Michaela saß inzwischen in der Küche der Pension und unterhielt sich mit Charlotte und ihren Kindern Matthew, Colleen und Brian. Besonders Brian und Colleen waren ganz angetan.

„Und sie waren wirklich auf einem College? Ich dachte Mädchen dürfen das nicht."

„Ja auf einem College. Natürlich dürfen Frauen auch auf ein College, wir müssen nur stärker dafür Kämpfen, weil die meisten Männer das nicht gerne sehen."

„Und ihre Eltern, was haben die dazu gesagt?"

Sie schaute kurz auf ihre Hände. „Meine Mutter wollte immer, dass ich heirate nur mein Vater hat es zum unterstürzt. Er hat sich immer ein Sohn gewünscht, der in seine Fußstapfen tritt. Als ich dann Interesse für die Medizin gezeigt habe war er glücklich darüber. Er dachte immer, dass ich sein lang ersehnter Sohn werde. Er wollte mich Michael nennen. Michaela war dann ein Kompromiss. Aber er hat mich immer Mike genannt?"

Nun schaltete sich Brian ein: „Darf ich sie Dr. Mike nennen?"

„Ja gern." Plötzlich klopfte es an der Tür und Sully trat ein.

„Und sind sie so weit."

„Also von mir aus können wir los, Mr. Sully."

„Nennen sie Sully."

Michaela lächelte ihn an. „Aber nur wenn sie mich Dr. Mike nennen."

„Einverstanden. Ok dann los."

Sie machten sich auf den Weg und liefen aus der Stadt raus."

Sie liefen den größten Teil schweigen neben einander her. Beide waren zu aufgeregt etwas zu sagen.

„Da sind wir. Ich weiß es nichts großartiges. Und es sind noch ein paar Reparaturen fällig."

Michaela ging die paar Treppen nach oben und öffnete die Tür. Die Hütte war vollständig möbiliert. „Da sind ja Möbel drin."

„Ja das wollte der Auftraggeber so, aber sie sind völlig unbenutzt."

„Sully die Hütte ist großartig." Plötzlich entdeckte sie den gedeckten Tisch, als Sully eintrat.

„Was ist denn das?"

„Ich dachte, das sie bestimmt noch nichts gegessen haben und sie wollen vielleicht ihr neues Zuhause einweihen?"

„Das ist eine gute Idee. Ich hab tatsächlich noch nicht gegessen."

Sie setzten sich an den Tisch und fingen an zu Essen.

Nach dem essen sagte Michaela:„Hmm... das war aber lecker. Jetzt sagen sie nicht, sie hätten das gekocht."

„Ja, irgendwie muss man sich ja ernähren und das ohne kochen zu können dürfte etwas schwierig sein."

„Ich glaub da könnte ich mir mal ne Scheibe abschneiden."

Sully schaute sie skeptisch an.

„Können sie etwa nicht kochen?"

Michaela schaute etwas beschämt auf ihre Hände. „Ähm... na ja... es ist eben... in Bosten hatten wir Dienstmädchen und Köchinnen. Da braucht man das nicht zu können."

Sie blickte einen Moment traurig, doch dann fügte sie hinzu: „Ich denk mal ich muss noch einiges lernen, um hier überleben zu können." Sie zwang sich zu einem Lächeln.

Sully bemerkte ihren Stimmungswechsel und durchschaute auch ihr gespieltes Lächeln.

„Dr. Mike. Ich weiß, wir haben uns erst heute kennen gelernt, aber darf ich sie etwas persönliches fragen?"

„Ja sicher, aber es kommt auf sie Frage an, ob ich antworte." Sie blickte ihn herausfordernd an. Sully schaute sie einen Moment an. Man diese Frau. Was macht sie nur mit mir? Oh, dieser Blick.

Er lächelte sie auch an.

„Na gut, dann versuch ich ´s einfach mal: Sie scheinen mir irgendwie mit dem Herz noch nicht hier zu sein. Ich weiß, es ist ein großer Schritt ganz neu anzufangen. Vor allem in einer ganz anderen Welt. Es wird einiges auf sie zukommen und ich wird ihnen auch gerne helfen, aber sind sie sich ihres Schrittes bewusst? Ich meine, sie sehen so aus als ob sie jetzt schon Heimweh haben und sie sind erst heute hier angekommen."

„Oh, es tut mir so leid. Ich wollte nicht den Anschein erwecken, dass ich hier kein Leben führen möchte. Ich freu mich sehr hierzu sei und hier ein neues Leben anzufangen. Es ist nur... ach es ist so schwer... nein nicht die Veränderung..." Michaela wich seinem Blick aus. Sully rutschte mit seinem Stuhl etwas näher zu ihr, nahm ihre Hand in die seine und drehte ihren Kopf zu sich, so dass sie ihm in die Augen schauen musste.

Michaela bekam ein komisches Gefühl, als er sie berührte. Sie hatte noch nie so etwas gefühlt.

„Ich seh doch dass sie etwas bedrückt. Es hilft manchmal darüber zu reden und es einfach raus zu lassen."

„Ja sie haben recht. Es ist nur schwer, manchmal über seine Gefühle zu sprechen."

„Ja, weil man dann sieht, wie verletzlich man ist. Aber dennoch kann es helfen, besser mit den Wunden klarzukommen."

Michaela atmete noch einmal tief durch und schaute ihm dann fest in die Augen.

„Es ist wegen meiner Eltern. Ich hab mich mit ihnen gestritten und sie haben mir gesagt, wenn ich wirklich hierher möchte soll ich doch gehen, aber ich bräuchte dann nie wieder kommen."

„Ich verstehe. So etwas ist sehr schmerzhaft. Wollen sie mir nicht vielleicht erzählen was genau passiert ist?"

Michaela kullerten jetzt ein paar Tränen runter.

„Ich war verlobt..."Michaela pauste einen Moment, als sich Sully Hand anspannte, die noch immer ihre in hielt. Warum reagierte er nur so?

Sie fuhr schließlich fort: „Meine Eltern wollten, dass ich heirate und ein ´ordentliches Leben führe, wie sie es so nannten." Sie spürhte, wie er sich langsam wieder entspannte.

„Auf einer Feier verkündeten sie schließlich meine Verlobung mit David. Ich war ziemlich überrumpelt und ziemlich sauer."

„Das ist ja auch verständlich", unterbrach Sully sie.

„Ja. Aber ich stellte sie erst nach der Feier zur Rede. Es war ein ziemlicher Streit, aber ich wusste auch dass ich so einfach da nicht wieder raus kam ohne meine Familie bloß zu stellen. Außerdem gibt es nicht viele Männer, die akzeptieren dass ihre Frau als Ärztin arbeitet. David war einer der wenigen. Er ist selber Arzt. Also akzeptierte ich das ganze. Wir waren sechs Monate verlobt in der er sich eigentlich immer anständig benahm."

„Und dann?"

„Es war nach der Geburtstagfeier meiner Schwester. Wir machten einen Spaziergang in den Park und setzten uns auf eine Bank."

Michaela liefen nun endlos Tränen die Wange runter und sie schluchzte bitterlich. Sully fiel nichts anderes ein, als sie in den Arm zu nehmen. Sie lehnte sich an seine Schulter und beruhigte sich ein wenig. Sie fühlte sich so wohl an seiner Schulter. Was ist nur los mit mir? Ich kenn diesen Mann erst seit heute, aber ich fühl mich so wohl in seiner Nähe. Ich fühl, als könnte ich mit ihm über alles reden, sonst würde ich wohl kaum so etwas anvertrauen. Es kommt mir vor, als würden wir uns schon ewig kennen.

Sie entfernte sich wieder aus der Umarmung und schaute ihm wieder in die Augen.

„David lehnte sich zu mir, um mich zu küssen. Wir hatten uns in all der Zeit kein einziges mal geküsst und ich wollte das nicht und dreht mich von ihm Weg, aber er war betrunken und wusste nicht mehr was er tut. Er drückte mich zu Boden und Küsste mich überall und fasste mich überall an und dann... dann öffnete er meine Bluse. Ich versuchte mich zu wehren, aber war einfach zu schwach. Ich schrie um Hilfe, aber niemand hörte uns. Wir waren an einer ziemlich verlassenen Stelle des Parks und es war ziemlich."

Michaela strömten die Tränen nur so die Wange runter. Sully schaute ihr in die Augen. Es zerbrach ihm das Herz, was sie durchgemacht hatte. Er konnte jetzt nicht mehr länger warten. Er musste jetzt Gewissheit haben.„Hat er etwa... hat er ihnen... weh getan?"

Nein." Sie konnte spüren, wie er sich wieder entspannte.

„Wie sind sie dann da davon gekommen?"

Sie musste ein bisschen lächeln. „Ich hab ihn gestaucht."

„Was!"

„Ich hab ihm mein Knie zwischen die Beine gestaucht."

Nun musste auch Sully lächeln. „Sie wissen wie sie sich selber helfen. Mit ihnen sollte sich kein MANN anlegen."

„Zumindest kein Mann, der mir so etwas antun möchte.

„Mit recht. Ich bin so froh, dass es nicht zum... zum Äußersten gekommen ist."

Sie wollte nicht mehr darüber nachdenken, deshalb fuhr sie fort: „Als er dann von mir abgelassen hatte, bin ich nach hause gerannt."

„Und ihre Eltern? Was haben sie dazu gesagt?"

„Ich hab es ihnen nicht gesagt." Sie atmete tief durch und fuhr dann fort.

„ Ich konnte einfach nicht. Ich hab ihnen am nächsten Tag gesagt, dass ich ihn nicht heiraten würde. Sie haben sich so aufgeregt. Ich würde die ganze Familie in einen schlechten Ruf stellen. Dabei waren sie es doch. Das wichtigste für sie ist, dass ich heirate."

„Und sie? Was wollen sie?"

„Sehen sie, da liegt der Unterschied. Meine Eltern haben mich das nie gefragt, zumindest was hast heiraten angeht. Ich hatte schon Glück, dass mein Vater mich bei meinem Wunsch Ärztin zu werden unterstürzt hat. Er ist selber Arzt. Natürlich möchte ich irgendwann heiraten. Aber es muss aus Liebe sein und nicht jemand, den mir meine Eltern ausgesucht haben."

„Das sollte auch der Grund sein warum man heiratet. Man beginnt schließlich ein Leben zusammen." Sie hörte etwas wehmütiges aus seiner Stimme, ging aber für den Moment nicht weiter darauf ein.

„Ja da stimm ich ihnen zu."

„Und David? Haben sie ihn wieder gesehen? Ich geh davon aus, dass sie ihn nicht angezeigt haben, da ihre Eltern nicht einmal davon wissen."

„Also mir wurde nach meinem Streit mit meinen Eltern klar, dass sie sich immer in meine Leben einmischen würden. Und dann hab ich die Anzeige gelesen, dass hier ein Arzt gesucht wird. Ich sah das als meine Lösung, mein eigenes Leben zu führen... ohne Einmischungen ... einmal ganz von vorne anzufangen. Also hab ich darauf geantwortet und kurz darauf die zusage bekommen. Ich hab David einen Abschiedsbrief geschrieben, in dem ich geschrieben hab, dass er mir besser nicht mehr unter die Augen kommen soll, wenn ihm seine Freiheit lieb ist. Danach hab ich es meinen Eltern erzählt. Es artete wieder in einem Streit aus. Am Ende sagten sie, ich sollte Fahren wenn ich es für richtig halte. Aber ich bräuchte dann nie wieder zu kommen. Das war das letzte was ich von ihnen gesehen und gehört habe. Ich musste einfach gehen. Ich konnte mich nicht weiter von ihnen beeinflussen lassen."

Sie fing wieder an zu weinen und Sully nahm sie wieder in den Arm.

„Ist ja gut ... ich versteh, solche Einmischungen können nervend sein. Ich kann sie gut verstehen. Vielleicht sollten sie ihren Eltern einen Brief schreiben."

„Nein. Sie wissen, wo ich bin. Jetzt müssen sie den nächsten Schritt machen. Schließlich haben sie mich verstoßen. Nur weil ich mein eigenes Leben führen möchte."

„Sie mögen wohl recht haben. Nur, wenn sie ihre Sturheit von ihren Eltern haben, dann seh ich schwarz." Er grinste sie schelmisch an."

„Sie denken ich bin stur?"

„Oh ja. Sturheit, kann einem manchmal im Weg stehen. Ich weiß wovon ich spreche. Bin manchmal auch zu stur, über meinen eigenen Schatten zu springen. Aber in ihrem Fall, kann ich sie sehr gut verstehen."

Michaela schmiegte sich etwas enger an ihn. Es tat so gut, in seinen Armen. Da konnte sie alle Sorgen beiseite wischen. Aber warum fühlte sie nur so sie kannte ihn doch erst seit ein paar Stunden."

Nach einer Weile fuhr er sie wieder zurück in die Pension.

„Also es war heute trotz allem ein schöner Abend. Danke für alles und ich hoffe ich hab ihnen nicht zu sehr die Ohren voll geheult."

„Aber natürlich nicht und falls sie mal wieder jemand zum Reden brauchen, ich bin da."

„Noch mal vielen Dank. Gute Nacht."

„Schlafen sie gut. Wir sehen uns dann wahrscheinlich morgen."

„Ach sie sind morgen wieder in der Stadt." Ihr Lächeln erhellte sich.

„Ähm... ja ich... ich muss was abgeben", stammelte er. Sie merkte, dass da etwas nicht stimmt.

„Gibt es vielleicht etwas über das sie mit MIR sprechen wollen."

„Nein, es ist alles in Ordnung." Sie drängte ihn nicht weiter.

„OK, dann gute Nacht." Sie durch die Hintertür in die Pension.

Sully schaute ihr noch kurz nach und klopfte dann an die Vordertür. Charlotte öffnete.

„Guten Abend Sully. Na gefällt ihr die Hütte?"

„Ja, sehr sogar. Wie ich den Eindruck hatte. Und wie ist es hier gelaufen?"

„Bestens. Sie ist echt ein Engel."

„Ich weiß. Schläft sie?"

„Komm doch rein. Sie ist in der Küche, trinkt gerade etwas... Moment. Weiß Dr. Mike eigentlich von ihr."

Er schaute zu Boden. „Es war heute nicht der Richtige Augenblick. Ich sag es ihr morgen."

„Das solltest du auch, wenn ich morgen wieder auf sie aufpassen soll während du an der Hütte arbeitest."

„Ja ich red morgen mit ihr. Es war wirklich nicht der richtige Augenblick ... Ach Charlotte, ich weiß auch nicht warum es mir so schwer fällt es ihr zu sagen."

Charlotte schaute ihn skeptisch an. „Vielleicht, weil du ihr dann auch den Rest erzählen musst? Ich hab genau gesehen, wie du sie anschaust."

„Ich kenn sie doch erst seit heute."

„Na und?"

„Ich denke, wir sollten jetzt wirklich nach Hause gehen." Die beiden gingen in die Küche.

„Papi."

„Hallo Hannah. Ich denke, es wird Zeit, dass du jetzt wieder ins Bett kommst. Lass uns nach Hause fahren. Sag gute Nacht zu Tante Charlotte."

„Gute Nacht Tante Charlotte." Sully nahm Hannah auf den Arm und verschwand nach draußen, nachdem er Charlotte noch selbst eine Gute Nacht wünschte und dann mit Hannah schön warm eingepackt aus der Stadt raus fuhr.