achtzehn

Sunnydale, 7. August 2001

„Spike.." Die Stimme, die er in seinem Kopf hörte, schien sehr weit entfernt zu sein, und trotzdem erkannte er eine gewisse Vertrautheit in ihr. „Ich glaube, er kommt zu sich", meldete sich die weibliche Stimme wieder, und diesmal wusste er mit Bestimmtheit, sie schon mal gehört zu haben, wenn er auch nicht einordnen konnte, wo das gewesen sein könnte.

„Wie geht's ihr?" fragte plötzlich eine zweite Stimme, die mindestens ebenso bekannt war, wie die erste.

„Sie ist bewusstlos, aber sonst scheint sie in Ordnung zu sein." Eine dritte Stimme.

Mit aller Kraft, die er aufbringen konnte, zwang er sich, seine Augen zu öffnen, und heraus­zu­­finden, was eigentlich vorging, und wer es wagte, sein Hirn in diesem geschwächten Zustand mit so viel Input überzuversorgen. Diese Anstrengung musste auch sein Gegenüber bemerkt haben, denn wieder hörte er seinen Namen, diesmal schon viel näher, als zuvor. „Spike, komm schon, mach die Augen auf!"

Das erste, was er sah, waren verschwommene Gesichter in seinem Blickfeld. Es dauerte einen Moment, bis ihm klar wurde, dass nicht die Gesichter verschwommen waren, sondern, dass seine Augen noch nicht so wollten, wie er das gerne hätte.

„Verdammt noch mal!" war alles, was er stöhnen konnte, als er seine Augen wieder schloss, um ihnen eine Auszeit zu gönnen.

„Ich glaube, es geht ihm gut", verkündete daraufhin die männliche Stimme, die zuvor auch schon einmal gesprochen hatte. „Ahn, lauf schnell zum Revello und hol Mrs. Summers", sagte der Junge weiter, und wieder einmal kochte Spikes Neugierde über, als er spürte, dass er nur die Augen zu öffnen brauchte, und er würde wissen, worum es hier überhaupt ging, und als er sie diesmal öffnete, konnte er schon eindeutige Konturen erkennen. „Spike!" Irgendwas an der Stimme des Jungen klang nicht ganz so fröhlich, wie dieser einen glauben machen wollte. „Na, wieder unter den Lebenden? Na ja, Untoten?" Er kicherte über seinen eigenen Witz, und dieses Geräusch ließ in Spikes Hirn die Blockade zum Einsturz bringen.

„Xander." Es war fast lachhaft, dass seine ersten Worte zurück in Sunnydale ein Fluch und der Name des Welpen waren. Inzwischen waren seine Augen ganz geöffnet und erkannten, dass sie sich auf dem Nordfriedhof in Sunnydale befanden, genau an der Stelle, von der sie vor sechs Monaten aus in die Vergangenheit katapultiert worden waren. Erst in zweiter Instanz war sein Verstand in der Lage diese Information vollständig auszuwerten. Sie hatten es geschafft, sie waren wieder zu Hause – und der Tatsache, dass auch er hier war, war wohl zu entnehmen, dass sie es geschafft hatten, den Lauf der Zeit nicht großartig zu beeinflussen und zu verändern. Wenn man darüber nachdachte, war es fast erstaunlich.

„Spike, ist alles in Ordnung?" erreichte ihn nun auch die Stimme der 14jährigen, von der er sich fragte, wie er sie nicht auf Anhieb hatte erkennen können.

„Dawn!" Ein erleichtertes Lächeln bildete sich auf seinen Zügen, als er in einer fast zaghaften Bewegung seine Hand nach ihr ausstreckte. „Wir haben uns solche Sorgen um dich gemacht", gestand er ihr, während sein Blick automatisch Buffys suchte, um ihr seinen patentierten „Ich-habs-dir-doch-gesagt-Blick zuzuwerfen.

Hatte er eben noch Probleme gehabt, oben von unten zu unterscheiden, so schien das im nächsten Augenblick keine Rolle mehr zu spielen, als er seine Freundin noch immer bewusstlos auf dem Boden liegen sah, während Willow ihre Hand hielt. Augenblicklich war er neben ihr, Xander, Dawn und Willow ignorierend, und sprach leise, beruhigende Worte auf sie ein, ähnlich, wie er es auch vor sechs Monaten getan hatte, als sie länger gebraucht hatte, aus ihrer Bewusst­losigkeit aufzuwachen. Der Unterschied zu dem Moment damals war nur, dass er diesmal seine aufgewühlten Emotionen, die er bei dem Anblick ihres leblos erscheinenden Körpers verspürte, richtig einordnen konnte, und sich nicht innerlich fragen musste, was es ihn überhaupt anging, ob es ihr gut ging, oder nicht.

Fasziniert beobachteten die anwesenden Scoobies, wie der Vampir der Jägerin sacht auf die Wange tätschelte, sie wiederholt beim Namen oder Schatz oder Liebes nannte und beruhigend auf sie einredete. Keiner wagte etwas zu sagen, und selbst wenn sie es gewollt hätten, wären sie vermutlich viel zu überrumpelt gewesen, von dem, was sie vor sich sahen.

„Komm schon, Buffy, mach die Augen auf!" Er streichelte ihr sacht übers Haar, während er mit ihr sprach. „Sieh mal, wir sind wieder zu Hause. Der Krümel ist hier, und die Hexe, der Welpe auch. Kein Grund also, weiter zu schlafen."

Seine Worte schienen den erwünschten Effekt zu haben, denn im nächsten Augenblick fing Buffy an zu blinzeln, und es dauerte nur wenige Momente, ehe sie die Augen komplett geöffnet hatte. „Spike?" Ihre Stimme klang im ersten Moment schwach, wurde jedoch mit jeder Sekunde kräftiger. "Hat es funktioniert? Sind wir zurück in Kansas?"

Er konnte nicht umhin dämlich zu grinsen, als er sich erinnerte, wie sie vor sechs Monaten in London den Zauberer von Oz zitiert hatte. „Ja, Liebes, wir sind wieder in Kansas angekom­men. Und hier sind ein paar Leute, die dir offensichtlich Hallo sagen wollen", fügte er mit einem Lachen in der Stimme hinzu. Es war absurd, er konnte sich kaum an Begebenheiten erinnern, bei denen er glücklicher gewesen war, als hier und jetzt inmitten der Scoobies.

„Buffy", meldete sich nun Dawns Stimme, die keine weiter Minute mehr warten wollte, bevor sie ihre Schwester endlich in die Arme schließen konnte. Diese Stimme löste in Buffy einen Strom der Gefühle aus, als ihr klar wurde, dass ihre Schwester wohl auf war, und die beängstigen Alpträume der vergangenen Monate lediglich ihrer Fantasie entsprungen waren, und keine prophetischen Jägerinnenträume gewesen waren.

„Dawn!" Binnen Sekunden lagen die Schwestern sich in den Armen, und auch wenn Buffy ihre kleine Schwester viel zu fest an sich drückte, dachte Dawn nicht im Traum daran, sich zu beschweren.

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„Nein, Wesley, ich glaube nicht, dass es sich bei dieser Spezies um eine Unterart der Grapshocf Dämonen handelt. Ihre Geweihe weisen in keinster Weise ähnliche Merkmale auf, sie spucken nicht alle drei Sekunden grünlichen Schleim aus und sind mindestens 50 Zentimeter größer." Giles rieb sich müde über die Augen, als er das dicke Nachschlagewerk, das vor ihm lag, wieder zuklappte und fast kraftlos zur Seite schob. Seit zwei Tagen suchten sie nun schon nach Anhaltspunkten, mit was sie es bei ihrer letzten gemeinsamen Patrouille zu tun gehabt hatten, und allmählich fürchtete er, sie würden niemals dahinter kommen. Seit dieser angsteinflößenden Begegnung hatten jedoch weder der ältere, noch der jüngere Ex-Wächter dieses Wesen noch einmal gesichtet, und auch keiner der anderen hatte etwas von diesem Dämon erwähnt, und Giles konnte nicht umhin zuzugeben, dass er langsam das Interesse verlor. Er war müde, die Hitze machte ihm zu schaffen... und er vermisste Joyce.

In den letzten Monaten waren er und Buffys Mutter sich sehr nahe gekommen. Nicht, dass sie romantische Gefühle füreinander hegen würden, so war das nicht. Doch in der Zeit, seit Buffy verschwunden war, hatten sie angefangen, einander emotional zu unterstützen. Sie wussten, der jeweils andere würde sie verstehen, wenn sie Probleme hatten, wenn sie sich einsam fühlten, oder einfach so reden wollten. Auch beisammen sitzen, ohne etwas zu sagen, konnten sie, ohne, dass eine angespannte, oder peinliche Atmosphäre aufgetreten wäre. Sie waren Freunde, gute Freunde, die sich gegenseitig Halt gaben. Und jetzt war sie nicht da. Auf einer Kunstausstellung in Dallas und würde vor Ende der Woche nicht wieder kommen. Es war für sie ein schwerer Schritt gewesen, für mehrere Tage zu verreisen und Dawn bei Scooby Investigations zurückzulassen, doch Giles hatte sie zu dieser Reise ermutigt. So hart es für sie alle auch war zu akzeptieren, sie durften nicht aufhören ihre Leben zu leben, denn damit wäre niemandem geholfen. Und ihre Gallery hatte Joyce lange genug vernachlässigt, aufgrund ihrer Krankheit, wegen ihrer Sorge um Buffy, und wenn sie nicht langsam wieder anfing, ernsthaft etwas dafür zu tun, würde sie ihren Laden über kurz oder lang verlieren. Also hatte sie allen Mut zusammengefasst, ihre Koffer gepackt und war gefahren. Und das hatte er jetzt davon. Warum hatte er sie auch so sehr dazu ermutigen müssen? Er und sein großes Mundwerk.

„Was ist, Giles, möchten Sie auch ein kaltes Bier?" riss ihn Cordelias Stimme aus seinen trüben Gedanken, ihm eine Flasche Fosters Bier hinhaltend.

„Danke, aber wenn es kein Guinnes ist, werde ich wohl passen", lehnte er auf seine typische britische Art und Weise das Angebot ab, und zog dabei eine Miene, von der er wusste, dass Cordy sich grob behandelt vorkommen würde. In dem Moment kam er sich wie ein Idiot vor, denn es war ja nicht Cordelias Schuld, dass er einen schlechten Tag hatte. „Entschuldige, Cordelia", murmelte der Wächter, stand auf und streckte die Hand nach der kühlen Bierflasche aus. „Wenn ich es mir recht überlege, ist ein Bier vielleicht doch keine schlechte Idee."

„Schon gut, Giles, ich weiß, Sie haben es nicht so gemeint", akzeptierte sie seine Entschul­di­gungund setzte ihren Rundgang, den sie wohl bei Wesley angefangen hatte, bevor sie zu ihm gekommen war, zu Angel fort, der die ihm angebotene Bierflasche ohne zu zögern annahm und Cordy dabei ein, für ihn untypisches, fröhliches Lächeln zeigte. Wieder einmal konnte Giles sich nur wundern, als er die junge Frau beobachtete, die vor nur knapp drei Jahren noch ein verzog­nes Kleinstadtmädchen reicher Eltern gewesen war, und jetzt eine Ruhe und Kraft ausstrahlte, wie man es nur bei wenigen Menschen jemals beobachten konnte. Und doch hatte sie es dabei irgendwie geschafft, der Mensch zu bleiben, der sie gewesen war, bevor sie Sunnydale verlassen hatte, um nach LA zu gehen.

„Giles, haben Sie auch nur ein Wort von dem gehört, was ich gesagt habe?", drang plötzlich Wesleys Stimme an sein Ohr, und fragte sich kurzfristig, ob dieser Tag nicht bald zu Ende sein konnte.

„Nein, tut mir leid, Wesley, ich fürchte, ich habe Ihnen nicht zugehört", seufzte Giles, als er seine Bierflasche öffnete, und mit Wesleys ungeöffneter anstieß. „Hören wir doch auf für heute. Wir finden ja doch nichts raus, und wenn ich ehrlich bin, weiß ich auch nicht, was das noch bringen soll." Er hörte, wie die Tür zur Magic Box aufgestoßen wurde und an der kleinen Me­tall­glocke hängen blieb, um die Neuankömmlinge anzukündigen, doch machte er sich nicht die Mühe, aufzuschauen, um nachzusehen, wer hereingekommen war. Lediglich im Unterbewusst­sein nahm er wahr, dass Xander, Willow, Dawn und Anya heute spät von ihrer Patrouille zurück kamen. „Ich meine, wir haben diesen Dämon nur einmal gesehen, und ich bezweifle ehrlich, dass der sich hier noch mal blicken lässt."

„Ja, besonders nach der Angst, die wir zwei ihm eingejagt haben, als wir uns hinter Snyders Grabstein versteckt haben", kommentierte Wesley die Arbeitsverweigerung seines ehemaligen Kollegen trocken, tat es ihm aber gleich, als er nach der kühlen Flasche griff und sie öffnete.

„Verdammt, wie weit ist es mit der Welt gekommen, wenn Engländer anfangen austra­li­sches Bier zu trinken?", ertönte plötzlich eine Stimme hinter ihnen, von denen einer sicher war, sie noch nie gehört zu haben, und der andere nicht sicher gewesen war, sie jemals wieder zu hören. Einen Moment starrten sie sich lediglich an, um sich zu vergewissern, dass auch der andere die Stimme gehört hatte, und sie nicht nur eine Ausgeburt ihrer Fantasie, hervorgerufen durch Hitze und Erschöpfung, gewesen war.

Ohne auf das leichte Zittern in seiner Hand zu achten, stellte Giles vorsichtig die Flasche auf den Tisch, an dem er und Wesley saßen, und drehte sich langsam um, um die Quelle der englischen Stimme in Augenschein zu nehmen. Fast hätte er den Vampir nicht wiedererkannt, als dieser mit für ihn ungewohnt dunklen Haaren, die noch dazu in wirren Locken seinen Kopf belagerten, vor ihm stand.

„Hey, Rupert", sagte Spike mit einem Grinsen auf den Lippen, als er jede Sekunde des offensichtlichen Schocks, den er Giles versetzt hatte, genoss.

Doch Giles achtete gar nicht auf den Vampir, sondern nur auf die junge Frau, die neben ihm stand. Er sog ihren Anblick in sich auf, vergewisserte sich aus sicherer Entfernung, dass sie wohlauf war, und war für den Moment nicht in der Lage sich zu bewegen. „Buffy", war alles, was er zustande brachte, doch diese einfachen Silben waren Anstoß genug, um die Jägerin dazu zu bewegen, in die ausgestreckten Arme ihres Wächters, der ihr so nah war, wie es sonst nur ein Vater sein konnte, zu flüchten.

Vage war der Wächter sich der vielen Menschen – und Vampire – im Raum bewusst, die dieses Wiedersehen mit einem Lächeln auf den Lippen verfolgten, doch es hätte ihm nicht gleich­gülti­ger sein können. Nach all den Monaten der Sorge und Angst, der Trauer und Hoffnungs­losig­keit war sie endlich wieder sicher zu Hause, unversehrt und bei guter Gesundheit.

Es schien eine kleine Ewigkeit zu dauern, bis Giles und Buffy in der Lage waren, einander loszulassen, doch als sie es endlich schafften, wachten auch die anderen Anwesenden aus ihrer vorrübergehenden Starre auf, und es dauerte nicht lange, bis alle durcheinander redeten und sich gegenseitig mit Fragen bombardierten. Für einige Minuten konnte auch nicht einer sein eigenes Wort verstehen, und nur ein greller, heller Pfiff ließ sie alle aufeinmal verstummen und sämtliche Blicke richteten sich auf die Quelle des störenden Geräusches.

„Leute, wie wär's wenn wir den beiden etwas Luft zum Atmen geben, dann erfahren wir bestimmt schneller, was wir alle wissen wollen." Auch Angel konnte die Neugierde nicht aus seiner Stimme verbergen, als er seinen Blick von den Mitgliedern der Scooby Investigations ab­wand und auf Buffy und Spike richtete. Er hätte nichts lieber getan, als Buffy in einer ähn­li­chen Um­armung, wie sie gerade zwischen ihr und Giles stattgefunden hatte, zu begrüßen, doch die Art und Weise, wie Buffy und Spike sich an den Händen hielten und der nicht zu übersehende, mordlustige Funke in Spikes Blick, rieten ihm, besser auf Abstand zu bleiben. Buffy war verbotenes Territorium für ihn.

„Spike." Angel streckte die Hand aus, um seinen Nachkommen zu begrüßen. Er hoffte, der jüngere Vampir würde in dieser simplen Geste den Waffenstill­stand, den er ihm anbot, erkennen und auch akzeptieren.

Spike, der in den letzten 100 Jahren nicht einmal ein nettes Wort von Drus Erschaffer erhalten hatte – die kurzen Monate vor drei Jahren, als Angel vorrübergehend seine Seele verloren hatte, mal ausgeschlossen, und selbst da hatte er nicht gerade zu Angels Favoriten gezählt – beäugte die ihm ausgestreckte Hand zunächst argwöhnisch, ergriff sie dann jedoch zögerlich, als er eine ermutigende Hand auf seinem Rücken spürte, und er hatte jetzt nicht vor, Buffy schon in ihrer ersten Stunde zurück in Sunnydale zu verärgern, nur weil er Streit mit Angel anfangen musste. „Angel", erwiderte er den Gruß mit nüchterner Stimme, die bei Buffy lediglich ein Augenrollen verursachte.

„Wie wär's, warum setzen wir uns nicht alle und fangen an, die beiden mit Fragen zu löchern", durchbrach Cordy die aufgetretene Spannung, als die beiden Vampire einander gegen­überstanden. „Ich für meinen Teil kann es kaum erwarten zu hören, wie sie so plötzlich wieder hier aufgetaucht sind, nachdem wir Monate erfolglos versucht haben, einen Weg zu finden." Obwohl ihre Stimme genervt und reichlich ungeduldig klang, wussten alle Anwesenden – von Spike vielleicht abgesehen – wie froh auch Cordy war, dass Buffy und Spike wieder zu Hause waren.

„Das ist eine gute Idee, Cordy", stimmte Wesley zu, der bis jetzt interessiert und äußerst fasziniert die intime Haltung, in der Buffy und Spike beieinander standen beobachtet hatte.

„Oh, ihr kennt euch noch gar nicht, oder?" fuhr Cordy einmal mehr dazwischen. „Spike, das ist Wesley. Er war in unserem letzten Schuljahr Buffys Wächter, nachdem Giles vom Rat gefeuert worden war. Eine ziemlich lange Geschichte, und auch nicht gerade eine, die ein gutes Bild auf unsern guten Wes hier wirft. Aber er hat dem Rat entsagt – oder bist du gefeuert worden? Na, ist ja auch egal. Jedenfalls arbeitet er jetzt mit Angel, Gunn und mir in LA. Das heißt, arbeitete, denn seit ihr zwei diesen Stunt in die Vergangenheit zu reisen, gewagt habt, waren wir nicht mehr in LA und haben statt dessen hier gearbeitet."

Spike und Wesley konnten Cordelia für einen Moment nur fasziniert anstarren, bevor sie einander die Hände schüttelten. Der Vampir hatte natürlich schon von Buffy einige Geschichten über Wesley gehört, doch nachdem, wie sie ihn geschildert hatte, hatte er sich den Briten ganz anders vorgestellt.

„Und das hier ist Gunn. Gunn, das sind Spike und Buffy", übernahm Cordy auch die Aufgabe Gunn mit dem Paar vertraut zu machen.

„Hey, Leute", grüßte Gunn auf seine typische LA-Art, warf Cordy aber umgehend einen irritierten Blick zu. „Warum kriegt der Bücherwurm eine fünfminütige Rede, und ich nur ein kurzes ‚Das ist Gunn'?"

Cordy überging Gunn jedoch einfach mit einem Schulterzucken und ließ sich stattdessen auf einen der Stühle fallen, die um den runden Tisch standen. „Also, wie habt ihr es geschafft aus der Vergangenheit wieder nach Hause zu kommen?", kam sie ohne Umschweife zur Sache.

„Oh, da hatten wir eigentlich relativ wenig mit zu tun, da wir lediglich..." Buffy geriet ins Stocken, als ihr etwas Wichtiges auffiel, worüber sie bis gerade noch gar nicht nachgedacht hatte. „Soll das heißen, ihr habt die Briefe wirklich bekommen?"

„Oh, ja, etwa drei Tage, nachdem ihr zwei verschwunden wart, und wir uns langsam richtige Sorgen um eure Sicherheit machten, hat..."

„Du meinst, als wir uns richtig Sorgen um Buffy gemacht haben, denn bis dahin hatten wir nicht mal mitbekommen, dass Spike auch verschwunden ist", fuhr Xander, der Buffy und Spike irritierte Blicke zuwarf, Willow dazwischen.

„Typisch", kommentierte Spike dieses Desinteresse an seiner Person.

„Wie dem auch sei, jedenfalls hat an dem Tag Quentin Travers angerufen und Giles sofort nach London zitiert."

„Mir war nicht wohl dabei, hier alles stehen und liegen zu lassen, mit Glory und der ganzen Situation, aber Travers hatte anscheinend sehr wertvolle Informationen deinen Aufenthaltsort betreffend, also bin ich gefahren", übernahm Giles die Aufgabe kurz zu berichten, was während Buffys Abwesenheit in Sunnydale geschehen war. Buffy konnte nicht glauben, was ihr erzählt wurde. Zu genau erinnerte sie sich an die Sorgen, die sie sich in England um Dawn gemacht hatte, an ihre Schuldgefühle, weil sie ihre Schwester im Stich gelassen hatte – wenn auch nicht freiwillig – und jetzt musste sie feststellen, dass es genauso gefährlich für alle Beteiligten gewesen war, wie sie es sich in ihren schlimmsten Alpträumen vorgestellt hatte.

„Dann ist Glory vernichtet?" Spikes Blick huschte zu Willow, die neben Tara saß, und zollte der jungen Hexe stillschweigend Anerkennung. Er hätte nicht erwartet, dass sie zu einer solchen Tat, wie einen Menschen umzubringen, fähig wäre, auch wenn das Wohl der Menschheit davon abhing. Und die Auswirkungen waren sichtbar, wenn vielleicht auch nicht offensichtlich, doch Spike konnte die neue Ernsthaftigkeit erkennen, die sie wie eine Aura umgab.

„Ja." Giles leerte seine Bierflasche mit einem letzten Schluck und stellte sie abwesend zur Seite. „Und von da an verbesserte Dawns Zustand sich zusehends. Glory hat keinen bleibenden Schaden angerichtet." Erklärte er mit einem liebevollen Blick auf Buffys Schwester, als sich einmal mehr die Tür zur Magic Box öffnete und ein wütend schnaubender Ex-Rachedämon eintrat.

„Nicht nur, dass ihr mich den ganzen Weg durch diese Stadt schickt, um Joyce zu holen ohne daran zu denken, dass die gar nicht in der Sunnydale ist, nein, wenn ich dann zurück zu der Stelle komme, an der ich euch verlassen habe, seid ihr auch noch verschwunden! Und mir sagt man nach, ich sei rüde in meinem Benehmen?" Sie ließ sich schwer seufzend, als trage sie die Last der Welt, auf einen freien Stuhl fallen und griff nach der Flasche Bier, die vor Wesley auf dem Tisch stand. „Hi, Buffy, Spike."

"Anya, schön dich wiederzusehen", erwiderte Buffy den Gruß, nicht in der Lage ihr Grinsen auch nur für einen Moment aus ihrem Gesicht zu vertreiben. Sie waren wieder zu Hause, Dawn und ihrer Mutter ging es gut, Glory war vernichtet und Spike war auch bei ihr. „Mom ist nicht zu Hause?" fragte sie schließlich an ihren Wächter gewandt.

„Nein, sie ist in Los Angeles auf einer Kunstausstellung, um ein paar neue Stücke für ihre Galerie zu erwerben", erklärte Giles die Abwesenheit ihrer Mutter, und fühlte sich augenblicklich schuldig, als er den traurigen Ausdruck über Buffys Gesicht huschen sah. Natürlich hatte sie keinen sehnlicheren Wunsch, als ihre Mutter endlich wiederzusehen, und er war derjenige, der Joyce praktisch genötigt hatte, für eine Weile zu verreisen. „Aber ich werde sie natürlich sofort anrufen." Und sofort strahlte das Lächeln seiner Jägerin wieder auf. Es fehlte nicht viel, bevor er einen Kniefall machen und einem Gott, an den er nicht wirklich glaubte, für ihre Rückkehr dankte.

„Und, habt ihr's ihm schon gesagt?" fragte Anya, die ein erstaunliches Maß an Desinteresse zeig­te, in dem sie in einem der Kataloge blätterte, die von Lieferanten in regelmäßigen Abs­tän­den geschickt wurden, um auf neue Artikel aufmerksam zu machen.

„Wem was gesagt, Ahn?" hakte Xander nach, der das Verhalten seiner Freundin im Moment nicht besonders lustig fand. Sie musste doch einsehen, dass sie in dem Moment, als sie Buffy und Spike bewusstlos auf dem Friedhof gefunden hatten, nicht richtig klar denken konnten, und deshalb nicht daran gedacht hatten, dass Joyce nicht da sein würde. Abgesehen davon, dass sie selbst ja auch hätte daran denken können.

„Na, Spike das mit Giles", sagte sie in einem Ton, der ihm sagte, er sei der dümmste Ein­falls­pin­sel diesseits der Rocky Mountains.

„Oh, das... nein, noch nicht", antwortete Xander mit einem Blick auf Giles, der Anya seinerseits einen nicht besonders freundlichen Blick zuwarf. Offensichtlich hatte der Wächter nicht die Absicht gehabt, dieses spezielle Thema in Gegenwart aller zu erörtern, auch wenn Xander nicht ganz verstand, warum nicht, da sie schließlich sowieso alle Bescheid wussten.

„Ich fürchte, ich kann nicht ganz folgen", meldete der Vampir sich nun zu Wort.

„Nun, äh, Spike...", begann der für gewöhnlich nie um die richtigen Vokabeln verlegene Brite, nun hoffnungslos überfordert auf der Suche nach den richtigen Worten.

„Ihr zwei seid verwandt", fuhr Anya einmal mehr dazwischen und sorgte so für ein peinliches Schweigen in der Runde, als klar war, dass Giles und Xander mit ihrem Verhalten alles andere, als einverstanden waren, und Spike nicht sofort in der Lage war, diese Information logisch zu verarbeiten.

„Wie... ich meine..."

„Super, zwei stammelnde Briten auf einmal. Und da sagt man immer die seien so wortgewandt", versuchte Cordelia die gespannte Atmosphäre ein wenig zu entschärfen.

„Es ist im Prinzip ziemlich einfach", übernahm Angel nun das Ruder, nicht in der Lage mit anzusehen, wie sich die anderen um Kopf und Kragen stotterten. „Nun, wir waren ziemlich verwirrt... nein, das ist nicht ganz richtig... Ich war ziemlich verwirrt, als Dawn mir erzählte, du hättest zum Zeitpunkt deiner Verwandlung noch Familie gehabt." Er blickte Spike geradewegs in die Augen. „Stell dir meine Überraschung vor, als ich erkannte, wie sehr du mich angelogen hast, William", zischte er mit einer Stimme, die in Spike eine äußerst lebhafte Erinnerung an Angelus auslöste. Doch ein Blick in die Züge seines Mentors verriet ihm, dass Angel nur Spaß machte. „Jedenfalls waren wir daraufhin neugierig, was wohl mit Lynn und Constance Atherby geschehen war, und da wir nicht viel anderes zu tun hatten, machten wir uns auf die Suche nach Anhalts­punk­ten. Das Ganze stellte sich als gar nicht so leicht heraus, denn ihre Spuren waren wirklich sehr gut verwischt worden."

„Ihr wisst, was aus meiner Mutter und meiner Schwester geworden ist?" In Spikes Verstand wirbelten sämtliche Gedanken durcheinander. Seit so vielen Jahrzehnten hatte er sich diese Frage gestellt, versucht etwas herauszufinden, und war doch kläglich an dieser Aufgabe gescheitert. Vielleicht, wenn er sich mehr Mühe gegeben hätte.

„Nachdem wir zunächst keinen Anhaltspunkt finden konnten, haben wir uns auf die Aufzeichnungen des Wächters konzentriert, dem ihr zwei in der Vergangenheit begegnet seid, der, wie ihr euch ja schon gedacht habt, ein Vorfahr von mir war. Um genau zu sein war er mein Ururgroßvater." Buffy und Spike tauschten einen vielsagenden Blick aus, als Giles Richard erwähnte. Es war zwar erst wenige Stunden her, seit sie ihn und Lizzy zuletzt gesehen hatten, und doch kam es ihnen bereits wie ein ganzes Leben vor. „Und wie euch wahrscheinlich auch bewusst ist, hatten Richard Giles und seine Frau Elizabeth drei Kinder... äh, Christopher, Rose und Arthur. Nun, das mag jetzt vielleicht ein Schock für Sie sein, aber es seiht so aus, als hätten Richards ältester Sohn Arthur und Ihre Schwester, einige Jahre nach ihrer Verwandlung, äh, geheiratet." Giles hielt einen Moment inne und betrachtete den Vampir nachdenklich. „Ihre Schwester war meine Urgroßmutter." Einen Moment herrschte Stille, als alle Anwesenden auf eine Reaktion des Vampirs warteten, dieser jedoch kaum eine Miene verzog. „Und irgendwie habe ich das Gefühl, als käme diese Nachricht für euch zwei nicht ganz so überraschend, wie sie es für mich war."

Buffy konnte nicht anders, als über den beleidigten Ton in Giles Stimme zu lachen. „Na ja, zum Teil haben wir so was wohl schon vermutet", gab sie zu, wissend, dass Spike noch einen Großteil der Informationen, die er gerade erhalten hatte, für sich verarbeiten musste. „Ungefähr zwei Wochen nach unserer Ankunft habe ich Arthur und Lynn knutschenderweise im Garten der Adams erwischt."

„Du hast Spikes Schwester kennengelernt?" mischte Dawn sich nun in das Gespräch ein. Neben Buffy war sie wohl die einzige, die eine Vorstellung davon hatte, wie viel dem Vampir auch nach so vielen Jahren noch an seiner Schwester lag, und die Vorstellung, Buffy könne auch nur einen Blick auf Lynn geworfen haben, faszinierte sie.

„Oh, ja, und seine Mutter und ihn... William, also ihn." Sie warf Spike einen belustigten Blick zu. „Entschuldige, Schatz."

„Wow, einen Moment mal", fuhr Angel, dem bei dem Anblick der beiden Turteltauben fast körperlich schlecht wurde, dazwischen. „Du bist William begegnet?"

„Ja, auf so einer Party und dann war ich noch bei den Atherbys zum Dinner eingeladen."

„Buffy... ist dir klar, was du durch dieses Treffen hättest auslösen können? Du..."

„Keine Sorge, Angel, über die intelligente Handlungsweise der Jägerin an diesem Abend wurde schon sehr ausführlich diskutiert", unterbrach Spike Drus Erschaffer, bevor dieser etwas sagte, wofür Spike ihn hätte töten müssen. Denn egal, was er selbst von Buffys Entscheidung von vor knapp sechs Monaten gehalten hatte, er würde Angel nicht erlauben, ihr deshalb jetzt noch die Hölle heiß zu machen.

„Wirklich Buffy, das war mehr als leichtsinnig", konnte Giles nicht umhin, die Unvorsich­tig­keit seines Schützlings ebenfalls zu kommentieren.

„Danke, Leute, inzwischen weiß ich es." Sie rollte genervt mit den Augen und versetzte Spike einen Stoß in die Rippen, als sie ihn kichern hörte. „Können wir vielleicht wieder zum eigentlichen Thema zurückkehren? Schließlich wollten Sie uns gerade mehr über Arthur und Lynn erzählen."

„Ich wusste, ich hätte den Typ umbringen sollen, als ich die Gelegenheit dazu hatte", murmelte Spike, doch nicht leise genug, da sich nun etwa zehn Augenpaare interessiert auf ihn richteten.

„Ich dachte, du könntest keine Menschen mehr angreifen", ertönte Angels fassungslose Stimme.

„Kann er auch nicht", erklärte Buffy, die den Ausdruck in Angels Blick sofort erkannte. Es war etwa der gleiche Blick, wie vor einem Jahr, als Angel Riley zum ersten Mal begegnet war und ihn gleich zusammengeschlagen hatte. „Die Chance Arthur zu töten bestand wohl ausschließlich in seiner Phantasie. Wohingegen Arthur kurz davor stand, Spike zu töten, nach allem, was Richard mir erzählt hat. Aber können wir bitte wieder auf das eigentliche Thema zurückkommen?"

„Oh, ja, richtig", stimmte Giles Buffys Bitte zu, bevor die beiden Vampire aufeinander losgehen konnten. „Also, wie ich schon sagte, haben Lynn und Arthur ein paar Jahre, nachdem ihr zwei bei ihnen wart, geheiratet. Doch dies geschah nicht, bevor Richard und Arthur Giles die Spuren von Constance und Lynn Atherby verwischt hatten, wenn man es so ausdrücken möchte. Aus Richards Aufzeichnungen geht hervor, dass die Familie nach Williams Tod befürchtete, die Atherbys könnten zum Opfer eben dieses jetzigen Vampirs werden, und deshalb haben sie alles dafür getan, die Identitäten von Constance und Lynn neu zu erschaffen."

Inzwischen kramte Giles aufgeregt in einer Schublade unter dem Thresen in der Magic Box herum, in der er vor einigen Wochen sämtliche Unterlagen über die Giles und Atherbys verstaut hatte, um Spike die Aufzeichnungen, die er zusammengestellt hatte, zu zeigen. Von Neugierde getrieben, war Spike aufgestanden, Giles gefolgt und nahm nun zögerlich die Dokumente in die Hand.

„Wow, dann sind wir also wirklich verwandt, was?" Spike konnte es kaum glauben. Niemals hätte er vermutet, jemals noch mal einen lebenden Verwandten zu treffen, und mit Sicherheit hatte er nicht damit gerechnet ihm in Sunnydale, Nordkalifornien über den Weg zu laufen. „Dann ist es wohl nicht mehr passend, wenn ich Sie Opa nenne, immerhin sind Sie ja mein Urgroßneffe."

„Nun, das wäre dann nun ziemlich unpassend, wo ich es doch sonst so genossen habe, von Ihnen als Relikt der Menschheit bezeichnet zu werden."

„Und spüren wir nicht alle die familiäre Wärme, die Liebe und Zuneigung, die von den beiden herüberströmt?", kommentierte Xander den sarkastischen Austausch zwischen Spike und Giles. „Aber Buffy, du hast uns noch immer nicht erzählt, wie ihr zwei es jetzt geschafft habt, wieder nach Hause zu kommen."

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Und wieder ein großes Dankeschön und virtuelle Cookies an Sweety für die lieben Reviews :) Tja, langsam sind wir wirklich am Ende der Zeitreise angelangt, lediglich ein - sehr - kurzer Epilog wartet noch darauf online gestellt zu werden.
Ich hoffe, ihr hattet bis jetzt alle Spaß beim Lesen, lg, N.Snape