Vierzehn
Sunnydale, 21. Februar 2001Giles betrachtete nachdenklich die leere Seite der Kladde, die vor ihm auf dem Tisch lag. Bereits seit Tagen hatte er versäumt die Eintragungen zu vervollständigen, und das in einer Zeit, in der es absolut notwendig war, sämtliche Ereignisse so genau wie möglich zu dokumentieren. Doch seit er kein offizieller Wächter mehr war, hatte er auch so manch andere Dinge schleifen lassen. Lediglich die Erkenntnisse, die er in den letzten Wochen über Glory und den Schlüssel hatte sammeln können, hatte er in einer Art Tagebuch zusammengefasst, doch konnte dieser Text nicht als Ersatz eines echten Wächtertagebuches dienen.
Den Entschluss wieder ein Tagebuch zu führen, in dem er auch Buffys Erlebnisse darstellen konnte, hatte er auf dem Flug nach London gefasst, als er und Tara über die Möglichkeit gesprochen hatten, Buffy eventuell niemals wieder zu sehen. Die Vorstellung seinen Schützling auf diese Art und Weise zu verlieren, nicht genau zu wissen, was überhaupt passiert war, war für ihn fast unerträglich. Gleichzeitig erkannte er, welches Versäumnis es gewesen war, kein Tagebuch mehr über die Erlebnisse seiner Jägerin zu führen, denn so würde die Welt nicht einmal die Hälfte von dem verstehen und erfahren, was Buffy Summers in ihrem kurzen Leben für diese Welt getan hatte. Die Ereignisse, die im Moment stattfanden, niederzuschreiben, war zwar kein Loblied auf die Jägerin, aber sie waren ebenso wichtig, sollte der Fall eintreffen, dass diese Unterlagen irgendwann einmal wieder gebraucht würden, wenn er selbst nicht mehr da war, um Fragen zu beantworten. Jetzt waren sie jedoch schon seit fünf Tagen wieder aus London zurück, und er hatte seitdem nicht eine Seite beschrieben. Doch so wie die Dinge lagen, konnte er es sich nicht leisten noch länger zu warten. Wer wusste schon, ob er nachher noch die Gelegenheit dazu haben würde?
Tagebuch von Rupert Giles, Wächter der Jägerin Buffy Anne Summers
Schilderung der Ereignisse vom 11. Februar 2001 bis 20. Februar 2001
Hätte ich mehr Zeit, wären meine einführenden Worte anders ausgefallen. Es wären lobende Worte über meine Jägerin, die sich im Kampf gegen das Böse niemals hat unterkriegen lassen, die niemals eine Gefahr gescheut hat, nur um ihr eigenes Wohlbefinden zu sichern. Doch dafür habe ich jetzt keine Zeit, und somit hoffe ich, eines Tages an dem Punkt wieder anknüpfen zu können, um die letzten Jahre im Leben meiner Jägerin bis zum finalen Kampf genauestens in Worte zu fassen.
‚Gut, soviel dazu, dass ich kein Loblied singen wollte.'
Es war am frühen Morgen des 12. Februar diesen Jahres, als wir feststellten, dass die Jägerin Buffy Summers verschwunden war. Ich erhielt einen Anruf ihrer Mutter Joyce, die außer sich vor Sorge war, als sie das Verschwinden ihrer Tochter entdeckt hatte. Sofort machten wir uns gemeinsam auf die Suche, doch wirklich etwas gefunden haben wir nicht. Willow und Xander waren in der Dämonenbar Willy's, um dort nachzufragen, ob jemand etwas gesehen hat. Doch keiner konnte etwas genaues sagen. Ein Vampir meinte, er hätte die Jägerin am Abend noch auf Patrouille auf einem der Friedhöfe gesehen und sei dann abgehauen, um nicht in Schwierigkeiten zu geraten. Es beunruhigte mich, dass die Nachricht, die Jägerin sei nicht in der Stadt, sich nun wie ein Lauffeuer in der Dämonenwelt verbreiten würde, doch Willow führte einen Erinnerungszauber bei allen Besuchern der Bar durch, um sie vergessen zu lassen, dass sie und Xander jemals dort gewesen waren. Anya und ich waren derweil auf sämtlichen Friedhöfen in Sunnydale unterwegs und haben nach Spuren gesucht, die erzählen konnten, was Buffy am Abend zuvor erlebt hatte. Ohne Erfolg.
Zwei Tage später hatten wir noch immer keine nähere Spur, und langsam nisteten sich erste Zweifel ein, wir könnten Buffy jemals lebend wieder sehen. Bei einem Gespräch mit Joyce erfuhr ich zum ersten Mal von der neuen Entwicklung in Dawns Verhalten. Seit der Teenager erfahren hatte, dass er der ‚Schlüssel' ist, den die Dämonengöttin Glory sucht, ist kaum noch etwas von dem fröhlichen Mädchen zu erkennen, das die Schwester meiner Jägerin noch vor wenigen Wochen gewesen war. Die Situation wurde immer schwieriger, doch dann bekam ich einen Anruf von Quentin Travers, der mir ‚befahl' sofort nach London zu kommen. Ihm ging es in erster Linie um das Verschwinden meiner Jägerin, und er erwähnte außerdem, es könne einen Zusammenhang zwischen Buffys und Spikes Verschwinden – das bis zu diesem Zeitpunkt niemand wirklich bemerkt hatte – geben. Quentin erwähnte die Möglichkeit eines Zeitportals durch das die beiden gefallen waren, doch um näheres zu erfahren musste ich nach London fliegen. Der Gedanke meine Freunde und Buffys Familie in Sunnydale für mehrere Tage allein zu lassen, behagte mir ganz und gar nicht, doch ich hatte keine andere Wahl.
Auf dem Flug in meine Heimat wurde ich von Tara MacLay begleitet, der zweiten Hexe in Buffys Freundeskreis. In London angekommen machten wir uns umgehend auf den Weg zum Hauptquartier des Rates der Wächter und wurden gleich zu Quentin Travers, dem Vorsitzenden des Rates, vorgelassen.
Die Akten, die sich in seinem Besitz befanden, beinhalteten Dokumente, die wiederum auf zweite Dokumente verwiesen, die Aufschluss über den Verbleib meiner Jägerin geben sollten, doch die hatte Travers in den Archiven des Rates noch nicht finden können. Wo genau diese erste Akte herkam, kann bis heute auch noch niemand sagen. Soweit meine Informationen korrekt sind, wurden sie am Morgen des 11. Februar 2001 auf dem Schreibtisch eines Mitarbeiters gefunden, der daraufhin sofort Travers informieren ließ. Kopien dieser Akte werde ich diesem Tagebuch beifügen.
Die Suche nach den übrigen Dokumenten hatte bereits begonnen, und Tara und ich schlossen uns den Arbeiten an.
Zu meiner eigenen Verwunderung und Bestürzung mussten wir die Dokumente zwei Tage später in einem seit Jahren geschlossenen Bereich der Bibliothek des Rates in einem Ordner finden, auf dem unter anderem auch der Name eines Vorfahren und mein eigener verzeichnet waren. Dieser Bereich der Bibliothek gilt als geschlossen, weil dort sämtliche Unterlagen abgelegt werden, die als abgeschlossen gelten, Dokumente, von denen man sicher ist, sie nicht mehr zu brauchen. Travers nimmt an, dass während der beiden Weltkriege dort etwas durcheinander gekommen sein muss. Wäre dies ein offizielles Wächtertagebuch, würde ich das jetzt nicht sagen, aber ich bin entsetzt über die Schlamperei und Gleichgültigkeit, mit der der Rat zur Zeit scheinbar arbeitet. Wäre man vorsichtiger gewesen, hätten wir die Briefe früher gefunden, und Buffy und Spike wären jetzt nicht in ihrer derzeitigen Lage.
Die Dokumente, die wir fanden, bestanden aus mehreren Briefen, die Buffy in ihrer Zeit, die sie in London im Jahr 1879 verbracht hat, verfasst hat. Obwohl ich mir sicher war, Originale vor mir zu haben, wurde in den nächsten 24 Stunden die Echtheit dieser Briefe geprüft, denn Travers wollte sicher gehen, keinen Fehler zu begehen.
Am Morgen des vierten Tages waren Tara und ich endlich in der Lage uns selbst den Inhalt der Briefe anzuschauen, und zu diesem Zeitpunkt war ich die Kleinkariertheit und die Bürokratie meines früheren Arbeitgebers so leid, dass ich am liebsten sofort nach Hause gefahren wäre. Doch weiß ich genau, dass ich in Zukunft noch häufiger auf die Hilfe und Kooperation des Rates angewiesen sein könnte, und deshalb habe ich zugestimmt, die Briefe in London zu lesen und Schlüsse daraus zu ziehen.
Wäre ich nicht vorher schon darauf vorbereitet gewesen, hätte mich die Nachricht, wann und wo Buffy sich zur Zeit aufhält mit Sicherheit erschüttert. So fand ich die Bestätigung eigenartig beruhigend. Immerhin konnten wir nun bestimmt sagen, was mit ihr geschehen war, und von da aus weiter arbeiten.
Allerdings gab es Neuigkeiten in Buffys Briefen, die ich weniger, um nicht zu sagen gar nicht, erwartet hatte, und das waren ihre detaillierten Informationen über Glory. Wir alle hatten uns schon fast damit abgefunden, niemals etwas handfestes über diese Höllengöttin in Erfahrung zu bringen, doch nun haben wir plötzlich seitenweise Material über sie, das anschaulich berichtet, wo sie her kommt, und wie man sie bekämpfen kann. In einem der Briefe beschreibt Buffy deutlich, dass die Höllengöttin aus ihrer Dimension verbannt worden, und dazu verdammt worden war, ein Leben in einem menschlichen Körper zu führen. Doch diesen Körper besitzt sie nicht allein, sondern muss ihn sich mit einem anderen menschlichen Wesen, dessen Identität wir jedoch nicht kennen, teilen. Die Unsterblichkeit, die Glory als Göttin besitzt, verleiht auch ihrem Wirt ein unnatürlich langes Leben, und auch, wenn er nicht unsterblich ist, können wir doch annehmen, dass seine Lebensspanne die eines normal Sterblichen um ein vielfaches übersteigt.
Willow und ich haben nun eine Theorie entwickelt, wie man Glory vernichten kann, und auch, wenn ich mir über die moralischen Gesichtspunkte noch nicht ganz im Klaren bin, so habe ich doch wieder die Hoffnung, dass auch diesmal alles gut werden wird. Um diesen Plan durchzuführen, müssen wir jedoch den Wirt finden, in dem Glory gefangen ist. Seit ich aus England zurück gekehrt bin, gibt es wohl niemanden in unserer Mitte, der nicht eine gewisse Ahnung hat, bei wem es sich um diesen ominösen Wirt handelt, doch bevor wir mit konkreten Plänen anfangen, müssen wir Gewissheit haben, nicht den falschen Mann ans Messer zu liefern.
„Mein Gott, Sie schreiben ja immer noch in ihrem Buch", riss ihn plötzlich Willows Stimme aus den Gedanken. Sie war leise neben ihm aufgetaucht und stellte eine dampfende Tasse Tee vor ihm auf den Tisch.
„Weißt du, ich möchte ganz sicher sein, nichts vergessen zu haben, wenn es soweit ist. Für den Fall der Fälle." Er legte nachdenklich den Stift zur Seite und schenkte Willow seine volle Aufmerksamkeit. „Wie hält sich Dawn?"
„So weit ich das beurteilen kann, wohl ganz gut. Cordy und Angel sind bei ihr und passen auf, dass sie keine Dummheiten macht. Sie hat allerdings den ganzen Tag noch kein Wort gesagt." Willow bediente sich an einer eigenen Tasse Tee, verzog aber nach dem ersten Schluck angewidert das Gesicht. „Also, wenn ich den ganzen Tag Cordys Gequatsche zuhören müsste, wäre ich sicherlich auch nicht gut drauf. Ich kann mir kaum vorstellen, wie die Jungs das in LA aushalten." Giles konnte sich auf diese Bemerkung ein leises Kichern nicht verkneifen. Er selbst war am vergangenen Abend froh gewesen, Cordelias Stimme endlich entfliehen zu können, als er nach Hause gefahren war. Dieses Mädchen hatte eine Ausdauer, die ihn schon immer fasziniert hatte.
„Hast du alles, was du für den Zauber an Ben brauchst?" fragte er unwillkürlich, und die vorübergehende Erheiterung wich einer Ernsthaftigkeit, die für ein Mädchen in Willows Alter fast beängstigend war.
„Ja, wir hatten alle Zutaten im Zauberladen vorrätig." Sie versuchte sich an einem halbherzigen Lächeln. „Es hat also auch seine guten Seiten, wenn die Kundschaft aus bleibt."
„Ja, im Moment ist es wirklich eher hilfreich", stimmte Giles zu, bevor er nach seiner Teetasse griff und einen vorsichtigen Schluck nahm. „Wann werden wir Gewissheit haben?"
„Tara und ich werden noch heute Nachmittag mit dem Zauber beginnen. Ich glaube nicht, dass es lange dauern wird. Es ist eine leichte Abwandlung des Spruches, mit dem Buffy die Sache über Dawn herausgefunden hat. Sollte also eigentlich kein Thema sein." Sie wünschte sich nichts sehnlicher, als genauso sicher zu sein, wie sie versuchte zu klingen. Die Wahrheit jedoch war, dass sie Angst hatte, große Angst sogar. Seit Buffy verschwunden war, fühlte sie sich einsam und schwach. Verlassen. Gleichzeitig verspürte sie eine unglaubliche und irrationale Wut auf ihre Freundin. Wie konnte sie nur in einer solchen Zeit einfach verschwinden und sie mit Problemen dieser Art allein lassen. Es sollte eigentlich nicht ihre oder Giles Aufgabe sein Glory zu bekämpfen und Dawn zu beschützen, sondern Buffys. Natürlich wusste Willow, wie absurd diese Gedanken waren, denn sie wusste auch, dass Buffy nicht freiwillig verschwunden war, und doch konnte die Hexe Gedanken dieser Art gelegentlich nicht abstellen.
„Und was ist mit dem anderen Zauber? Ist für den auch alles vorbereitet?" Giles wagte es nicht Willow anzuschauen. Sie hatten über das nötige Ritual gesprochen, und auch die Konsequenzen erkannt, die es mit sich ziehen würde. Keinem von beiden war dabei wohl, und doch sahen sie keine andere Möglichkeit.
„Sobald wir die Gewissheit haben, die wir brauchen, können wir beginnen." Ihre Stimme war kaum mehr, als ein Flüstern, und Giles konnte die Qualen der jungen Frau neben ihm fast körperlich spüren.
„Du weißt, wir haben keine andere Wahl, Willow." Noch immer mied er ihren Blick und starrte stattdessen gedankenverloren in die Ferne. Wie hatte es nur so weit kommen können? Er saß hier in Sunnydale und erwartete von diesem Kind, das er kannte, seit es knappe 16 Jahre alt gewesen war, einen Mord zu begehen. Denn genau das war es, was sie in den letzten Stunden geplant und durchdacht hatten. Ein simpler Mord, der lediglich durch das allumfassende Resultat entschuldigt werden konnte. Sie erwiesen durch diese Tat der Menschheit einen Dienst, der kaum in Worte gefasst werden konnte, und dennoch mussten sie für den Rest ihrer Tage mit dem Wissen leben, die Existenz eines unschuldigen Menschen beendet zu haben, und in diesem Moment hätte Giles viel darum gegeben, diese Last allein tragen und Willow und den Anderen diese Erfahrung ersparen zu können. Doch er wusste, dass er es allein nicht schaffen konnte, und auch wenn er jetzt wie eine Werbung für Versicherungen klang, nur gemeinsam waren sie stark, und solange Buffy für sie unerreichbar war, mussten sie auf diese Stärke bauen und ihr vertrauen, denn ansonsten konnten sie gleich aufgeben.
„Ja, ich weiß. Ich wollte nur, es wäre schon vorbei, und wir könnten uns darauf konzentrieren Buffy wieder nach Hause zu hohlen." Hätte es sich um eine andere Person, als Willow gehandelt, hätte Giles sich Sorgen gemacht, das Mädchen könne jeden Moment anfangen zu hyperventilieren. Doch in den fünf Jahren, die er Willow nun kannte, hatte er gelernt, dass ihre Atemnot nicht zwangsläufig ein Anzeichen für einen nahenden Zusammenbruch war. Es war einfach ein Teil ihres Wesens, der sie Fremden gegenüber schwach erscheinen ließ, jedoch in Wahrheit nur ihre Stärke gut zu verstecken vermochte.
„Du sprichst mir aus der Seele, glaub mir." Er nahm einen weiteren Schluck des viel zu schwachen Tees. „Wir werden es so schmerzlos wie möglich gestalten... für ihn."
„Ich weiß." Willow rieb sich die Schläfen, um etwas von der Müdigkeit und Anspannung loszuwerden. Seit Tagen hatte sie keine Nacht mehr durchgeschlafen, und langsam begann ihr Körper gegen diese Behandlung zu protestieren. Doch sie konnte dem Wunsch diesen Protesten nachzugeben nicht einfach folgen. Noch nicht. „Ich wollte nur, wir könnten sicher sein, dass es auch wirklich funktioniert. Es müsste doch einen besseren Zauber geben, der uns mehr Sicherheit bietet, oder?"
„Wir müssen nun mal mit dem auskommen, was wir haben."
„Aber was ist, wenn Glory mitten in dem Zauber auftaucht, und durchschaut, was wir vorhaben?" Willows Augen waren bei der Vorstellung vor Angst geweitet.
„Nun, ich würde sagen, es macht dann auch keinen Unterschied mehr, wann wir durch ihre Hand sterben. In dem Moment, wenn sie uns dabei überrascht, wie wir sie umbringen wollen, oder sobald sie das Tor zu ihrer Höllendimension geöffnet hat."
„Sehen Sie, Giles, das liebe ich so an Ihnen. Sie verstehen es einem Mädchen Hoffnung zu machen." Ein sanftes Lächeln umspielte nun ihre Züge, als sie den Mann betrachtete, der in den letzten Jahren mehr ein Vater für sie gewesen war, als ihr eigener es die meiste Zeit war.
„Oh, ich hatte nicht deine Hoffnung, als vielmehr deinen Ehrgeiz im Sinn", konterte er umgehend auf seine trockene, britische Weise, die die Scoobies nicht erst einmal fast zur Raserei gebracht hatte.
„Um meine Motivation müssen Sie sich keine Sorgen machen, Giles, glauben Sie mir. Ich sehne den Tag herbei, and dem ich mir keine Sorgen mehr wegen Glory machen muss."
„Trotzdem hast du Sorgen, was mit Dir geschehen wird, sobald wir den Zauber durchgeführt haben." Giles klang nicht länger trocken und sarkastisch, sondern mitfühlend und sanft.
„Ich habe keine Zweifel", gab Willow auf ihre eigene, störrische Art und Weise zurück.
„Natürlich hast du die, Willow." Er zog sich die Brille von der Nase und legte sie, entgegen seiner Gewohnheit, unbedacht auf den Tisch. „Und ich würde mir Sorgen um dich machen, wenn du keine Skrupel hättest. Wir reden hier immerhin davon einen unschuldigen Menschen zu töten. Und auch, wenn wir um die Notwendigkeit wissen, so können wir die Tatsache als solche nicht einfach ignorieren, und so tun, als ginge uns das nichts an. Es ist eine schwere Prüfung, die uns hier auferlegt wird, und wir werden mit Sicherheit noch den ein oder anderen Punkt erreichen, and dem wir einfach nur noch aufgeben wollen. Aber wir werden es nicht tun, weil wir wissen, dass es falsch wäre."
„Wow, wenn Sie nicht meinen Ehrgeiz angeregt haben, dann haben Sie wenigstens erreicht, dass ich mir in die Hose pinkel." Giles und Willow drehten sich halb lächelnd, halb mit den Augen rollend um, und blickten in Xanders, durch ein gütiges Lächeln gezeichnetes, Gesicht.
„Danke, Xander", Giles zog seine Brille wieder auf und klappte sein Tagebuch entschlossen zu. Dazu musste später noch Zeit sein. „Das ist mehr, als ich jemals wissen wollte."
„Tja, dafür existiere ich nun mal", startete Xander den Versuch, die übliche Spur Humor einfließen zu lassen, doch auch ihm war bewusst, dass sich ihrer aller Rollen in den letzten Tagen verändert hatten. Willow und Giles teilten jetzt die Verantwortung, die bis vor wenigen Tagen noch auf Buffys Schultern gelegen hatte, er hatte den ganzen Vormittag damit verbracht Tara zu helfen alles für den Zauber an Ben vorzubereiten, und in der vergangenen Nacht hatte er zusammen mit Gunn, Wesley und Angel bei der Bewachung Bens abgelöst. Außerdem hatte er noch nicht einmal seinen und Anyas Part bei Joyce und Dawn verpasst. All die Jahre auf dem Höllenschlund, und nie hatte er so schnell erwachsen werden müssen, wie in diesen letzten Tagen. „Tara ist fertig, Will. Ihr könnt jederzeit loslegen."
„Oh, super", versuchte Willow Begeisterung in ihre Stimme zu legen, doch es wollte ihr nicht so recht gelingen. „Dann geh ich am besten mal... rüber."
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Die Stimmung im Trainingsraum der Magic Box war spannungsgeladen und die Atmosphäre zum Zerreißen gespannt. Bis auf Cordy und Anya, die sich bereit erklärt hatten bei Dawn und Joyce zu bleiben, waren alle anwesend. Sie hatten sich dazu entschlossen den Zauber im Trainingsraum durchzuführen, damit sie nicht zufällig von vorbeilaufenden Passanten beobachtet werden konnten.
Ben, der noch immer nicht genau wusste, worum es bei dem Zauber eigentlich ging, beobachtete skeptisch, wie die Hexen die letzten Vorbereitungen trafen. Bereits seit vier Tagen war er nun schon er selbst, und er konnte nur beten, dass das auch noch eine Weile so bleiben würde. Denn auch, wenn er nicht wusste, worum es ging, so ahnte er doch, dass Glory nicht gerade hoch erfreut sein würde, und keinen Moment zögern würde, alle Anwesenden zu töten. Allerdings wusste Ben auch, dass die Gang keine Zeit mehr hatte. Glory war nah, er konnte es spüren. Sie kratzte an der Oberfläche und suchte sich einen Weg nach oben. Und jedes Mal, wenn sie so lange brauchte, gelang ihr die Unterdrückung seines Wesens um so länger. Gleichzeitig fragte er sich, warum Glory so lang brauchte, wieder ihre Gestalt anzunehmen, denn normal war ein so langer Zeitraum nicht.
„Fertig?" hörte er Willow in Taras Richtung fragen, die daraufhin nur konzentriert nickte. Ben konnte den Unterschied zwischen den beiden Hexen sehen. Tara war eine routinierte, talentierte Hexe, die sich voll und ganz auf ihre Aufgabe konzentrieren konnte, und den Rest der Welt so lange außen vor lassen musste, um nicht abgelenkt zu sein. Willow dagegen schien wesentlich unbekümmerter an die Sache heranzugehen. Sie war auch konzentriert, aber die ganze Zauberei schien ihr wesentlich leichter von der Hand zu gehen, und sie strahlte eine Macht aus, die sogar Glory das Fürchten lehren musste. Willows Fähigkeiten waren vielleicht noch nicht ganz ausgereift, aber das Potential war da, das konnte selbst ein Laie wie Ben sehen.
Fasziniert beobachtete Ben nun, wie die beiden Hexen sich an den Händen fassten und begannen ihren Zauberspruch aufzusagen. Beide hatten die Augen geschlossen – ein weiterer Hinweis auf absolute Konzentration. Noch immer hatte er nicht ganz verstanden, worum es hier wirklich ging, doch er wusste, dass es mit ihm und Glory zu tun haben musste, da sie ihm sonst sicher nicht gestattet hätten, im gleichen Raum zu sein. Vielleicht wandten sie einen Wahrheitszauber an ihm an, um ihn zu zwingen endlich sein Wissen über Glory preiszugeben, oder aber...
Ein lauter Knall ließ ihn zusammenfahren, und erschrocken versuchte er zu begreifen, was soeben geschehen war. Über den Raum hatte sich ein bläulicher Schleier gelegt, der die Sicht erschwerte. Er war sich nicht sicher, ob er es sich einbildete, aber Ben hätte schwören können, ein leises Summen, oder Rauschen zu hören. Es dauerte einen Moment, ehe er begriff, dass es sich dabei um das Blut in seinen eigenen Ohren handelte. Verwirrt und unsicher, blickte er sich im Trainingsraum um und entdeckte Tara bewusstlos auf dem Boden liegen. Die Stärke des Zaubers schien sie überwältigt zu haben. Willow kämpfte sich mühsam auf die Beine, jedoch ohne Tara auch nur eines Blickes zu würdigen. Es schien, als sei sie nicht wirklich da, mehr in einer Art Trance gefangen, als ihre Augen sich auf Ben richteten und mit jeder Sekunde größer zu werden schienen. Doch es war nicht so sehr Entsetzen, das sie daran hinderte, ihren starren Blick von ihm abzuwenden, sondern etwas, das Ben nicht wirklich einordnen konnte.
„Er ist sie!"
Danke, Sweety, für meine allererste Review :) Werde versuchen, den Rest der Story in einem ähnlich schnellen Tempo online zu stellen.
Und weil das Kapitel so kurz war, folgt das nächste sofort :) lg, N.Snape
