63.

„Reisespiegel sind eine geniale Erfindung", seufzte Harry erleichtert und drückte vorsichtig die Tür des Besenschrankes auf, der unweit von Silvers Bürotür stand. Ein Blick auf die Uhr zeigte ihm, dass, seit er in Silvers Kamin gestiegen war, einige Stunden vergangen waren und obwohl Harry nicht vermutete, dass sich seine Freunde noch immer in Silvers Büro aufhielten, klopfte er zaghaft an die Tür. Er erhielt keine Antwort und als er vorsichtig die Klinke herunterdrückte, stellte er fest, dass die Tür genauso verschlossen war, wie sie diese vor einigen Stunden vorgefunden hatten.

Weitsichtige Hermine", dachte Harry mit einem erleichterten Lächeln und machte sich auf den Weg zum Gemeinschaftsraum der Gryffindors. Ein ohrenbetäubender Lärm schlug ihn entgegen, sobald er durch das Porträtloch gestiegen war und erst in diesem Augenblick erinnerte er sich wieder daran, dass alle Schüler die Anweisung hatten, den Tag in ihren Gemeinschaftsräumen zu verbringen. „Grandios und wie soll man sich da in Ruhe unterhalten können", stöhnte er innerlich auf, während er nach seinen Freunden Ausschau hielt.

„Falls du Ron und Hermine suchst, die sind oben in unserem Schlafsaal", nuschelte Neville, neben dessen Sessel Harry in diesen Moment stehen geblieben war und sich suchend umblickte.

„Danke, Neville", nickte Harry und bahnte sich einen Weg durch die Erstklässler, die an Ermangelung von Sitzplätzen auf dem Boden Snape explodiert spielten.

„Schon gut", murmelte Neville abwesend und vertiefte sich von neuem in das Buch auf seinem Schoß.

Froh dem Lärm entrinnen zu können, stieg Harry die Treppe, welche zum Schlafsaal der Sechstklässler führte, nach oben.

„Oh Mann, das ist ja echt nicht zum Aushalten", stöhnte Harry, als er die Tür zum Schlafsaal öffnete.

„Sag mal du hast sie doch nicht mehr alle!" Hermine, die auf Harrys Bett gesessen hatte, sprang bei seinem Eintreten auf und blitze ihn mit zornigen Augen an. „Ist dir eigentlich klar…"

„Hermine, beruhig dich!", fiel Ron ihr uns Wort und stieß sich von der Fensterbank ab, an der er bei Harrys Kommen gelehnt hatte. „So wie es aussieht ist er ja wohlbehalten zurückgekommen."

Harry, der bei Rons Worten die Tür ins Schloss gedrückt hatte, warf ihm einen dankbaren Blick zu, doch Rons Gesicht wirkte nicht weniger anklagend als das von Hermine.

„Tut mir leid", setzte Harry zu einer Entschuldigung an, doch offensichtlich waren das für Hermine genau die falschen Worte.

„Es tut dir leid, ach ja? Du lässt uns wie Idioten in Silvers Büro stehen und verschwindest einfach; tauchst Stunden später wieder auf und glaubst nun, mit einem es tut mir leid, wäre wieder alles in Ordnung! Dem ist aber nicht so, mein Lieber! Ich habe die Nase voll von deinen Extratouren, von deiner Geheimniskrämerei und vor allem davon mir erzählen zu lassen, du wolltest nur mal versuchen mit Andrea zu reden, nur damit ich dir helfe das Flohnetzwerk zu benutzen, um sonst wohin verschwinden zu können."

Hermine hatte mit langen Schritten den Raum durchquert und machte nun Anstallten die Tür zu öffnen, als Harry sie am Arm festhielt.

„Bitte bleib hier, Hermine! Ich muss mit euch reden!"

„Ich aber nicht mit dir!", fauchte sie ungehalten und riss sich von Harry los. „Wenn du das nächste Mal vor hast hier zu verschwinden, dann tu es gefälligst ohne mich!"

„Hermine…"

„Lass mich los!", fachte sie, als Harry erneut nach ihrem Arm Griff.

„Ich werde Hogwarts verlassen", sagte Harry und zog die Hand von Hermine zurück.

Für einen kurzen Augenblick schien es Hermine die Sprache verschlagen zu haben und sie starrte ihn nur verwirrt an, ehe sie sich zu Ron umdrehte, der sich in diesem Moment auf sein Bett plumpsen ließ.

„Das ist nicht dein Ernst", hauchte er und starrte ihn fassungslos an.

„Doch, das ist mein Ernst", erklärte Harry, während er Ron fest entgegen sah. „Ich werde Hogwarts noch vor Ende des Schuljahrs verlassen."

Endlos erscheinende Minuten herrschte Schweigen. Hermine stand nach wie vor, die Hand auf der Türklinke da und wirkte in ihrer Bewegung eingefroren. Erst als Ron schließlich scharf die Luft ausstieß und ungläubig den Kopf schüttelte, kam auch wieder Bewegung in sie. Ganz langsam, als müsste sie sich auf diese Bewegung konzentrieren, zog sie die Hand von der Tür zurück und blickte Harry fragend an.

„Ich kann nicht hier blieben", erklärte Harry auf diese unausgesprochene Frage, während er mit langsamen Schritten den Raum durchquerte und sich neben Ron auf das Bett setzte. „Solange Voldemort weiß wo ich bin, wird er nichts unversucht lassen an mich heranzukommen, das wisst ihr genauso gut wie ich. Ich kann und will nicht länger der Grund sein, dass sich Schüler hier in Gefahr befinden, nur weil ich hier bin."

„Aber wo willst du hin?", ergriff nun Hermine ängstlich das Wort, doch einen Moment später schien ihr ein Licht aufzugehen. „Du willst…"

„Sprich es nicht aus, Hermine!", fiel Harry ihr entschieden ins Wort.

„Aber…" Hermine kam mit schwankenden Schritten näher und setzte sich ihn gegenüber auf Harrys Bett.

„Nein hört mir zu. Ich denke, ihr wisst wo ich hingehe?", sagte er leiser und als Hermine nickten, zeigte sich auch auf Rons Gesicht Verstehen. Harry atmete tief ein, ehe er in Flüsterton fort fuhr. „Bitte, es ist wichtig, dass ihr mit niemanden darüber sprecht, nicht einmal miteinander. Wenn ich hier weg bin, wird man euch Fragen stellen und euch möglicherweise auch belauschen, deshalb möchte ich, dass ihr meinen möglichen Aufenthaltsort mit keiner Silbe erwähnt. Nur so könnt ihr ruhigen Gewissens schwören, dass ich euch nicht gesagt habe, wohin ich gehe."

Hermine zog scharf die Luft ein, doch sie widersprach ihm nicht.

„Es ist dir wirklich ernst", stöhnte Ron, während er sich mit einer hilflosen Geste über den Kopf kratzte.

„Ja, das ist es und ich möchte, dass ihr mir jetzt ganz genau zuhört", sagte Harry eindringlich und blicke beide abwechselnd an. „Voldemort wird ziemlich schnell erfahren, dass ich hier verschwunden bin und genauso schnell wird er auch seine Leute auf euch ansetzen. Damit man euch glaubt, dass ihr wirklich unwissend seid, müssen wir so tun, als hätten wir einen riesigen Streit miteinander. Wir werden uns so aus dem Weg gehen, dass die Leute von Voldemorts Juniorclub das auch mitbekommen und dann werde ich hier spurlos verschwinden und jeder wird denken, dass ich auch wegen euch hier abgehauen bin."

„Und du glaubst wirklich, dass uns das jemand abnehmen wird?", hauchte Hermine zweifelnd.

„Wenn wir es überzeugend genug spielen schon", erklärte Harry fest.

„Ich weiß nicht", seufzte Ron und blickte hilfesuchend zu Hermine.

„Bitte, es muss sein!" beharrte Harry und griff nach Hermines Hand. „Ich weiß nicht wie lange ich weg sein werde und ich möchte mir in dieser Zeit nicht mehr als nötig Sorgen um euch machen müssen. Voldemort muss glauben, dass unsere Freundschaft einen gewaltigen Bruch bekommen hat; anders seit ihr nicht sicher und er würde immer wieder von Neuem versuchen, euch als Druckmittel gegen mich zu verwenden."

„Ich weiß nicht ob ich das kann", schluchzte Hermine und vergrub ihr Gesicht in den Händen.

„Doch du kannst das", sagte Harry, stand auf und setzte sich neben Hermine, um den Arm um sie zu legen.

„Ich möchte dich nicht verlieren, Harry!"

„Das möchte ich auch nicht", seufzte Harry und warf Ron einen Blick zu, den dieser sofort verstand. Mit einem verstehenden Nicken stand er auf und verließ den Schlafraum.

„Ich weiß, dass ich mich die letzten Monate ziemlich blöd benommen hab und ich weiß, dass du dir das Zusammensein mit mir anders vorgestellt hast, doch ich…" Harry brach ab und blickte missmutig auf seine Füße. „Ich bin nicht gut in solchen Sachen, immer wenn es drauf ankommt, fehlen mir die richtigen Worte", setzte Harry frustriert nach, doch Hermine verstand ihn auch so.

„Ich bin dir nicht böse. Es ist nur so, dass ich ständig Angst habe, dir könnte irgendetwas passieren. Es ist albern, aber ich denke immer, wenn ich bei dir bin, wäre die Gefahr geringer. Mir ist klar, dass du tust was du tun musst und was du für richtig hältst, aber ich fühl mich dabei so hilflos. Ich würde dir so gerne helfen und weiß einfach nicht wie."

„Ich hab dich sehr lieb, Hermine und dieses Gefühl, dass du genauso für mich empfindest…es…naja…es gibt mir den Mut und die Kraft diesen Kampf durchzustehen", sagte Harry und strich unbeholfen über Hermines Rücken.

Hermine schlang mit einem Ruck die Arme um hin, während sie schluchzend ihren Kopf in seiner Schulter vergrub.

„Vertrau mir, Hermine, ich werde das schaffen, für uns werde ich das schaffen."

Hermine nickte, ehe sie mit dem Ärmel ihrer Robe die Tränen wegwischte. „Ich weiß, dass du das schaffst", schniefte sie und versuchte zu lächeln, was ihr aber nicht so ganz gelingen wollte; es sah eher nach einem unterdrückten Weinen aus.

„Irgendwann wird dieser Krieg vorbei sein und dann…" Harry beendete seinen Satz nicht, ihre Blicke verbanden sich in stillem Verstehen und machten jedes weitere Wort überflüssig. Mit einem leisen Lächeln küsste er ihre Lippen und plötzlich fühlte sich das Zusammensein mit Hermine nicht mehr schwierig und kompliziert an. Harry ließ sich mit einem erleichterten Seufzen nach hinten fallen und zog Hermine mit sich.

Einige Tage später war ihr kleines Theaterstück durchgeplant und Harry begab sich zur Abendessenszeit mit dem dumpfen Gefühl des Abschiednehmens in die Große Halle. Die letzten Tage waren die Schönsten gewesen, die er seit seinem Zusammensein mit Hermine verbracht hatte und dennoch oder gerade deshalb, mischte sich nun in das Bewusstsein, dem Unausweichlichen gegenüber zu treten auch die, an seinen Nerven zerrende Frage, ob es nicht vielleicht doch einen anderen Weg gäbe. Diese Frage beantwortete sich jedoch von selbst, als Harry die Halle betrat und im selben Augenblick Draco Malfoy gegenüberstand. Allein ein Blick in dieses verhasste Gesicht, das dem seines Vaters so ähnlich sah, verscheuchte jeden Zweifel.

Ohne auf Malfoys zynischen Kommentar einzugehen, steuerte Harry zielstrebig den Tisch der Gryffindors an. Ron und Hermine hatten sich bereits in Position gesetzt und Harry nahm wie abgesprochen gegenüber den beiden Platz. Während sie aßen unterhielten sie sich angeregt, bis Ron nach dem Essen plötzlich aufsprang.

„Oh, du bist ein Schatz, Hermine", rief er laut aus und drückte ihr überschwänglich einen Kuss auf den Mund.

Harrys Einsatz bestand nun darin erbost aufzuspringen und Ron zur Rede zu stellen. Es gab ein kurzes, aber lautes Wortgefecht, ehe Harrys Faust über den Tisch flog und Ron am Kinn traf. Der entstehende Tumult dauerte allerdings nur solange, bis McGonagall wutschnaubend am Tisch der Gryffindors erschien.

„Sind Sie noch bei Sinnen?", fragte sie mit bebender Stimme.

„Das fragen Sie am besten ihn mal", ereiferte sich Ron und deutete mit ausgestrecktem Arm auf Harry, doch noch ehe McGonagall darauf antworten konnte, war Harry über die Bank gesprungen und verließ mit großen Schritten die Halle. Aus dem Augenwinkel heraus konnte er sehen, wie Hermine in Tränen ausbrach und von Ginny getröstet wurde.

So weit so gut!", seufzte Harry innerlich auf, als er die Eingangshalle durchquerte und im Spurt die Treppe nach oben hechtete.

Ihm war klar, dass dies nur der Auftakt war und dennoch fühlte es sich für Harry an, als hätte er soeben eine Tür hinter sich zugeschlagen. Als er die erste Etage erreicht hatte verlangsamten sich seine Schritte, bis er schließlich in einer der Fensternischen stehen blieb und nach außen sah. Harry wusste nicht, wie lange er einfach nur so da stand und Erinnerungen an seine Zeit in Hogwarts nachhing. Hin und wieder kamen Mitschüler vorbei, die inzwischen das Abendessen beendet hatte, doch niemand schien groß Notiz von ihm zu nehmen und Harry war sehr dankbar dafür. Nach und nach wurde es in den Gängen des Schosses wieder ruhiger, bis er plötzlich eine Bewegung neben sich wahrnahm und aufsah. Es war Ted, der sich neben ihn stellte und ihn kritisch von der Seite her betrachtete.

„Denkst du nicht, dass du eben etwas überreagiert hast?", fragte er nach einer Weile leise.

„Mach dir darüber keine Gedanken, Ted", seufzte Harry mit einem schwachen Lächeln. „Es ist alles ok."

Der junge Slytherin blickte ihn einige Zeit nachdenklich an, ehe er langsam nickte und sich wortlos dem Fenster zuwandte. Harry hatte ihn genau wie Silver, in den letzten Tag nur während der Mahlzeiten in der Großen Halle gesehen, doch jetzt, da er so nahe neben ihm stand, fühlte er das Bedürfnis sich bei Ted zu entschuldigen. Er hatte ihn ohne darüber nachzudenken, in eine ziemlich heikle Situation gebracht und auch wenn Ted nicht wütend darüber zu sein schien, musste Harry reden.

„Hör mal, Ted, wegen dem…na du weißt schon…wegen Silvers Kamin. Ich hab mich da ziemlich doof benommen und…"

„Lass stecken", wehrte Ted mit wegwerfenden Handbewegung und einem verstehenden Grinsen ab. „Hauptsache ist doch, dass dein kleiner Ausflug Erfolg hatte."

„Du hättest gewaltigen Ärger bekommen können und das wollte ich nicht", entgegnete Harry, während er sich gleichzeitig überlegte, was der junge Slytherin mitbekommen hatte.

„Hab ich aber nicht", sagte Ted, während das Grinsen auf seinem Gesicht noch eine Spur breiter wurde. „Wir haben die Schutzzauber wieder installiert und Clark war die letzten Tage sowieso viel zu beschäftigt, um darauf zu achten."

„Wie meinst du das, er war beschäftigt?", fragte Harry irritiert, während sein Blick automatisch den leeren Korridor entlang wanderte, um nach eventuellen Lauschern Ausschau zu halten."

„Nun, er hat keinen Abend hier in Hogwarts verbracht und wenn ich jetzt nicht gründlich daneben liege, dann waren es wohl auch einige Nächte", schmunzelte Ted und rückte ein Stück näher an Harry heran. „Ich bin nicht auf den Kopf gefallen, Harry. Clark Silver mag ziemlich gut darin sein, seine Gefühle zu verstecken, doch für jemanden der ihn sein ganzes Leben lang kennt, ist trotzdem zu erkennen, wenn er glücklich ist. Wenn ich seine und deine Reaktion betrachte und mir überlege, was diese Mythologie eigentlich aussagt, dann gehört keine große Logik dazu, sich auszumalen, was an jenem Tag, an dem du durch seinen Kamin gehüpft bist, geschehen ist."

„Hm", brummte Harry unsicher was er darauf sagen sollte.

„Ich denke ich muss dir nicht versichern, dass dieses Geheimnis hier drin fest verschlossen ist", fügte Ted ernst hinzu und deutete dabei mit dem Daumen auf seine Brust.

„Nein, das musst du nicht!", erklärte Harry und eine Welle unendlicher Dankbarkeit durchströmte ihn. „Ich vertraue dir, Ted."

„Klingt komisch, wenn das ein Gryffindor zu einem Slytherin sagt", murmelte Ted, während das Grinsen auf sein Gesicht zurückkehrte.

Nicht zu einem Slytherin, zu einem Freund", dachte Harry, doch er sprach diesen Gedanken nicht aus.

Ted nickte verstehend, während ein leises Seufzen seinen Lippen entwich und sein Blick ins Leere ging. „In fünf Wochen ist das Schuljahr und somit auch meine Schulzeit hier in Hogwarts zu Ende", sagte er nach einer Weile leise und blickte Harry wieder an. „Ich habe diese Woche eine Zusage von Achelis bekommen und werde in den Sommerferien nach Mount Ossa zurückgehen, um mit Beginn des neuen Schuljahrs dort meine Ausbildung weiter fortführen. Das bedeutet aber nicht, dass ich mein Versprechen, an deiner Seite zu stehen, vergessen werde; du kannst mich auch dort jeder Zeit erreichen."

„Achelis ist der Leiter der Schule, an der Silver zuvor unterrichtet hat?", grübelte Harry.

„Ja und ich freue mich sehr darauf ihn wieder zu sehen", lächelte Ted versonnen. „Er ist ein großartiger Mann, hat vom Wesen her ein bisschen Ähnlichkeit mit Dumbledore, auch wenn das Äußere kaum unterschiedlicher sein könnte. Na ja, Tasmanien ist auch ein völlig anderes Land und die Menschen führen dort auch ein ganz anderes Leben als hier."

Harry blickte überrascht auf, die Vorstellung, dass es noch jemanden wie Dumbledore geben könnte verwirrte ihn einen Moment, gleichzeitig weckte es jedoch auch seine Neugier.

„Du bist dort aufgewachsen? Warum bist du dann dort nicht zur Schule gegangen?"

„Hm, das wollte ich auch, doch meine Mutter bestand darauf, dass ich nach Hogwarts gehen sollte. Sie meinte, ich bräuchte Abstand zum Leben meines Vaters um meinen eigenen Weg zu finden."

Ted starrte einige Sekunden grübelnd auf den Fensterknauf, ehe er die Schulter zuckte und Harry wieder ansah. „Wer weiß, vielleicht hatte sie sogar recht damit. Es war für mich sehr schmerzhaft zu gehen und lange Zeit war ich ihr wirklich böse wegen dieser Entscheidung. Clark versuchte mir den Standpunkt meiner Mutter zu erklären und meinte, dass für mich in diesem Weggehen auch eine große Chance liegt – ich habe ihm das nie geglaubt. Ich fühlte mich abgeschoben und verletzt, doch heute…verstehe ich, was er mir damit sagen wollte."

„Manchmal scheint das Weggehen die einzige Möglichkeit zu sein sich vor der Vergangenheit zu lösen, um neu beginnen zu können", sagte Harry mit einem verstehenden Nicken, während seine Gedanken gleichzeitig zu seinem eigenen, bevorstehenden Abschied zurückkehrten.

Ted blickte ihn einige Sekunden nachdenklich an, bis er schließlich mit einem leisen Seufzen zustimmte. „Ja, manchmal scheint das so zu sein."

„Ich freue mich für dich und wünsche dir viel Glück", nickte Harry und wandte sich mit einem traurigen Lächeln zum Gehen, doch nach wenigen Schritten hielt Ted ihn zurück.

„Keiner geht hundertprozentig, ein kleiner Teil von uns bleibt immer zurück und das ist auch richtig so, sonst könnten wir womöglich vergessen, dass es da einen Ort mit Freunden gibt, an den wir zurückkehren können."

Teds Augen hatten einen wehmütigen Glanz bekommen und dennoch lächelte er bei diesen Worten. Ihre Blicke trafen sich und plötzlich wusste Harry dass hier keine großen Erklärungen nötig waren, Ted hatte auch so verstanden.

Dieses kurze Gespräch mit Ted beschäftigte Harry noch lange, auch als er am späten Abend allein in seinem Schlafsaal lag. Keiner geht hundertprozentig, ein kleiner Teil von uns bleibt immer zurück und das ist auch richtig so, sonst könnten wir womöglich vergessen, dass es da einen Ort mit Freunden gibt, an den wir zurückkehren können. Die Worte berührten ihn und während er blicklos in die Dunkelheit starrte, fragte er sich, ob Hogwarts je so ein Ort sein würde, von dem er wusste, dass er zurückkehren konnte.

Die nächsten Tage verliefen ereignislos, wenn man von der Tatsache absah, dass inzwischen die gesamte Schule wusste, dass sich der berühmte Harry Potter mit seinen beiden besten Freunden verkracht hatte. Einige der Gryffindors, darunter vor allem Ginny und Neville, starteten Vermittlungsversuche, doch als Harry diese vehement abblockte, gaben sie es bald auf und beschränkten sich nur noch auf besorgte Blicke, die sie dem Trio heimlich zuwarfen.

Nach einer Woche musste sich Harry eingestehen, dass diesen Plan durchzuziehen, wesentlich schwerer war, als er selbst gedacht hatte. Immer wieder ertappte er sich dabei, wie er unbewusst die Nähe von Ron und Hermine suchte und als Hermine während einer Stunde in Verteidigung gegen die dunklen Künste plötzlich heulend das Klassenzimmer verließ, war für ihn der Punkt erreicht, der ihm zeigte, dass er dieses Spiel so nicht mehr durchziehen konnte.

Silver schien das ähnlich zu sehen, denn noch bevor die Schüler das Klassenzimmer verlassen konnte rief er Harry zu sich. Die Blicke seiner Klassenkameraden im Rücken spürend, ging Harry mit langsamen Schritten auf das Lehrerpult zu.

„Ich denke, wir sollten uns nicht hier unterhalten", sagte Silver leise, als sich die Klassenzimmertür hinter dem letzten Schüler geschlossen hatte.

Harry nickte zustimmend und wartete, bis Silver mit Hilfe seines Zauberstabs den Klassenraum aufräumte. Es dauerte nur wenige Augenblicke, bis alle Kissen in einer großen Kiste verschwanden; diverse Ringe, Kugeln und andere fiktiven Hindernisse sich selbstständig an die Rückwand des Klassenraums ordneten und Silver ihn durch eine leichte Kopfbewegung zum Mitkommen aufforderte. Während sie schweigend die Korridore zu Silvers Privaträumen entlang gingen, versuchte Harry die passenden Worte zu finden, mit denen er ihm erklären konnte, was dieses ganze Theater eigentlich bedeuten sollte. Harry hatte beabsichtigt, Silver noch mehr wie Dumbledore in seinen Plan einzuweihen, doch die letzten beiden Woche hatte sich keine richtige Gelegenheit zu einem privaten Gespräch ergegeben und Harry konnte sich bis zu diesem Tag auch nicht überwinden, dieses Gespräch zu suchen. Jetzt, da Silver die Initiative ergriffen hatte, spürte er eine dankbare Erleichterung, auch wenn ihm zeitgleich nun die Worte zu fehlen schienen.

Silver öffnete seine Tür und forderte Harry durch eine stumme Geste auf einzutreten, ehe er mit einem raschen Schlenker seines Zauberstabs die Tür magisch verschloss und mit einem Zauber gegen mögliche Lauscher abschirmte.

„Setz dich, Harry!", forderte Silver ihn auf und beschwor, wie Harry es nicht anders gewohnt war, ein Tablett mit Teetassen herauf.

Harry ließ sich schwer atmend auf den Bodenkissen nieder und nahm das heiße Getränk dankend an, während Silver ihn aufmerksam beobachtete.

„Wie geht es Andrea?", sagte Harry nach einer kurzen Pause und blickte Silver über den Rand seiner Teetasse hinweg an.

„Sehr wechselhaft, doch sie erholt sich schneller als ich dies für möglich gehalten hätte, dennoch ist sie noch ein weites Stück von dem entfernt, dass man sagen könnte, es ginge ihr gut", erklärte Silver mit einem sanften Lächeln

„Hat sie inzwischen mit Remus und Sirius gesprochen?"

„Nein, sie kann sich nicht dazu überwinden und ich habe ganz sicher nicht das Recht sie dazu zu zwingen. Es ist ihr Haus und wie sie immer so schön betont auch ihre Verantwortung", seufzte Silver und schüttelte niedergeschlagen den Kopf.

Harry blickte ihn betroffen an, tief in seinem Inneren war er davon ausgegangen, dass Silver es schaffen würde Andrea zu überreden. Gleichzeitig berührten Silvers Worte jedoch noch einen anderen Punkt in ihm, der nun zu rebellieren begann. Andrea hatte es selbst gesagt, es war auch sein Haus und somit auch nicht mehr ihre alleinige Verantwortung.

„Ich denke aber, Sirius und Remus wissen sehr wohl, dass da etwas im Busch ist", begann Silver nach einer kurzen Pause von neuem. „Keiner von beiden ist dumm genug zu glauben, mich auf dem Grundstück einfach übersehen zu haben, dass sie es beide so kommentarlos hinnehmen spricht für die Loyalität ihren Freunden gegenüber. Vermutlich ahnen sie, dass Andrea noch lebt und sie mich durch weiter Frage in die Enge treiben würde und daher lassen sie es."

Es entstand erneut eine lange Pause, in der sie schweigend ihren Tee tranken, bis aus Harry plötzlich die Worte heraus platzten. „Ich werde Hogwarts verlassen!"

„Ich weiß", nickte Silver mit dem Ansatz eines Lächelns.

„Sie wissen es?", stieß Harry ungläubig aus. „Wie?"

„Ich sah es in deinen Augen, als du Andrea fragtest, ob du in das Haus zurückkehren könntest", schmunzelte Silver und fügte, als Harry betreten zu Boden sah, mit amüsierten Unterton hinzu: „Du hast in diesem Jahr sehr vieles gelernt, Harry, doch deine Gefühle und Gedanken zu verstecken, das funktioniert noch nicht so ganz."

„War es wirklich so offensichtlich?", fragte Harry leise, während er es vermied, seinen Lehrer in die Augen zu sehen. Silvers Lächeln haftete etwas Trauriges und Resignierendes an, was Harry nur zu deutlich zeigte, dass dieses Lächeln nicht gleichbedeutend mit Zustimmung war.

„Nun, für mich ja. Allerdings war euer kleines Schauspiel vom eifersüchtigen Harry Potter für die meisten hier im Schloss schon sehr überzeugend. Professor McGonagall beobachtet euch seit Tagen mit sehr kummervollen Blicken, wobei ich allerdings denke, dass ihr Professor Dumbledore nicht täuschen konntet", erwiderte Silver und augenblicklich wurde sein Gesicht wieder ernst. „Ich denke er ahnt, dass sein besonderer Schützling, mit dem Gedanken spielt, das Nest zu verlassen und er wird sicherlich nicht begeistert davon sein."

„Ich hatte eh noch vor mit ihm zu sprechen. Nach allem was er für mich getan hat, bin ich es ihm schuldig, dass er von mir die Wahrheit erfährt." Harry schluckte schwer und plötzlich konnte er nicht mehr verhindern, dass Tränen in seinen Augen schwammen. „Es geht nicht anders, ich muss gehen, ansonsten wird die Gefahr für alle anderen nur umso größer. Dieses Haus ist einer der wenigen Orte, an denen ich wirklich sicher bin und gleichzeitig noch die Möglichkeit habe, das zu lernen, was ich für den Kampf gegen Voldemort brauche."

Silver schwenkte den restlichen Tee in kreisförmigen Bewegungen über den Boden seiner Tasse, ehe er leise seufzte: „Es ist nicht so, dass ich deine Beweggründe nicht verstehen könnte; dennoch löst es auch bei mir ein Gefühl von Unwohlsein aus. Andrea wird dieses Haus bald verlassen und dann bist du dort auf dich allein gestellt. Selbstverständlich kann ich…"

„Ich bin dort nicht so allein, wie es vielleicht den Anschein hat", wehrte Harry mit einem Kopfschütteln ab. „Ich habe mit dem Geist des alten Hussels gesprochen und er wird mir helfen, das zu verstehen, was für mich wichtig ist."

Silver zog überrascht die Augenbrauen nach oben, doch noch ehe er die Frage stellen konnte, hatte Harry sie ihm bereits beantwortet.

„Ich war in der Nacht und auch nur sehr kurz dort, weil dies der einzige Zeitpunkt war, an dem ich gefahrlos aus Hogwarts verschwinden konnte, Andrea hat von meinem Besuch nichts mitbekommen."

„Ich verstehe", nickte Silver. „Was ist mit Sirius, willst du es ihm sagen?"

„Das habe ich schon. Er weiß, dass ich beabsichtige Hogwarts zu verlassen, nur weiß er noch nicht wann und wohin ich gehe. Ich denke er hat eingesehen, dass er die Rolle des Beschützers aufgeben muss."

„Das wird für ihn sicherlich nicht einfach sein", nickte Silver. „Wann hast du vor zu gehen?"

„Ich werde heute Abend mit Dumbledore reden und anschließend Hogwarts verlassen. Es ist viel schwerer Ron und Hermine aus dem Weg zu gehen, als ich ursprünglich gedacht habe und ich will nicht riskieren, dass ich mich in letzter Minute noch verrate."

Silvers Mienenspiel drückte deutlich die Zweifel aus, doch er unternahm keinen Versuch, Harry von seinem Plan abzubringen. Nachdenklich dreht er die Tasse zwischen den Fingern, bis er sie in einem Zug austrank und zur Seite stellte.

„Da du eine Person bist an der die Öffentlichkeit großes Interesse hat, wird dein Verschwinden sicher eine Menge Wirbel verursachen, doch ich denke damit werden wir klar kommen."

„Ich danke Ihnen", antwortete Harry und erhob sich. „Vielleicht wäre es das Vernünftigste, wenn ich gleich zu Dumbledore gehen würde", setzte er zögernd hinzu, während der seine Teetasse auf dem Tablett abstellte.

„Ich würde sagen, damit kannst du dir noch Zeit lassen. Dobby ist vorhin aufgewacht und Professor Dumbledore befindet sich bestimmt noch im Krankenflügel, um den Hauselfen zu befragen. Bisher wissen wir immer noch nicht genau, was während des Angriffs in der Küche geschehen ist."

Harry nickte, während es ihm einen schmerzhaften Stich versetzte. Dobby lag noch immer im Krankenflügel und er hatte die letzten beiden Wochen keinen einzigen Gedanken an den Hauselfen verschwendet. Silvers Worte machten ihm nun deutlich, wie ernst Dobbys Verletzungen wohl gewesen sein mussten, dass er jetzt erst aus seiner Bewusstlosigkeit erwachte. Für einen kurzen Moment überlegte Harry, ob er ebenfalls in den Krankenflügel gehen und Dobby besuchen sollte, doch dann verwarf er diesen Gedanken.

Es war bereits spät am Abend, als Harry schließlich vor Dumbledores Bürotür stand und zaghaft klopfte. Sein Herz hämmerte schmerzhaft in seiner Brust, während sich kalter Schweiß in seinen Handflächen bildete und noch während das leise Klopfen von den Wänden widerhallte, spürte Harry das dringende Bedürfnis, einfach weg zu laufen. Dieser ganze Tag war erfüllt von Abschiednehmen und er wollte dem nicht noch eines hinzufügen. Bevor er jedoch seinen Entschluss rückgängig machen konnte, hatte Dumbledore bereits die Tür geöffnet und sah ihn mit sichtlicher Überraschung entgegen.

„Harry, was führt dich zu mir?" Mit einer einladenden Geste deutete der alte Zauberer auf einen der Stühle vor seinem Schreibtisch.

Harry antwortete nicht sofort; mit bedächtigen Schritten folgte er seinem Schulleiter durch das Büro und ließ sich schließlich mit einem unterdrückten Seufzen auf den ihm angewiesenen Stuhl nieder, während Dumbledore den Schreibtisch umrundete und ihm gegenüber Platz nahm.

Es war ungewöhnlich düster, kalt und still im Raum und als Harry sich fröstelnd umsah, bemerkte er, das Fawkes nicht wie sonst üblich auf seiner Stange saß; die filigranen, silbernen Instrumente standen an diesem Abend still und selbst die Porträts der vergangenen Schulleiter schienen, auch wenn sie ihn interessiert beobachten, die Luft anzuhalten. Dumbledore hatte Harrys Frösteln bemerkt und richtete nun seinen Zauberstab auf den Kamin, um ein Feuer zu entfachen. Die Flammen erhellten das alte Gesicht des Zauberers, das an diesem Abend müder und älter als je zuvor aussah, ehe er sich kraftlos in seinen Stuhl zurücksinken ließ.

Irgendetwas ist geschehen", überlegte Harry, während er sein Gegenüber aufmerksam beobachtete. Harry konnte nicht sagen, was ihn mehr irritierte: der stumpfe Ausdruck in den sonst so lebendigen blauen Augen, das deutliche Zittern seiner Hände oder die kraftlosen, kantigen Bewegungen seines für gewöhnlich so agilen Schulleiters, und für einige Sekunden vergaß er den Grund seines Besuches. Erst als Dumbledore ihn mit einem stummen Nicken zum Sprechen aufforderte, riss es Harry aus seinen Beobachtungen.

„Ich…ich bin gekommen um mich von Ihnen zu verabschieden", begann er zögernd.

Dumbledore blickte ihm mit unbeweglichem Gesicht entgegen und Harry fragte sich einen Moment, ob der alte Zauberer seine Worte verstanden hatte.

„Ich werde die Schule verlassen", fügte er deshalb erklärend hinzu.

Dumbledore schwieg weiterhin und nur seine Augen, die einen für Harry nicht zu definierenden Ausdruck annahmen, zeigten ihm, dass der alte Zauberer ihn verstanden hatte.

„Ich habe lange darüber nachgedacht und bin zu dem Entschluss gekommen, dass ich hier nicht bleiben kann. Solange Voldemort weiß dass ich hier bin, wird er immer wieder Hogwarts attackieren und ich kann und will nicht länger…Schüler und Lehrer dieser Gefahr aufsetzten."

Mit einem vernehmlichen Ausatmen schloss Dumbledore die Augen, ehe er sie kurze Zeit später wieder öffnete und müde den Kopf schüttelte. „Dem kann ich nicht zustimmen, Harry!"

„Sie werden mich nicht aufhalten können, Sir, und das wissen Sie", erklärte Harry und blickte Dumbledore entschlossen entgegen.

„Du bist noch immer minderjährig", seufzte Dumbledore matt.

„In acht Wochen habe ich meine Volljährigkeit erreicht und ich denke nicht, dass dieser geringe Zeitraum wirklich eine Rolle spielt."

Der erwartete Widerspruch blieb aus und erneut keimte in Harry der Verdacht auf, dass an diesem Abend irgendetwas geschehen sein musste. Dumbledore saß auf seinem Stuhl, als würden ihn zentnerschwere Lasten nach unten drücken und blickte Harry mit einem Ausdruck, der zwischen Resignation und Verzweiflung schwang entgegen.

„Wo willst du hingehen, Harry?"

„Es tut mir leid, Sir, doch das kann ich Ihnen nicht sagen. Ich möchte Ihnen nur versichern, es ist ein Ort an dem Voldemort mich nie vermuten und auch nicht finden wird."

Dumbledore stützte den Kopf in die Hand und schloss erneut die Augen, während seine andere Hand kraftlos über dem Zauberstab auf seinem Schreibtisch ruhte. Minuten verstrichen und Harry fragte sich bereits, ob der alten Zauberer möglicherweise eingeschlafen war, als dieser sich langsam wieder aufrichtete und Harry ansah.

„Wir sind am meisten gefährdet, wenn wir uns in Sicherheit wähnen und glauben alles erkannt zu haben. Wenn unser Hochmut uns verführt blind zu werden für das all zu Offensichtliche und wir sorglos unser natürliches Misstrauen vernachlässigen."

Dumbledores leise Worte ließen Harry Schauer über den Rücken laufen und plötzlich verstand er, dass Dumbledore von sich selbst sprach.

„Professor…?"

„Es tut mir Leid, Harry, ich hatte vor dich besser zu schützen, als es mir letztendlich gelungen ist. Daher werde ich, so schmerzhaft deine Entscheidung auch für mich sein mag, sie so hinnehmen müssen", fuhr Dumbledore, als hätte er Harry nicht gehört, fort. „Das Erwachsensein lässt sich nicht an einem bestimmten Datum festmachen, es ist ein Prozess der bei dir schon vor sehr langer Zeit eingesetzt hat und nur ein alter Narr wie ich wehrt sich dagegen es einzusehen." Dumbledore holte tief Luft und während Harry mit einem beklemmenden Gefühl in der Brust seinen alten Schuleiter beobachtete, entstand ganz unerwartet ein schwaches, müdes Lächeln auf diesem alten, inzwischen so vertrauten Gesicht. „Es ist dein Weg, Harry und nein…ich sehe ihn nicht als falsch an, nur als den Schwierigsten von all den möglichen Wegen die du gehen könntest."

„Sir, werden Sie…werden Sie mir sagen, was heute geschehen ist?", rang sich Harry zu der Frage durch, die ihn die letzten Minuten beschäftigte.

Dumbledore blickte ihn für einen kurzen Moment überrascht an und begann dann kaum merklich zu nicken. Es dauerte jedoch einige Minuten, bis er endlich die Stille brach. „Es ist nicht heute geschehen, sondern schon vor sehr langer Zeit", begann er langsam, während sein Blick ins Leere ging. „Ich habe mir heute von Dobby den Angriff auf die Küche erzählen lassen und es war sehr aufschlussreich."

Dumbledore seufzte schwer und Harry schien es unendlich lange zu dauern, bis der alte Zauberer endlich gequält weiter sprach. „Wir haben Severus Snape verloren."

„Ist er…?" Harry zögert, doch dann ging ihm plötzlich ein Licht auf und er verstand, was Dumbledore so niederschmetterte. „Er ist in Voldemorts Reihen zurückgekehrt", sagte er leise und eine Welle unendlichen Mitleids für diesen alten Mann ergriff ihn. Dumbledore hatte immer wieder betont, dass er Snape traute, auch wenn viele andere daran zweifelten, und nun musste Dobby ihm den Beweis gebracht haben, dass Dumbledore mit seinem Vertrauen falsch lag.

„Ein alter Narr war ich, der in seiner Selbstgefälligkeit nicht sehen konnte, was er nicht sehen wollte", gestand Dumbledore. „Ich war davon überzeugt als Einziger richtig zu liegen; war so sicher, mehr in Severus Snape sehen zu können, als alle anderen."

Zu jedem anderen Zeitpunkt hätte diese Eröffnung in Harry ein Gefühl des Triumphs ausgelöst und eine gar nicht so leise Stimme in ihm hätte frohlockt „ich habe es ja immer schon gewusst". Doch jetzt, da Harry die Trauer und den Schmerz in Dumbledores Augen sah, war er von keinem Gefühl weiter entfernt als von dem, Genugtuung zu empfinden. Die Qualen, die Dumbledore in diesem Augenblick in seinem Innersten empfand, sprangen auf Harry über und verhinderte jede weitere Frage, jedes weitere Wort.

Als Harry in den Turm der Gryffindors zurückkehrte war der Gemeinschaftsraum verlassen und nur Ron saß noch in einem Sessel vor dem Kamin und starrte grübelnd in die Flammen.

„Es ist soweit, nicht wahr?", flüsterte er, als Harry anders als die letzten Tage neben ihn trat und ebenfalls in die Flammen sah.

Harry nickte stumm und legte seine Hand auf Rons Schulter. Seine Kehle fühlte sich immer noch zugeschnürt an und machte es ihm unmöglich etwas zu sagen. Was hätte er ihm auch sagen sollen? Die Neuigkeit, dass man Snape als Verräter enttarnt hatte würde am nächsten Tag sowieso die ganze Schule erfahren. Natürlich, er konnte Ron zur Vorsicht auffordern, doch das würden er und Hermine sicherlich auch ohne seinen Rat sein. Was sollte er also sagen, was nicht schon die letzten Tagen besprochen wurde?

Ron schien es ähnlich zu ergehen; mit zusammengekniffenen Lippen legte er seine Hand auf die Harrys und drückte sie, ehe er verstehend nickte. Einige Sekunden verbanden sich ihre Blicke, bis Harry den Kopf wandte und schwer seufzte. Ron und Hermine hatte die letzten Jahre einen so großen Teil seines Lebens ausgemacht, dass er sich nicht vorstellen wollte, wie es sich anfühlen musste, mehr als nur die Sommerfeien über von ihnen getrennt zu sein.

Du warst allein, bevor du am 1. September vor sechs Jahren in den Zug gestiegen bist und du bist damit klar gekommen; warum solltest du es jetzt nicht auch können?", meldete sich eine leise ungeduldige Stimme in seinem Kopf. „Nein, ganz so allein werde ich nie wieder sein", widersprach er dieser Stimme und wandte sich, mit einem letzten Nicken zu Ron, der Treppe zu. „Heute habe ich Freunde, die auf mich warten."

Auf der Hälfte der Treppe blieb Harry stehen und drehte sich noch einmal zu Ron um. „Würdest du Hermine etwas ausrichten?", sagte er leise. „Sag ihr…niemand geht zu hundert Prozent; ein kleiner Teil von uns bleibt immer zurück."

Ron blickte erstaunt auf, doch als Harry lächelte, nickte er verstehend und auch seine Lippen verzogen sich zu etwas, dass mit ein bisschen Augenzudrücken als Lächeln durchging.

Es dauerte nur wenige Augenblicke, bis Harry all seine Habseligkeiten in dem großen Koffer verstaut hatte und ihn durch ein leises Antippen mit seinem Zauberstab auf die Größe einer Streichholzschachtel geschrumpft hatte. Mit einem letzten wehmütigen Blick auf den schlafenden Neville, ließ er den Koffer in die Tasche seiner Robe gleiten und zog stattdessen den kleinen Reisespiegel hervor.

Lebt wohl, meine Freunde!", dachte er, während er auf sein Bett stieg und die Vorhänge zuzog.

Eine Minute später hatte er den Reisespiegel vergrößert und schritt mit angehaltenem Atem hindurch und betrat das Wohnzimmer des alten Hauses, das für die nächsten Monate sein Zuhause sein würde.

Der Raum war nur schwach beleuchtet; dennoch konnte Harry das Buch auf dem kleinen Tisch neben sich gut erkennen. Wendepunkt, stand in geschwungenen Lettern auf dem Einband. Harry atmete tief durch, während er mit den Fingerspitzen die Buchstaben entlang fuhr und diesmal war es ein befreiendes Aufatmen. Ja, er befand sich an einem Wendepunkt und niemals zuvor berührten sich Vergangenheit und Zukunft so deutlich, wie in diesem Augenblick. Harry war bereit für die Zukunft, die nicht weniger aufregend und spannend werden würde, wie die Jahre die hinter ihm lagen.

Ende

Autornote: Wichtig!
So, nun haben wir tatsächlich das Ende der Fanfic erreicht.

Wie viele von euch bemerkt haben werden, gibt es gerade in diesem letzten Kapitel Parallelen zu JKR´s 6. Band.
Ich möchte euch hiermit versichern, dass die Ideen dieser FF nicht von Buch 6 beeinflusst wurden und ich nach dem Lesen des Halbblutprinzen nicht wenig überrascht war, wie sehr sich doch manche meiner Vorstellungen mit denen unserer geschätzten Frau Rowling glichen.

Der Angriff der Todesser auf Hogwarts, Snapes Verrat und nicht zuletzt Harrys Weggang aus Hogwarts, war für mich die Entwicklung, die ich persönlich aus den ersten 5 Büchern herausgelesen und dann in dieser FF eingebunden habe. Es ist mir wichtig, dies hier nochmals zu betonen!

Tja, was bleibt mir sonst noch zu sagen, außer, dass ich euch als Leser unendlich dankbar bin, dass ihr mich die letzten 2 ½ Jahre meines Lebens begleitet habt. Nur durch eure lieben und hilfreichen Reviews konnte diese Story im Laufe der Monate besser werden und ich meine das ganz ernst, wenn ich heute sage, dass ich euch sehr, sehr dankbar dafür bin. Mit eurer konstruktiven Kritik wurdet ihr zu meinen Lehrern und ich habe diese Unterrichtsstunden bei euch sehr genossen.
Ihr habt mir Mut gemacht, mich über so manche Hürde geschupst und mich zu dieser Fortsetzung angestachelt und dafür möchte ich heute ganz deutlich DANKE sagen.

Hm, und wie der Harry in meiner Fanfic, befinde auch ich mich nun an einem Wendepunkt, den ich mit einem lachenden und einem weinenden Auge betrachte. Es wird zu dieser Story noch einen Epilog geben, doch von einer weiteren Fortsetzung werde ich Abstand nehmen. Wie ihr vielleicht bemerkt hab, wurden im Laufe der Kapitel die von mir erschaffenen Figuren immer gewichtiger und ich befürchte, in einer weiteren Fortsetzung würde es dann nur noch um Andrea, Silver und Ted gehen, tja und das ist nicht Sinn einer Fanfic. Meine eigenen Figuren sind lebendiger geworden, als ich vorhatte und letztendlich zeigen sie mir dadurch auch, wohin meine weitere Schreiberei führen wird. Meine Phantasie drängt danach etwas Eigenes zu schreiben und sollte in Zukunft daraus wirklich ein Buch werden, dann ist es bestimmt nicht zuletzt euer Verdienst.
An dieser Stelle auch noch ein ganz dickes Dankeschön, an meine liebe Vivi, die mir neben ihrer Hilfe als Betaleserin auch ihre Freundschaft zum Geschenk machte, worüber ich sehr glücklich bin. Mit unermüdlicher Geduld hat sie die letzten beiden Jahre jedes einzelne Kapitel Korrektur gelesen, sich meine Zweifel angehört und je nach Bedarf mich mal angetrieben oder auch mal gebremst. Ich denke, Betaleserin bei Sternchen zu sein, ist kein einfacher Job und forderte sicher jede Menge Nerven und Geduld. Danke, liebe Vivi, dass du mir zur Seite gestanden bist, mich an der Hand nahmst und mich über so manche Hürden der deutschen Rechtschreibung und Grammatik gezogen hast.
So, aber noch dürft ihr ja auf den Epilog warten.
Hierzu habe ich mir Folgendes überlegt - da mir bewusst ist, dass bestimmt nicht alle Fragen zu dieser Fanfic von mir aufgeklärt werden konnten, bitte ich euch diese einfach in eine Review zu setzen und ich werde mein Bestes geben diese dann im Epilog noch zu beantworten.

Bis dahin grüße ich euch ganz herzlich!

Euer Sternchen