;-)

X-RayAber klar doch!

Padfoot's Mate: Oh je...das mit dem Happy End, ist so eine Sache, weil was für den einen ein Happy End ist, muss es für den anderen noch lange nicht sein. Hm...hm...lass dich doch einfach überraschen! „sfg" Und hoffe, dass deine Einschätzung meiner Seelenbeschaffenheit richtig ist!

Kaori Das finde ich aber nett, dass du mir das Kopfzerbrechen überlässt!

Nikki: Vielen Dank, freu mich, dass dir das Kapitel gefällt!

Syra: Danke sehr! „tief verbeug" Was die Pairings angeht, da werde ich noch nix verraten! Lass dich einfach überraschen! ;-)

Anne: Hm...an welcher Stelle hätte ich denn, deiner Meinung nach, aufhören sollen? ;-)

Happyherminchen: Oh vielen Dank, dein Lob macht mich ganz verlegen! "rotwerd"

Diese story ist die beste von allen!

sunnymaus2180: Ach, du bist neugierig? Das wär mir gar nicht aufgefallen! "kicher" Na gut um einen kleinen Teil deiner Neugier zu stillen, mein Urlaub ist tatsächlich von den Schulferien abhänig, doch Lehrerin bin ich nicht. Nun ja und zuhause bin ich in einer alten, sehr großen Stadt, mit ca 500000 Einwohnern, kennst du sicher! ;)

reason: Nun das mit dem neuen Kapitel vor Weihnachten hat ja noch geklappt und das nächste kommt sogar noch vor Silvester! "stolz auf mich bin"

Fluffy Bond: Freut mich, dass du dich gedulden willst, oder es zumindest versuchst! Nun das neue Kapitel ließ diesmal auch nicht allzu lange auf sich warten.

FrielLeider ist bei mir auch die Adventszeit alles andere als ruhig, doch ich hoffe, dass es nun im neuen Jahr ein wenig ruhiger wird. Wünsche dir / uns das jedenfalls. ;-)

janine black: Vielen Dank, freue mich, dass dir die Story gefällt!

Eddy1988: Zu kurz...hm....na gut ich werde mich bemühen. ;-)

Arwen Aber klar, werde ich mich um einen raschen update bemühen! ;-)

MegagirliDa geb ich dir recht! ;-)

Schnuffel21: Klar, wir werden sehen.... und das schon im nächsten Kapitel! „sfg"

Cho5: Vielen dank und ja, wir hatten ein sehr schönes Fest! Hoffe mal du auch! ;-)

TheSnitch: Freut mich, dass dir das unweihnachtliche Kapitel auch so gefallen hat!

Fluffy Bond: Viele Dank, freut mich, dass dir mein Weihnachtsgeschenk gefallen hat!

Miss Shirley-Blythe: Vielen, vielen Dank, freue mich sehr über dein Lob! Und hier gleich eine Frage an dich, wann kommt denn dein neues Kapitel? J

Truemmerlotte: Doch , doch vor Silvester schaffe ich schon noch eins! ---

So nun hoffe ich dass ich niemanden von meinen treuen Lesern vergessen habe, falls doch, war dies sicher keine Absicht.

An dieser Stelle bleibt mir nur noch, euch

einen guten Rutsch in ein glückliches Jahr 2005

zu wünschen.

Liebe Grüße von eurem Sternchen!