Hoheitsvoll streifte Jack seine Jacke glatt und blickte prüfend in die Runde. Wer von diesen hirnlosen Muskelprotzen war jetzt auf seiner Seite und wer auf der dieses Pseudo-Coolen? Doch bevor er sich darüber im Klaren war, hörte er schon die schnarrende, verächtliche und durchaus triumphierende Stimme seines Nebenbuhlers: "Nun Captain Jack Sparrow, wie gefällt es Ihnen an Bord meines Schiffes?" Unerklärlicherweise spuckte er die Worte "Captain Jack Sparrow" so aus, also ob er Haare in seiner Suppe gefunden hätte und machte auch ein entsprechend säuerliches Gesicht. Arme, bemitleidenswerte Kreatur!
"Nun ja, ich würde sagen, wenn es hier ein wenig gepflegter und sauberer wäre, könnte man sich hier schon einigermaßen wohl fühlen, vorausgesetzt man segelt unter der Leitung einer richtigen Führungspersönlichkeit!" Bei diesen Worten war der Perlen-im-Haar-Fetischist übers ganze Deck spaziert und hatte hier an einem alten Seil gezupft und dort einen halbvergammelten Putzeimer zur Seite geschoben und war zum Schluss direkt vor dem Schmugglerboss stehen geblieben. Diesem war wieder einmal vor lauter Wut über die Unverschämtheiten dieses Kerls der Mund offen geblieben. Schnell hatte er sich aber wieder gefasst und so starrten sich die beiden Captains wütend (der "alte") und auf der anderen Seite spöttisch und gelassen (Jack) in die Augen.
"Das war eine Provokation! Der hat schon wieder gegen den Boss geredet! Das darf er doch gar nicht!"
"Rush, ich glaube, es ist diesem Jack Sparrow ziemlich egal, ob er das darf oder nicht!"
"Aber, aber - "
"Kein aber, das ist ein richtiger Mann! Der ist nicht so schlaff, wie unser Boss!"
"WAS? Du findest den auch noch cool? Das gibt's doch nicht! Und du wagst es, unseren Boss schlaff zu nennen? Das sag ich ihm! Hey, Boss -"
"Halt die Klappe Rush! Unser Boss ist ein Schlaffi! Und ich werde dafür sorgen, dass Jack hier das Ruder übernimmt! Und übrigens: Jack ist extrem sexy!"
"Mmh! Mmmmmmmmmhhhhmmmmmhhhh!"
"Rush, vergiss es! Ich lass dich heute garantiert nicht mehr los! Weißt du, solange Jack noch nicht unser Boss ist, kann ich ihm nicht meine nächtlichen Dienste anbieten, aber in der Zwischenzeit könnte ich mich ja mit dir vergnügen! Na, was sagst du?"
"Mmmmhh! Mmmmmmmmmmhhhhhhhh!"
"Ganz meine Meinung Rush, ich freue mich auch schon unheimlich! Wie du weißt, ist meine Koje sehr angenehm und kuschlig! Wir könnten es uns doch jetzt schon gemütlich machen, nicht? Also komm!"
"Packt ihn und werft ihn in die Zelle, aber zackig!", zischte der Obermacker mit zusammengepressten Lippen. Sofort traten ein paar der muskelbepackten Berufspiraten vor und umklammerten Jacks Oberarme mit ihren Riesenhänden. "Das ist also die einzige Waffe, die Ihr zu Eurer Verteidigung einsetzen könnt? Wie erbärmlich!", höhnte Jack und blickte gelassen in die böse funkelnden Augen sowohl des Captains, als auch seiner Geiselnehmer. "Weg mit ihm!", knirschte der Captain, dessen Gesicht vor lauter Anstrengung und Wut schon knallrot angelaufen war. "Macht euch nur keine Mühe! Ich finde den Weg schon selber! Danke!", sprach Jack ganz gelassen mit seinen Beaufsichtigern und schüttelte deren Klammergriffe ab. Dann stolzierte er mit einem ein wenig beleidigten Gesichtsausdruck in Richtung Treppe zum Unterdeck und somit zu seinem neuen Zuhause. Die zwei Piraten, die ihn eigentlich abführen hätten sollen, blicktem ihm nur verblüfft hinterher.
Plötzlich hörten sie einen lauten Schrei und ein Scheppern. Ihr Boss hatte vor lauter Wut darüber, dass sich dieser Jack Sparrowschon wieder nicht wie ein richtiger Gefangener benahm, lautstark zu fluchen begonnen und war dabei über den Putzeimer gestolpert, den Jack kurz davor dort hin verschoben hatte. Jetzt landete dieser mit lautem Getöse am anderen Ende des Decks, wohin er vom Schmugglercaptain verfolgt wurde, um schlussendlich über Bord gekickt zu werden. Immer noch sprachlos wandten sich die beiden Riesen wieder ihrem "Gefangenen" zu, der leise vor sich hin kichernd mit dem Abstieg in die unheimlichen Tiefen des Schiffsrumpfes begonnen hatte. Total verwirrt blickten sie sich an, zuckten mit den Schultern und schlurften zurück zu ihrem Lieblingsplätzchen, dem Bug, den sie mit Decken weich ausgepolstert hatten.
Jack arbeitete sich in der Zwischenzeit weiter ins Innere des Schiffes vor, immer auf der Suche nach einer Gefängniszelle, wo er sich häuslich einrichten konnte. Plötzlich hörte er seltsame Geräusche. Sofort blieb er mit gerunzelter Stirn und geschürzten Lippen stehen und versuchte zu erkennen, woher die Störung der Stille kam. Dann machte er eine elegante Drehung nach rechts und begann sich zur Geräuschquelle vor zu pirschen. Einige Meter vor ihm konnte er nach kurzer Zeit einen Lichtschimmer erkennen. Schnell hatte er die Strecke bis zu einer Türöffnung hinter sich gebracht und spähte vorsichtig in den Raum, der dahinter lag. Da! Da war die Gefängniszelle! Doch sie war leer! Woher kam dann dieses komische Gemurmel? Leise und behutsam begann Jack einen Schritt nach dem anderen in den Raum hinein zu machen und versuchte unbemerkt zur Zelle zu kommen, von der aus er einen guten Überblick über den Raum haben würde.
Plötzlich verstummte das Gemurmel. Wie versteinert blieb Jack stehen und musste sich dabei sehr anstrengen, um nicht einfach umzukippen, da er sich gerade in einer ziemlich unbequemen und kritischen Position befand (aufZehenspitzen zu stehen ist nicht wirklich einfach). Doch nichts geschah. Es blieb einfach still. Erleichtert seufzte Jack auf und stellte sich wieder in der für ihn typisch coolen Pose hin. "Das wäre doch gelacht, wenn jemand mich, Captain Jack Sparrow, schleichen hören würde!", flüsterte er stolz vor sich hin.
"Kann ich Ihnen irgendwie helfen, Captian?" Erschrocken erstarrte Jack wieder. Mist! Es war doch noch jemand in diesem Raum! Kurz entschlossen entschied er sich dafür, so zu tun, als ob er ganz genau wüsste, was er da tat und legte wieder eine elegante Drehung hin, die seinen geliebten Piratenmantel nur so herumwirbeln ließ. "In der Tat, Sie können mir helfen! Ich hätte gerne noch ein Bad genommen, bevor ich mich in mein neues Zuhause begebe und hätte gerne den Namen meines Dieners für die nächsten Tage gewusst!"
Dann hielt er inne. Diesen Piraten da, der vor ihm stand, kannte er doch! Er wusste es ganz genau! Er konnte sich nur beim besten Willen nicht mehr an dessen Namen erinnern! Scheiß Alkohol! Plötzlich dämmerte es ihm! Das war doch - ! Ein Grinsen breitete sich in seinem Gesicht aus und auch sein Gegenüber schien erfreut zu sein, ihn wieder zu sehen. Diese Reise würde doch noch ganz angenehm werden, davon war Jack überzeugt.
