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Am nächsten Morgen wurde ich von Vogelgezwitscher geweckt.
Ich drehte mich auf den Rücken und machte die Augen auf. Nachdem ich eine Weile an die Decke gestarrt hatte entschloss ich mich dazu aufzustehen.
Gähnend schleppte ich mich zur Balkontür und öffnete diese. Sofort strahlte mir die Sonne entgegen und ich trat auf den Balkon hinaus. Ich lehnte mich auf die Brüstung und schaute über die Baumgipfel Düsterwalds.
Plötzlich hörte ich eine Stimme:
„Schöne Aussicht heute Morgen!"
Verwirrt blickte ich umher. Da entdeckte ich zwei Balkone weiter Legolas, der wohl ebenfalls gerade aufgestanden war. Er grinste mich schelmisch an und gerade als ich ihn fragen wollte, was so lustig war, fiel mir ein was ich anhatte. Wenn man überhaupt sagen konnte, dass ich etwas anhatte. Mein Mini-Trägernachthemd war immerhin fast durchsichtig und verhüllte nur das Nötigste. Mit hochrotem Kopf machte ich sofort auf dem Absatz kehrt, machte einen großen Schritt in mein Zimmer zurück und schloss eiligst die Tür.
°So etwas peinliches ist mir ja noch nie passiert!
Um das ganze schnell wieder zu vergessen beschloss, ich ein Bad zu nehmen, in der leisen Hoffnung, dass Legolas, bis ich zum Frühstücken ging, mit dem Frühstück fertig ist.
Nach meinem ausgiebigem und äußerst entspannendem Bad ging ich zum Schrank und suchte mir ein Kleid aus. Gerade als ich dieses übergestreift hatte, klopfte es an der Tür. Da ich erstaunt war, dass jemand um diese Zeit schon etwas von mir wollte, rief ich unbedacht sofort herein. Unbedacht deswegen, weil meine bis zum Po reichenden, dunklen Haare noch sehr zerzaust und unfrisiert waren.
Doch es war ja sowieso zu spät und als Tür aufsprang, kam...
°Hä, was will der denn?
...Legolas herein. Als er mich sah, grinste er wieder.
°Ich hasse dieses Grinsen!
Er fragte mich, ob er störte.
°Blöde Frage! Natürlich störst du!
Aber besonnen und gut erzogen wie ich war (jaja!) sprach ich natürlich nicht aus, was ich dachte!
„Ich – äh – nein, du störst natürlich nicht! Ich hätte dich nur nicht erwartet!" antwortete ich nervös, wobei ich verzweifelt versuchte meine Haare zu glätten.
„Wenn hast du denn sonst erwartet?", fragte Legolas.
„Äh. Weiß ich nicht!"
°Verdammt, blöde Antwort!
Aber mir war gerade nichts besseres eingefallen und bevor Legolas mir noch eine blöde Frage stellen konnte ,fragte ich ihn:
„Und was willst du?"
„Na ja, ich wollte dich fragen, ob du mit mir frühstücken willst und mich dann auf einen kleinen Ausritt begleiten würdest!"
°So'n mist! Dann hat er noch nichts gegessen!
Um nicht unhöflich zu erscheinen sagte ich zu und bat ihn, die Tür zu schließen, sich zu setzen und noch einen Augenblick zu warten, bis ich mich fertig gemacht hatte. Gerade in dem Moment, in dem Legolas die Tür schließen wollte, kamen Elladan und Elrohir herein und begrüßten mich ausgelassen. Doch als die Zwillinge merkten, dass ich nicht allein war und meine zerzauste Frisur sahen, vermuteten sie gleich das Schlimmste.
Wie die Furien stürzten sie auf Legolas zu:
„Was hast du ihr angetan?"
„Hast du sie etwa angefasst?"
„Wenn du ihr etwas getan hast, wirst du den Tag bereuen, an dem du uns kennen gelernt hast!"
So und so ähnlich brüllten sie ihn abwechselnd an, aber irgendwann wurde mir des Rumgeschreie dann doch zu blöd und ich klärte die Situation auf. Von der Nachthemd-Begegnung erzählte ich natürlich nichts!
Zum Glück glaubten mir Elladan und Elrohir und ließen Legolas in Ruhe, obwohl Elrohir Legolas mit diesem Ich-glaub-dir-kein-Wort-Blick ansah sagte er nichts, wie schon am Abend zuvor.
Zum Glück war Elladan nicht so misstrauisch und erklärte mir sogleich, warum sie überhaupt gekommen waren:
„Wir wollten dir nur Bescheid sagen, dass du es dir hier nicht so gemütlich machen darfst, wir reisen Ende dieser Woche schon wieder ab. Vater hat uns eine Nachricht geschickt, dass wir schleunigst wiederkommen sollen. Er hat so etwas angedeutet, von wegen und bei den Festvorbereitungen helfen. Keine Ahnung, was er meint."
Ich war etwas überrascht und antwortete deswegen nur mit einem traurigem:
„Schade!"
Nachdem die beiden gegangen waren, ich endlich meine Frisur richten konnte und ich mit Legolas gefrühstückt hatte, gingen wir zu den Ställen.
„Wir nehmen heute nur mein Pferd. Dann sind wir schneller, denn dein Pferd kennt den Wald und dessen Tücken nicht so gut."
Mit diesen Worten hob mich Legolas auf sein Pferd und saß wenige Sekunden danach schon hinter mir.
Schnell jagten wir auf seinem Pferd durch den Wald und der Wind kühlte mir angenehm das Gesicht – mein Gesicht war rot angelaufen. Nach einer Weile fragte ich Legolas, wo es überhaupt hingehen sollte, doch der lächelte mich nur geheimnisvoll an.
Nach einer Ewigkeit – wie es mir vorkam – kamen wir endlich an. Es war wieder eine Lichtung, aber nicht die des letzten Abends. Diese hier war größer, in der Mitte stand eine große alte Trauerweide (mitten im Wald? Komischer Wald!), deren lange Äste bis zum Boden reichten und ihren Stamm verhüllten. Die Weide war von einem riesigem Blumenmeer umringt.
Legolas stieg ab und hob mich ebenfalls vom Pferd runter.
°Als ob ich nicht allein runtersteigen könnte! Egal, er ist süß!
Dann nahm er mich an die Hand und führte mich zu der Weide. Er ging um sie herum und an der Rückseite war ein kleiner Spalt zwischen den Ästen. Legolas schob die Äste wie einen Vorhang beiseite und offenbarte eine Höhle, deren Wände aus den Ästen der Weide bestanden. Die Äste ließen kleine Löcher, durch die immer wieder die Sonne blitzte, welche die Höhle nur schwach beleuchteten und der Boden war mit Moos überzogen. Legolas ging hinein und zog mich hinterher. In der Höhle war es angenehm kühl. Legolas hatte sich gesetzt und ich ließ mich langsam neben ihn sinken.
Legolas sah mich von der Seite an und sagte schließlich:
„Ich will nicht, dass du schon gehst!"
Erstaunt sah ich ihn an und er sah mir fest in die Augen. Schnell wandte ich mein Gesicht wieder ab.
°Man, der hat den Dackelblick aber drauf!
Wir schwiegen eine Weile, wir wussten wohl beide nicht, was wir sagen sollten.
Aber dann ergriff Legolas wieder das Wort:
„Du verwirrst mich! Erst schaust du mich an, aber sobald ich deinen Blick erwidere, schaust du weg. Mal bist du die starke Frau, scheinbar sorglos und du nimmst kein Blatt vor den Mund und dann bist du mal wieder still, mit diesem nachdenklichem Blick. Ich weiß gar nicht, wie du wirklich bist! Warum bist du so?"
Das hätte ich nun wirklich nicht erwartet. Etwas unsicher antwortete ich:
„Ich weiß nicht. Ich war schon immer so."
Nach einer Pause sagte ich dann noch, um mich zu verteidigen:
„Aber du bist auch nicht viel besser. Manchmal bist du rotzfrech und dann wieder hoffnungslos romantisch und nachdenklich, wie dein Vater so schön sagt, ein Träumer!"
Legolas wollte gerade zum Gegenschlag ansetzten als, wir Hufgetrampel und jemanden nach uns rufen hörten. Ich öffnete den Mund, um zu antworten, doch Legolas hielt mir blitzschnell den Mund zu, aber er hatte zuviel Schwung und so viel er direkt auf mich. Er machte keinerlei Anstalten, wieder von mir runter zu gehen. Und so lag ich im Moos und Legolas auf mir, mit seiner Hand auf meinem Mund.
Als das Hufgetrampel leiser wurde und schließlich ganz verstummte, nahm Legolas endlich die Hand von meinem Mund und ich konnte ihn fragen:
„Was sollte das denn? Warum durfte ich nichts sagen? Vielleicht war es wichtig!"
Ohne von mir runterzugehen lächelte mich Legolas mit diesem Gletscher-Schmelz-Lächeln an und sagte:
„Na weil ich noch ein bisschen mit dir allein sein möchte. Wie gesagt, ich weiß gar nicht wie du wirklich bist und irgendwie muss ich doch herausfinden, wie du bist."
Das war mir dann doch zu viel und ich fauchte:
„Wenn du nicht meine unangenehme Seite kennen lernen willst, solltest du schleunigst von mir runtergehen!"
Doch Legolas schien das wenig zu beeindrucken. Nach dem Motto jetzt erst recht, schwang er sein Bein über mich und machte es sich auf meinem Bauch bequem. Damit ich mich nicht wehren konnte, drückte er schnell meine Handgelenke zu Boden.
°Jetzt weiß ich wenigstens warum man sagt, dass er ein guter Kämpfer ist. Er ist wirklich schnell.
In meiner letzten Verzweiflung versuchte ich ihm verständlich zu machen, dass ich es ernst meinte, aber er schaute mich nur mit seinen Ozean-tief blauen Augen an und lächelte.
Als mir klar wurde, dass Worte hier nichts nützen versuchte ich mich zu befreien. Hoffnungslos. Erschöpft von meinen zahlreichen, missglückten Befreiungsversuchen schloss ich die Augen und nahm jegliche Spannung aus meinem Körper.
Plötzlich bemerkte ich Legolas' Atem an meinem Hals, dennoch öffnete ich meine Augen nicht. Legolas ließ eines meine Handgelenke los und strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht, dann hielt er wieder mein Handgelenk fest.
°Verdammt, jetzt hätte ich mich wehren können!
Wieder spürte ich Legolas' Atem. Langsam strich der Windhauch seines Atems über mein Gesicht.
Plötzlich spürte ich Erschütterungen am Boden, hörte wieder Hufgetrampel. Schnell drehte ich meinen Kopf zur Seite und sah den Umriss eines Reiters durch die Blätterwand.
Dann hörte ich Elrohirs Stimme:
„Legolas, wir wissen, dass du da drin bist. Wir haben Sùrion (Legolas' Pferd) gesehen. Komm raus, oder wir kommen rein!"
„Was will der denn hier?", flüsterte ich Legolas zu.
Doch der zuckte nur mit den Schultern.
Offensichtlich ging es Elladan zu langsam und so kam er durch die Blätterwand hinein. Als er Legolas auf mir drauf sitzend sah, stürmte er sofort auf ihn zu und riss ihn von mir runter. Dann packte Elladan mich am Arm und zog mich hinaus. Kurzerhand klemmte er mich unter den Arm und trug mich zu Elrohir und setzte mich hinter ihn aufs Pferd. Dann schwang er sich auf sein eigenes Pferd und wir ritten davon. Alles ging so schnell, dass ich nicht ein Wort des Widerspruchs äußern konnte. Vor dem Palast sprang ich dann endlich von Pferd und sah die Zwillinge sauer an.
Doch noch bevor ich etwas sagen konnte herrschten mich die Beiden an:
„Was hast du dir gedacht? Du kennst Legolas kaum.", brüllte Elrohir als erster.
Und Elladan stimmte ihm gleich zu:
„Er macht sich an jede schöne Elbin ran! Er ist ein Frauenheld, er wird dich nicht
glücklich machen!"
„Das musst du uns glauben, wir kennen ihn, immerhin ist er unser bester Freund!", fügte Elrohir hinzu.
In diesem Augenblick kam auch Legolas angeritten. Er sah erst auf die Zwillinge und dann auf mich. Mein Gesicht war mittlerweile tränenüberströmt und ich blickte alle drei wütend an. Dann drehte ich mich um und rannte in den Palast.
