An: So es hat lange gedauert, doch hier ist es nun….
51.
Ein paar Minuten später hatten Harry und Ron den Nordflügel erreicht. Sie passierten soeben die Treppe, die das dritte und vierte Stockwerk miteinander verband, als Harry so abrupt stehen blieb, dass Ron, der unter dem Tarnumhang direkt hinter ihm lief, auf ihn prallte.
„Was denn jetzt?", flüsterte er und Harry wusste, auch ohne dass er es sah, dass Ron die Augenbrauen nach oben zog.
„Mensch, warum bin ich da nicht gleich drauf gekommen? Ich weiß jetzt, was Ted Moran im vierten Stock gesucht hat!", antwortete Harry ebenso leise und hielt die Karte der Rumtreiber in die Höhe. „Als Fred und George mir die Karte gaben, erzählten sie mir von den Geheimgängen. Dort oben im vierten Stock befindet sich ein Geheimgang, allerdings meinten Fred und George damals, der wäre nicht zu gebrauchen, weil seine Decke eingestürzt ist."
„Und du meinst Moran weiß von dem Gang?", fragte Ron skeptisch.
„Wäre doch möglich, oder?"
„Hm, ja", gab Ron zögernd zu. „Neugierig wie die Slytherins sind, hätten die den schon irgendwann mal entdecken können."
Harrys verkiff es sich, Ron darauf aufmerksam zu machen, dass sie als Gryffindors wohl nicht weniger neugierig waren und versuchte sich stattdessen daran zu erinnern, von welcher Stelle genau dieser Geheimgang wegging. Da er jedoch mit Ron zusammen unter dem Tarnumhang steckte, war es unmöglich während des Laufens darauf nachzusehen. Seine Vermutung bestätigte sich jedoch, als sie auf Hermine trafen, die unschlüssig vor einer Nische stand und mit den Händen deren Ränder abtastete.
„Hallo Hermine", flüsterte Harry und legte ihr sacht die Hand auf die Schulter.
„Verdammt, Harry! Lass das!" Hermine fuhr herum und blitzte zu der Stelle, an der sie Harrys Kopf vermutete. „Musst du mich so erschrecken? Du weißt dass ich das überhaupt nicht lustig finde?"
„Entschuldigung bitte!", sagte Harry leise und zog den Tarnumhang vom Kopf. Eine Entschuldigung, die mit dem Grinsen, das sich auf seinem Gesicht zeigte, allerdings nicht besonders glaubwürdig klang.
Hermine verdreht ärgerlich die Augen, wandte sich dann jedoch sofort wieder stirnrunzelnd der Nische zu. „Hier muss irgendwo ein verborgener Durchgang sein, ich habe ganz deutlich gesehen, dass er hier in dieser Nische verschwunden ist", sagte Hermine, wobei es eher so klang, als würde sie mit sich selbst sprechen.
„Moran? Redest du von ihm?", fragte Ron während er zweifelnd von der massiven Steinwand zu Harry sah, der in diesem Augenblick die Karte der Rumtreiber zu Rate zog.
„Ähm…ja", seufzte Hermine und wandte sich resignierend um. „Haltet mich jetzt nicht für überdreht, doch hier geht was vor, was bestimmt nichts mit dem normalen Schulalltag zu tun hat."
„Wie meinst du das?", fragte Harry und blickte sich nach allen Seiten um, doch sie waren die einzigen, die sich zu diesem Zeitpunkt im Korridor befanden.
„Ron hat dir sicher erzählt, dass ich mit Ted reden wollte", sagte Hermine und fuhr, ohne Harry die Chance einer Antwort zu lassen, unbeirrt fort. „Als ich Ted in der Bibliothek suchte, bemerkte ich, dass er sich hinter den Regalreihen versteckte und zwei Ravenclaws beobachtete, die wiederum mit Hilfe von einem Paar Langzieherohren versuchten Silver zu belauschen, der mit Madam Pince in der verbotenen Abteilung nach einem bestimmten Buch suchte. Das wirklich seltsame war aber, dass plötzlich Malfoy auftauchte und auf sein Zeichen hin Anne Smith einen Ohnmachtsanfall vertäuschte. Es gab einen ziemlichen Wirbel und während Silver und Madam Pince sich um Smith kümmerten hat Malfoy das Buch, das Silver zur Seite gelegt hatte, mit einem Anrufzauber herbeigeholt und es Ackerley gegeben. Ja und der ist dann mit dem Buch verschwunden und Ted ihm hinterher."
„Ackerley macht gemeinsame Sache mit den Slytherins?", sagte Ron verdutzt und wandte sich Harry zu. „Kann ich mir nicht vorstellen."
„Das überrascht mich irgendwie nicht", entgegnete Harry, während er gleichzeitig auf der Karte nach dem Punkt mit dem Namen Luca Ackerley absuchte. „Ich hab schon seit ein paar Wochen das Gefühl, dass mit dem was nicht stimmt. Während der DA-Stunden zieht er eine ziemliche Show ab, von wegen er könne keine Schutzzauber oder ähnliches."
„Richtig das sagtest du schon", nickte Hermine nachdenklich.
„Und was ist dann weiter geschehen?", fragte Ron ungeduldig, wieder an Hermine gewandt.
„Nun ich hab versucht Ted so unauffällig wie möglich zu folgen. Zwischen dem dritten und vierten Stock kam mir aber eine Meute Erstklässer entgegen, so dass ich ihn fast aus den Augen verloren hätte. Als ich an ihnen vorbei war, konnte ich gerade noch sehen wie Ted in dieser Nische hier verschwand."
„Ackerley ebenfalls?"
„Mensch Ron, hörst du mir nicht zu? Ich sagte ich hatte Probleme damit Ted nicht aus den Augen zu verlieren; ich hab keine Ahnung, ob Ackerley ebenfalls in diese Nische verschwunden ist", entgegnete Hermine gereizt.
„Ich kann weder Moran noch Ackerley auf der Karte finden", sagte Harry und kam damit einer hitzigen Entgegnung Rons zuvor. „Ich seh sie aber auch nicht in dem Geheimgang."
„Du kennst diesen Geheimgang?", fragte Hermine überrascht und trat näher an Harry heran, um ebenfalls in die Karte sehen zu können.
„Ja, Fred und George erzählten davon, allerdings meinten die beiden damals, dass er unbrauchbar wäre. Vermutlich hat Ackerley den Geheimgang benutzt und Moran ist ihm hinterher", spekulierte Harry und fuhr mit dem Finger die feine Linie nach, die den Verlauf des Geheimgangs anzeigte.
„Aber warum sind sie dann nicht auf der Karte zu sehen?", warf Ron skeptisch ein.
„Entweder zeigt die Karte nicht die Personen in diesem Gang an oder was ich für wahrscheinlicher halte, sie sind mittlerweile schon zu weit weg", meinte Harry.
„Das denke ich auch", nickte Hermine.
„Lasst uns reingehen", sagte Harry entschlossen und zog seinen Zauberstab.
„Wie willst du da reinkommen?", seufzte Hermine und blickte wieder zweifelnd auf die steinerne Wand.
„Hier schau!", sagte Harry und deutete auf die kleine Tintengestalt mit dem Zauberstab in der Hand. „Minotaurus", stand in einer kleinen Sprechblase daneben.
„Nettes Passwort", seufzte Hermine mit einem schrägen Grinsen. „Ich hoffe mal, uns begegnet darin kein Ungeheuer."
„Häh? Wieso das?", fragte Ron verständnislos, doch Hermine winkte ungeduldig ab, als Harry im selben Augenblick mit seinem Zauberstab gegen die Seine der Wand klopfte.
„Minotaurus", sagte er leise aber deutlich und Sekunden später schob sich eine quadratische Fläche an Steinen nach vorn und glitt zur Seite. Direkt vor ihnen offenbarte sich ein schmaler, gerade mal mannshoher Durchgang. Im schwachen Licht des Korridors konnten sie nun einen engen Gang dahinter erkennen. Sand rieselte von der Decke und einige Meter entfernt konnten sie sehen, dass ein Teil der Wand eingestürzt war.
„Sieht nicht sehr einladend aus", seufzte Ron, war jedoch der Erste, der einen Schritt nach vor ging und durch die Öffnung trat.
Harry und Hermine folgten ihm und kaum, dass sie in dem engen, staubigen Gang standen, schloss sich hinter ihnen auch schon wieder die Steinwand und pechschwarze Dunkelheit umgab sie.
„Lumos", flüsterten sie, wie aus einem Mund und nun konnten sie im Licht ihrer Zauberstäbe sehen, dass der Gang bereits nach wenigen Metern breiter wurde und treppenartig steil nach unten führte.
„Moran hat einen gewaltigen Vorsprung, wenn wir ihn einholen wollen, sollten wir uns beeilen", sagte Harry und steckte die Karte zurück in seine Tasche.
„Gute Idee", brummte Ron, der gerade mit säuerlichem Gesicht unter einem Spinnennetz hindurch ging. „Wir wollen doch nicht länger als nötig die netten Bewohner dieses Korridors stören."
Hermine nickte während sie mit einem letzten angeekelten Blick auf die dicken schwarzen Käfer, die eben ihren Weg kreuzten, einen Schritt schneller ging. Einige Minuten folgten sie schweigend dem Verlauf des Geheimgangs, der, je weiter sie gingen, immer feuchter und muffiger wurde, dafür nahm die Anzahl von Getier, welches ihnen unterwegs begegnete, ab.
„Hast du eine Ahnung, wohin dieser Gang führen könnte", fragte Hermine nach einigen Minuten.
„Nein nicht die Geringste", sagte Harry und verlangsamte seine Schritte, „doch seht, hier ist die Stelle von der Fred und George sagten, dass es nicht weitergehen würde."
Eine scheinbar undurchdringliche Wand aus Geröll, Schutt und Erde versperrte den Gang. Es war offensichtlich, dass hier bereits vor Jahren ein Teil der Decke eingestürzt war und so den Durchgang versperrte.
„Irgendwo muss es hier weitergehen", brummte Harry, während er stehen blieb und mit den Augen den Geröllberg absuchte.
„Moran kam jedenfalls durch, also muss es eine durchgängige Stelle geben", nickte Ron und stieg über die vordersten Gesteinsbrocken hinweg. „Es sei denn er wäre hier appariert… was, wie wir immer wieder von Hermine bestätigt bekommen, hier in Hogwarts nicht funktioniert," fügte er mit einem Grinsen und einem schrägen Seitenblick auf Hermine hinzu.
„Da oben!", stieß Harry aus und deutete mit dem Lichtkegel seines Zauberstabs auf einem Punkt unterhalb der Decke.
Auf der rechten Seite, waren klar Spuren zu erkennen, die jemand hinterlässt, der in Eile einen feuchten Abhang hochklettert und dabei immer wieder abrutscht.
„Los beeilt euch!", rief Harry, der leichtfüßig den Geröllberg nach oben kletterte, seinen Freunden zu. „Hier geht es weiter!"
„Bin ich eine Gämse?", hörte er Hermine murren, doch als er sich nach ihr umdrehte, befand sie sich bereits gleicher Höhe mit ihm.
Was von unten wie ein ovaler Schatten gewirkt hatte, offenbarte sich nun als eine runde Öffnung zwischen der rechten Seitenwand und Decke.
„Hier hat sich jemand große Mühe gegeben den Gang wieder frei zu bekommen, ohne dass man dies von unten sofort sieht", sagte Harry nachdenklich und steckte den Kopf vorsichtig in den niedrigen Durchgang.
Vor ihnen erstreckte sich ein mehrere Meter langer und enger Tunnel, gerade hoch genug, dass ein erwachsener Mensch auf allen Vieren durchkriechen konnte.
„Ich hoffe mal, dieser Jemand hat sich genauso viel Mühe gegeben, dafür zu sorgen, dass uns nicht beim durchkrabbeln die Decke auf den Kopf fällt", stöhnte Hermine und kniete sich skeptisch neben Harry, der in diesen Augenblick mit dem Zauberstab den Tunnel ausleuchtete.
„Moran kam hier auch unbeschadet durch, also sollten wir das auch schaffen", sagte Ron, mit wenig Überzeugung in der Stimme.
„Richtig!", nickte Harry und blickte zurück zu seinen Freunden. „Ich würde vorschlagen, dass wir nacheinander durchkriechen.
„Einverstanden!", nickten Ron und Hermine gleichzeitig, als Harry auch schon in der Öffnung verschwand.
Das hindurchkrabbeln ging einfacher, als es von außen gewirkt hatte und so dauerte es nicht lange, da hatte Harry das Ende des Tunnels erreicht und rutschte auf der anderen Seite den Geröllberg nach unten. Er musste nicht lange warten, da erschien auch Hermines Kopf in der Öffnung.
„Weißt du was ich denke?", „sagte Hermine, als sie neben ihn ankam und sich den Schmutz von der Robe klopfte und auf Ron wartete. „Dieser Durchgang hier wurde von jemanden freigelegt, der genau wusste wohin dieser Geheimgang vor seinem Einsturz geführt hat."
„Ja, sonst hätte er sich bestimmt nicht die Mühe gemacht, sondern nach einem anderen Weg aus dem Schloss gesucht ", nickte Harry langsam und blickte sie fragend an.
„Nun, die Einzigen, von denen wir definitiv wissen, dass sie diesen Geheimgang kannten, waren die Rumtreiber und bestimmt wussten sie auch, wohin dieser Gang führte; ich meine… es wäre doch möglich, dass es Pettigrew war, der diesen Gang vor kurzem wieder freigelegt hat."
„Hm….würde Sinn machen", grübelte Harry, während er sich misstrauisch dessen weiteren Verlauf ansah. „Auch die Tatsache, dass der freigelegte Tunnel so gut getarnt war würde dafür sprechen."
„Wieso sollte er das tun? Als Ratte war es für ihn sicher kein Problem diesen Gang auch im eingestürzten Zustand zu passieren", sagte Ron zweifelnd.
„Es sei denn, er hat ihn nicht für sich selbst freigelegt, sondern für jemanden, der sich nicht in einen Animagus verwandeln konnte", erklärte Harry und runzelte die Stirn.
Ron zog scharf die Luft ein, während Hermine zustimmend nickte. „Jemanden der von außen unbemerkt in die Schule gelangen wollte, oder…" Hermine brach ab und zog fröstelnd die Schulter an.
„Los kommt weiter, lasst uns nachsehen wo er endet", sagte Harry und setzte sich erneut in Bewegung.
Je weiter sie den Gang nach unten stiegen, desto feuchter wurde der Boden, bis die Stufen plötzlich endeten und Weg waagerecht weiter führte. Harry vermutete, dass sie sich ganz in der Nähe des Sees befinden mussten, als ihnen ein matter Lichtschein das Ende des steinernen Korridors zeigte.
„Lasst uns lieber den Tarnumhang benutzen", flüsterte Hermine und löschte, ebenso wie Harry und Ron, das Zauberstablicht. Obwohl sie leise sprach, konnte Harry deutlich das Zittern aus ihrer Stimme heraus hören.
Harry nickte und Sekunden später standen sie zusammengedrängt unter dem Tarnumhang und lauschten. Wohin auch immer dieser Geheimgang führte, jetzt da sie still standen, konnten sie deutlich ein Geräusch hören, wie es verursacht wird, wenn Wasser nach unten tropft und in einer Pfütze landet.
Vorsichtig, um selbst kein Geräusch zu verursachen, schlichen sie langsam die letzten Meter des Gangs entlang, bis sie überrascht stehen blieben. Sie standen direkt am Eingang einer riesigen Höhle, die in England sicher ihresgleichen suchte. Gewaltige, weiß bis silbern schimmernde Stalagmiten, ragten wie erhobene Zeigefinger in die Höhe und wurden von der Deckenseite von nicht weniger großen Stalagtiten begrüßt, so dass es fast den Anschein hatte, als wollten sie sich die Hände reichen. An einigen Stellen berührten sie sich nicht nur, sondern waren zusammen gewachsen, so dass das Bild gigantischer Säulen entstand, welche die gewölbte Decke majestätisch zu tragen schienen. Eine nicht zu erkennende Lichtquelle ließ die schimmernden kleinen Wassertropfen wie eine Unzahl funkelnder Juwele erscheinen, die jemand mit großer Mühe gleichmäßig über die Höhle verteilt hatte. Selbst der Boden wirkte nicht nass und kalt, sondern wie ein großer, grüngrauer Teppich, welcher dieser Höhle zusätzlich etwas Erhabenes und Ehrfurchteinflößendes verlieh, als würden sie an der Eingangstür zu einem geschmückten Festsaal stehen.
„Das ist wunderschön" hauchte Hermine, während ihr Blick ehrfürchtig das bizarre Gebilde entlang wanderte.
„Beeindruckend", nickte auch Harry und schlüpfte unter dem Tarnumhang hervor, um besser sehen zu können.
Bedächtig trat er einige Schritte nach vorn, doch auch von hier aus konnte er die wirkliche Größe der Höhle nur erahnen.
„Man könnte meinen, wir wären irgendwo hineinappariert", sagte Ron mit belegter Stimme, als er kurz darauf an Harrys Seite erschien.
„Ja, wie ein monströser Glaspalast", strahlte Hermine und Harry war sich sicher, dass sie in diesem Augenblick den Grund ihres Hierseins vergessen hatte.
Ron nickte, während er sich mit weit aufgerissenen Augen und offenem Mund um die eigene Achse drehte. Harry jedoch war weiter auf das Zentrum der Höhle zugegangen, als er plötzlich etwas sah, was ihn die Schönheit ringsherum augenblicklich vergessen ließ. Zwischen mehreren schimmernden Stalagtiten hing etwas Dunkles von der Decke herab, das im ersten Moment wie eine riesige schwarze Fledermaus aussah. Harrys Magen krampfte sich zusammen, als er näher herantrat und sah, dass es sich nicht um ein Tier, sondern um einen menschlichen Körper handelte, dessen gespreizte Füße mit einem Zauber an der Decke befestigt waren, sodass die schwarze Robe sich über seinen Oberkörper gestülpt hatte und nun in einigen Metern Höhe lautlos hin und her schwang.
„Oh, wie wundervoll! Seht mal dort hinten", hörte er Hermines atemlose Stimme durch die Höhle hallen, was Harry unvermittelt aus dem lähmenden Entsetzen riss und er sich erschrocken nach ihr umsah; durch die Tropfsteingebilde hindurch konnte er sie jedoch nicht genau erkennen.
„Das glaubt uns keiner, der das nicht gesehen hat", sagte Ron euphorisch und kam mit einem breiten Grinsen auf Harry zu.
„Hey Kumpel, was…"
Rons Grinsen erstarb im gleichen Moment wie seine Worte, als er an Harry vorbei blickte und den grausigen Anblick des hängenden Körpers sah. Auch er blieb einige Sekunden wie angewurzelt stehen, ehe er mit zittrigen Fingern die Hand ausstreckte.
„Wer…wer ist das?"
„Ich weiß es nicht, doch der Robe nach zu urteilen ein Hogwartsschüler", sagte Harry matt.
„Luca Ackerley aus Ravenclaw", erklang plötzlich eine Stimme hinter ihnen und als Harry herumwirbelte, sah er Ted Moran, der sich zwischen zwei dicht beisammen stehenden Säulen hervor quetschte.
„Du? Du hast ihn umgebracht!", brach es förmlich aus Ron hervor und mit einer Geschwindigkeit, die Harry seinem, vor wenigen Sekunden noch benommenen Freund, nicht zugetraut hätte, riss Ron den Zauberstab aus seiner Tasche.
„Nein, hab ich nicht", entgegnete Moran mit müder Stimme und kam schwankend auf sie zu.
„Du bist ihm gefolgt und dann hast du ihn hier…"
„Ron beruhig dich!", fiel Harry ihm kraftlos ins Wort. „Lass uns hier keine voreiligen Schlüsse ziehen."
„Was heißt hier voreilige Schlüsse? Ich denke es liegt klar auf der Hand, was hier geschehen ist oder siehst du sonst noch jemanden außer ihm?"
Ein winziger Teil von Harry pflichtete Ron spontan bei, während gleichzeitig ein anderer Teil von ihm, der weniger unvoreingenommen war, wusste, dass Ted Moran nicht Ackerleys Mörder war; andernfalls wäre er wohl eher geflohen und hätte sich ihnen sicherlich nicht gezeigt.
„Was ist hier passiert?", fragte er daher, als Moran sie erreicht hatte.
„Ackerley hat einen Fehler gemacht und wurde dafür bestraft", antwortete Moran und fuhr sich schwer atmend mit den Händen über das Gesicht. „Ich werde alles erzählen was ich weiß, doch bitte nicht jetzt und nicht hier! Wir müssen zu Professor Dumbledore!"
„Damit du dir unterwegs eine nette Geschichte ausdenken kannst?", fuhr Ron ihn wütend an, doch Ted Moran schüttelte nur resignierend den Kopf.
„Du bist ein Gryffindor, daher kannst du in mir nichts anderes als den Slytherin sehen, einen potentiellen Mörder und Anhänger von dem, dessen Name nicht genannt werden sollte, nicht wahr?" Moran seufzte schwer, ehe er sich direkt an Harry wandte. „Tut mir leid, wenn ich heute euer Schwarz-Weiß-Denken zerstören muss, doch wenn die Lehrer Ackerleys Leiche von der Decke nehmen, werdet ihr sehen, dass auf seinem Unterarm ein hässliches dunkles Mal sichtbar ist."
„Willst du damit sagen, Luca Ackerley ist ein Todesser?" Hermine war unbemerkt von Harry und Ron ebenfalls heran gekommen und starrte nun mit kalkweißem Gesicht von Moran zu dem leblosen Körper, der hinter ihnen von der Decke baumelte.
„Nicht ist, sondern war; Ackerley wurde von seinen eigenen Leuten umgebracht", widersprach ihr Moran und schien es plötzlich eilig zu haben. „Wir müssen rasch zu Dumbledore, bevor es noch zwei weitere Tote geben wird."
Harry hatte zwar keine Ahnung, wovon Moran genau sprach und auch wenn jede einzelne Faser seines Inneren nach Antworten schrie, so spürte er doch instinktiv, dass Morans Eile sicher einen guten Grund hatte und der nicht darin bestand, Dumbledore von dem Mord an einem Schüler zu berichten.
„Gehen wir!", sagte er daher fest, noch ehe Ron zu weitere Einwänden ansetzen konnte.
Moran nickte ihm dankbar zu und so verließen sie im Laufschritt die Höhle, die bei ihrem Eintreten so faszinierend und wundervoll gewirkt, ihnen jedoch einen so grausamen Fund präsentierte hatte. „Es ist nicht immer so, wie es auf den ersten Blick scheint", dachte er grimmig, während er gleichzeitig Moran beobachtete, der ihnen mit eiligen Schritten voraneilte. Es dauerte eine geraume Zeit, bis sie endlich das Ende des Geheimgangs erreichten und atemlos im vierten Stock standen.
„Dumbledore wird in seinem Büro sein", sagte Harry und schlug die besagte Richtung ein, als der kopflose Nick mit einem kurzen Gruß an ihnen vorbeischwebte, bei Harrys letzten Worten jedoch anhielt und sich den Schülern zuwandte.
„Der Direktor befindet sich nicht in seinem Büro, er war eben auf dem Weg zum Krankenflügel", erklärte der Hausgeist mit einem freundlichen Nicken.
„Ist etwas…" Harry konnte die Frage nicht ganz aussprechen da war Nick schon durch die gegenüberliegende Wand verschwunden. Für einen kurzen Augenblick flammte in Harrys Kopf das Bild neuer Katastrophen auf, als Moran schon kehrt gemacht hatte und mit langen Schritten vorauseilte.
„Na gut, dann in den Krankenflügel", stöhnte Hermine kurzatmig und machte auf dem Absatz kehrt.
Fortsetzung folgt…
AN: Tja, das war nun das 51. Kapitel. Ich hoffe ja nun mal, dass ihr nach der langen Pause und dem Erscheinen des 6. Band doch noch ein bisschen Lust hab das Ende dieser FF zu lesen.
So und nachdem ich jetzt Urlaub und damit auch viel mehr Zeit zu schreiben habe, kann ich an dieser Stelle versprechen – das nächste Kapitel kommt bald….und dann gibt es auch wieder Reviewantworten dazu ;-)
Vielen Dank für euere lieben Reviews! Ich hab mich sehr darüber gefreut!
Liebe Grüße von euerem Sternchen!
