eins

„Sir?" Eine Stimme, weit entfernt bahnte sich langsam ihren Weg an sein Ohr. „Sir, geht es Euch gut?" Sein Kopf dröhnte – eine Erfahrung, die ihm seit er den Chip im Schädel hatte, nur zu vertraut war. Vorsichtig versuchte er die Augen zu öffnen. Zunächst konnte er nichts erkennen, doch langsam nahmen die verschwommenen Schatten Konturen an. Er lag auf dem Boden und über ihn beugte sich ein besorgt dreinblickender Mann um die vierzig. „Ich glaube, er kommt zu sich, Irene. Wie geht es ihr?" Der Mann half Spike sich behutsam aufzusetzen, sein Blick war aber auf eine Gestalt einige Meter von ihm entfernt gerichtet.

„Was..." setzte Spike an, wurde aber sogleich unterbrochen.

„Ihr müsst gestürzt sein, Sir? Wurdet Ihr und Eure Frau ausgeraubt?"

Spike starrte den Mann an, als habe er kein Wort von dem verstanden, was soeben zu ihm gesagt worden war. Und wenn er ehrlich war, hatte er das auch nicht. Wovon sprach dieser Kerl, der dringend einen Friseurbesuch machen sollte, überhaupt? Verdammt, und er hatte gedacht, er hätte Probleme seinen Arsch aus der Vergangenheit zu ziehen. Verwirrt, und ohne auf die Frage zu antworten, rappelte er sich auf und versuchte sich zu erinnern, was passiert war. Als er stand, fiel sein Blick auf Irene und die Frau, die neben ihr reglos auf der Straße lag.

„Buffy?" Hatte er eben noch auf wackeligen Beinen gestanden, hockte er jetzt neben der Jägerin und versuchte sie wach zu rütteln.
„Buffy, kannst du mich hören?"

„Sie ist noch immer bewusstlos, Sir", informierte ihn der Mann, der Spike und Buffy noch immer besorgt musterte. „Soll ich nach einem Arzt schicken lassen?"

Spike machte sich nicht die Mühe auf diese Frage einzugehen. Er griff nach Buffys Hand und redete weiter auf sie ein. Er versuchte nicht einmal die Gefühle, die sich bei ihrem reglosen Anblick in seinem Inneren abspielten, zu analysieren. Dazu würde er später noch genügend Zeit haben, nachdem sie aufgewacht war, und sich über die Sorge, die ihm sicher ins Gesicht geschrieben war, lustig gemacht hatte.

Gerade als Spike, seinen inneren Instinkten zum Trotz, dem Angebot des Fremden, einen Arzt kommen zu lassen, nachgeben wollte, spürte er, dass Buffy zu sich kam.

„Buffy?" Er half ihr sich aufzusetzen und schlang einen Arm um sie, um ihren Rücken zu stützen. „Alles in Ordnung?"

Spike konnte jeden Schritt ihres Zu-Bewusstsein-Kommens auf ihrem Gesicht verfolgen. Zunächst absolute Orientierungslosigkeit, dann Verwirrung, gefolgt von Erkennen, bis hin zum Begreifen. Sobald sie verstanden hatte, an wessen Körper sie gelehnt lag, sprang sie auf und blickte ihn fragend – eigentlich eher anklagend – an.

„Was zur Hölle ist hier los, Spike?" Zum ersten Mal bemerkte sie das Ehepaar, das die ganze Zeit zugegen gewesen war.

„Miss, seid Ihr sicher, dass es Euch gut geht? Sollen wir Euch vielleicht zu einem Arzt begleiten? Die Diebe, die Euch beraubt haben, müssen recht grob an Euch herangetre­ten sein." Es dauerte einen Moment, bis Buffy begriff, dass an der ganzen Situation etwas absolut nicht stimmte. Die Frau, die ihr gegenüber stand, sprach nicht nur eigenartig, sie war auch gekleidet, als wolle sie auf ein Kostümfest gehen.

„Ähm, nein, vielen Dank, aber ich denke, meiner Frau und mir fehlt nichts, nicht wahr, äh, Darling?" Auch Spike war inzwischen aufgefallen, wie eigenartig die ganze Situation war, und er hoffte dieses Paar vor ihm so schnell wie möglich loszuwerden, um der Sache auf den Grund gehen zu können. Jetzt betete er nur, dass Buffy genauso dachte, und auf seinen Akt einging.

„Nein, ich denke auch, mir ist nichts passiert." Einem Instinkt folgend beschloss Buffy auf Spikes Spiel einzugehen. Irgendwas stimmte hier nicht, und sie wollte herausfinden, was es war.

„Meine Frau und ich werden Euch dann aber auf jeden Fall zur nächsten Polizeistation begleiten. Diesem diebischen Gesindel muss einfach das Handwerk gelegt werden. Aber wie unhöflich und unbedacht von mir, wir haben uns noch gar nicht vorgestellt. Ich bin Sir Walter Brendall, und das ist meine Frau Irene."

Vielleicht waren es die Namen, vielleicht die Art und Weise, wie Brendall sprach, vielleicht aber auch die Atmosphäre in der Stadt, der vertraute Duft, die Geräusche – er hätte es nicht sagen können. Doch sobald er es erkannt hatte, weiteten sich seine Augen, und wenn es möglich war, wurde er noch blasser, als sonst. London! Sein Blick löste sich von seinem Gegenüber und scannte die Umgebung. Sie befanden sich in London. Und nicht im London des beginnenden 21. Jahrhunderts, sondern vielmehr im London des späten 19. Jahrhunderts. Er spürte eine Hand, die sich sacht auf seinen Arm legte, und diese Berührung weckte ihn aus seiner Trance.

„Äh, entschuldigt bitte, wo sind meine Manieren?" Er versuchte seinen Schock zu überspielen und sich nichts anmerken zu lassen. „Mein Name ist William Atherby, und das ist meine Frau Elisabeth." Er reichte Brendall die Hand und nickte seiner Frau freundlich zu. Irene blickte das Paar vor ihr fast mitleidig an, und Spike musste bei dem Gesichtsausdruck, der sich auf ihrem Gesicht bildete, als sie Buffys Kleidung musterte, fast lachen. Ein solches Outfit war Lady Brendall mit Sicherheit noch nie unter die Augen gekommen. Wahrscheinlich hielt sie den etwas überknielangen Rock und das hautenge Oberteil für eine Art Untergewand. Aber auch sein eigenes Outfit war wohl mehr als auffällig. Er schloss unauffällig seinen Ledermantel, damit die Jeans und das rote Hemd nicht ganz so auffällig waren.

„William Atherby? Oh, ich kenne einen William Atherby, ob der wohl mit Euch verwandt ist? Er wohnt gar nicht weit von hier in der..."

„...Abbey Orchard", beendete Spike den Satz fast flüsternd. Es war Jahrzehnte her, seit er diesen Namen zuletzt ausgesprochen hatte. Als er Buffys fragenden Blick auf sich spürte fuhr er schnell fort. „Um genau zu sein, sind wir Cousins." Es war die beste Erklärung, die ihm spontan eingefallen war. Mit einemmal wurde ihm die ganze Situation zu viel. Die Erinnerungen, die ihn überrollten, das Gefühl wieder hier zu sein, war fast überwältigend. Er musste die beiden so schnell wie möglich loswerden.

„Sir Brendall, wir möchten Euch wirklich nicht noch länger aufhalten. Es war wirklich freundlich uns zu helfen, aber Ihr wirkt so, als seid Ihr auf dem Weg zu einer Festivität. Elisabeth und ich schaffen es von nun an auch allein." Er setzte eine Miene auf, die keinen Widerspruch zuließ.

„In der Tat waren wir auf dem Weg zu einer Gesellschaft im Haus der Underwoods. Und wenn Ihr sicher seid..." Er brauchte den Satz nicht zu beenden, denn Spike hielt ihm bereits die Hand zum Abschied hin. „Vielen Dank für Eure Hilfe."

„Keine Ursache. Und grüßt Euren Cousin von mir. Mrs. Atherby." Buffy nickte Brendall zum Abschied zu und seufzte erleichtert auf, als das Paar außer Hörweite war.

„Verdammt!" zerriss Spikes Stimme plötzlich die Stille. Er hatte das dringende Bedürfnis etwas zu zerstören, doch das Einzige, was er auf dem verfluchten Parkweg, auf dem sie sich befanden, erkennen konnte, waren kleine Kieselsteine.

„Spike..."

„Lass mich in Ruhe!" schnauzte er sie an, ohne ihr eine Möglichkeit zu geben überhaupt etwas zu sagen. Sie beobachtete, wie er unruhig hin- und herlief, sich aber nie mehr als fünf Meter von ihr entfernte. Er wirkte aufgebracht und fast verstört, und Buffy war sich nicht sicher, ob ihr diese Kombination in Verbindung mit William dem Blutigen zusagte.

„Was wird hier gespielt, Spike? Gerade stehen wir noch in Sunnydale, da taucht ein grüner Lichtball auf und plötzlich kann ich nur noch einen der größten Filme aller Zeiten zitieren: „We're not in Kansas anymore!" Ihre Stimme klang zickig, und sie wusste es, aber sie war zu aufgebracht, um sich darum zu kümmern.

Spike war abrupt stehen geblieben und sah Buffy fragend an. „Ein grüner Lichtball?" Die ehrliche Unwissenheit, die in seiner Frage mitschwang, veranlasste auch sie ruhiger zu werden. Es brachte auch nichts sich jetzt gegenseitig durch Schuld­zu­wei­sung­en das Leben schwer zu machen. Das vernünftigste war es, die Situation ver­su­chen gemeinsam zu analysieren und eine gemeinsame Lösung zu finden.

„Ja, weißt du das nicht mehr? Wir waren auf Patrouille, haben uns gestritten, und plötzlich bist du stehen geblieben und hast wie ein hypnotisiertes Kaninchen in dieses schwebende, grüne Licht reingestarrt. Ich hab versucht dich da wegzuziehen, und das nächste was ich weiß ist, dass ich da auf dem Boden zu mir komme." Sie betrachtete sein fassungsloses Gesicht. „Und irgendwie habe ich den Eindruck, als könntest du mir über das alles hier mehr sagen, als ich", fügte sie etwas leiser, fast in einem sanften Ton, hinzu. „Du kanntest diesen Kerl, nicht wahr?"

Spike fing wieder an hin- und herzulaufen, warf ihr aber von Zeit zu Zeit einen Blick zu, den sie nicht richtig deuten konnte. Nach, wie es schien Stunden, blieb er wieder stehen, blickte sie aber diesmal nicht an. „Kennen wäre zu viel gesagt. Wir haben uns damals auf einigen von die­sen Londoner Upper Class Partys getroffen." Er hatte nicht vor ihr mehr über die Angele­gen­heit zu sagen.

„Also willst du mir damit sagen, wir sind in London." Es war eigentlich keine Frage.

„Japp."

„Ende des 19. Jahrhunderts."

„Japp." Er drehte sich zu ihr um und sah ihre weitaufgerissenen Augen. „Und ich denke, dass dieser Energieball, an den ich mich nicht erinnern kann, eine Art Zeitspalte war, oder ein Portal war, und weil du versucht hast, mich wegzuziehen, bist du wohl mit reingezo­gen worden."

„Klasse." Buffy hatte das Bedürfnis sich zu setzen, doch wirklich einladend sah der kalte Bo­den eigentlich nicht aus. „Erinner' mich bitte daran, dir nie wieder helfen zu wollen." Sie atme­te einmal tief durch. „Also, was machen wir jetzt?"

Spike zog überrascht eine Augenbraue in die Höhe. „Du fragst mich nach meiner Meinung? Bist du sicher, dass du dich nicht doch am Kopf verletzt hast?"

„Na ja, da du von uns beiden derjenige mit dem Insiderwissen bist... Ja, ich glaube, ich frage dich um deine Meinung." Sie lächelte ein wenig. Die ganze Situation war vollkom­men absurd.

Spike musterte die Jägerin von oben bis unten. „Zunächst sollten wir uns vielleicht etwas unauffälliger kleiden."

Zum ersten mal wurde auch Buffy sich bewusst, wie unangemessen ihre Kleidung für diese Zeit wohl eigentlich war. „Oh, ich nehme an, Lady Brendall hat so was noch nie gesehen, was?"

„Wohl eher nicht." Er lächelte. „Und Sir Brendall wohl auch nicht." Buffy entging der anzügliche Ton in seiner Stimme nicht.

„Du bist ein Schwein, Spike." Doch diesmal kam die gewohnte Floskel nicht feindselig rüber. Vielmehr sah sie im Moment in ihren Wortgefechten eine Spur Normalität. Es war irgendwie beruhi­gend.

„Komm mit, ich weiß, wo wir Klamotten herbekommen." Sie setzten sich gemeinsam in Bewegung. Schweigend führte Spike Buffy aus dem Park heraus. Als sie die erste Straße erreichten, musste Spike sich zunächst einmal orientieren. „Verdammt, ich hätte Brendall fragen sollen, wo genau wir sind", murmelte er, während er versuchte die Gebäude, die sich auf der gegenüberliegenden Straßenseite erstreckten, zu identifizie­ren.

„Ich dachte, du kennst dich hier aus."

„Glaub es, oder nicht, aber London hat sich in den letzten 120 Jahren ein bisschen verändert." Er schaute nach links und dann nach rechts. Er überlegte und entschied sich dann für rechts. „Aber wenn ich mich nicht irre, waren wir gerade im St. James's Park. Wenn ich es mir so überlege, hat sich Westminster doch nicht so sehr verändert. Komm schon, hier müssen wir lang."

„Wo gehen wir überhaupt hin?" fragte Buffy nach einigen Metern.

„Nach Hause", antwortete Spike ohne zu überlegen.

„Aha. Ähm, Spike glaubst du nicht, dass es deiner Mutter eigenartig vorkommen könnte, wenn du so verändert auf einmal vor ihr stehst?" Sie hatte nicht erwartet, dass er so abrupt stehen bleiben würde.

„Wir werden uns da reinschleichen, uns ein paar Klamotten nehmen und wieder gehen. Ich habe nicht vor irgendjemanden von meiner Anwesenheit zu informieren. Die alte Lady würde einen Nervenzusammenbruch erleiden." Buffy war erschrocken über die Emotio­nen, die in seiner Stimme mitschwangen. Die Erwähnung seiner Mutter hatte ihn aufge­bracht, und Buffy hatte das Gefühl ihn verletzt zu haben. Sie hörte den Beschützerinstinkt aus seiner Stimme heraus, und diesen Tonfall hatte sie schon einmal bei ihm registriert. Damals, als sie sich gegen Angelus verbündet hatten, und er als Gegenleistung Drusillas Leben – oder vielmehr Untot – verlangt hatte. Konnte es sein, dass er seine Mutter nach all den Jahren noch immer liebte?

„Und was machen wir, nachdem wir uns umgezogen haben?" fragte sie leise nachdem sie noch ein Stück gelaufen waren.

„Keine Ahnung. Soweit hab ich noch nicht gedacht." Spike vermied Augenkontakt und blickte stattdessen betreten zu Boden. Sein Gefühlsausbruch gerade war ihm fast peinlich. Sie hatte ja nicht vorgeschlagen, dass er seine Mutter foltern sollte, sie hatte nur Bedenken geäußert, wie diese auf seine plötzliche Blässe reagieren könnte. Der Gedanke er könnte seiner Mutter begegnen, hatte ihn beschäftigt, seit er realisiert hatte, dass sie hier waren. Der Wunsch nach Hause zu gehen – es war fast wie ein Traktorstrahl, der ihn magisch anzog – war überwälti­gend und erschreckte ihn fast zu Tode. Er hatte schon lange nicht mehr an seine Familie gedacht, und das Bewusstsein ihr jetzt so nach zu sein, machte ihm Angst. Es war so surreal. Er warf Buffy einen Blick zu. Sie ging schweigend neben ihm, aber ihre Augen waren aufmerksam, wie immer. Sie schien jede Kleinigkeit der neuen Umgebung in sich aufzusaugen. Er lächelte, als eine Kutsche mit einem Gespann aus zwei Pferden an ihnen vorbeifuhr, und Buffy ihr staunend hinterher sah.

„Hast du das gesehen?" Sie klang fast wie ein kleines Kind, das zum ersten mal auf einem Jahrmarkt war. Als wäre das London, in dem er geboren worden war, ein Wun­der­land.

„Ja, mein Schatz, hab ich. Weißt du, solche Kutschen fahren sogar heutzutage noch in London rum. Die etwas andere Sightseeing Tour für Touristen, die keine Lust haben, sich in einen überfüllten Bus zu zwängen."

Sie hörte das Grinsen aus seiner Stimme heraus, aber es kümmerte sie nicht weiter. Sie überquerten die große Straße, an der sie entlanggegangen waren und bogen in eine kleinere, ruhigere ab.

„Mach dich ruhig über mich lustig, aber ich finde das alles hier ziemlich spannend. Überleg doch mal, wie cool das ist. Jahrelang musste ich mir in Geschichte langweilige Vorträge über diese Zeit anhören, und jetzt kann ich sehen, wie es wirklich war."

„Hätte ich gewusst, dass du so vernarrt in Geschichte bist, hätte ich dich vielleicht doch bei Brendall lassen sollen. Ich für meinen Teil möchte so schnell wie möglich wieder von hier weg." Er bog in die nächste Straße ein, blieb vor einem Haus stehen und musste bei dem Anblick lachen.

„Was?"

„Oh, nichts." Sie warf ihm einen Blick zu, der ihm verriet, dass sie ihm nicht glaubte. „Hier in diesem Haus habe ich einen Großteil meiner Kindheit verbracht. Hinter dem Haus ist ein Garten, und mein Freund...", er verstummte, als er überlegte, wie der Junge geheißen hatte. Er wusste es nicht mehr. „... na ja, wie auch immer. Wir hatten uns auf der alten Eiche ein Baumhaus gebaut, und eines Tages bin ich aus einer Höhe von drei Metern runtergefallen. Ich hab geheult wie ein Baby, dachte ich müsste jeden Moment sterben. Dabei hatte ich nur eine aufgeplatzte Augenbraue." Unbewusst betastete er die Narbe, die auch nach fast 140 Jahren noch zu sehen war. Als sie diese Geste sah, musste Buffy lächeln. Sie hatte ihn nie als kleinen Jungen gesehen, der mit seinen Freunden draußen in Bäumen herumtobte. Nach allem, was er ihr vor einigen Wochen erzählt hatte, als sie ihn wegen der Jägerinnen, die er umgebracht hatte, gefragt hatte, hatte sie ihn sich als reinen Stubenhocker vorgestellt. „Mein Vater war außer sich und hat mir verboten jemals wieder mit dem Jungen zu spielen." Er lenkte seine Aufmerksamkeit von dem Haus ab und wandte sich Buffy zu. Sein Blick hatte die Unbekümmertheit, die sie gerade noch in ihm gesehen hatte, verloren. „Ist es nicht eigenartig, dass ich mich an einen Kerl wie Brendall erinnere, mit dem ich in meinem Leben nicht mehr als zehn Worte gewechselt habe, aber nicht an den Namen meines besten Freundes aus der Schulzeit?"

Ohne auf eine Antwort zu warten, ging er weiter. Buffy folgte ihm, nicht sicher, was sie mit der Information, die sie gerade in Bezug auf Spike erhalten hatte, anfangen sollte. Als sie die Traurigkeit in ihm gesehen hatte, war sie fast schockiert gewesen. Er war ein Vampir. Solche Gefühle sollten ihm fremd sein. Es sollte ihm egal sein, ob er sich an Schulfreunde erinnerte, es sollte ihm nichts machen, Aufmerksamkeit zu erregen indem er auffällige Kleidung trug, es sollte ihm egal sein, ob seine Mutter vor Schreck tot umfiel, wenn sie ihn so sah, oder nicht. Doch es war ihm nicht egal, und diese Tatsache erschreckte sie, weil sie alles, was sie über Vampire wusste, in Frage stellte.

„Ich hatte mir übrigens vorgestellt, die Luft um diese Zeit sei wesentlich besser, als zu Hause", bemerkte sie nach einer Weile, woraufhin Spike nur lachen konnte.

„Wovon redest du, die Luft in Sunnydale ist doch in Ordnung."

„Ich komme aber ursprünglich aus LA, und da ist die Luft alles andere, als in Ordnung. Ich kann die Male, die wir wegen Smogalarm schulfrei hatten schon nicht mehr zählen. Aber trotzdem kann man da einfacher atmen, als hier." Sie hustete einmal, um ihren Punkt zu untermauern.

„Tja, mein Schatz, das liegt an den schönen Kohleöfen, die man hier um diese Zeit hatte. Gardinen waschen war sinnlos, denn zwei Tage später sahen sie schon wieder genauso aus, wie vor der Wäsche, also haben es viele Menschen gleich gelassen. Dann hätten wir da noch die Angewohnheit der Menschen den Fluss, der gar nicht weit von hier ist, als Müllhalde zu benützen, was die Luft natürlich auch nicht unbedingt besser gemacht hat." Er drehte sich zu ihr um, und sah ihren verwirrten Gesichtsausdruck. „Was denn, dachtest du Umweltverschmutzung wäre eine Erfindung eurer Generation, oder der eurer Eltern?"

„Wohl nicht, was?" Buffy versuchte einen Blick auf die Gardinen zu erhaschen, die an den Fenstern der Häuser, an denen sie vorbeikamen, hingen, doch es war zu dunkel, um wirklich etwas zu erkennen.

„Nein. Vielmehr schlagt ihr euch heute noch mit unseren Altlasten rum." Er machte eine Pause, in der ihm klar wurde, wie das, was er gerade gesagt hatte, wohl geklungen hatte. „Aber natürlich ist mir das völlig egal. Ich muss eh nicht atmen, also kein Problem auf meiner Seite."

Sie rollte genervt mit den Augen und fragte sich, warum in aller Welt, sie unbedingt mit Spike hier hatte landen müssen.

„Komm schon, wir müssen uns ein bisschen beeilen. Wenn wir zu spät kommen, werden wir Probleme bekommen unbemerkt da rein zu kommen."

Sie liefen noch weitere fünf Minuten, bevor sie schließlich vor einer riesigen Villa anhielten. Buffy starrte das Anwesen für einen Moment mit offenem Mund an. Sie wusste nicht, was sie erwartet hatte, aber so etwas mit Sicherheit nicht. Wenn sie an ihr eigenes Zuhause dachte, musste sie fast lachen, so klein kam es ihr im Vergleich hierzu vor. Das Erdgeschoss war hell erleuchtet, und sie konnte durch eines der Fenster nahe der Haustür, eine Bewegung erkennen.

„Wie kommen wir denn jetzt da rein?" fragte Buffy flüsternd, obwohl sie wusste, dass man sie von drinnen nicht hören konnte. Sie kam sich vor, als wäre sie in einem schlechten Agentenfilm gefangen.

„Du bist die Jägerin und weißt nicht, wie man in fremde Häuser einbricht?"

„Normalerweise breche ich nicht in Häuser ein", meinte Buffy, sich selbst verteidigend. „Und wenn, dann nur in leere Häuser."

„Wir gehen hintenrum und klettern dann an der Balustrade hoch bis in den zweiten Stock. Da öffnen wir dann ein Fenster und drin sind wir." Während seiner Erklärung war Spike schon halb ums Haus herum gegangen und suchte nach dem Platz, von dem aus er hochklettern wollte. Er schaute prüfend nach oben, um sicherzustellen, dass sich in diesem Bereich des Hauses keine Lichter befanden.

„Und was ist, wenn jemand in dem Zimmer ist?"

„Ich glaube, die Zeitreise hat doch was mit deinem Kopf angestellt. Da ist niemand, ich schwör's dir." Sein Tonfall glich der eines Oberlehrers, und Buffy hätte ihm dafür am liebsten eine verpasst, hielt es aber im Moment nicht für den besten Augenblick, um einen Streit anzufangen. „Das ist nämlich mein Zimmer gewesen, und wenn heute Abend ein Fest bei den Underwoods ist, bin ich... also er... also eigentlich ich... mit Sicherheit da", fügte er hinzu, als er die ersten Stufen auf der Balustrade nahm.

„Wie kannst du da so sicher sein? Wir haben keinen Dunst, welcher Tag heute ist. Wir wissen nicht mal, welcher Monat, geschweige, welches Jahr heute ist! Gott, es könnte sogar sein, dass du gar nicht mehr unter den Lebenden weilst!" Ihr Flüstern war inzwischen nur noch ein wütendes Zischen, und darauf konnte er nur mit einem Kichern antworten.

„Glaub mir, ich lebe noch – also er. Oder meinst du, Brendall hätte mich gebeten meinen lieben Cousin Willy zu grüßen, wenn dieser inzwischen zwei Meter unter der Erde läge?" Er hatte nicht vor, ihr zu sagen, welch tragisches Schicksal Walter Brendall kurz nach William Atherbys Tod ereilt hatte. „Und was das Fest bei den Underwoods angeht. Die haben jedes halbe Jahr eine große Party gegeben. Angefangen haben sie damit, als ihre älteste Tochter 16 wurde. Sollte wohl so eine Art Brautschau sein, oder so. Jedenfalls habe ich – oder vielmehr hat William – nicht eine dieser ätzenden Partys verpasst, bevor er gestorben ist. Ergo, bin ich mir ziemlich sicher, dass dieses Zimmer im zweiten Stock leer ist." In diesem Moment hatte er auch schon das Fenster seines Zimmers erreicht und schob es nun so leise wie möglich nach oben. Vorsichtig streckte er eine Hand aus, um zu testen, ob er das Haus ohne Einladung betreten konnte. Sich innerlich schon auf die Barriere gefasst machend, war er erstaunt, als er ohne Probleme eintreten konnte. Erleichtert drang er leise in sein Zimmer ein.

„Warum brauchst du eigentlich keine Einladung?" fragte Buffy flüsternd, nachdem auch sie eingestiegen war.

Spike hielt augenblicklich seinen Zeigefinger vor seinen Mund, um ihr zu signalisieren, dass sie still sein sollte. Er ging neben das große Bett, an dessen Seite zwei Nachttischchen standen und hielt vor einem Apparat, der mit drei Knöpfen und etwas, das wie eine Sprechanlage aussah, ausgestattet war. Leise bastelte er für einen Augenblick daran herum, bevor er sich schließlich wieder zu ihr umdrehte.

„Gegensprechanlage", flüsterte er ihr ohne weitere Erklärung zu. Dann ging er zum Fenster, zog die schweren Vorhänge zu und zündete dann die Petroleumlampe an, die auf einem der Nachttischchen stand. Buffy war erstaunt, wie groß das Zimmer war, als sie es im Hellen sah. Es war geschmackvoll eingerichtet, von dem großen gemütlich wirkenden Bett, bis hin zur Ledergarnitur, die wohl als Leseecke fungierte. Eine ganze Wand diente als Bücherregal, und sie ahnte, dass es sich dabei nicht um Trivialliteratur handelte. An den Wänden hingen Malereien, die von Landschaftsaufnahmen bis zu Jagdszenen reichten. Nicht gerade Buffys Geschmack, aber in diesen Raum passte es hervorragend. „Ein Wort über dieses Zimmer zu irgendjemandem, und ich mach dich kalt!" Sie konnte die Verachtung und den Ekel in seiner Stimme hören, und in diesem Moment zog sich ihr Herz zusammen, als sie an den Menschen dachte, der einmal in diesem Zimmer gelebt und anscheinend auch einen großen Teil seiner Freizeit hier verbracht hatte. Dieser Raum gehörte zu einem sensiblen Menschen, und nicht zu dem Macho, der jetzt vor ihr stand. Und doch konnte sie sich nicht gegen die Vermutung wehren, dass er es nicht wirklich so meinte.

„Warte hier, ich werde mich umziehen gehen." Erst in diesem Moment sah Buffy die Tür, die zu einem weiteren Zimmer führte. Es musste sich dabei wohl um ein Ankleidezimmer handeln, denn in dem eigentlichen Raum konnte sie keinen Kleiderschrank erkennen. Sie musste lächeln, als sie, kurz nachdem er in dem kleinen Raum verschwunden war, ein „Das kann doch verdammt noch mal nicht wahr sein!" hörte. Und ihr Grinsen wurde noch breiter, als er etwa zehn Minuten später wieder rauskam. Als sie sein Gesicht sah, bemühte sie sich, ihre Gesichtszüge wieder unter Kontrolle zu kriegen. Er sah absolut lächerlich aus.

„Ich kann nicht glauben, dass ich früher so rumgelaufen bin!" beklagte er sich, als er vor ihr stand. „Wie kann ich mich in so was nur wohl gefühlt haben? Und wenn du dieses dämliche Grinsen nicht sofort sein lässt, bring ich dich um, ganz egal, wie sehr mir dann der Schädel brummt!"

„'tschuldigung." Doch es war zu spät. Sie brach in Gelächter aus. Er sah so albern aus, dass ihr die Tränen kamen. „Tut mir leid", jappste sie, verzweifelt bemüht Luft zu kriegen und leiser zu sein. Sie wollte nicht, dass jemand plötzlich hier auftauchte, außerdem sprach sein mör­deri­scher Blick Bände. Sich unter höchster Anstrengung zusammen­reißend, räusperte sie sich und murmelte noch mal eine Entschuldigung.

„Bist du fertig?" fragte Spike in gefährlich ruhigem Ton.

„Weißt du, es muss an den Haaren liegen. Die passen nicht so recht zu dem Rest des Outfits", merkte Buffy an, als er einen Hut hervorzauberte und ihn aufsetzte. Auf diese Weise war nicht mehr viel von seinem wasserstoffblonden Haar zu sehen. „Besser", kommentierte sie. Er sah noch immer lächerlich aus, aber langsam gewöhnte sie sich an seinen Auftritt. „Und was ist mit mir? Nichts gegen deine Garderobe, aber ich glaube, die würde an mir ebenso lächerlich aussehen, wie das, was ich eh schon anhabe."

„Komm mit", sagte er, und ohne noch etwas zu sagen, griff er nach ihrer Hand und zog sie, nachdem er seine Lampe gelöscht hatte, zur Tür. Sie wunderte sich über sich selbst, als ihm ihre Hand nicht wieder entzog. So leise wie möglich verließen sie das Zimmer und betraten einen Korridor, von dessen linker Seite mehrere Türen abgingen, und auf dessen rechter Seite eine elegante Treppe in die unteren Stockwerke führte. Vorsichtig sah Spike nach unten, um zu prüfen, ob sich jemand in der Nähe aufhielt. Als er glaubte, sie seien sicher, zog er Buffy weiter den Korridor entlang, bis sie vor einer Tür stehen blieben. Erst hier ließ er ihre Hand wieder los und drückte die Klinke der Tür so vorsichtig wie nur eben möglich herunter.

Bevor er die Tür letztendlich aufstieß, sah sie, wie er noch an die Decke blickte, als würde er ein Stoßgebet nach oben senden, dass das Zimmer auch wirklich leer war. Zunächst öffnete er die Tür nur einen Spalt und horchte. Als er nichts hörte, öffnete er sie ganz und betrat den Raum, dicht gefolgt von Buffy. Er wiederholte die Prozedur, die sie schon in seinem Zimmer verfolgt hatte. Er schloss die Vorhänge, sperrte die Gegensprech­an­lage und zündete das Licht an. Dieser Raum war das absolute Gegenteil von dem, in dem sie zuvor gewesen waren. Hatte dort alles nach einem sensiblen männlichen Bewohner geschrieen, wusste Buffy augenblicklich, dass hier ein junges Mädchen wohnte. Die Farben waren heller, freundlicher, auf dem Bett saßen mindestens ein Dutzend wertvoller Porzellanpuppen mit kunstvollen Frisuren, auf einem Nachttisch lag etwas, das Buffy sehr an eines der Tagebücher ihrer kleinen Schwester erinnerte.

„Also, dann werden wir dir mal was schönes aussuchen", meinte Spike, als er seine Auf­merk­samkeit von dem Zimmer ablenken konnte. Es war noch genauso, wie er es in Erin­ne­rung hatte, bis hin zu den Puppen, die tagsüber auf ihrem Bett saßen und nachts sorgsam zur Seite geräumt wurden.

„Wird deine Schwester das Kleid nicht vermissen?" fragte Buffy, die Spike diesmal ins Ankleidezimmer gefolgt war. Doch als sie die Anzahl der Kleider, die sich in dem riesigen Einbauschrank befanden sah, murmelte sie nur „Vergiss was ich gerade gesagt habe."

Auf ihre Reaktion konnte Spike nur lachen. „Japp, Lynnie hatte immer schon eine sehr unübersichtliche Garderobe. Also, was hätten wir denn da? Die Sachen müssten dir eigentlich passen, kannst dir also was aussuchen." Er drehte sich um, um Buffy mit der Garderobe allein zu lassen.

„Ich kann mir irgendwas nehmen?" fragte sie hinter ihm her, ohne den Blick von den vielen prachtvollen Kleidern zu wenden.

„Klar." Er zuckte mit den Schultern und war auch schon wieder im Zimmer seiner Schwester. Diesmal nahm er sich Zeit, den Raum genauer zu betrachten. Er spiegelte das ganze Wesen seiner Schwester wieder, ihre sanftmütige, liebevolle aber manchmal auch leicht versnobte Art. So war sie schon von Geburt an gewesen. Sie wusste, was sie wollte, und wann sie es wollte, und trotzdem hatte sie ein großes Herz, in dem jeder, der es wert war, Platz fand. Er schlenderte zu dem Bücherregal, das sich auf der gegenüberliegenden Seite vom Bett befand. Es war bei weitem nicht so groß und umfangreich, wie das Bücherregal in seinem eigenen Zimmer gewesen war. Doch war es für diese Zeit schon erstaunlich genug, das seine Schwester einige Stunden am Tag mit Lesen verbrachte. Ohne noch einige Seiten zu lesen ging Evelyn Atherby abends nicht zu Bett. Auf ihrem Schreibtisch lag der Roman, in dem sie zur Zeit las. Sturmhöhe – ihr Lieblingsbuch. Seit sie zehn war, hatte sie den verdammten Schinken mit Sicherheit hundert­mal gelesen. Dementsprechend abgenutzt sah das Exemplar auch aus. Bis heute hatte Spike nicht herausfinden können, was sie an dem Roman so fesselte, und wahrscheinlich würde es ein ewig gehütetes Geheimnis bleiben.

Während Spike darauf wartete, dass Buffy sich endlich wieder aus dem Umkleidezimmer traute, kam ihm der Gedanke, dass sie noch immer nicht genau wussten, WANN sie sich jetzt eigentlich in London befanden. Bei der Suche nach einem Anhaltspunkt in Lynnies Zimmer, fiel sein Blick auf ihr Tagebuch, das ohne Schloss versehen, auf ihrem Nachttisch lag. Hätte er früher Skrupel gehabt, ihre geheimen Gedanken zu lesen, griff er jetzt ohne zu Zögern nach dem Büchlein und machte es sich in der kleinen Sitzecke unter ihrem Bücherregal bequem. Ohne weitere Umwege, schlug er sofort die letzte beschriebene Seite auf, die durch ein Lesezeichen markiert war. Wehmütig betrachtete er die ordentliche Schrift seiner Schwester, die er so lange nicht mehr gesehen hatte. 19. September 1879. Das war das Datum der letzten Eintragung. Klasse, ein knappes halbes Jahr, bevor er Drusilla getroffen hatte. Ein halbes Jahr, bevor er dieser Gesellschaft mit ihren Zwängen, mit ihren Regeln und ihren arroganten Wichtigtuern, entfliehen konnte. Ein halbes Jahr, bevor...

„Spike?" Buffys leise Stimme riss ihn aus seinen Gedanken.

„Was ist denn, ist dir die Auswahl zu klein?" fragte er, als er das Ankleidezimmer betrat. Bei der Szene, die sich ihm bot, musste er unwillkürlich lachen.

„Wie konnten Frauen früher nur freiwillig so einen Mist anziehen?" fluchte sie, als sie noch immer verzweifelt versuchte die Schnüre des Korsetts allein zu schließen.

„Niemals allein. So konnten die Eltern junger Damen und Ehemänner verheirateter Frauen einigermaßen sicher sein, dass sich das Frauenzimmer auch sittsam verhielt", erklärte Spike, während er lässig am Türrahmen lehnte und ihr amüsiert bei ihren Bemühungen das Korsett zuzuschnüren, zusah.

„Chauvinistenschweine! Mehr sage ich dazu nicht", murmelte sie durch zusam­men­­­gebissene Zähne. „Was ist jetzt, hilfst du mir, oder warten wir darauf, dass deine Schwester nach Hause kommt und uns hier findet?"

Er löste sich vom Türrahmen und kam ihr zur Hilfe. „Ich hoffe nur, der dämlich Chip geht jetzt nicht los. Hab nämlich keine Ahnung, wie fest man so was schnüren muss." Er nahm die Schnürriemen in die Hände und machte sich ans Werk.

„Was denn, hast du damals keine Freundin gehabt, der du bei so was geholfen hast?"

„Nicht, dass ich mich erinnern könnte", murmelte er leise. Es war ihm irgendwie peinlich, vor ihr zuzugeben, dass er als Jungfrau gestorben war, und betete insgeheim, sie würde das Thema nun auf sich beruhen lassen.

„Zu dumm", war jedoch alles, was sie daraufhin antwortete.

„Falls es dich interessiert, wir haben September 1879", informierte er sie, während er kräftig an den Schnüren zog.

„Woher weißt du... Au! Könntest du bitte etwas aufpassen." Sie rollte mit den Augen, als er anfing zu lachen.

„Hab nach der letzten Eintragung in Lynns Tagebuch gesehen. 19. September 1879. Glück für dich. Ein Jahr später, und du müsstest dich mit zwei Spikes rumärgern."

„Ich kann mir nichts Schöneres vorstellen." Für einen Moment arbeitete er schweigend weiter.

„Hast du eine Ahnung, was wir jetzt machen sollen? Ich hätte zwar nie gedacht, dass ich so was mal sagen würde, aber jetzt wäre Giles echt hilfreich. Der hätte bestimmt eine Idee, wie wir wieder nach Hause kommen."

„Ja, aber leider wird er erst in knappen sechzig Jahren geboren – oder sind es siebzig?" Sie warf ihm einen erstaunten Blick zu. „Gott, bist du alt!"

„Du musst aber zugeben, ich hab mich gut gehalten", erwiderte er augenzwin­kernd, während er die letzte Schnüre festband. „So, fertig."

„Danke." Sie griff nach dem Kleid, das sie zuvor rausgelegt hatte. „Mich würde übrigens zunächst mal interessieren, warum wir hier sind. Ich kann mir irgendwie nicht vorstellen, dass es reiner Zufall war."

„Nein?" Spike stand wieder an den Türrahmen gelehnt und sah ihr beim Anziehen zu. Es wunderte ihn, dass sie ihn noch nicht aus dem Zimmer geworfen hatte.

„Nein, überleg doch mal. Dieses Portal, oder was immer es war, taucht plötzlich vor dir auf und zieht dich völlig in seinen Bann. Und dann, schwupp, sind wir hier. In London. Kein Jahr, bevor du zum Vampir wirst. Macht dich das nicht stutzig?"

Spike runzelte bei ihren Worten nachdenklich die Stirn. „Bis jetzt gerade eigentlich nicht, aber danke, jetzt habe ich etwas, worüber ich nachdenken kann, während wir hier festsitzen."

„Dein Sarkasmus bringt uns auch nicht weiter, Spike", schnappte Buffy zurück. „Es ist nicht meine Schuld, dass wir hier sind."

„Meine etwa?" Seine Stimme verbarg seine Frustration über die Situation nicht im geringsten.

„Würdest du bitte wieder leiser werden, ich habe keine Lust deiner Mutter zu erklären, wo wir herkommen!" flüsterte sie ihm zu, während sie einen vorsichtigen Blick Richtung Tür wagte. Sie hatten in den letzten Minuten gänzlich vergessen, dass man sie nicht hören durfte.

Auf diese Szene konnte auch Spike gut verzichten, und obwohl er der Jägerin in diesem Moment gern seine Meinung gesagt und damit seinem Ärger Luft gemacht hätte, fuhr er sich nur genervt mit einer Hand durchs Haar und versuchte einen Plan zu entwickeln, der sie beide so schnell wie möglich wieder nach Hause bringen würde. Die ganze Situation war einfach völlig verfahren, und er hatte Angst, sie könne aus dem Ruder laufen. Auch wenn er es vor Buffy nicht zugeben wollte, aber die Tatsache, dass sie so kurz vor seiner Verwandlung in einen Vampir hier aufgetaucht waren, jagte ihm eine Heidenangst ein. Was hatte das zu bedeuten? Warum waren sie hier? Versuchte jemand den Lauf der Geschichte zu ändern? Hatten sie die Geschichte schon einfach durch ihre pure Anwesenheit hier verändert? Nein, das konnte es nicht sein, denn dann wären weder er, noch Buffy hier. Denn eines stand für ihn fest. Wäre er in dieser verhängnisvol­len Nacht im Jahr 1880 nicht zum Vampir geworden, wäre Buffy heute nicht die Jägerin, und sie wären an diesem Abend nicht zusammen auf einem Friedhof in Sunnydale gewesen, um in dieses Portal gezogen zu werden.

Er wurde unsanft aus seinen Gedanken gerissen, als Buffy plötzlich eine hektische Kopf­bewegung machte.

„Komm mit, ich hab eine Idee!" flüsterte sie laut und marschierte in dem Kleid, das er vor vielen Jahren mal an seiner Schwester gesehen hatte, auf das Fenster zu. Bevor sie den Vorhang öffnete, drehte sie sich jedoch noch einmal zu ihm um „Wie seh' ich aus?"

„Wie eine respektable junge Lady", antwortete er, ohne den Blick von ihr abzulen­ken. Die Mode stand ihr, brachte sie ihre Weiblichkeit deutlicher zum Vorschein, als es die knappen Tops und engen Hosen, die sie sonst immer trug, es jemals getan hatten.

„Hoffentlich ruinier ich nicht das Kleid, wenn ich da runter klettere."

„Wohin gehen wir denn?"

„Zum Rat der Wächter."

Wie gefällt euch meine Geschichte bis jetzt? Bitte R&R :), N.Snape