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An einem späten Nachmittag erreichten wir die Grenzen Düsterwalds, wo wir schon von den Wachen erwartet wurden.

„Ihr kommt spät! Und ihr solltet nur zu zweit kommen. Also, wer ist die schöne Frau an eurer Seite?", begrüßte uns einer der Wachen.

„Das ist unsere Cousine Tarî! Sie beschloss kurzfristig uns zu begleiten." , entgegnete Elladan bevor ich etwas sagen konnte.

„Ich wusste nicht, das ihr eine Kusine habt, aber das ist nun auch nicht weiter wichtig. Man erwartet euch, ihr solltet schnell weiter reiten.", antwortete die Wache, die uns begrüßt hatte und verschwand wieder im nächsten Baum.

Die Zwillinge und ich machten uns auf in den Wald, um noch vor Einbruch der Dunkelheit am Palast der Königsfamilie zu sein.

Dort angekommen standen schon König Thranduil und seine Gemahlin Firuwîn am Tor, um uns zu begrüßen.

Höflich begrüßten wir uns und ich wurde den hohen Herrschaften vorgestellt.

Nachdem sämtliche Höflichkeitsfloskeln beendet waren, sprach König Thranduil:

„Verzeiht, dass nicht auch unser Sohn Legolas euch begrüßt hat, aber dieser Träumer wird irgendwo im Wald wieder mal die Zeit vergessen haben."

„Aber euere Hoheit, das ist nicht so schlimm. Wir werden noch genügend Gelegenheiten haben, ihn zu begrüßen.", antwortete Elladan rasch und stupste mich ein wenig an, damit ich Thranduil in den Palast folgte.

Wenig später führte mich eine Dienerin in mein Zimmer und teilte mir mit, dass das Abendmahl in einer Stunde beginnen sollte.

Ich hielt das für genügend Zeit, mich frisch zu machen, ich war ja von der Reise noch sehr zerzaust. Doch falsch gedacht, nachdem ich mich gewaschen, mein Kleid ausgesucht (das hat immerhin 20 Minuten gedauert) und mich auch noch passend frisiert hatte, blieben mir gerade noch 5 Minuten um in den Speisesaal zu kommen. Doch wo zur Hölle war der? Und gerade jetzt läuft niemand herum, den man hätte fragen können. Eilig und planlos irrte ich durch die Gänge und dann geschah, was kommen musste. Ich hatte nicht aufgepasst, weil ich zu sehr damit beschäftigt war, den Speisesaal zu suchen, und prallte ziemlich Zielsicher mit jemandem zusammen. Dieser Jemand war einen guten Kopf größer als ich und sah unverschämt gut aus. Er hatte strahlend blaue Augen, silberblonde lange Haare, ein unheimlich süßes Gesicht und ein Lächeln, bei dem man nur noch dahinschmelzen konnte.

Verlegen stotterte ich eine Entschuldigung und wollte schon weiter gehen, als der Traumelb mich ansprach:

„Suchst du den Speisesaal? Wenn ja, ist das die falsche Richtung."

„Äh, ja! Und wo ist der Speisesaal? Ich bin sowieso schon spät dran!", antwortete ich verlegen.

Lächelnd nahm er meine Hand..

°Ich bin im Himmel!

...und führte mich zwei Türen weiter. Dann sagte er:

„Hier ist der Speisesaal."

Er öffnete die Tür und wir traten hinein. Der junge Elb ließ mich stehen und ging zum Ende der Tafel. Suchend schaute ich umher und sah schließlich Elladan und Elrohir, die mich zu sich winkten. Zögernd setzte ich mich an den freien Platz zwischen Elladan und Firuwîn, welchen mir die Zwillinge freigehalten hatten. Gegenüber von Elladan saß Elrohir. Mir gegenüber war noch ein Platz frei, der zwischen Elrohir und Thranduil. Elladan fragte mich sogleich, wo ich so lange war und nahm mit einem Lächeln die Erklärung, dass ich mich verlaufen habe, entgegen. Erst jetzt bemerkte ich, dass der junge Elb, mit dem ich zusammen gestoßen war, mit Thranduil sprach.

Ich hörte gerade noch den letzten Satz Thranduils: „Wurde auch Zeit Legolas!", ehe sich der junge Elb mir gegenüber hinsetzte.

Ich war mit Legolas zusammengestoßen?

°Hilfe, peinlich!

Ich hatte schon viel von dem jungen Greenleaf gehört, wusste aber nicht wie er aussah. Verlegen sah ich auf meinen Teller und fing an zu essen - Thranduil hatte die Tafel soeben eröffnet – und versuchte angestrengt Legolas nicht anzusehen. Während des ganzen Mahls sprach ich kein Wort - ich hatte überhaupt in Düsterwald bisher sehr wenig gesprochen – und hörte nur zu, wie man freudig von dem bevorstehenden Fest sprach. Ich war nun wirklich nicht sehr wortkarg oder schüchtern, dass war ich noch nie, aber irgendwie schnürte es mir bei Legolas' Anblick den Hals zu. Immer wieder linste ich zu ihm hinüber in der Hoffnung, dass er es nicht bemerkte.

Plötzlich riss mich Thranduil aus meinen Gedanken in dem er laut zu Legolas sagte:

„Ach Legolas, du kennst Tarî ja noch gar nicht. Sie ist Elronds Nichte. Tarî, das ist mein Sohn Legolas."

Langsam hob ich den Kopf und lächelte Legolas an, welcher mein Lächeln sofort mit seinem gletscherschmelzendem Lächeln erwiderte.

Nach dem Essen bat uns Thranduil in einen der zahlreichen Besprechungsräumen. Doch nach Elladans Einwand, dass es für mich uninteressant wäre bat Thranduil Legolas, mir den Palast zu zeigen, damit ich mich nicht wieder verirrte. Zweifellos musste ihm jemand erzählt haben, dass ich den Speisesaal nicht gefunden hatte.

Schweigend gingen wir nebeneinander her und Legolas zeigte mir die wichtigsten Räumlichkeiten.

Plötzlich fragte er mich:

„Ist dir langweilig?"

Verwirrt antwortete ich:

„Nein, wie kommst du darauf? Ich glaube nur, dass ich mir das alles nicht merken kann."

„Ok, ich zeige dir jetzt etwas viel besseres. Komm!"

Und schon hatte er mich wieder an die Hand genommen und rannte mit mir zum Schlosstor. Er zog mich weiter bis wir zu den Ställen kamen.

„Und was ist daran so interessant?", fragte ich mit einem leichten Spott.

Langsam bekam ich wohl mein Selbstbewusstsein wieder.

„Das doch nicht," antwortete Legolas lachend. „ich meine etwas anderes. Schnapp dir dein Pferd und folge mir!"

Schnell holte er sein Pferd aus dem Stall, schwang sich hinauf und preschte los. Ich tat es ihm gleich und jagte ihm hinterher. Ich holte ihn erst ein, als er langsamer wurde weil die Bäume dichter wurden. Als ich ihn fragte , wo wir hin ritten, sagte er nur, ich solle abwarten. Langsam ritten wir nebeneinander her. Der Ritt schien endlos und es wurde auch schon dunkel. Gerade als ich ihn fragen wollte, wie lang wir noch reiten würden, erreichten wir eine Lichtung. Mitten in der Lichtung ragte ein Fels empor, durch den unterirdisch ein kleiner Fluss plätscherte. Legolas stieg ab und ließ sein Pferd laufen. Auch ich stieg ab und ließ mein Pferd grasen. Ich wusste, es würde nicht wegrennen. Auf meinen Pfiff würde es sofort wiederkommen.

„Von dort oben kann man wunderbar die Sterne sehen.", sagte Legolas und stieg schnell auf den Fels, der oben eine große, moosbewachsene Plattform hatte, die groß genug war, dass zwei Personen bequem darauf liegen konnten.

Langsam folgte ich ihm, was sich als enorme Schwierigkeit herausstellte, weil ich ja keine Hosen anhatte. Etwas unbeholfen kletterte ich auf den Felsen wobei ich mich immer wieder in meinem Kleid verhedderte. Das letzte Stück zog mich Legolas dann empor und setzte mich neben sich. Legolas deutete wortlos nach oben. Da es nun schon stockdunkel war und der Himmel wolkenlos, konnte man sehr gut die Sterne sehen. Es war wirklich wunderschön. Legolas hatte nicht übertrieben. Da ich langsam ein steifes Genick bekam, legte ich mich auf das Moos und schaute in die Sterne.

Legolas jedoch schien es jedoch interessanter, mich zu beobachten, als Sterngucker zu spielen.

Schließlich fragte ich:

„Ich dachte, wir sind hier, um die Sterne anzuschauen."

Legolas antwortete etwas, das ich nicht erwartet hätte:

„Ich schaue aber lieber deine Augen an, sie sind viel schöner, als alle Sterne zusammen."

Mein erster Gedanke daraufhin war

°Schleimer!

aber ich beschloss dies lieber nicht laut auszusprechen – er war ja immerhin Thranduils Sohn – und lächelte ihn stattdessen einfach nur an. Ich wusste ja, dass meine Augen schön sind – meine grünen Augen sind für Elben sowieso sehr ungewöhnlich – aber man kann es auch übertreiben.

Nach einer Zeit legte sich Legolas neben mich und blickte ebenfalls gen Himmel, er hatte sich wohl doch dafür entschieden, dass es schöner ist, Sterne anstatt mich anzuschauen.

Endlich ergriff er das Wort und sagte:

„Ich wusste gar nicht, dass Elrond eine Nichte hat, geschweige denn Geschwister."

„Das wissen die wenigsten. Meine Mutter war seine Schwester. Sie ist schon lange mit meinem Vater aus Mittelerde fortgegangen. Sie ist nur Elronds Halbschwester, aber es war ja sowieso Galadriel die mich aufgezogen hat, beziehungsweise in Lothlorien eingesperrt hat. Meine Mutter erwartet wohl, dass ich ihr eines Tages folgen werde, aber ich werde mir da ganz viel Zeit lassen. So, jetzt wo ich dir meine verqueren Familien-Verhältnisse erklärt habe, ist deine Neugier hoffentlich gestillt."

„Woher wusstest du, dass ich neugierig bin?"

„Das riecht man meilenweit gegen den Wind."

Wir schwiegen wieder, aber nach einer Weile fragte mich Legolas:

„Warum hat Galadriel dich eingesperrt?"

„Sie wollte nie, dass ich auf Reisen gehe, Verwandte besuchen oder so. Bei Empfängen wollte sie nie das ich dabei bin und irgendjemanden kennen lerne. Ich glaube sie hatte Angst, ich würde etwas falsch machen oder sie würde sich aus unerfindlichen Gründen für mich schämen. Vor zwei Monat verkündete sie mir dann, ich würde ab sofort bei Elrond wohnen, ohne einen Grund zu nennen." erklärte ich Legolas.

„Das ist komisch. Mir kam Galadriel immer sehr nett vor.", sagte Legolas.

Ich zog es vor nicht zu antworten, da ich es sowieso besser wusste.

Nach einer Weile meinte Legolas, es wäre Zeit zurückzureiten und kletterte vom Felsen. Dann hob er mich hinunter und wir ritten langsam zum Palast zurück. Legolas brachte mich noch zurück zu meinem Zimmer, wünschte mir eine gute Nacht und ging. Gerade als ich die Tür öffnete, hörte ich wie meine Name gerufen wurde. Erschrocken drehte ich mich um und sah Elrohir eilig auf mich zugehen.

Just in dem Moment, in dem er vor mir stand donnerte er los:

„Wo warst du? Wir haben dich im ganzen Palast gesucht! Wir haben uns sorgen gemacht! Wenn du das nächste Mal einfach verschwindest, sag gefälligst vorher Bescheid!"

Um mich zu verteidigen, erzählte ich ihm, dass Legolas mir ein wenig die Umgebung gezeigt hat, wie Thranduil ihn gebeten hatte. An Elrohirs Gesichtsausdruck konnte ich erkennen, dass er mit der Erklärung nur halb zufrieden war, aber er sagte nichts. Nachdem er eine Weile forschend in meine Unschuldsmiene – ich hab ja wirklich nichts gemacht - geschaut hatte, wünschte er mir ebenfalls eine gute Nacht und verschwand.