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Ellesar und ich waren inzwischen die besten Freunde und waren meist nur zusammen aufzufinden.

Eines Abends, als ich vom heimlichen Rauchen heimkam – Ellesar wollte früh ins Bett gehen -, sah ich Ellesar, wie er auf einem der Balkone umherschlich.

Ich war neugierig, was er dort tat und versteckte ich mich schnell hinter einem Busch. Der Mond schien hell und ich konnte gut sehen, was dort Oben vor sich ging. Außerdem hatte ich auch meine Elbenaugen und so konnte ich alles genau beobachten.

Ellesar klopfte an eine Balkontür, die gleich darauf aufging. Eine schöne, blonde Elbin trat heraus und umarmte Ellesar innig. Ellesar erwiderte diese Zärtlichkeit mit heißen Küssen an ihrem Hals.

Ich spürte einen Stich in der Brust. War ich etwa eifersüchtig, oder waren das die Nachwirkungen meiner Verletzungen? Ich konnte nicht länger hinsehen, also wandte ich meinen Blick ab und verschwand lautlos.

Diese Nacht war eine Tortur für mich. Immer wieder sah ich Ellesar mit dieser Elbin vor mir. Und plötzlich fiel mir der Kuss wieder ein. Damit war für mich klar, dass ich in Ellesar verliebt war.

Es war eine schreckliche Erkenntnis für mich. Ich war noch nie verliebt gewesen. Jetzt war ich in ihn verliebt, aber er liebte offenbar eine andere. Nun, da ich wusste, was ich für ihn empfand, wusste ich leider nicht mehr, wie ich mich ihm gegenüber verhalten sollte.

Völlig erstarrt saß ich mit ihm am Frühstückstisch. Und wenn er mich etwas fragte, bekam er nur kurze, gestotterte Antworten. Auf diese Weise entging ihm natürlich nicht, dass etwas nicht stimmen konnte.

Er fragte mich, was mit mir los sei, aber ich sagte nur:

„Alles bestens!"

Was die größte Lüge meines Lebens war.

So ging das den ganzen Tag weiter, bis es Ellesar dann zu blöd wurde. Gegen Abend packte er mich am Arm und zog mich an einen Ort, an dem wir allein waren.

Dann sagte er:

„Also, entweder du erzählst mir sofort, was los ist, oder ich gebe dir nichts mehr zum Rauchen."

Das saß. Bei einer solchen Drohung musste ich natürlich ehrlich sein.

„Na ja," druckste ich herum. Und Ellesar sah mich fragend an. „ich habe dich gestern Abend mit dieser Elbin gesehen und möchte wissen, was da zwischen euch läuft."

„Oh, ich verstehe! Du meinst sicher Alatàriêl."

„Kein Ahnung, wie die heißt."

„Ok, ich will ehrlich zu dir sein. Weißt du, jeder Mann braucht seinen Spaß, nicht nur Legolas."

„Also seid ihr ein Paar!"

„Nein, das würde ich nicht sagen. Es ist eine gefühllose, rein sexuelle Beziehung."

„Und warum hast du mir das nicht gesagt? Ich dachte wir sind Freunde!"

„Das sind wir auch, aber irgendwie hatte ich das Gefühl, du wärst dann eifersüchtig."

Ich war erstaunt, wieso sollte er das glauben! Aber er hatte recht, ich war eifersüchtig.

„Aber Ellesar, warum sollte ich denn eifersüchtig sein?"

Ellesar sah mich plötzlich mit einem seltsamen Blick an und sagte dann:

„Ich wäre eifersüchtig, wenn du so eine Beziehung hättest."

Das machte mich nun wirklich stutzig.

„Aber warum?", hakte ich vorsichtig nach.

Ellesar zögerte, dann gestand er mir:

„Ich – ich – weil ich dich liebe. Ok, jetzt ist es raus. Ich hab mich total in dich verliebt. Und ich dachte, wenn ich dir davon erzähle, willst du erst recht nichts von mir."

Das hätte ich nicht erwartet. Ich wusste, dass Ellesar mich gern hatte, aber das er mich liebte...

„Aber warum hast du dann diese Affäre mit dieser Alatàriêl?"

„Ich weiß es nicht."

Für mich war hiermit das Gespräch beendet und lief auf mein Zimmer.

Ich wälzte mich in meinem Bett hin und her, aber es hatte keinen Wert. Ich konnte nicht wieder einschlafen. Das war in gewisser Weise auch verständlich , denn es war schon längst Mittag.

Ich stand auf und zog mich um. Als ich so vor dem Spiegel stand und mich betrachtete, kam mir die Idee, ein Bad zu nehmen.

Nach einem langen, genüsslichen Bad, konnte ich keine Ausrede mehr finden, mein Zimmer nicht zu verlassen. Seufzend begab ich mich auf den Weg zum Speisesaal; mir knurrte langsam der Magen.

Irgendwie schaffte ich es, Ellesar den ganzen Tag nicht zu begegnen. Ich wusste nicht, warum ich ihn nicht sehen wollte, aber ich wusste auch nicht, was ich sagen sollte, wenn ich ihn treffen würde.

Allerdings sah ich Alatàriêl, die von mir, ohne den Grund zu wissen, einen äußerst giftigen Blick erntete.

Dieser Tag war einer der langweiligsten meines Lebens. Ohne Ellesar schien jede Unternehmung monoton.

Am nächsten Tag konnte ich es nicht mehr vermeiden, mit Ellesar zusammenzustoßen.

Als ich ihn von weitem kommen sah, änderte ich sofort den Kurs, aber er hatte mich schnell eingeholt.

„Warum weichst du mir aus?", fragte er mich.

„Ich weiche dir doch nicht aus. Wie kommst du darauf?", log ich.

„Natürlich weichst du mir aus. Aber ich verstehe nicht warum! Gut, ich hatte eine Affäre, aber was stört es dich? Immerhin beruht meine Liebe zu dir nicht auf Gegenseitigkeit."

„Hatte?"

„Ja, ich hab sie gestern Abend beendet. Aber sag mir jetzt warum du mir aus dem Weg gehst!"

„Ich weiß nicht, wie ich mich dir gegenüber verhalten soll. Ich hätte es einfach nicht von dir erwartet."

„Ich bin nicht perfekt!"

„Bis vor kurzem warst du perfekt - für mich."

„Wie meinst du das?"

„Ich – ich – ich kann es dir nicht sagen. Tut mir Leid!"

Ich drehte mich um und rannte davon. Ellesar blickte mir verwirrt nach.

Es blieb nicht unsere einzige Begegnung an diesem Tag. Beim Abendessen saßen wir wie immer nebeneinander, aber wir sagten nichts und sahen uns nicht an. Wir aßen nur stumm unsere Mahlzeit.

Unbeabsichtigt erhob ich mich im selben Moment wie Ellesar. Wir waren beide überrascht und sahen uns an. Ich schaute schnell wieder weg, aber Ellesar blickte mich immer noch an.

Allen anderen an der Tafel schien unser Verhalten nicht aufzufallen oder sie schwiegen höflich.

Ich dachte bis spät in die Nacht über Ellesar nach. Es war schon weit nach Mitternacht, bis ich mich dazu entschloss, mich umzuziehen und ins Bett zu gehen. Ich kam gerade in Unterwäsche aus dem Bad, als ich Ellesar erblickte, der unbemerkt hereingekommen war.

„Was – was willst du denn hier?", stotterte ich.

Ellesar aber antwortete nicht, er sah mich nur fassungslos an. Ich guckte an mir herunter, sah ihn an und zog mir dann so schnell wie möglich den Morgenmantel über, den ich auf meinem Bett liegen hatte.

Vorwurfsvoll blickte ich ihn wieder an und endlich fing sich Ellesar wieder.

„Ich wollte, nein, ich muss mit dir reden!"

„Und das mitten in der Nacht?"

„Ich hab gesehen, dass noch Licht bei dir brennt."

„Also gut, rede Ellesar!", befahl ich.

„Kann es sein, dass meine Liebe für dich doch auf Gegenseitigkeit beruht?", fragte er mich.

„Wie kommst du darauf?"

„Also nicht. Tut mir Leid, dass ich gefragt habe."

Ellesar wandte sich schon zu gehen, aber ich hielt ihn auf:

„Nein, das habe ich nicht gesagt, ich –„

Ellesar drehte sich wieder um.

„- ich will nur nicht verletzt werden, verstehst du? Und ich hab Angst, dass du mich verletzten könntest, seit ich von dieser Sache weiß. Ich weiß nicht, ob ich dir vertrauen kann."

Betreten sah Ellesar mich an.

„Ja, ich verstehe. Ich werde dein Vertrauen wiedergewinnen. Das verspreche ich dir." er machte eine Pause und fuhr dann fort:

„Ich muss Morgen übrigens leider abreisen. Mein Vater will, dass Legolas und ich mal wieder nach Hause kommen. Ich komm dich bald wieder besuchen."

Mit diesen Worten verschwand Ellesar vorerst aus meinem Leben.

Ende Teil 1