Auf vielfachen Wunsch, das nächste Snape / Ginny Kapitel. Viel Spaß und einen schönen vierten Advent morgen.
22. Wenn Schlangen, Schlangen töten
Ginny tigerte nervös im Zimmer auf und ab. Nun war sie schon über eine Woche hier eingesperrt. Langsam fiel ihr fast die Decke auf den Kopf.
Wenigstens schien Snape sie wirklich nicht anrühren zu wollen. Selbst wenn sie im Bett lagen, berührte er sie nicht - abgesehen davon, wenn er sich in seinen Träumen hin und her wälzte. Nur: weshalb hatte er sie dann überhaupt zu sich genommen? Er war sowieso ein sehr seltsamer Mensch, seine nächtlichen Alpträume waren manchmal schon beängstigend und wenn er sich unbeobachtet fühlte, sah er sehr einsam und unglücklich aus. Er saß oft nur da und las oder schrieb und beachtete sie kaum. Aber das geschah einem Mörder ganz recht und nichts anderes war er ja - ein gemeiner und kaltblütiger Mörder...
Genau dieses ‚Monster' betrat nun den Raum und ließ sich in den großen Ohrensessel fallen. Frustriert vergrub er das Gesicht in den Händen und atmete genervt aus.
„Ärger?", fragte sie vorsichtig. Schließlich war er der Einzige, mit dem sie seit ihrer Entführung reden konnten, auch wenn die Unterhaltungen meist recht einseitig waren. Doch sie war gewohnt, in einer großen Familie zu leben, und da war ein wortkarges, egozentrisches Ekel immer noch besser als gar niemand.
„Nichts, worüber du dir Sorgen machen müsstest", wiegelte er unglaubwürdig ab.
Ein lautes Klopfen ließ seinen Kopf hochfahren. Seine Mine verfinsterte sich, beinahe konnte man sagen mörderisch.
Snape öffnete die Tür und Rockwood drängte sich an ihm vorbei.
„Ah, das ist also das kleine Spielzeug – nicht schlecht, muss ich sagen." Abschätzend musterte er Ginny.
Der jungen Hexe griff die Angst nach dem Herz, es schlug schneller, und ihr schien es schwindelig zu werden. Weshalb hatte er gesagt, sie müsse sich keine Sorgen machen? Wenn nicht über solch einen gierenden Todesser, über was dann? (B/N: ggggggggggggggggg )
„Ich habe gesagt, du kannst sie haben, wenn ich sie nicht mehr will", schnarrte Snape.
„Ich habe noch einmal mit dem dunklen Lord gesprochen, er meinte, du sollst dich nicht so anstellen", konterte der große, kräftige Mann.
Unsanft packte Rockwood Ginnys Arm und zog sie an sich. Sie spürte seinen heißen Atem in ihrem Gesicht.
„Lass deine Finger von ihr", grollte Snape gefährlich leise.
„Mann, Severus, stell dich nicht so an, sonst könnte man noch meinen, du magst den Rotfuchs."
„Blödsinn, ich teile nur nicht gerne …"
Doch Rockwood ließ sich nicht beirren und Ginny sah, wie Snape hinter dem Rücken des anderen Todessers den Zauberstab zog und ihn auf den Mann richtete. Doch Rockwood schien in ihrem Gesicht lesen zu können, denn er wirbelte herum und hatte seinen Zauberstab schon in der Hand.
„Expelliarmus", donnerte er durch den Raum.
Snapes Stab flog durch die Luft, und der bullige Todesser schlug dem Tränkemeister mit der freien Hand so fest ins Gesicht, dass dieser sich einmal um die eigene Achse wirbelte und dann gegen die Wand knallte. Er rutschte auf den Boden und blickte benommen auf.
„Ich wusste, du bist ein verräterischer Mistkerl, du willst diese kleine Ordensbrut nur schützen. Ich habe es schon immer gesagt, dir ist nicht zu trauen, denn man weiß nie, wo deine Prioritäten liegen. Auf welcher Seite stehst du, Snape?"
Rockwood drückte mit einer Hand Ginnys Hals zu, dass sie keine Luft bekam. Angstvoll riss sie die Augen auf und sah Snape flehend an. Er mochte keiner der Guten sein, aber er war besser als Rockwood. Snape spritzte auf und versuchte dem Anderen den Zauberstab zu entreißen; doch Rockwood war zu stark, er schleuderte den kleineren Mann auf den Schreibtisch und das Krachen ließ auf einige gebrochene Knochen bei Snape schließen.
Als sich der stämmige Todesser wieder zu Ginny umdrehte, kam in der jungen Hexe Verzweiflung auf. Ihr letzter Ausweg schien der Angriff zu sein. Ihr beherzter Tritt zwischen seine Beine zeigte Wirkung, der Todesser brach zusammen und japste nach Luft. Ginny hechtete nach Snapes Zauberstab, der immer noch auf dem Boden lag, doch Rockwood packte ihren Knöchel, brachte sie zu Fall und zog sie unter sich. Schwer lastete das Gewicht des Mannes auf ihr. Er schien seine blauen Augen in sie hineinbohren zu wollen. Immer näher kam sein Gesicht und sein unangenehm heißer Atem streife stoßweise ihr Gesicht. Wie gelähmt starrte sie ihn an. Doch dann riss er seine Augen auf und brach auf ihr zusammen. Ginny hielt ängstlich die Luft an. Was war das gewesen?
Keuchend tauchte Snape neben ihr auf und zerrte sie unter dem leblosen Körper hervor. Entsetzt erkannte Ginny den silbernen Brieföffner, der bis zum Schaft im breiten Rücken des anderen Mannes steckte. Snape lag schwer atmend auf dem Rücken und hielt sich die Rippen. Sein Antlitz war schmerzverzerrt, seine Augen halb geschlossen. Mitleid regte sich in Ginny, doch die Angst lähmte noch immer ihre Glieder.
Snape schleppte sich an sein Bett, legte sich schwer atmend darauf und verharrte eine Zeit lang.
„Ginny … meinen Zauberstab … bitte …", presste er hervor.
Doch Ginny lag immer noch auf dem Rücken am Boden und stierte den toten Rockwood an. Weshalb hatte Snape das getan? Weshalb hatte er sie gerettet? Er hatte einen Todesser getötet - wegen ihr …
„Ginny … bitte …", zischte Snape.
Die Rothaarige erwachte aus ihrer Betäubung, erhob sich, ging langsam an dem Leichnam vorbei und hob den Zauberstab auf. Sie trat ans Bett, betrachtete Snape und sah dann auf den Stab. Ihre Finger strichen über die geschnitzten Verzierungen, eine Schlange und ein Rabe mit floralem Schmuck.
„Wenn du das tun willst, dann tue es jetzt. Ich bin im Moment nicht in der Lage, mich zu wehren, die Gelegenheit ist günstig", sagte Snape leise.
„Warum?", fragte Ginny immer noch regungslos.
„Warum was?"
„Warum haben sie das getan? Weshalb haben sie es nicht geschehen lassen?", fragte sie verwirrt.
„Hätte ich es sollen?"
„Nein, natürlich nicht … doch warum?"
„Könntest du dich jetzt entscheiden, entweder benutzt du den Zauberstab jetzt gegen oder für mich. Aber tue irgendetwas …" Atmen und sprechen fielen ihm sichtbar schwer.
„WARUM?", fragte Ginny nachdrücklich.
Sie sah Snape tief in die Augen. So schmerzvoll verkrampft, wie er dort lag, kam er ihr auf einmal so schwach, so normal, so menschlich vor.
„Bitte …"
„War …" Weiter kam Ginny nicht.
Snape hustete Blut. Er lag nun gekrümmt auf der Seite und atmete immer schwerer und flacher. Ginny erhob den Stab, zeigte auf den Oberkörper und sagte laut: „Pulmoclaudo." Snapes Atem wurde augenblicklich wieder tiefer und ruhiger. Ginny war stolz, denn es war das erste mal, dass sie diesen Spruch benutzte und sie hatte es tatsächlich geschafft, das Loch in der Lunge zu schließen.
„Danke ... diese Entscheidung hatte ich nicht erwartet", schnaufte er.
Ginny sah ihn verwirrt an. Doch Snape lächelte tatsächlich dankbar.
„Wie willst du das deinem Harry erklären? Dass du mich gerettet hast?"
„Es ist nicht mein Harry und schließlich haben Sie Professor Dumbledore ermordet das bringt ihnen Pluspunkte bei keinem … aber ich konnte nicht …"
Snape wurde blass und versuchte sich umzudrehen, verharrte aber und hielt sich die immer noch gebrochenen Rippen. Ginny drückte seinen Oberkörper wieder auf das Bett und hob erneut den Zauberstab. „Ossano"
„Du bist gut", sagte Snape anerkennend. „Woher kannst du das?"
„Warum?", ignorierte sie ihn. Snape verdrehte die Augen.
„Und hartnäckig bist du … du willst also wissen, warum ich dich nicht dem guten Rockwood überlassen habe." Er biss sich auf die Unterlippe und setzte dann wieder an: „Ich habe mich schon so an dich gewöhnt, ich wollte dich nicht missen."
„Ich wäre doch nicht verschwunden …"
„Nein, aber gebrochen …"
„Das würde sie stören?", fragte Ginny überrascht.
„Dann könntest du mich nicht mehr so auf die Nerven gehen."
Ungläubig starrte Ginny ihn an; hatte sie sich gerade verhört oder hatte Snape gesagt, dass er ihre Gesellschaft mochte? Er? Der Verräter, der Mörder …
„Warum?"
Irritiert sah Snape sie an und begann sie dann wie gewohnt anzuschnauzen: „Habe ich dir doch gerade gesagt …"
„Warum haben sie Professor Dumbledore getötet?", fragte sie direkt.
Snapes Gesicht versteinerte augenblicklich, er stürmte vom Bett und stieß Ginny unsanft zur Seite. Als er ihr seinen Zauberstab aus der Hand riss, hätte er ihr beinahe die Finger gebrochen.
„Wir müssen Rockwood wegschaffen", schnarrte er.
Ginny verstand, dass sie die Klappe halten sollte und ihn nicht auf Dumbledores Tod ansprechen. Und Snape weiter zu reizen war alles andere als ratsam.
„Nonvidicorpus", sprach Snape und der Leichnam wurde unsichtbar. „Jetzt muss ich ihn nur noch nach draußen bringen. Ich gehe rüber zu den Bäumen und werde ihn unter den Hecken verstecken. Wenn du mich dort drüben im Gehölz verschwinden siehst, dann öffne das Fenster, verstanden?"
Ginny nickte und ging zum Fenster. Snape verließ das Zimmer und wenig später konnte Ginny sehen, wie er scheinbar zufällig und ziellos über die Wiese schlenderte. Beinahe hatte er die Baumgruppe erreicht, als ein anderer Todesser zu ihm trat. Panik ergriff Ginny; wenn der andere Schwarzmagier misstrauisch wurde, würden sie erst Snape töten und dann sie.
Doch der Tränkemeister konnte den Anderen ablenken und verschwand kurz darauf im Gebüsch. Ginny öffnete das Fenster und merkte einen Lufthauch, als der unsichtbare Körper an ihr vorbeischwebte.
Es war schon dunkle Nacht, als Snape wieder ins Zimmer kam. Er schloss die Tür und legte wie jeden Abend einen Antispionagezauber über das Zimmer. Wortlos zog er sich aus und legte sich ins Bett, Ginny tat es ihm nach und ging ebenfalls ins Bett. Doch sie konnte nicht schlafen. Ihre Gedanken schweiften immer wieder zu dem widerlichen Rockwood, ihre Hilflosigkeit, den Brieföffner im Rücken des Mannes, das Blut …
Sie zitterte am ganzen Leib und Tränen begannen ihre Wangen hinab zulaufen. Sie schluchzte laut auf. Wie gerne würde sie sich jetzt in die Arme ihrer Mutter oder ihres Vaters schmiegen. Sie fühlte sich so alleine wie noch nie in ihrem Leben.
Plötzlich spürte sie einen Arm der tröstend um sie gelegt wurde und kurz danach Snapes Körper in ihrem Rücken. Er hatte sie im Arm – Snape, der Verräter, hatte sie im Arm. Zuerst lag sie steif wie ein Brett da und wagte kaum zu atmen, doch als sie eine Zeit lang seinem ruhigen Atem gelauscht hatte, entspannte sie sich etwas und schlief tatsächlich auch ein. (B/N: seufz ...)
tbc
