Am nächsten Morgen wachte Jack gähnend auf. Müde blinzelte er in den düsteren Raum und wollte sich gerade genüsslich strecken, als er bemerkte, dass er an den Eisenstäben seines Gefängnisses angekettet war. "Oh Will mein Junge, da hast du ganze Arbeit geleistet! Das wird schreckliche Verspannungen geben!", murmelte er vor sich hin. "Ich weiß, dass ich ganze Arbeit geleistet habe Captain Jack Sparrow! Schließlich hatte ich schon einige Gäste hier unten an denen ich das Eine oder Andere ausprobieren konnte!", war die ruhige Antwort von Will, der am anderen Ende des Raumes auf einer Bank saß und mit Perlenschnitzen beschäftigt war.
Sein Captain hatte ihn noch immer nicht von seiner Strafe erlöst, was ihm nun schon ein bisschen übertrieben vorkam. Er hatte seinem Boss nur erklärt, dass er seinen Säbel nicht so locker zwischen den Fingern halten dürfe, da es so nur ganz natürlich wäre wenn er jeden zweiten Feind nur ein bisschen kitzeln aber keinesfalls töten würde, was ehrlich gesagt ein wenig lächerlich aussah (mit diesem Satz war sein Schicksal schon besiegelt gewesen!). Wenn er den Griff einmal fest anpacken und seine Streiche halbwegs gezielt ausführen würde, hätte das eine unglaubliche Wirkung auf die Effizienz der Waffe und den Ruf des Captains. Dann müssten nämlich nicht immer mindestens zwei seiner Leute in seiner Nähe bleiben um ihm die ganzen Angekratzten vom Leibe zu halten. Er hatte dem Chef nur seine persönlichen Erfahrungen im Fechten und Schwertkampf zur Verfügung stellen wollen und dann? Das war also der Dank dafür! Jetzt hatte er Putzdienst und musste zu allem Übel auch noch einen Jack Sparrow beaufsichtigen, der sich wie immer unmöglich aufführte. Im Moment sogar noch unmöglicher als sonst. Dabei war er hier aufs Schiff gekommen, um etwas über die Piraterie zu lernen und nicht wie viele Scheuergänge der Schiffsboden brauchte um halbwegs ansehnlich auszusehen! So ein Mist! Wütend spuckte Will auf den Boden.
"Na, schlechte Laune mein Lieber? Das ist aber gar nicht gut für deinen Blutdruck! Aber ich muss sagen, dein neuer Kleidungsstil gefällt mir! Nicht mehr diese ach-so-feinen Stöffchen und Knöpfchen und diese unglaublich bescheuerten, riiiiiiiiiiesigen Federn die du immer an deinem Hut hattest. Der Hut selber war ja gar nicht so übel, aber dieses Zeugs da oben drauf! Widerlich! Aber weißt du was? Mir ist langweilig! Magst du mich nicht ein bisschen unterhalten? Na, was ist, gib deinem kleinen Herzen einen Ruck!", quatschte Jack nach der ersten Verwirrung über seine Fesselung munter drauflos. "Nein, ich habe absolut überhaupt keine Lust dazu dich zu unterhalten, Jack! Obwohl - warte! Da fällt mir ein ausgezeichnetes Gesprächsthema ein! Ich könnte mir ja schon mal ein paar Foltermethoden für dich ausdenken! Das wär doch was, nicht?", antwortete Will mit einem gemeinen Funkeln in den Augen. "Mmh ja, das hört sich schon mal nicht schlecht an. Aber ich hätte dir nie zugetraut, dass du mal so hart werden könntest und einfach so, ohne mit der Wimper zu zucken über Folter reden kannst! OK, du warst immer schon ein bisschen hirnlos, bist immer und überall hineingerannt und ich musste dich dann wieder raushauen, aber soviel Folter hast du da doch gar nicht gesehen? Also, lass mal hören was dir einfällt!", freute sich Jack.
Will köchelte in der Zwischenzeit schon wieder vor sich hin. Er war nie zusammengezuckt, wenn jemand das Wort Folter erwähnt hatte und er war auf gar keinen Fall hirnlos! Er war kein verwöhntes Muttersöhnchen für das Jack ihn offenbar hielt. Was bildete der sich eigentlich ein? War der wirklich nur so ein aufgeblasener Möchtegern-Captain wie sein Captain gesagt hatte? Irgendwie hatte er Jack anders in Erinnerung, aber wenn er Folter haben wollte, sollte er auch welche bekommen. Er wollte ihm dieses letzte Vergnügen ja nicht nehmen! "Also, mal sehen", begann er wieder ziemlich ruhig, "da hätten wir natürlich zuerst die klassischen Sachen wie Daumenschrauben, Streckbank, glühende Eisen und so weiter und so fort, aber das kennst du ja schon alles nehme ich an?" "Jep, ist mir bekannt. Die sind aber nicht sehr einschüchternd deine Foltermethoden! Man merkt eben doch noch, dass du ein ganz junges Bürschchen bist, das noch nicht so viel Ahnung von seiner Arbeit hat!", stichelte Jack weiter. "Warts nur ab, ich bin noch nicht fertig! Schließlich haben wir ja noch unserer Spezialmethoden für spezielle Gäste! Wir könnten dich zum Beispiel nackt an den Bug des Schiffes binden. Dabei wird dein bestes Stück von einem großen Fisch verdeckt, der aber nicht mehr lange da sein wird, da es auf dem Meer viele hungrige Vögel gibt. Die sind wirklich seeeeehr hungrig und denen ist es auch egal, ob das was sie da kriegen wirklich Fisch ist oder aber zartes Menschenfleisch! Die fressen alles, glaub mir! Und ihre scharfen Schnäbel darf man auch nicht vergessen! Oh ja, dass wäre lustig! Ein Schauspiel sondergleichen! Dafür würden alle frei bekommen. Oder wir könnten dich der Mannschaft überlassen, ebenfalls nackt, wenn du verstehst was ich meine?", begann Will seine Aufzählung. "Jep, klar soweit!", war Jacks einziger Kommentar. An seinem unruhigen Herumrutschen konnte man aber deutlich erkennen, dass er sich die Foltermethoden teilweise sehr bildlich vorgestellt hatte. "Und dann gäbe es da auch noch meine Lieblingsfoltermethode -", wollte Will weitermachen, doch genau in diesem Augenblick hörten sie Gepolter von der Treppe und wütende Beschimpfungen. Diese Stimme konnte nur seinem Captain gehören. Na schön. Sollte der sich mit dieser Ratte herumärgern. Er würde seinen Spaß schon noch bekommen.
Seltsam. Früher hatte er nie so gedacht. Er hätte niemandem absichtlich wehgetan, aber jetzt? Seit er auf diesem Schiff war, wurde er diesen rauen Gesellen hier immer ähnlicher. Was Elizabeth wohl dazu sagen würde? Aber egal, das konnte er sich später auch noch überlegen. Jetzt wollte er zuerst einmal genießen, wie Captain Jack Sparrow fertig gemacht wurde! Das würde ein Spaß werden. Der Boss schien wütend genug dafür zu sein nicht allzu lächerlich dabei zu wirken (meistens sah er nämlich aus, wie ein vor Wut beinahe explodierender Spargel mit Armen und Beinen. Doch die Männer hatten gelernt, nicht laut zu Kichern, jedenfalls nicht während der Anwesenheit ihres Befehlshabers. Er hatte bestimmte Methoden um einen das Lachen im Hals stecken bleiben zu lassen).
Will wusste, dass sein Chef in Wirklichkeit nicht den Hauch einer Chance gegen Jack gehabt hätte, deshalb hatte er diesem auch vorsorglich ein kleines Hindernis in den Weg gelegt. Aber der Hippie-Pirat war schwerer gewesen als er aussah. Es hatte einige Zeit gedauert, bis er beide Arme sorgfältig angemacht gehabt hatte. Aber Hauptsache, er konnte sich jetzt nicht mehr wehren. Wenigstens nicht mit den Armen. Und wenn sein Captain nicht zu blöd war und auf die Füße seines Feindes achtete, konnte nichts mehr schief gehen. Eine kleine Abreibung würde Jack nur gut tun...
