sieben

Sunnydale, 16.Februar 2001

Die vierzehnjährige saß allein in ihrem Zimmer. Es waren jetzt bereits fünf Tage ver­gan­gen, seit Buffy verschwunden war, und Dawn kam diese Zeit wie eine Ewigkeit vor. Sie klam­merte sich fast wie eine Ertrinkende an Mr. Gordo und betete darum, ihre Schwester bald wieder zu sehen. Das Stoffschwein, das Buffy schon als kleines Mädchen besessen hatte, hatte seinen Weg vor zwei Tagen in Dawns Zimmer gefunden, und der Teenager hatte es seitdem kaum aus den Augen gelassen. Es verlieh ihr einfach ein Gefühl der Sicherheit und es gab ihr Hoffnung Buffy bald wiederzusehen – und das möglichst, bevor Glory wieder auftauchte und herausfand, dass sie in Wahrheit nach Dawn suchte, und nicht nach einem leblosen Gegenstand, oder einem durch ein magnetisches Feld gefangengehaltenen Bündel mystischer Energie. Gut, das klang jetzt vielleicht ein bisschen zu sehr nach Star Trek.

Glory – allein der Gedanke an dieses zickige Ungeheuer ließ Dawn vor Angst erbleichen, und sie fragte sich langsam, ob es in ihrem Leben auch nur einen wirklich sorgenfreien und glücklichen Moment gegeben hatte. Sicher, sie konnte sich an viele glückliche Begebenheiten erinnern, aber sie wusste mittlerweile auch, dass kaum etwas davon real war. Alles nur fiktive Erinnerungen, die in ihr Gedächtnis eingepflanzt worden waren. Nichts war real, was länger, als etwa sechs Monate her war.

Vor sechs Monaten hatten die Probleme auch angefangen. Die Leute auf den Straßen von Sunnydale guckten sie komisch an und redeten so merkwürdige Dinge. Heute wusste sie warum. Ihre Mutter hatte ganz plötzlich ständig unter starken Kopfschmerzen gelitten. Bis heute wussten sie nicht, woher der Tumor so plötzlich gekommen war, und die Vermutung er sei ein Resultat der Manipulationen in Joyces Gehirn gewesen, wurde zwar nie ausgesprochen, doch Dawn war sich sicher, dass jeder von ihnen diesen Gedanken schon gehabt hatte. Die Krankheit ihrer Mutter hatte letztendlich auch zu der Entfremdung zwischen Buffy und Riley geführt. Denn in dieser Situation, in der Riley der starke Mann für Buffy hatte sein wollen, eine Stütze, an die sie sich anlehnen konnte, hatte sie ihn von sich weggestoßen. Es lag in ihrer Natur allein mit den Dingen klar zu kommen – und wäre das nicht immer schon so gewesen, hätte spätestens ihr Dasein als Jägerin ihr Übrigens zu diesem Wesenszug getan. Sie war eine Alleingängerin, die sich nicht auf die Hilfe anderer verlassen konnte, und schon gar nicht auf die Hilfe eines Mannes, der ihr emotional und körperlich unterlegen war. Damit war Riley nicht klar gekommen, und er hatte den einzigen Ausweg genommen, der für sie beide letztendlich der beste war. Er hatte sie verlassen. Dawn wusste, dass Buffy sich selbst und ihrer Unnahbarkeit die Schuld dafür gab, doch Dawn war sich sicher, dass auch Spikes ständige Anwesenheit einen Beitrag dazu geleistet hatte.

Spike. Buffy schien sie immer vor dem platinblonden Vampir zu warnen, doch wenn es hart auf hart ging, vertraute sie ihm genug, um ihm die Sicherheit ihrer Familie anzuvertrauen. Und Dawn fühlte sich sicher bei ihm. Er war derjenige, dem sie neben Buffy am meisten vertraute, und jetzt waren sie beide fort.

Sie vermutete, sie war die erste gewesen, die von Spikes Verschwinden gewusst hatte, denn am Tag, nachdem sie sicher waren, dass Buffy nicht nur in einem Kampf aufgehalten worden war, sondern wirklich verschwunden war, hatte sie sich zu Spikes Wohngruft geschlichen, um ... wenn sie ehrlich war, wusste sie nicht, was sie wirklich bei ihm gesucht hatte. Schutz? Verständnis für ihre Lage? Hilfe? Als sie feststellen musste, dass er nicht da war, war sie am Boden zerstört gewesen. Die Tränen waren ganz einfach gekommen. Sie hatte sich gegen den Sarg gelehnt und so heftig geweint, wie sie es noch nie zuvor getan hatte – nicht mal, als ihr Dad sie verlassen hatte. Es war zuviel, zuviel auf einmal. Sie verstand nicht, was vor sich ging, sie wusste nur tief in ihrem Innern, dass sie in Gefahr war, und die beiden Personen, die in der Lage waren, sie zu schützen, nicht mehr da waren.

Erst gestern hatten auch die anderen bemerkt, dass Spike nicht mehr in der Stadt war. Wahrscheinlich hatten sie ihn in Verdacht, Buffy etwas angetan zu haben, doch Dawn konnte sich das nicht vorstellen. Sie war vielleicht nur ein Kind, aber trotzdem hatte sie die Art und Weise gesehen, wie der Vampir ihre Schwester anblickte. Da war kein Hass oder Abscheu zu lesen, sondern etwas, was sie schon fast als Zuneigung bezeichnen würde. Seine Züge wurden weicher, sobald er Buffy sah, und er verhielt sich fast nervös in ihrer Gegenwart. Vielleicht bildete sich Dawn das alles auch nur ein, weil sie Spike einfach mochte, aber sollte sie sich dann nicht lieber vorstellen, er hätte sich in sie statt in ihre große Schwester verknallt? Nein, sie war sich ziemlich sicher, Spikes Gefühle durchschaut zu haben, wenn sie sich auch sicher war, dass Buffy keinen Schimmer hatte, und Spike es selbst wahrscheinlich auch nicht bewusst war. Trotzdem hoffte sie, dass wo immer die beiden auch waren, sie zusammen waren. Denn so konnten sie wenigstens aufeinander achten, wenn schon niemand da war, um auf sie aufzupassen. Gemeinsam würden sie sicher einen Weg finden, um nach Haus zu kommen – wenn sie sich nicht vorher gegenseitig umbrachten natürlich.

Ein leises Klopfen an ihrer Zimmertür ließ sie zusammenfahren. Es konnte eigent­lich nur ihre Mom sein, und Dawn fürchtete sich fast, sie zu sehen. Es war nicht nur die Angst, Joyce könnte schlechte Nachrichten über Buffy und Spike bringen. Seit fünf Tagen hatte sie sich ihrer Mutter gegenüber wie der letzte Idiot benommen, ihr immer wieder gesagt, sie sei nicht ihre Mutter, oder sie einfach angeschwiegen. Der Schmerz in Joyces Zügen hatte sich jedes Mal wie Feuer in ihr Bewusstsein gebrannt, und es tat weh, daran zu denken. Trotzdem hatte sie bis jetzt noch nicht den Mut gehabt, sich zu entschuldigen und versuchen zu erklären, wodurch ihr Verhalten begründet war. Wie hätte sie das auch tun sollen, konnte sie sich selbst nicht begreiflich machen, warum sie sich so verhielt, wie sie es tat. War sie allein wollte sie nichts weiter, als sich in die Arme ihrer Mutter kuscheln, um das Gefühl der Schutzlosigkeit loszuwerden, und die Angst, Trauer und den Schmerz aus den Augen ihrer Mutter zu vertreiben. Doch kam sie Joyce zu nahe, konnte sie sich nicht beherrschen – es war, als hätte sie keine Kontrolle über das was sie sagte, oder tat. Es war einfach stärker, als sie.

„Dawn?" Joyce steckte den Kopf vorsichtig ins verdunkelte Zimmer ihrer jüngeren Tochter und suchte den Raum nach dem Teenager ab, bis sie ihn zusammengekauert auf dem Bett entdeckte. „Möchtest du etwas essen, Liebling? Ich habe einen Nudel­auflauf gemacht."

Dawn blickte noch immer wie versteinert auf das Stoffschwein, das sie so schmerzhaft an Buffy erinnerte, und versuchte es ihrer Mutter zu sagen. Sie um Ver­zeihung zu bitten, für all die schlimmen Dinge, die sie ihr in den letzten Tagen zugemu­tet hatte, obwohl sie doch wahrlich schon genug Sorgen hatte. Doch die Worte kamen nicht über ihre Lippen. Stattdessen löste sie ihren Blick von Mr. Gordo, und starrte ihrer Mutter kalt in die Augen, während sie aufstand und aus dem Zimmer ging, ohne auch nur ein Wort zu sagen. Im Inneren schrie Dawn auf, als sie den Kummer in Joyce Blick entdeckte. Sie wollte ihr kein Leid zufügen, doch etwas schien sie dazu zu treiben, ohne darauf zu achten, dass Dawn innerlich tausend Tode starb.

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Dawn saß unten in der Küche und stocherte lustlos in ihrem Auflauf herum, als sie hörte, wie Joyce das Haus verließ. Sie hatte ihr gesagt, dass sie kurz zur Galerie fahren müsste, aber bald wieder da war. Kaum hörte sie die Tür ins Schloss fallen, fühlte Dawn die Tränen, die ihre Wangen bedeckten. Wütend über sich selbst wischte sie sie ab, stand auf und stellte ihren Teller in die Spüle. Sie überlegte kurz, ob sie das Geschirr spülen sollte, doch dann fiel ihr Blick auf den Ruck­sack, der neben der Eingangstür stand. Ihr kam eine Idee. Sie kramte sich durch Schul­bü­cher und Hefte, bevor sie es fand. Im Wohnzimmer machte sie es sich bequem und fing an zu schreiben.

"Liebes Tagebuch!

ETWAS STIMMT NICHT! Gut, das wirst du wahrscheinlich auch schon wissen, immerhin hab ich dir ja davon erzählt, dass Buffy und Spike jetzt schon seit fast einer Woche verschwunden sind, und wir noch immer keine Ahnung haben, wie wir sie retten können. Ich habe nicht viel mitbekommen, aber immerhin weiß ich, dass sie wohl in London in einer anderen Zeitdimension sind. Klingt cool, aber ich fürchte ganz so toll, wie es sich anhört, ist es wohl nicht. Aber das meinte ich auch gar nicht. Vielmehr stimmt mit mir etwas nicht. Ich weiß nicht, ob es daran liegt, dass ich nicht real bin, sondern nur ein – na, du weißt schon was. Gott, wie soll ich es ausdrücken. Ich scheine die Kontrolle über mich zu verlieren, und ich habe Angst vor dem, was noch passieren wird. Natürlich habe ich schon versucht mit Giles oder Mom darüber zu reden, aber jedes Mal, wenn ich es versuche, bekomme ich keinen Ton raus – und nicht, weil ich nicht weiß, was ich sagen will, sondern es ist, als gebe es da eine unsichtbare Schranke, die mich daran hindert etwas zu sagen. Ich schweige die beiden nur noch an, und ich weiß, dass es ihnen weh tut. Es tut mir auch weh, und es tut mir so unendlich leid, aber ich weiß wirklich nicht, was ich machen soll. Ich habe Mom und Giles belauscht, wie sie über mich geredet haben. Mom hat Angst um mich. Sie fürchtet, sie würde mich verlieren, und dass ich sie nicht mehr liebe. Aber das stimmt nicht, ganz und gar nicht. Ich möchte zu ihr gehen, sie in die Arme nehmen, und ihr sagen, dass alles wieder gut werden wird, aber ich scheine es einfach nicht zu können. Körperlich meine ich. Mein Körper scheint auf Automatik zu stehen, sobald einer von den beiden den Raum betritt, und innerlich schrei ich mir fast die Seele aus dem Leib. Ob es an der Energie liegt? Nach dem was Glory so erzählt hat, ist der Schlüssel ein böser Gegen­stand. Hat sich das auf meine Persönlichkeit ausgewirkt? Ich will nicht böse sein! Bitte, lieber Gott, lass mich nicht böse werden..."

Sie beendete den Eintrag und legte den Stift wieder in ihr Mäppchen. Vorsichtig, um keine unbedachten Bewegungen zu machen, stand sie auf, ohne das Tagebuch noch einmal zu berühren und rannte praktisch nach oben in ihr Zimmer, wo sie sofort den Schlüssel drehte und sich selbst einschloss. Dann kauerte sie sich auf ihr Bett, Mr. Gordo fest in ihren Händen und wartete darauf, dass ihre Mutter wieder nach Hause kam.

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Die Magic Box war um diese Zeit des Tages meist gut besucht. Giles hatte erwogen den Laden zu schließen, bis er und Tara aus London wieder da waren, doch Anya hatte ihn fast angefleht, es nicht zu tun. Eigentlich hatte Willow mit Giles nach London fahren wollen, doch der Wächter war besorgt gewesen, Joyce und Dawn so völlig allein zu lassen. Willow war immerhin in der Lage durch Magie Glorys Kräfte, wenn auch nur auf begrenzte Zeit, abzuwen­den. Wenn er ehrlich war, war das wesentlich mehr, als er selbst tun konnte, doch war ihm der Gedanke jetzt nach London zu fliegen fast unerträglich gewesen.

In Sunnydale versuchten die restlichen Scoobies jetzt sowohl den Laden, als auch die Nach­for­schungen am Laufen zu halten. Sie alle waren fast am Ende ihrer Kräfte, sowohl physisch, als auch psychisch. Die vergangenen Tage der Suche, der Schlafmangel, das alles zehrte an ihren Nerven, ganz zu schweigen, von der Sorge um Buffy und Dawn – ja, selbst um Spike machten sie sich Sorgen. Wäre er da, hätten sie wenigstens einen Kämpfer, der es kräftemäßig mit diesem Miststück aufnehmen konnte.

Anya stand an der Kasse und zählte das Geld, das der Kunde ihr gerade gegeben hatte, auf den Cent genau ab, bevor sie ihm den Kassenbon in die Hand drückte und mit einem strah­len­den, künstlichen Lächeln einen Schönen Tag wünschte. Kaum hatte der Kunde ihr jedoch den Rücken zugewendet, fiel ihr Lächeln wieder in sich zusammen, und der gleiche abgespannte, mitgenommene Ausdruck, der bei ihnen inzwischen an der Tagesordnung stand, kehrte in ihre Züge zurück.

„Vielleicht hätten wir den Laden doch lieber zumachen sollen", murmelte sie leise, als sie sich zu ihren Freunden an den großen, runden Tisch im hinteren Bereich des Zauberladens, setzte, woraufhin sie sich zwei erschrockene Blicke von Willow und Xander einfing.

„Anya..." Xander griff nach der Hand seiner Freundin und drückte sie sanft. „... geht es dir gut?"

„Nein, es geht mir nicht gut, Xander." Sie war über sich selbst erschrocken, als sie die ersten Anzeichen von Tränen in ihren Augen spürte. „Es ist einfach alle zuviel. Ich dachte, wenn der Laden offen bleibt, würde mich das ablenken und irgendwie beruhigen. Aber ich habe schon soviel Geld heute angefasst, wie sonst nur in einer ganzen Woche, aber es hat nichts gebracht. Die Kunden gehen mir auf die Nerven, ich habe keine Lust ihnen das Teuerste vom Teuren aufzuschwatzen, obwohl ich genau weiß, dass sie nichts damit anfangen können. Was ist nur los mit mir?"

„Anya, es ist ganz normal, dass du dir Sorgen machst." Willow legte ihr Buch für einen Moment zur Seite. „Wir sind doch alle nicht mehr wir selbst zur Zeit."

„Und es ist gut, dass du dich weiter um den Laden kümmerst. Er ist ein Stück Normalität, an das wir uns alle klammern können." Xander legte einen Arm um seine Freundin und drückte sie fest an sich. Sie war vollkommen verspannt und der Schlafmangel machte sich bei ihr deutlich bemerkbar. Normalerweise hatte sie einen sehr gesunden Schlaf, und selbst die schlimmsten Ereignisse hinderten sie für gewöhnlich nicht daran, doch im Moment hatte auch sie ernsthafte Probleme beim Einschlafen.

„Du hast Recht." Anya löste sich wieder aus Xanders Umarmung, ein verlegenes Lächeln auf den Lippen. „Außerdem müssen wir ja dafür sorgen, dass Giles auch weiterhin Geld verdient", setzte sie einen für sie typischen Satz hinzu, der jedoch die Bissigkeit und die plumpe Direktheit, mit der sie die Leute oftmals vor den Kopf stieß, vermissen ließ.

„Es ist schön zu sehen, dass du deinen Geschäftssinn noch nicht verloren hast." Er küsste seine Freundin sanft auf die Stirn und streichelte ihr zart über den Arm. Er warf einen Blick auf die Kunden, die noch immer im Laden standen und in den Auslagen stöberten. Dabei fiel ihm eine junge Frau auf, die offensichtlich äußerst interessiert an der Erwerbung eines Amulettes oder Pendels war. „An, ich glaube, da drüben braucht ein kaufkräftiger Kunde deine Hilfe."

Anya verdrehte die Augen und unterdrückte ein Gähnen, als sie aufstand, um sich der Kundin zu nähern.

Die Tür zum Zauberladen flog laut scheppernd auf.

Die Freunde schraken vor Schreck zusammen, als sie das ihnen inzwischen vertraute Gesicht sahen und blieben dann wie erstarrt stehen. Einen Augenblick bewegte sich niemand, jeder Gefangener seiner eigenen Ängste und Gedanken. Die irrationale Hoffnung, das alles sei nur ein Traum, eine Einbildung oder Halluzination. Einfach eine Ausgeburt ihrer Fantasie.

„Hi, Leute!" Das künstliche Lächeln auf den Zügen der Höllengöttin jagte allen Anwesen­den einen Schauer über den Rücken. „Ich möchte zur Jägerin, ist sie da?" Ungeduld, Arroganz, Autorität. Das alles waren Eigenschaften, die in ihrer Stimme mitschwangen. Glory war wütend, und in der kurzen Zeit, die sie jetzt schon mit ihr zu tun hatten, hatten die Scoobies gelernt, in diesem Zustand nicht mit ihr zu spaßen – eigentlich sollte man nie mit Glory spaßen, oder sie nicht ernst nehmen, das wäre ein tödlicher Fehler.

„Um genau zu sein, ist sie im Moment nicht hier." Willows Stimme war kaum mehr als ein dünnes Flüstern. Sie fühlte sich klein und unbedeutend, als sie sich der Göttin gegenüber sah, und wünschte sich sehnlichst Tara herbei.

„Oh", machte Glory einen Laut, als hätte ihr gerade jemand vom Tod ihres Hundes erzählt. „Schade." Sie drehte sich zu ihren Lakaien um, die vorsichtig Abstand haltend, hinter ihr standen. „Jinx, du hast mir nicht gesagt, dass das Miststück nicht hier ist."

„Ich bitte um Verzeihung, Eure Schrecklichkeit, aber leider weiß ich nicht, wo sich die Jägerin aufhält. Ich habe sie schon seit mehreren Tagen nicht mehr gesehen. Um genau zu sein, niemand hat sie gesehen." Er kroch praktisch vor ihren Füßen, und jeder Anwesende konnte seine Angst um sein Leben spüren, doch Glory machte im Moment nicht den Anschein sich ihres Sklaven entledigen zu wollen. Stattdessen schien sie eher verwirrt, als sie anfing nervös an einem Fingernagel zu knabbern.

„Wirklich nicht?" Sie machte einige Schritte weiter in den Laden hinein und spielte dabei unruhig mit ihren Haaren. „Oh Gott, wie peinlich! Wenn das nur jemand erfahren sollte!"

Willow, Anya und Xander rückten noch näher zusammen, und beobachteten argwöhnisch, wie die Frau vor ihnen aufgewühlt auf und ablief.

„Wann kommt sie denn wieder?" In Momenten wie diesen konnte man wirklich nicht glau­ben, eine Höllengöttin vor sich zu haben. Glory wirkte vielmehr wie ein verunsichertes Mode­­püppchen, das mit zuviel Haarspray und zuwenig Hirn ausgestattet worden war.

„Keine Ahnung, ehrlich gesagt." Willows Stimme klang schon etwas fester, als zuvor, doch die Angst, die sich in ihrem Innern ausbreitete schnürte ihr fast die Luft ab. „Wir werden ihr aber gerne ausrichten, dass du hier warst", fügte sie mit einem atemlosen, abgrundtief falschen Lächeln hinzu.

„Wirklich süß von dir", Glory lächelte freundlich zu Willow, bevor sie noch einen Blick über das Innere des Ladens schweifen ließ. „Aber ich glaube, ich habe eine bessere Idee. Hey, du da!" Die falsche Nettigkeit war aus ihrer Stimme verschwunden, als sie die Kundin an dem Ständer mit den Amuletten direkt ansprach. „Komm mal her."

Die Frau war vor Angst wie erstarrt. Zwar hatte sie kein Wort von dem verstanden, was in den letzten Minuten gesprochen wurde, doch war sie sich durchaus bewusst, dass es eine ernste Sache war. Es ging um Leben und Tod, und die Frau, die ihr jetzt mit kalten, grünen Augen direkt in die Seele zu blicken schien, bedeutete eher das Letztere. Unterbewusst nahm sie laute Stimmen war, die ihr zuriefen, sich nicht zu bewegen, doch sie konnte nicht anders, als gehorchen. Sich über die Stärke ihrer eigenen Beine wundernd, schlich sie langsam und zitternd auf sie zu und blieb, sich vor Angst fast schüttelnd, vor ihr stehen.

Glory löste den Blick von der Kundin und richtete ihn statt dessen wieder auf die Freunde der Jägerin. „Wenn ihr die Jägerin seht, dann sagt ihr doch bitte, dass ich meinen Schlüssel gerne wiederhätte, und dass ich wirklich alles tun werde, um ihn zu bekommen." Sie war wieder in einen lächelnden, nachbarschaftsfreundlichen Modus übergegangen. „Oh, und nur, damit ihr kapiert, wie ernst es mir ist..."

Das laute Geräusch brechender Knochen hallte im Laden wider, als die Frau, die eben noch ängstlich neben Glory gestanden hatte, mit unnatürlich verdrehtem Hals zu Boden fiel.

Bevor sich auch nur einer von ihnen bewegen konnte, war Glory mit ihren Sklaven ver­schwun­den. Xander stürzte auf die am Boden liegende Frau zu, obwohl ihm bewusst war, dass sie tot sein musste. Er hörte Anya, die dem Notruf die Adresse mitteilte, obwohl auch sie wusste, wie wenig die Sanitäter bei dieser Frau würden ausrichten können. Die zwei übrigen Kunden, die noch im Laden waren, standen jedoch unter Schock und sie mussten behandelt werden, soviel war sicher.

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Vier Stunden später kehrte in der Magic Box wieder Ruhe ein. Polizei, Leichenwagen und Kran­kenwagen waren wieder fort, und übrig war nur noch das Chaos, das Glory mit ihrem laut­starken Auftritt verursacht hatte – im Laden und in den Gemütern der Scoobies. Endlich konnten sie sich hinsetzen und die Ereignisse des Tages Revue passieren lassen, auch wenn sie nichts weniger wollten, als noch einen weiteren Gedanken an Glory zu verschwenden. Doch ihnen blieb keine andere Wahl. Dawns Leben hing davon ab, und sie durften sie nicht im Stich lassen.

„Also... wenigsten wissen wir jetzt, dass Glory nichts mit Buffys Verschwinden zu tun hat." Xanders Stimme klang dumpf, abgekämpft.

„Ja, irgendwie tröstlich, nicht wahr?" Willow lächelte schwach. Sie rang nun schon seit Stunden mit sich, wie sie das Thema ansprechen sollte, ohne dass Xander völlig ausflippte. „Das nächste mal könnte es einen von uns treffen."

„Ich weiß", kam nur die leise, nachdenkliche Antwort. Stille.

„Wir brauchen Buffy", durchschnitt Anyas zu laute Stimme das nachdenkliche Schweigen. „Oder zumindest Giles. Er wüsste, was zu tun ist." Xander hatte wieder nach Anyas Hand gegriffen, nur diesmal nicht, um ihr Mut zuzusprechen, sondern um welchen zu suchen – eine Geste, die der Ex-Rachedämon bereitwillig erwiderte.

„Wir können Giles jetzt nicht bitten, sofort nach Sunnydale zurückzukommen. Seine Reise ist wichtig, wenn sie helfen kann, Buffy zurückzubringen." Willow stand auf und lief ruhelos auf und ab. „Gott, sie sind noch nicht mal ganz gelandet, und wir schaffen es bereits fast getötet zu werden." Nach dem Aufprall mit ihrem Fuß flog der Hocker quer durch den ganzen Laden.

„Richtig so, Will! Lass es raus", kommentierte Xander den Wutausbruch seiner ältesten Freundin.

Die Vertrautheit einer lebenslangen Freundschaft in Xanders Stimme be­ruh­igte Willow, und die Hexe setzte sich wieder auf ihren Platz, einen traurigen, aber toderns­ten Ausdruck im Gesicht. „Allein schaffen wir das nicht."

„Ja, aber leider haben wir hier nicht so die Wahl, Will! Du hast doch eben selbst gesagt, dass wir Giles nicht sofort zurückholen können. Und Buffy ist gerade auch nicht wirklich zu erreichen, deswegen..." Mit seiner freien Hand griff er nach Willow. „Wir sind allein, und wir werden es schon irgendwie schaffen. Und wenn wir drauf gehen, dann gehen wir drauf, aber wir werden nicht kampflos untergehen! Das sind wir Buffy und auch Dawn schuldig."

„Xander... das hört sich alles wirklich gut an, und auch sehr heroisch, und ich bin sicher, Buffy und Giles wären wirklich stolz auf uns, aber so kann es nicht weitergehen. Dawn braucht mehr, als uns drei. Wir sind einfach nicht stark genug." Die Tränen, die sich langsam aus ihren Augen lösten, liefen ihr ungehindert übers Gesicht. „Denn wenn nur wir drei hier sind, dann können wir Dawn auch gleich umbringen – hätte etwa den gleichen Effekt."

Xander sah, wie ernst Willow die Sache war. Natürlich war sie ernst, immerhin ging es hier um das Leben von Buffys kleiner Schwester. Und sie hatte recht, sie waren zu schwach. Willow war zwar eine sehr mächtige Hexe, aber gegen eine Höllengöttin konnte auch sie nicht wirklich etwas ausrichten. Ermattet und fast am Ende seiner Kräfte, fuhr Xander sich mit der Hand übers Gesicht, um seine Lebensgeister wieder einigermaßen in Gang zu kriegen. „Also, was schlägst du vor?"

„Wir sollten Angel anrufen."

Tausende von Emotionen durchfuhren ihn, angefangen bei Unglauben, über Belustigung hin zu Zorn, zurück zu Belustigung, bis er schließlich bei nüchterner Erkenntnis angelangt war. Willow hatte recht, und es spielte keine Rolle, wie verhasst Angel ihm war. Sie brauchten jemanden, der stark genug war, es mit Glory aufzunehmen und Dawn zu schützen, so gut es ging. Sie hatten die Möglichkeit einen solchen Jemand zu finden, und wenn sie diese Chance nicht nutzten und Dawn etwas zustieß, würde Buffy ihnen das niemals verzeihen.

„Gut", kam die leise Antwort, die Willow nicht erwartet hatte. Sie hatte sich auf endlose Debatten, Streit und Gezeter eingestellt, mit dem Wissen, im Endeffekt doch als Sieger hervorzu­gehen, doch eine so schnelle Einsicht hatte sie nicht kommen sehen.

„Angel ist stark", kam ein mehr oder weniger qualifizierter Beitrag von Anya, deren Augen an diesem Tag zum ersten Mal ehrlich strahlten. Die Aussicht wieder einen Beschützer, wenn auch nur in der Form des einzigen Vampirs mit Seele, in der Stadt zu haben, hob ihre Stimmung deutlich. „Aber sollten wir nicht besser einfach alle für eine Weile zu Angel nach Los Angeles fahren? Dann wären wir außerhalb von Sunnydale, und aus der Gefahrenzone raus."

„Nein, das wäre zu auffällig. Noch ahnt Glory nicht, wer ihr geheimnisvoller Schlüssel ist, und wenn wir jetzt mit Dawn und womöglich auch Mrs. Summers nach LA fahren, könnte sie Verdacht schöpfen. Nein, es wäre besser, wenn Angel nach Sunnydale kommt. Er kennt sich hier aus und könnte in Spikes Gruft wohnen, bis die beiden wieder da sind." Sie ließ die Befürchtung, Spike und Buffy könnten für immer in der Vergangenheit verschollen sein, unausgesprochen. Negative Gedanken konnte jetzt niemand gebrauchen.

tbc

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