So dies ist mein extralanges Geburtstagskapitel für meine Betaleserin Vivi! Auf diesen Weg noch einmal – Alles Liebe und Gute zum Geburtstag, liebe Vivi! gggg
46.
Für einige Sekunden herrschte Stille. Alle blickten auf die Tür des Krankenzimmers, bis diese behutsam geöffnet wurde und Madam Pomfrey, Professor Dumbledore und zu Harrys Überraschung, auch Snape eintraten. Während die Gesichter von Madam Pomfrey und Dumbledore deutliche Erleichterung darüber zeigten, Andrea wach und anscheinend gesund vorzufinden, blieb das Gesicht des Zaubertranklehrers grimmig und undurchsichtig wie immer. Harry hatte fast den Verdacht, dass Snape bei dem Anblick der sich ihm hier bot, am liebsten sofort wieder kehrtgemacht hätte. Zögernd und mit säuerlichem Gesicht folgte Snape dem Schulleiter durch den Raum, bis er Andreas Bett erreicht hatte und sie missmutig beäugte.
„Guten Abend, Andrea!", grüßte Dumbledore, schritt auf das Bett zu und reichte Andrea die Hand. „Es freut mich sie wach zu sehen. Wie geht es Ihnen?"
„Danke, ausgezeichnet", erwiderte Andrea, während sie unsicher den Händedruck des der alte Zauberers erwiderte, einen Augenblick später jedoch hastig die Hand zurückzog.
„Das freut uns sehr!" Dumbledore lächelte, doch Harry entging nicht, dass er Andrea scharf beobachtete.
Silver schenkte Andrea ein aufmunterndes Lächeln während er vom Krankenbett einen Schritt zurück trat, um für Madam Pomfrey Platz zu machen, die nach einer kurzen, aber freundlichen Begrüßung, den Zauberstab zog, um ihre Patientin zu untersuchen. Für einen kurzen Moment machte Andrea eine jähe Bewegung, als wollte sie den auf sich gerichteten Zauberstab abwehren und ihre Augen weiteten sich angstvoll, doch schon eine Sekunde später schien sie die aufsteigende Panik bereits überwunden zu haben und nickte ergeben.
„Keine Angst, ich möchte Sie nur kurz untersuchen. Sie waren lange Zeit ohne Bewusstsein", erklärte die Krankenschwester, während sie beruhigend mit der linken Hand Andreas Arm tätschelte und mit der Rechten unbeirrt ihre Untersuchung fortsetzte.
Harry konnte beobachten, wie der Zauberstab langsam über ihren Körper hinab wanderte, zwischendurch an einigen Stellen stoppte und die Spitze des Zauberstabs in verschiedenen Farben aufglühte, ehe er wieder aufwärts wanderte. Dumbledore wartete geduldig, bis Madam Pomfrey ihre Untersuchung beendet hatte.
„Wie geht es ihr", fragte er, als sie den Zauberstab weg steckte.
„Hm…ihr Körper weißt noch immer Anzeichen einer latenten Vergiftung auf, doch das war auch nicht anders zu erwarten", erklärte die Krankenschwester stirnrunzelnd und wandte sich Andrea zu. „Was mich mehr beunruhigt, ist der Umstand, dass Sie im Gegensatz zu meiner letzten Untersuchung vor ein paar Stunden, deutlich erschöpfter und…"
„Es geht mir gut", unterbrach Andrea sie entschieden und warf Madam Pomfrey einen ärgerlichen Blick zu.
„Wie Sie meinen", entgegnete die Krankenschwester deutlich kühler und wandte sich mit einem Achselzucken wieder Dumbledore zu. „Ich würde vorschlagen, mit der Einnahme des Zaubertranks fort zu fahren. Auch wenn Miss Black sich besser fühlt, wird der Trank dem Genesungsprozess nur förderlich sein.
Dumbledore nickte verstehend und zog sich einen Stuhl an das Bett heran. „Professor Snape hat einen speziellen Heiltrank entwickelt, der sowohl stärkend wirkt als auch Ihrer magischen Vergiftung entgegen."
Snape verstand diesen Hinweis und zog eine Phiole mit smaragdgrüner Flüssigkeit hervor und stellte sie lässig auf Andreas Nachttisch.
„Dreimal täglich jeweils ein Schluck sollte genügen", erklärte er mürrisch, während er Andrea mit einem abschätzenden Blick bedachte, als wäre er sich nicht sicher, ob sie diese Mühe eigentlich wert wäre.
Das Licht der Nachttischlampe brach sich in der noch hin und her schaukelnden Flüssigkeit und zeichnete ein Muster aus grünen, beweglichen Punkten auf die weiße Oberfläche des Nachttischs.
„Danke", sagte Andrea zögernd, während ihr Blick skeptisch auf den Zaubertrank gerichtet war.
Madam Pomfrey verabschiedete sich mit knappen Worten und Harry ging eigentlich davon aus, dass Snape nun ebenfalls gehen würde, doch hier war vermutlich der Wunsch der Vater des Gedanken, denn Snape blieb beharrlich, wenn auch in einiger Distanz stehen.
„Sie haben in den letzten Wochen viel erlebt und durchgemacht, dennoch kommen wir nicht umhin, Ihnen einige Fragen stellen", begann Dumbledore behutsam.
Andrea nickte zögernd und mit einem Gesichtsausdruck, der deutlich machte, dass sie Fragen erwartet, wenn gleich auch gehofft hatte, diesen zu entgehen.
„Hat das nicht noch Zeit?", warf Remus seufzend ein. „Ich meine, sie ist doch gerade erst aufgewacht."
„Nein, das ist schon in Ordnung", widersprach ihm Andrea halbherzig, ohne ihn anzusehen und strich die Bettdecke glatt. „Es geht mir gut und früher oder später muss es wohl sein."
„Gut", nickte Dumbledore zog seinen Zauberstab und Sekunden später schwebte ein Tablett mit Teetassen und belegten Broten über Andreas Bettdecke. „Bei einer Tasse Tee redet es sich angenehmer."
Mit einer einladenden Geste deutete Dumbledore an, dass jeder der mochte, eine Tasse nehmen konnte, ehe er das Tablett zur Seite stellte und Andrea aufmerksam ansah.
„Beginnen wir mit Ihrer Reise nach Carlisle. Können Sie sich klar daran erinnern?" Andrea nickte erneut und so fuhr Dumbledore mit seinen Fragen fort. „Erzählen Sie uns bitte, was dort geschah."
„Wir.. wir suchten nach Remus Lupin. In Carlisle fand an diesem Tag das Gründungsfest oder so was Ähnliches statt", begann Andrea stockend, während sie starr auf die Teetasse in ihrer Hand blickte. „Am Abend ging ich dorthin, wo der Festbetrieb stattfand. Es war auch ein großes Feuerwerk geplant und deshalb viele Menschen da. Zuerst sah alles ganz normal aus, wir sind durch die Budengassen gegangen und plötzlich sah ich jemanden, der aussah wie Remus Lupin. Ich bin ihm nachgelaufen, aber es waren zuviele Leute in der Gasse und ich hab ihn bald wieder aus den Augen verloren." Andrea machte eine Pause und Dumbledore ließ ihr Zeit sich zu sammeln. „Ich bin die Zeltgasse bis zum Ende gelaufen und wollte schon wieder umkehren, als ich…als ich einen alten Bekannten auf dem Fest sah."
„Richard Harvey", warf Silver ein, als Andrea erneut stockte.
„Ja", nickte sie zögernd, ohne jedoch den Blick von der Teetasse in ihrer Hand zu wenden. „Ich dachte erst, ich würde mich täuschen, bin ihm aber, ich weiß auch nicht warum, nachgegangen. Auf dem Parkplatz hat er mich dann gesehen. Zuerst ist er erschrocken und weggelaufen, doch dann hat er sich plötzlich umgedreht und gebrüllt, ich solle hier so schnell wie nur irgend möglich verschwinden. Ich verstand nicht was so plötzlich in ihn gefahren war und dann konnte ich mich nicht mehr bewegen. Mir wurde schwindelig, mein Körper brannte wie Feuer und ich konnte gerade noch sehen, wie Richard auf der anderen Seite des Parkplatzes in einem Loch im Boden verschwand. Dann muss ich wohl das Bewusstsein verloren haben."
„Ein Kanaldeckel, vermute ich?", warf Remus stirnrunzelnd ein.
Andrea schluckte schwer und nickte, schien jedoch vergeblich nach weiteren Worten zu suchen. Die Tasse in ihrer Hand zitterte so stark, dass der Tee über den Rand der Tasse in den Unterteller schwappte und sie stellte die Tasse umständlich auf das Tablett zurück.
„Und als du wieder zu dir kamst, befandest du dich in Voldemorts Gefangenschaft", wollte Remus ihr weiterhelfen, doch Andrea schüttelte nachdrücklich den Kopf.
„Nein, zumindest nicht direkt."
Harry bemerkte, wie sich ihre Finger um die Bettdecke verkrampften, auch wenn ihr Gesicht nahezu emotionslos blieb.
„Erklären Sie uns das bitte genauer", forderte Dumbledore sie auf und stellte ebenfalls seine Teetasse zur Seite.
„Nun das ist nicht so einfach zu erklären", begann Andrea zögernd und blickte sich unsicher in dem Krankenzimmer um, als wäre sie sich nicht sicher, ob alle Anwesenden ihre Erklärung hören sollte. „Es gibt eine Organisation ähnlich dem Phönixorden und dieser ist es gelungen, die Gruppe der Todesser zu unterwandern. Richard war einer von ihnen und fragen Sie mich nicht wie, aber irgendwie ist es ihm gelungen, den dunklen Lord davon zu überzeugen, dass er mit meiner Pflege und Beaufsichtigung betraut wird. Richard brachte mich in das alte Landhaus eines Freundes und dort bin dann wieder zu mir gekommen."
„Was ist das für eine Organisation", warf nun Sirius ein und blickte fragend von Andrea über Dumbledore zu Remus und Silver, doch keiner der Anwesenden schien Näheres darüber zu wissen. Snape ignorierte er geflissentlich.
„Ich weiß nicht, Francesco nannte sie immer nur den Bund."
„Vermutlich eine jener Splittergruppen, die sich bereits zu jener Zeit, als Voldemort das erste mal Macht gewann, gegen ihn zusammenschloss", spekulierte Silver und rieb sich nachdenklich über das Kinn.
Einige Sekunden sprach niemand und es entstand eine Stille, welche die angespannte Atmosphäre noch unangenehmer machte, bis Dumbledore sich schließlich räusperte und Andrea mit einem leisen Nicken aufforderte weiter zu erzählen. Es dauerte jedoch geraume Zeit, bis Andrea die richtigen Worte fand.
„Man hat mich in diesem Haus gesund gepflegt, oder hat es zumindest versucht", sagte sie lahm, während ihre Finger gedankenverloren die Musterung auf der Zudecke entlang nachfuhren.
„Soll das heißen, man hat dich dort gar nicht gefangen gehalten?", rang Harry sich zu der, für ihn vorrangigen, Frage durch.
„Nun ich denke, der Bund hat mich nie als Gefangene angesehen, wenngleich sie mich sicher auch nicht hätten gehen lassen", erwiderte sie und das erste Mal seit ihrem Erwachen sah sie Harry direkt an.
Ihre Blicke trafen sich und für einen kurzen Moment erschrak Harry über die Leere, die sich in ihren Augen widerspiegelte. Nichts schien mehr von dem ursprünglichen Tatendrang oder dem rebellischen Glitzern übrig geblieben zu sein; ihre Augen zeigten nur noch Trauer und Resignation, als wären sie Tore, durch die Harry noch einmal in diese trostlose und tote Landschaft sehen konnte.
„Würde auch wenig Sinn machen, wenn man bedenkt, welche Risiken und Mühen sie auf sich nahmen, um mich aus Voldemorts Händen zu bekommen. Ich glaube nicht, dass sie danach bereit gewesen wären mich gehen zu lassen, ohne dass sie ihr Ziel erreicht hätten", fügt sie mit einem matten Achselzucken hinzu. „Nun wie dem auch sei, Richard war davon überzeugt nur zu meinem Wohl zu handeln, auch wenn man sich über seine Methoden streiten könnte."
„War er es, der dich unter dem Bann des Wächters gestellt hat?", sagte Sirius, wobei es in Harrys Ohren mehr nach einer Feststellung als einer Frage klang.
„Ja und er war auch derjenige, der mir vorspielte Remus Lupin zu sein. Der mir erzählte, dass keiner den Exekutionszirkel überlebt hat und der…"
Andrea brach ab und schloss die Augen. Ihr Gesicht blieb unbeweglich, ja schon fast maskenhaft, nur ihre Finger die fest den Rand ihrer Bettdecken umklammerten verrieten den Aufruhr in ihrem Inneren.
„…und er war auch derjenige, der zugelassen hat, dass man Sie folterte", beendete Dumbledore ihren Satz und seufzte schwer.
Andrea antwortete nicht und so fuhr Dumbledore erklärend fort: „Als Sie hier ankamen und Madam Pomfrey Sie untersuchte, konnte sie deutlich die Spuren erkennen, die ein Cruciatus-Fluch hinterlässt."
„Eine Demonstration der Macht", erklärte sie tonlos.
„Der Bund wollte dir damit seine Macht demonstrieren?", fragte Remus aufgebracht, doch Andrea schüttelte abermals den Kopf.
„Nein, nicht der Bund", sagte Andrea, während ihre Stimme mit jedem Wort leiser wurde. „Es war einer von Voldemorts Leuten. Ich weiß nicht wie lange ich geschlafen hatte, nachdem Richard den Bann der Bastet aufhob. Aber irgendwann bin ich aufgewacht und da ging es mir dann deutlich besser. Die Schmerzen waren weg und ich fühlte mich auch nicht mehr so schlapp. Richard hatte diesen Tag gewählt, um seine Maskerade aufzugeben. Er gestand mir, dass nicht alles so gelaufen ist, wie er es sich erhofft hatte."
„Was genau hatte er sich erhofft?", fragte Dumbledore sanft, als Andrea eine Pause machte, um einen Schluck Tee zu trinken.
„Nun er wollte mich davon überzeugen, dass ich nur dann eine Chance hatte heil aus der Sache raus zu kommen, wenn ich dem Bund Zugang ins casa de anhelo gewähre."
„Und Sie haben es abgelehnt", nickte Dumbledore verstehend.
„Ja und nein! Ich sagte ihm, ich bräuchte Zeit um darüber nachzudenken, wie ich ohne meinen Portschlüssel in das Haus komme."
„Und was geschah dann?"
„Er sagte, dass wir diese Zeit nicht hätten, Voldemort ließe sich nicht länger hinhalten. Er hat einen Mann geschickt, der mich sehen und mir eine Botschaft Lord Voldemorts geben wollte."
„Was besagte diese Botschaft?", forschte Dumbledore, als Andrea erneut in Schweigen verfiel.
„Er…er…" Andrea brach erneut ab und schluckte schwer. „Voldemort musste wohl inzwischen eingesehen haben, dass man den Schutzbann dieses Hause nicht brechen kann und er wollte…er drohte…nun…ich sollte ihm freiwillig unterstützen, anderenfalls…"
„Was hat er dir angedroht", fragte Silver mit einem Ausdruck im Gesicht, als befürchte er das Schlimmste.
„Bitte, ich bin sehr müde, können wir die anderen Fragen nicht auf einen späteren Zeitpunkt verschieben?", sagte sie leise und kraftlos, während sie ein Stück tiefer unter ihre Bettdecke glitt.
Unwillkürlich musste Harry an seine eigene Befragung denken, als er Voldemort nach dem Trimagischen Turnier entkommen war. Dumbledore sagte damals: „Wenn ich glaubte, ich könnte dir helfen, indem ich dich in einen Zauberschlaf versetzte und es dir erlaube, den Zeitpunkt zu verschieben, an dem du daran denken musst, was geschehen ist, dann würde ich es tun. Aber ich weiß es hilft nichts. Den Schmerz eine Weile zu betäuben, heißt nur, dass er noch schlimmer ist, wenn du ihn schließlich doch spürst."
Demzufolge war Harry überrascht, als Dumbledore aufstand und zustimmend nickte.
„Ruhen Sie sich aus, Andrea. Es gibt sehr viele Frage die auf eine Antwort warten, doch keine ist so wichtig, dass sie nicht Zeit bis morgen hätte. Wenn Sie etwas möchten oder wir irgendetwas für Sie tun können, dann lassen Sie es uns wissen."
Andrea hatte noch immer die Augen geschlossen und Harry war sich nicht sicher, ob sie Dumbledores Worte überhaupt gehört hatte oder inzwischen eingeschlafen war. Mit leisen Schritten folgte er Sirius zur Tür, als Andrea hörbar die Luft einzog und ihn unwillkürlich zurücksehen ließ.
„Sie könnten etwas für mich tun, Professor", sagte sie zaghaft und öffnete langsam, als würde es ihr nur unter großer Anstrengung gelingen, die Augen. „Falls er es noch nicht weiß, so sagen Sie bitte Francesco Rasul, dass ich hier in Hogwarts bin und…und dass ich ihn gern sehen würde."
Für einen kurzen Moment schien Andreas Bitte jedem in diesem Raum erstarren zu lassen. Dumbledore und Silver tauschten besorgte Blicke, während Remus fassungslos auf Andrea starrte und Sirius, der inzwischen wieder seine Animagusgestalt angenommen hatte, niedergeschlagen den Kopf senkte. Lediglich Snape blickte kalt, wenn auch überrascht zu ihr hinüber. Nicht weniger unangenehm berührt wie alle anderen, sah Harry sich ratlos um, bis Sirius ihn kurzerhand mit der Schnauze anstupste und aus der Tür schob. Während Harry und Sirius bereits vor der Tür standen, ging Dumbledore mit langsamen Schritten zurück und wollte sich gerade erneut den Stuhl heran ziehen, als Andrea matt den Kopf schüttelte.
„Nicht nötig, Professor, ich verstehe auch so. Francesco ist tot, nicht wahr?"
Obwohl Harry Rasul nie näher kennen gelernt hatte und er ihm, von den wenigen Malen da er mit dem Mann zusammentraf, unsympathisch war, versetzte es Harry doch einen schmerzhaften Stich. Sirius hatte ihm erst vor einigen Tagen erzählt, dass sie die Leiche Rasuls in der Kanalisation von Carlisle gefunden hatten, aber erst jetzt, da Andrea den Wunsch geäußert hatte, Rasul zu sehen, wurde Harry bewusst, was dieser Tod für sie bedeuten musste. Auch wenn Andrea und Rasul die letzten Monate immer wieder unterschiedlicher Meinung waren, so änderte es doch nichts an der Tatsache, dass Rasul ihr Patenonkel war, sie ihn liebte und er wohl auch die einzige familiäre Bindung war, die Andrea in den letzten Jahren erlebt hatte. Harry konnte sehen, wie Dumbledore zögernd nickte und nach ihrer Hand greifen wollte, doch Andrea zog hastig den Arm zurück, als fürchte sie sich vor dieser Berührung.
„Es tut mir sehr, Andrea", seufzte der alte Zauberer leise und blickte sorgenvoll auf sie hinab. „Ich hätte Ihnen diesen Wunsch gerne erfüllt."
Harry mochte sich nicht ausmalen, was in diesen Augenblick in Andreas Innerem vor sich ging. Andrea tat ihm leid und er konnte sich nicht erinnern jemals so mit einem anderen Menschen gelitten zu haben, wie in diesem Augenblick.
„Möchte Sie, dass jemand von uns noch ein bisschen bei Ihnen bleibt?", hörte Harry Dumbledores leise Frage und er fühlte fast etwas wie Erleichterung, als Sirius ihn erneut anstupste. Er wollte hier weg, so schnell und so weit wie nur möglich, unwichtig wohin, nur diesem Schmerz entrinnen, der schlimmer wie jeder Cruciatus-Fluch in seinen Eingeweiden brannte.
„Ist mir egal", kam Andreas gleichgültige Antwort. „Gehen Sie oder bleiben Sie, es ist mir gleichgültig."
„Gut, dann würde ich sagen, Remus sollte Ihnen noch etwas Gesellschaft leisten", hörte Harry Dumbledores leise Antwort.
„NEIN!"
Andreas Aufschrei kam so laut, plötzlich und unvorhersehbar, dass nicht nur Harry erschrocken herumfuhr. Über Silvers Schulter hinweg konnte er sehen, dass Andrea kerzengerade im Bett saß. Die Augen weit aufgerissen, starrte sie Remus angstvoll entgegen, als hätte dieser soeben ein Messer gezogen, um damit auf sie einzustechen.
„Nein", wiederholte sie, wenn auch nun bedeutend leiser und schüttelte zur Bekräftigung ihrer Worte den Kopf. „Nein, es ist wirklich nicht nötig!"
Remus, der bereits einen Schritt auf ihr Bett zugegangen war, blieb erstarrt stehen und auch wenn Harry nur seinen Rücken sah, wusste er doch, dass Remus sie fassungslos anblickte.
„Bitte, ich…ich möchte jetzt wirklich allein sein", fügte Andrea mit bebender Stimme hinzu und wandte schuldbewusst den Kopf.
Dumbledore nickte nachdenklich und schloss, nachdem der Letzte das Zimmer verlassen hatte, behutsam die Tür. Langsam und mit bedächtigen Schritten, als müsse er sich erst im Klaren werden, wohin er eigentlich gehen wollte, durchquerte der alte Zauberer den Krankenflügel.
„Ich denke, ich liege richtig in der Annahme, dass die Frau nicht von selbst aufgewacht ist", erklang Snapes kalte Stimme plötzlich in die Stille hinein und Harry zuckte unwillkürlich zusammen. So aufgewühlt, wie er war, hatte er kurzfristig Snapes Anwesenheit vergessen und als Harry sich umdrehte, sah er, dass Snapes Worte an Silver gerichtet waren. Lauernd, wie eine Schlange die sich langsam an ihre Beute heran schlecht, blickte er Silver mit einem mehr als künstlichen Lächeln entgegen. „Was hat Sie veranlasst…"
„So überraschend es auch sein mag, doch Andrea kam von selbst zu sich", fiel Silver ihm ins Wort und wollte seinen Weg fortsetzen, doch Snape ließ nicht locker.
„Von selbst, ohne dass dem etwas Besonderes vorausging?" Snapes Oberlippe wanderte ein Stück in die Höhe und entblößten seine Zähne, doch als Lächeln war dies gewiss nicht einzustufen.
„Ohne, dass dem etwas Besonderes vorausging", wiederholte Silver seine Worte, während er dem Blick des Zaubertranklehrers gleichgültig begegnete.
Silver sprach diese Lüge mit so viele Überzeugung und Gleichmütigkeit aus, dass Harry, hätte er selbst es nicht besser gewusst, ihm sicher geglaubt hätte. So jedoch konnte er nicht verhindern, dass er seinen Lehrer einige Sekunden verblüfft anstarrte. Was sollte das? Silver wusste doch wohl besser als jeder andere hier im Raum, dass es Harrys ungewolltes Eindringen in Andreas Geist gewesen war, dass sie zurückgebracht hatte. Oder etwa nicht? Wie konnte er sich hinstellen und behaupten es wäre nichts Besonderes vorgefallen? Tief in Harrys Innerem rebellierte es, doch er wagte nicht Silver zu berichtigen und auch Remus schenkte diese Aussage scheinbar keine Beachtung.
Harry konnte nicht einschätzen, inwieweit Snape Silver glaubte oder nicht, denn als Snape sich von Silver ab und Dumbledore zuwandte, wirkte sein Gesicht gleichgültig, ja schon fast gelangweilt.
„Nun, wenn Sie meine Dienste nicht weiter benötigen, dann würde ich es vorziehen in mein Labor zurückkehren, dort gibt es weitere Tränke, die dringend meine Aufmerksamkeit erfordern."
„Selbstverständlich, Severus. Ich weiß Ihre Mühe zu schätzen", nickte der alte Zauberer und Snape rauschte, einer riesigen Fledermaus gleich, davon.
Dumbledore blickte ihm einige Sekunden versonnen nach, ehe er sich mit einem schweren Seufzen an Sirius und Remus wandte.
„Andrea hat Schreckliches erlebt und wir werden ihr Zeit lassen müssen, das Erlebte zu verarbeiten. Trotzdem gibt es vielleicht etwas, das wir für sie tun können", sagte er langsam. „Für euch beide habe ich daher eine besondere Aufgabe. Kommt bitte mit in mein Büro."
Sirius und Remus folgten Dumbledore wortlos nach außen. Harry wollte ihnen bereits folgen, als Silver ihm die Hand auf die Schulter legte und den Kopf schüttelte.
„Ich denke, wir beide sollten uns unterhalten", sagte er mit einem matten Lächeln und schob Harry sanft, aber mit Nachdruck aus dem Krankenflügel. „Ich würde sagen, wir reden in meinen privaten Räumen."
Harry nickte zögernd, während er beunruhigt seinem Paten hinterher blickte, der in diesem Augenblick um die Biegung des Ganges verschwand. Er hatte keine Vorstellung, worüber Silver jetzt mit ihm reden wollte und so konfus wie er sich fühlte war es ihm auch egal. Das Einzige, was ihn in diesen Augenblick interessierte, war, wohin Dumbledore Sirius schicken wollte.
„Was ist das für ein Auftrag?", kam daher auch Harrys prompte Frage, kaum dass sie Silvers Wohnraum betreten hatten.
„Nichts was dich sorgen müsste", seufzte Silver und ließ sich müde auf die Bodenkissen fallen. „Professor Dumbledore wird sie in die Muggelwelt schicken, um jemanden von Andreas Freunden zu finden. Wir haben bereits heute Nachmittag über diese Möglichkeit gesprochen."
„Kann sicher nicht schaden", nickte Harry, während er den magischen Flammen in Silvers Kamin zusah und unwillkürlich musste er wieder an die verbrannte Landschaft in Andreas Geist denken. „Ich befürchte, sie wird für die nächste Zeit von der Zaubererwelt die Nase voll haben."
„Das ist nicht auszuschließen", stimmte ihn Silver zu, während sich kurzfristig ein bitterer Zug um seinen Mund legte.
„Wieso hat Andrea ausgerechnet vor Remus so große Angst?", platzte es ungewollt heftig aus Harry hervor. „Ich meine sie waren…sie sind doch Freunde, Andrea hat ihm immer vertraut."
„Ich vermute, derzeit gibt es niemanden, den Andrea vertrauen und als Freund ansehen kann", seufzte Silver schwer. „Bisher haben wir nur eine sehr unklare Vorstellung von dem, was während Andreas Gefangenschaft mit ihr geschehen ist, doch angenehm war es sicher nicht."
Einige Minuten schwiegen sie, bis Harry diese Stille nicht mehr aushielt und er zögernd zu Silver aufsah.
„Warum haben sie gesagt, dass Andrea von selbst aufgewacht ist?"
„Weil sie das auch ist", entgegnete Silver ernst, während er ruhig Harrys Blick standhielt.
„Aber…ich dachte…"
„Dein Eindringen in ihren Geist, war vielleicht der Grund, doch die Entscheidung zu uns zurückzukehren hat Andrea selbst getroffen."
„Das ist Haarspalterei!"
„Nein, Auffassungssache!", widersprach ihm Silver gelassen.
„Dann war mein Einbrechen in Andreas Geist also nichts Besonderes?", fragte Harry und ohne selbst zu wissen warum, kochte Zorn in ihm hoch.
„Hm, wie man es nimmt", seufzte Silver ausweichend und rieb sich nachdenklich über die Stirn. „Für Menschen, die um deine besondere Fähigkeit wissen, ist dieser Vorfall sicher nichts Besonderes und für alle anderen, die nichts darüber wissen, sollte dieses Faktum vorläufig auch verborgen bleiben."
Harry antwortete nicht, dennoch musste sein Gesicht deutlich seine Verwirrung widerspiegeln. Sirius und Dumbledore wussten davon, Remus musste es zwangsläufig mitbekommen haben, blieb nur noch Snape…doch der war ebenfalls im Orden. Warum wollte Silver verhindern, dass der Zaubertranklehrer davon erfuhr?
„Ich vermute, du bist dir selbst darüber bewusst, dass du hier eine Begabung besitzt, die nicht sehr viele Menschen aufweisen können?", sagte Silver und Harry hatte den leisen Verdacht, dass Silver seine Verwirrung bewusst falsch deutete, denn nickte er nach einem Moment des Zögerns.
„Nun diese Gabe, ist sie erst einmal entwickelt, kann dir große Macht geben, sie erfordert aber auch große Eigenverantwortlichkeit. Die Tatsache, dass wir etwas können, heißt noch lange nicht, dass wir unsere Fähigkeiten unbekümmert einsetzen dürfen. Und…auch darüber solltest du dir bewusst sein - diese Gabe wird vielen Menschen, vor allem wenn sie nicht darauf vorbereitet sind, Angst machen."
„Ja, sie macht mir auch selbst Angst", gab Harry zu und rieb sich fröstelnd über die Arme, obwohl das Kaminfeuer neben dem er saß eine angenehme Wärme abstrahlte.
„Sie wird im Laufe der Zeit immer mehr Teil von dir werden, bis sie dir irgendwann so vertraut ist, wie deine Fähigkeit einen Besen zu fliegen."
„Mag sein", seufzte Harry schwer, auch wenn er sich dies, nicht wirklich vorstellen konnte.
Wieder entstand eine Pause, doch diesmal wurde sie Harry nicht unangenehm. Gedankenverloren sah er dem Spiel der Flammen zu, bis er es schließlich wagte die Frage auszusprechen, die ihn seit einigen Minuten mehr als alles andere beschäftigte.
„Ist es diese Gabe, die mir die Fähigkeit gibt Voldemort zu besiegen? In der Prophezeiung heißt es, dass ich eine Macht besitze, die Voldemort nicht kennt."
„Nun die Technik in den Geist eines anderen Menschen einzudringen kennt Voldemort sehr genau, dennoch könnte diese Gabe dir sehr hilfreich sein. Diese Prophezeiung stellt ein Mysterium dar, dessen Auflösung in der Zukunft auf uns wartet und vermutlich bedarf es mehr als diese Fähigkeit gegen Voldemort zu bestehen."
„Aber wie kann ich das lernen, wie soll ich diese Fähigkeit entwickeln? Ich meine, es war ja schließlich nicht so, dass ich beschlossen habe in Andreas Geist einzudringen. Es ist von selbst passiert und ohne Ihre Hilfe wäre ich vermutlich immer noch dort", stöhnte Harry und eine Welle der Verzweiflung krallte sich in seine Herz.
„Grundlage ist es, seinen Geist zu disziplinieren zu können, gleichzeitig, vielleicht sogar noch wichtiger, ist seine Flexibilität. Genau wie bei Occlumency ist auch hier die Fähigkeit von einem feinen Gespür und einer gewissen Vorstellungsgabe erforderlich. Solange dein Geist noch starr und träge reagiert, solange du sein Wirken mit den Eigenschaften der festen Materie deiner Umgebung gleichsetzt, solange wirst du diese Macht nicht beherrschen können."
„Sie sagen das so leicht, aber…"
„Nein, kein ABER! Du kannst es, wenn du nur fest genug an dich selbst glaubst."
Vielleicht war es Silvers selbstsicherer Ton oder die Tatsache, dass sein Gehirn keine weiteren Kapriolen aushielt, der all die aufgestauten Gefühle der letzten Stunden und Tage zur Explosion brachte.
„Nein, ich kann es eben nicht!", schrie Harry und stand mit einem Satz auf den Füßen. Mit einem Mal schien es kein Halten mehr zu geben. Während noch immer das Bild von Andreas verwüsteter Seelenlandschaft frisch in seinem Gedächtnis brannte, funkelte er Silver vor Zorn bebend an und die Worte sprudelten aus seinem Mund, als hätte sein Gefühl hier endlich das heiß ersehnte Ventil gefunden.
„Kapieren Sie das nicht? Mir wird das alles zuviel, ich kann nicht mehr, ich weiß nicht mehr wo mir der Kopf steht und ich hab Angst, dass ich irgendwann durchdrehe! Jeder erwartet von mir, dass ich stark bin, klar - schließlich bin ich ja der Einzige der Voldemort besiegen kann. Aber gleichzeitig erwarten sie auch, dass ich immer der nette, aufmunternde Kumpel bin, der mit seinen Freunden alle Geheimnisse teilt. Nach Möglichkeit sollte ich immer gute Laune haben, mit meinen Hauskameraden dem Quidditchspiel entgegenfiebere und mein Bestes gebe, damit Gryffindor diesen dämlichen Hauspokal gewinnt. Was außerhalb der Toren von Hogwarts passiert ist ja auch so weit weg, dass es mich unmöglich berühren könnte. Oh ja und nicht zu vergessen, ich bin ein Gryffindor und genau deshalb erwartet man von mir dass ich mutig bin und zuversichtlich in die Zukunft sehe, doch für mich sieht diese Zukunft verdammt noch mal nicht rosig aus!
Und niemand, wirklich niemand stellt sich die Frage, wie es in meinem Inneren aussieht! Niemand fragt mich, wie es ist in ständiger Angst um seine Freunde zu leben, wie es sich anfühlt in einem Bett zu schlafen, von dem man weiß, dass seine Schlange darin umgebracht wurde und man selbst noch nicht einmal sagen kann, wer dafür verantwortlich ist. Klar es war ja auch nur eine Schlange! Aber diese Schlange kam mit nach Hogwarts, weil sie mich mochte und bei mir sein wollte und deshalb und nur deshalb ist sie jetzt tot! Aber Sölämen war ja nur eine Schlange, nichts worüber man sich groß Gedanken machen muss. Oder glauben Sie irgendjemand käme mal auf die Idee zu fragen, wie ich damit klarkomme, dass ich lange Zeit dachte, mein Paten wäre in der Mysteriumsabteilung nur wegen mir gestorben? Natürlich, Sirius ist zurück, doch das ändert nichts daran, dass ich einen verdammten Schieß habe, genau das Gleiche könnte noch einmal passieren. Jedes Mal, wenn Sirius sich verabschiedet denke ich, dass dies das letzte Mal sein könnte, dass ich ihn sehe. Das ist ein Scheißgefühl und ich weiß nicht wie ich damit umgehen soll. Jede Nacht liege ich in meinem Bett und überlege, was ich tun soll oder ob es überhaupt etwas gibt, das ich tun kann, nur um mir immer wieder einzureden, dass es für den Moment das Sinnvollste ist einfach abzuwarten. Doch sinnvoll wofür? Dafür, dass noch mehr Menschen sterben? Oder sich irgendwann in einem ähnlichen Zustand wie Andrea zu befinden? Klar wird jetzt bestimmt jemand sagen, sie hat einfach Pech gehabt, aber so einfach ist das für mich nicht! Andrea hat doch mit der ganzen Sache nur deshalb was zu tun hat, weil sie mir zufällig im Sommer über den Weg gelaufen ist? "
Harry schluckte schwer, in seine Augen brannten Tränen und er wandte sich mit einem verzweifelten Ruck ab. Hinter sich hörte er, wie Silver aufstand, neben ihn trat und fühlte dessen Hand auf seiner Schulter. Dennoch dauerte es eine geraume Zeit bis Silver zu sprechen begann.
„Es ist erschreckend wie viele Parallelen es in euer beider Leben gibt. Bei Andrea ist es das alte Erbe, dass ihr Leben von Geburt an bestimmt hat und bei dir ist es die Prophezeiung. Keiner von euch beiden hat darum gebeten diese Bürde zu tragen, dennoch ist es euer Schicksal und so sehr jeder von euch beiden damit hadert, ihr werdet es nicht ändern können."
Silver zog hörbar die Luft ein und Harry konnte nicht anderes, als sich zu ihm umzudrehen. Bei allem was Silver hätte sagen können, waren diese Worte vermutlich das Letzte was Harry erwartet hatte. Kein Versuch die Situation zu beschönigen, keine Ausflüchte in wohlgemeinte Aufmunterungen, ja noch nicht einmal ein Widerspruch, dass es sehr wohl Menschen gäbe, die sich Gedanken um sein Empfinden machten; ein Widerspruch, der wie Harry sich selbst eingestehen musste, sogar gerechtfertig wäre. Silver stand einfach nur da und blickte ihn mit einer Mischung aus Trauer, Schmerz und noch etwas anderem unbekannten an und plötzlich verstand Harry, dass er wohl nicht der Einzige war, der in dieser Situation litt.
„Es tut mir leid, ich wollte Sie nicht so anbrüllen", sagte Harry und wich dem Blick seines Lehrer aus und plötzlich war der Zorn genauso schnell verraucht, wie er entstanden war und Harry fühlte sich nur noch müde „Sie haben sie auch gesehen…diese Trostlosigkeit in Andreas Gedankenwelt, nicht wahr?
„Ja", seufzte Silver schwer.
„Woher kommt das? Ich meine…ich dachte, man könnte im Geist eines anderen Menschen immer nur Bilder sehen, die Erinnerungen widerspiegeln, doch das kann doch unmöglich eine Erinnerung sein?"
„Das ist nur zum Teil richtig", erklärte Silver und deutete ihm durch eine Kopfbewegung an sich wieder zu setzten. „Der menschliche Geist arbeitet mit Bildern, das heißt Erinnerungen an vergangene Erlebnisse werden in Bildform abgespeichert. Es gibt aber auch Erinnerungen, denen kein direktes Erleben vorausging. Auch wenn wir zum Beispiel ein Buch lesen, entstehen in unserem Kopf Bilder."
„Oder die Erinnerung an einem Muggelfilm", nickte Harry verstehend, während er sich Silver gegenüber setzte. „Und Sie denken, dass es so etwas ist?"
„Ich vermute es, auch wenn ich dir nicht sagen kann, warum Andreas Geist ausgerechnet von diesen Bildern bewegt wird."
„Aber wie bin ich da hineingekommen? Ich kann mich nur noch daran erinnern, dass ich an ihrem Bett saß."
„Durch deine aufgewühlten Gefühle", sagte Silver mit einem Gesichtsausdruck, als würde dies doch ganz offensichtlich auf der Hand liegen, doch Harry war es nicht so klar.
„Wie meinen Sie das?"
„In dem Moment, da du sehr aufgewühlt bist, setzt für kurze Zeit das aus, was wir als logisches Denken bezeichnen und… was deinen Geist für gewöhnlich in Fesseln legt. Zorn, Glück, Angst, all das sind starke Gefühle, die manchmal sogar mächtiger sind, als die Ketten mit denen du deinem Geist an seiner Beweglichkeit hinderst."
„Aber Sie sagen doch immer, dass ich lernen muss, meine Gefühle unter Kontrolle zu bekommen", entgegnete Harry mit einem erneuten Anflug von Zorn.
„Kontrolle ist nicht gleichzusetzen mit Fesseln, verwechsle das nicht, Harry! Jedes Gefühl, egal ob wir es nun als positiv oder negativ einstufen, hat seine Berechtigung. Ausschlaggebend ist nur die Art, wie du mit diesen Gefühlen umgehst. Du kannst deine Gefühle mit einem sehr temperamentvollen Pferd vergleichen; fesselt du es, dann hindert du dieses Pferd an seiner Bewegungsfreiheit, doch wenn es dir gelingt es zu kontrollieren und zu lenken, kannst du dir sein Temperament nutzbar machen und es wird dich tragen wohin du möchtest."
„Hm…als ich an Andreas Bett saß, war ich ziemlich sauer und frustriert."
„Um bei dem bildhaften Vergleich zu bleiben; deine Gefühle sind mit dir durchgegangen und haben deinen Geist in Andreas Gedankenwelt getragen", erklärte Silver mit dem Ansatz eines müden Lächelns.
„Ja, aber von dort wäre ich allein nicht mehr raus gekommen!"
„Doch, das wärst du ganz sicher, auch wenn es vermutlich noch eine ganze Weile gedauert hätte", seufzte Silver schwer und plötzlich war es Harry, als würde ein dunkler Schatten über Silvers Gesicht wandern.
„Aber Sie haben trotzdem eingegriffen, weil sie verhindern wollten, dass ich mit Andrea geistig Kontakt aufnehme", mutmaßte Harry, während sich für ihn langsam die Teile zu einem Bild zusammen fügten.
„Ja! Ich konnte nicht einschätzen wie Andrea auf dich reagieren würde und ich befürchtete…wir könnten sie verlieren", gestand Silver zögernd, dennoch konnte Harry nicht die leiseste Spur eines Vorwurfs in seiner Stimme erkennen.
„Hab ich…hab ich ihr damit zusätzlich Gewalt angetan?", fragte Harry zögernd.
„Ich denke nicht, andernfalls wäre ihre Reaktion sicherlich heftiger ausgefallen und vor allem was noch wichtiger ist, sie hätte sich nicht entschlossen aufzuwachen."
„Sie meinen, Andrea wollte aufwachen und ich hätte sie gar nicht geweckt?", fragte Harry mit einer Mischung aus Erleichterung und Verblüffung.
„Ich würde es eher so bezeichnen, du hast sie aus ihrer Lethargie gerissen. Als Sirius und Remus Andrea vor einigen Tagen nach Hogwarts brachten, da war sie völlig außer sich, sie hat getobt und schien sich durch nichts und niemanden beruhigen zu lassen. Professor Dumbledore hat sie in einem Zauberschlaf versetzt, um ihr so die nötige Ruhe zu verschaffen und wir gingen alle davon aus, dass Andrea in ein paar Stunden oder spätestens am folgenden Tag wieder aufwachen würde, doch das tat sie nicht. Der Grund dafür lag aber nicht in der Tatsache, dass sie es nicht konnte, sondern vielmehr, dass sie es nicht wollte."
„Aber warum wollte sie es jetzt?"
„Das liegt vermutlich an deiner Person, Harry. Andrea fühlte sich schon immer sehr mit dir verbunden, sonst hätte sie wahrscheinlich auch nicht das Herzstück ihres Salomonschilds an dich weitergegeben."
„Weil wir ein ähnliches Schicksal teilen?"
„Möglich! Ich denke sogar, dass Andrea auf dich bezogen ähnliche Überlegungen anstellt, wie du umgekehrt auf sie. Du denkst, dass es deine Schuld ist, dass Andrea in diese Situation geraten ist und Andrea wird sich vermutlich Gedanken machen, dich in etwas hineingezogen zu haben, was eigentlich nicht deine Aufgabe ist und dich nur zusätzlich belastet. Auch wenn Andrea es nie klar ausgesprochen hat, doch sie gibt sich die Schuld am Tod deiner Runespoor."
„Das ist doch Unsinn!", ereiferte sich Harry verstummte jedoch einen Augenblick später und verfiel in nachdenkliches Schweigen. Ganz so unsinnig war es nicht, denn hätte er nicht das Herzstück besessen, wäre vermutlich auch niemand in seinen Schlafsaal eingedrungen, doch noch ehe Harry diesen unangenehmen Gedanken weiter führen konnte redete Silver weiter.
„Manchmal begegnen wir Menschen, die unserem Leben eine neue Wendung geben und niemand weiß vorherzusehen, was wirklich geschehen wäre, hätte dieses Zusammentreffen nie stattgefunden. So unterschiedlich ihr beide als Menschen auch seid, so ähnlich ist doch das, was das Schicksal euch als Aufgabe zugeteilt hat. Ohne dass es irgendjemand geplant hätte, haben sich hier eure Schicksalsfäden verstrickt und ich für meinen Teil denke, dass darin wohl auch irgendein tieferer Sinn liegen muss."
„Wir haben einen gemeinsamen Feind, den sich keiner von uns beiden ausgesucht hat, das ist richtig, doch ich wüsste nicht, wie ich Andrea helfen könnte, obwohl ich es wirklich gern tun würde."
Eine neue Welle der Verzweiflung machte sich in Harry breit. Er wollte Andrea wirklich helfen, nicht nur weil sie Sirius Rückkehr ermöglicht hatte. Tief in seinem Inneren spürte auch er diese Verbundenheit, von der Silver gesprochen hatte.
„Hab Geduld, Harry! Alles im Leben hat seine Zeit und wenn es sein soll, dann wirst du auch einen Weg finden, Andrea zu helfen."
Harry wusste nicht was er darauf antworten konnte oder sollte. Sicherlich hatte Silver in Vielem Recht, dennoch fiel es ihm schwer, einen tieferen Sinn in dieser Verbindung zwischen ihm und Andrea zu sehen.
Harry verabschiedete sich, um in den Gryffindorturm zurückzukehren. Auch wenn noch immer viele Fragen offen blieben, so hatte die Unterhaltung mit Silver doch eine seltsame Wirkung. Auch wenn er es nicht für möglich gehalten hätte, doch es ging ihm besser. Etwas wie Zuversicht keimte hoch, nicht stark genug alle schwarzgrauen Wolken des Nachthimmels zu vertreiben, doch als Harry den Gryffindorturm hochstieg und aus dem Fenster sah, erschienen ihm die hell aufleuchtenden Sterne zwischen den schwarzen Wolken fast wie kleine Hoffungsschimmer. Auch wenn es noch dauern würde, bis er wieder Tag wurde und er die Sonne sehen konnte, so war es doch ein beruhigendes Gefühl, sie im steten Kreislauf des Sonnensystems auf der anderen Seite der Erdkugel zu wissen.
Fortsetzung folgt…
Autornote: Ich bin in den Reviews immer wieder gefragt worden, wie viele Kapitel diese FF noch haben wird – darum hier eine allgemeine Antwort dazu: Also, geplant hatte ich diese FF mit ca. 50 Kapitel zu beenden, doch wie ihr bei lesen vielleicht selbst bemerkt habt, werden es, um den größten Teil euerer Fragen auch beantworten zu können, ein paar Kapitelchen mehr werden. Wie viele kann ich selbst nicht ganz einschätzen. Diese FF ist komplexer geworden, als ich sie ursprünglich geplant hatte und daher muss ich euch noch um ein bisschen Geduld bitten.
Review-Antworten:
GünniDanke, den stressfreien Arbeitsbeginn hatte ich tatsächlich – oh Wunder! Mit deiner Einschätzung liegst du schon ganz richtig! ;-)
LinadellDanke für dein großes Lob! Was deine Frage zu dem Binden der FF als Buch angeht – Nun grundsätzlich gilt bei allen FF´s, dass sie keinen kommerziellen Zweck dienen, das heißt, ich darf und möchte damit auch kein Geld verdienen. Nichts desto trotz steht es natürlich jedem frei die Kapitel runter zu laden und dies für sich auch binden zu lassen. Meine Tochter entwirft derzeit für mich ein Deckblatt, da ich mir die Geschichte als Erinnerungsstück für mich binden lassen möchte. Wenn du möchtest sag mir bescheid, dann kann ich dir dieses Cover gern zukommen lassen, doch bitte hab Verständnis, dass ich die Story nicht in größeren Umfang binden und weitergeben werde. Das Risiko damit irgendwelche Vertragsrechte zu verletzen ist mir einfach zu hoch. Dies ist einfach nur einen Fanfic, deren Kern aus dem besteht, was JKR als ihr persönliches Gedankengut bezeichnen darf. Natürlich freu ich mich sehr über deine Frage, denn was für ein größeres Lob könnte ein FF-Autor bekommen, als diese Frage nach dem gebunden Gesamtwerk!
TruemmerlotteHab ich dich wirklich so ins Schwitzen gebracht? Freue mich sehr, dich mit dem Kapitel glücklich gemacht zu haben – das macht auch mich sehr glücklich und zufrieden! gggg
MegagirliWie auch bei Trümmerlotte, ich freu mich riesig, dass ich euch mit meinen Kapiteln glücklich mache! „Sternchen strahlt jetzt auch mit"
Insa Black: Die Kapitelabstände sind immer etwas unterschiedlich, weil sie von meinem, mal mehr mal weniger stressigen Alltag abhängig sind, doch ich bemühe mich, dass ihr nicht länger als 14 Tage auf das neue Kapitel warten müsst.
Fluffy Bond: Na ich denke, deine Fragen wurden in dem neuen Kapitel beantwortet, oder? ;-)
ReasonAch so böse war doch der Cliffhanger gar nicht! ;-)
Lord Slytherin: Denke mal dieses Kapitel ist die Antwort! gggg
Anne: Ja, ich beeil mich! ;-)
ArwenNein, Silver war nicht in Askaban, soviel kann ich dir schon mal verraten! ;-)
Kaori: Danke für dieses tolle Kompliment!
Andrea Lupin: Bitte gern geschehen! Konnte sie doch nicht auf Dauer schlafen lassen. ;-)
Torence: Schön, dass du mich nach dem fest Knuddeln auch wieder los lässt, hätte mir sonst wirklich schwer getan mit dem Weiterschreiben! ggg Danke für Kaffee und Kekse, damit geht das Schreiben gleich noch mal so flott voran!
michi-sky Klar darfst du die Hoffnung behalten, doch mehr kann ich noch nicht verraten.
Rapunzelou:Vielen, vielen Dank für dein Lob! Und ich freu mich für dich, dass dein PC wieder funktioniert. Wie du in diesem Kapitel gelesen hast, war deine Beobachtung richtig, dass Harrys Eindringen in den Geist eines anderen Menschen von seinen Gefühlen abhängig ist. Hoffe meine Erklärung in diesem Kapitel war auch nachvollziehbar. Ganz liebe Grüße in das ferne Kanada!
X-RayAber klar, mach ich doch gern!
HexeLeaVielen Dank für dein Lob! Tja, wie es nun mit Andrea weiter geht wirst du in den nächsten Kapiteln lesen, verraten möchte ich hier noch nichts. ;-)
Ming: Danke, dass du dich so bemüht hast die Review doch noch abzuschicken. FFnet hatte in der letzten Woche da wohl ein paar Serverprobleme.
FrielEin gutes Argument, dass ich mich beeilen soll! ggggHoffe du hattest einen schönen Urlaub!
sunnymaus2180: Ja, ich war schon mal dort, doch das ist sehr lange her! Sollte ich vielleicht demnächst mal wiederholen. Was die Wartezeit angeht – nun ich bemühe mich, doch oft ist es einfach von den äußeren Umständen abhängig, die meiner Schreiberei manchmal einen Strich durch die Rechnung macht. Danke für die Kekse!
PiedokiusFreut mich, dass mein Story deinen Alltag verschönert!
So nun hoffe ich, dass ich niemanden vergessen habe, falls doch, bitte nicht böse sein, war bestimmt keine Absicht!
Liebe Grüße bis zum nächsten Mal!
Eurer Sternchen
