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Es mag ja seltsam klingen, vor allem weil ich Legolas immer unheimlich toll fand, aber in Wirklichkeit war Legolas ganz anders, wie man ihn sich vorstellt. Um es kurz zu sagen, ein verwöhnter, eingebildeter Schnösel. Und je mehr Zeit ich mit ihm verbrachte, desto mehr ging er mir auf die Nerven. Seine Attraktivität und seine geheimnisvolle Aura waren auch schnell verblasst. Gut, Legolas sieht gut aus, aber er ist unglaublich oberflächlich. Moment, das war ja jetzt richtig tiefsinnig von mir!
Nach einer Woche hatte ich wirklich die Schnauze voll von ihm. Aber glücklicherweise hatte er ja jetzt das Kommando und somit auch königliche Pflichten und ich endlich meine Ruhe.
Ich hatte mir vorgenommen ein bisschen den Wald zu erkunden und die Stelle zu untersuchen, wo ich aufgewacht war.
Ich war immer noch in stiller Hoffnung, das dort ein paar Zigaretten rumlägen.
Reiten konnte ich ja inzwischen und das Elbenpferd würde sich bestimmt nicht verlaufen, also machte ich mir keine allzu großen Sorgen.
Ich war schon den halben Tag in der Gegend herum geritten, ohne die Lichtung wieder zu finden. Am Mittag machte ich an einer anderen großen Lichtung eine Pause. Ich hatte mir etwas Proviant eingepackt und da es ein sonniger Tag war, blieb ich am Rand der Lichtung, um mich im Schatten auszuruhen. Plötzlich bemerkte ich, dass ich nicht allein war. Am anderen Ende der Lichtung sah ich ein Pferd und sein Reiter saß im Schatten daneben. Er schien mich nicht gesehen zu haben und das aus dem einfachen Grund, dass er schlief.
Neugierig wie ich war, führte ich mein Pferd etwas in den Wald zurück und band es dort fest. Dann schlich ich mich im Schutz der Bäume zu dem schlafenden Elben. Er sah sehr jung aus, wenn er ein Mensch wäre würde man denken, er wäre höchstens 22. Er hatte dunkle lange Haare und ein ebenmäßiges Gesicht.
Doch ich war zu unvorsichtig. Ich hatte vergessen, dass die Sinne der Elben, auch wenn sie schliefen, geschärft waren und sie mit offenen Augen schliefen. In meiner Neugier war mir das entfallen. Ich ging immer näher heran, um ihn genauer betrachten zu können. Er sah wirklich außergewöhnlich gut aus.
Als ich mich neben ihm niederkniete, schoss plötzlich seine Hand hoch und er hielt mir ein Messer an den Hals. Felsenfest sah er mir mit seinen grünen Augen ins Gesicht. Als er sah, wie mir der Schreck und die Angst ins Gesicht geschrieben stand, ließ er das Messer sinken und steckte es weg.
Stotternd versuchte ich mich zu entschuldigen:
„Es tut mir leid, ich wollte dich nicht wecken, oder stören. Ich habe dich nur von dort drüben gesehen und wollte wissen, wer du bist."
Seufzend stand er auf und sagte:
„Ich weiß. Ich habe dich auch gesehen. Ich habe dich schon bemerkt, als du angeritten kamst. Aber das nächste Mal, sei vorsichtiger. Wenn ich nun ein Feind gewesen wäre, wärst du jetzt tot."
Wieder schluckte ich. Wieso musste immer dieses Wort fallen!
„Ja, ich weiß. Tut mir leid."
„Schon ok. Wie heißt du denn?", fragte er.
„Man nennt mich Linwê. Und wie heißt du?"
„Ach, das Mädchen ohne Gedächtnis. Dafür, dass du dich an nichts erinnern kannst, bist du ganz schön selbstbewusst." meinte der junge Elb grinsend.
„Wie meinst du das? Hast du was gegen selbstbewusste Frauen?", fragte ich ihn empört.
Lachend antwortete er:
„Nein, keineswegs! Ich meinte das nur, weil die meisten, die ihr Gedächtnis verlieren verunsichert und schüchtern sind."
„Ich bin eben nicht wie die meisten!"
„Offensichtlich. Pass auf dich auf!" Mit diesen Worten stieg er auf sein Pferd und ritt los.
„Halt, du hast mir noch nicht gesagt, wie du heißt!", schrie ich ihm hinterher.
Er hielt kurz an, drehte sich um und rief mir zu:
„Ich heiße Ellesar!"
Ellesar war ein schöner Name, er ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Aber auch der Elb, dessen Name es war, ließen mich auch während dem Abendessen mit Legolas nicht mehr los. Nachdenklich stocherte ich in meinem Essen herum.
Plötzlich fragte mich Legolas:
„Was ist mit dir? Du bist schon die ganze Zeit so still."
„Hm? Ach nichts!", tat ich seine Frage ab und versuchte mich wieder auf das Essen zu konzentrieren.
Nach der Mahlzeit stand Legolas auf um sich wieder seinen königlichen Pflichten zu widmen.
Beim Herausgehen fragte er einen Bediensteten:
„Wo ist Ellesar eigentlich? Er könnte doch auch mal etwas tun. Ich kümmere mich hier Tag täglich um unser Reich und er träumt irgendwo im Wald vor sich hin."
Erstaunt hörte ich auf.
„Wer ist Ellesar?", fragte ich Legolas, als er sich zum Gehen wandte.
„Ellesar ist mein Bruder."
Ellesar war sein Bruder! Mir war gar keine Ähnlichkeit aufgefallen. Warum hatte er das denn nicht gesagt. Vielleicht war er ja sogar nett. Wenn Legolas ihn für komisch hielt, könnte er ganz in Ordnung sein.
