21. Liebe in der Dunkelheit
Harry erwachte durch Dumbledores Rufen. Verschlafen nahm der junge Zauberer das Bildnis und begrüßte seinen früheren Schulleiter.
„Was wolltest du denn, Harry? Als mich deine Nachricht erreichte, war es schon zu spät. Deshalb melde ich mich so früh."
„Wir haben Dank Horace Slughorn das Medaillon Slytherins. Doch nun weiß ich nicht, wie wir es vernichten sollen. Soll ich es tragen?"
„Bei Merlin, nein! Es würde dich töten. Nur eine sehr starke gute Macht oder mächtige schwarze Magie können Horcruxe zerstören. Meine Kraft oder das Gift des Basilisken zum Beispiel. Du könntest ja mal deinen Gast fragen, er ist doch ein Schwarzmagier."
Harry sah Dumbledore fragend an. „Meinst du das im Ernst?"
„Für irgendetwas muss er doch gut sein. Weshalb solltest du ihn den sonst durchfüttern?" Harry war sich sicher, ein leichtes Lächeln auf Dumbledores Gesicht gesehen zu haben.
„Nur wenn uns nichts anderes mehr einfällt, werde ich den fragen. Danke nochmals für dein Kommen, ich werde jetzt erst einmal Duschen. Vielleicht wird mein Kopf dann klarer."
Noch feucht von der Dusche stand Harry einige Zeit danach vor Morganes Tür und klopfte. Die junge Hexe öffnete die Tür und ein Lächeln huschte auf ihr Gesicht.
„Guten Morgen, meine Liebe. Ich hoffe, du konntest ein wenig schlafen." Harry lächelte sie an.
„Nicht besonders, sobald es dunkel wird und ich alleine bin …" Morgane senkte den Kopf.
„Wenn Du möchtest, kann ich Tonks oder Susan bitten, bei dir zu schlafen."
Morgane schüttelte den Kopf. Harry legte seinen Arm um sie und hielt sie eine Weile einfach nur fest. Sanft wischte er ihre Tränen ab, die langsam aus ihren Augen quollen.
„Willst du, dass ich bei dir schlafe? Auf dem Sofa selbstverständlich." Warme, braune Augen blickten ihn liebevoll an.
„Das würdest du für mich tun?" Morganes Stimme zitterte.
Als Antwort nahm Harry ihre Hände und küsste sie ganz sanft auf die Lippen. Morgane erwiderte den Kuss. Unsicher stockte Harry kurz. Doch dann gab er sich ganz dem Kuss hin. Abwechselnd durchfuhren ihn Eis- und Feuerströme. Ein leises Kichern ließ ihn herumfahren. Tonks stand Hand in Hand mit Remus auf dem Flur und versuchte krampfhaft, nicht zu lachen.
„Sorry, Harry, aber ihr seht zu süß aus."
Genervt funkelte Harry sie an. Er wollte nicht süß aussehen, wenn er seine Freundin küsste. Manchmal hätte er sich etwas mehr Privatsphäre gewünscht...
Gemeinsam frühstückten alle in der Küche, und da Tonks frei hatte und ebenfalls mitfrühstückte, war der Tisch gut gefüllt. Malfoy unterhielt sich die ganze Zeit über mit Susan. Harrys Neugierde keimte auf, denn die Beiden sah man seit Tagen nur noch zusammen. Morgane lenkte seine Gedanken ab, indem sie ihm ein bezauberndes Lächeln schenkte und ihm die Marmelade reichte.
Doch zu gerne wollte Harry wissen, was Susan und Malfoy zusammen trieben. Tagelang verschwanden sie außerhalb der Essenszeiten in Susans Zimmer und ‚forschten'. Harrys Neugierde siegte. Nach dem Mittagsessen schlich er unter seinem Tarnumhang zu Susans Zimmer und schlüpfte hinein. Er stellte sich leise in eine Ecke und wartete. Neben dem Bett war nur ein riesiger Schreibtisch in diesem Zimmer, voll bepackt mit dicken Büchern, Pergamenten und Tränkezutaten. Einige Kessel brodelten auf kleiner Flamme vor sich hin.
Tatsächlich dauerte es nur wenige Minuten und die Beiden betraten den Raum. Susan nahm sich sogleich ein Buch vor, während Lucius die Kessel kontrollierte.
„Glaubst du, dieser Langzeitwolfsbanntrank funktioniert?" Malfoy streckte seine Nase in einen der Kessel.
„Tu nicht so, als hättest du eine Ahnung, wovon du da sprichst", frotzelte Susan. „Wir können den modifizierten Wolfbanntrank erst ausprobieren, wenn Vollmond ist oder wir endlich diesen vermaledeiten Zauberspruch hinbekommen."
„Wird da jemand ungeduldig?", säuselte Lucius und grinste. „Das liegt sicher an deinen Muggelgenen."
„Du bist manchmal solch ein Idiot! - Ich denke, eher meine Dumbledoregene sind der Störfaktor!"
„Aber alle Dumbledores waren oder sind sehr mächtige Zauberer." Lucius grinste immer noch.
„Bei meinem Erzeuger liegen aber Genie und Wahnsinn wohl zu eng nebeneinander", konterte Susan.
„Man kann nicht alles haben."
„Und das aus dem Mund eines Malfoy! Seit wann hast du deine Lebensdoktrin geändert?"
„Ich habe gesagt, man kann nicht alles haben. Ein Malfoy schon", sagte Lucius und ein noch breiteres Grinsen zog in sein Gesicht.
Er trat nahe zu Susan und fuhr mit einer Hand über ihre Haare. Harry erwartete ein Donnerwetter, doch Susan wandte sich Mafoy zu und ließ sich ohne Gegenwehr küssen. Harry schlug sich die Hände vor den Mund, um keinen Laut zu entlassen. Das also hatte Arthur gemeint! Doch anscheinend schien Malfoy senior über ein ebenso gutes Gespür wie sein Sohn zu verfügen.
„Potter, ich weiß, du hast weder einen Vater noch einen Paten, doch ich bin nicht für deine Aufklärung zuständig. Also nimm deinen Tarnumhang und verschwinde, aber schnell. Wenn du Fragen hast, wende dich an den Flohträger", höhnte er in Harrys Richtung.
Susan wurde rot und blickte entsetzt in dieselbe Richtung.
„Harry, im Ernst, du kannst doch nicht einfach so Leute bespitzeln", empörte sich die Hexe.
Der Angesprochene zog sich den Umhang vom Kopf und stotterte beschämt: „Ich … ich wollte doch nur … nur wissen, was … was ihr erforscht. Wer … wer konnte denn so was ahnen?"
„Ist ja nicht so schlimm, doch warum hast du nicht einfach gefragt?" Susan schmunzelte schon wieder.
Malfoy brummte: „Nicht schlimm, pha!"
„Tsja, es sieht so aus, als würde auch ein Malfoy nicht alles bekommen, was er will." Susan lächelte den blonden Zauberer entwaffnend an.
Es klopfte und Susans Halbschwester Kira betrat den Raum.
„Wir können ja eine Party feiern, wenn noch mehr kommen", stöhnte Malfoy sarkastisch.
Kira ignorierte ihn und sagte zu Harry: „Draco ist wach und ich denke, er möchte mit dir reden, Harry."
„Ich komme mit." Lucius war schon auf dem Weg zu seinem Sohn.
Harry folgte ihm mit einem mulmigen Gefühl im Bauch. Was der Slytherin wohl von ihm wollte? Susan legte ihren Arm auf seine Schulter und geleitete ihn.
Draco saß auf dem Bett, seine Augen waren leicht gerötet und er war unnatürlich blass. Erschöpft sah er zur Tür herüber.
„Was willst du von mir, Malfoy?", schnarrte Harry. Eigentlich hatte er sich vorgenommen, sich Malfoy gegenüber neutral zu verhalten. Doch die Gewohnheit hatte gesiegt. Es war zu selbstverständlich, den blonden, ehemaligen Mitschüler anzuschnauzen.
„Danke, Potter." Das Sprechen fiel ihm schwer.
„Danke?" Harry schaute den jungen Malfoy entwaffnet an.
„Dass du uns gerettet hast."
Harry ahnte, wie viel Überwindung diese Worte den Slytherin gekostet hatten. „Und es tut mir leid, dass sie den kleinen Rotschopf haben." Er machte eine längere Pause, bevor er weiter sprach. „Das ist bestimmt alles auf Snapes Mist gewachsen." Lucius hustete künstlich um Dracos Redeschwall zu unterbrechen, doch sein Sohn fuhr fort. „Er ist sehr mächtig geworden. Er konnte sogar unsere Exekution aufschieben, um uns noch mehr leiden zu lassen ..."
„Und Snape wusste nicht, dass sie nicht mehr meine Freundin …" Die Erkenntnis, dass er alleine der Grund für Ginnys Entführung war, traf ihn erneut wie ein Faustschlag. „Ich … ich kann nicht … später …" Harry flüchtete aus dem Raum und schloss sich in seinem Zimmer ein.
Einige Zeit später klopfte Morgane an die Tür.
„Harry, Harry, mache bitte die Tür auf!" Doch er antwortete nicht. „Harry Potter! Entweder du machst diese Tür auf oder ich sprenge sie in die Luft."
Knarrend bewegte sich das Türblatt. Harrys verheultes Gesicht kam zum Vorschein. Morgane drängte ihn hinein und schloss die Tür. Zärtlich nahm sie ihn in den Arm, so standen sie eine ganze Zeit lang und hielten sich fest wie zwei verlorene Seelen, die verzweifelt leben wollen.
„Du bist nicht alleine, und wir werden das zusammen durchstehen." Morgane lächelte ihn verliebt an.
„Aber Ginny ist meinetwegen …"
„Papperlapapp, was hättest du denn ändern können? Warum sind die Drei denn aber auch alleine in die Winkelgasse gegangen? Es war eine Verkettung unglücklicher Umstände und nicht deine Schuld. Also höre auf, dich zu bemitleiden und fange an, zu kämpfen."
Harrys Augen begannen zu glänzen und die beiden versanken in einem tiefen, kraftgebenden Kuss.
