„So, wie geht's uns denn heute Morgen Captain Jack Sparrow?", begann der Boss und sprach das Wort Captain im Zusammenhang mit Jack wie immer sehr abfällig aus. „Tja, ich weiß ja nicht wie's Ihnen geht, nicht gut würde ich mal sagen, Ihre Visage sieht ja noch zerknautschter aus als gestern, aber mir geht's nicht schlecht. Abgesehen von meinem Hunger vielleicht. Aber vielleicht könnten Sie mir da helfen?", gab Jack schon wieder gut gelaunt zurück. Mit ungläubig aufgerissenem Mund stand der Chef des Schiffes vor seinem Gefangenen. Er lag in Ketten und wagte es immer noch ihn zu beleidigen! Das würde ihn teuer zu stehen bekommen. „Oh ja, selbstverständlich kann ich Ihnen bei ihrem Hungerproblem Abhilfe verschaffen. Was bevorzugt der Captain denn heute? Vergammelter Schiffszwieback mit Ohrenschmalz, vorgekauter Fisch mit Kautabak oder doch lieber Erbrochenes von unserem lieben Will hier mit einem Becher Apfelsaft zum runterspülen?", zählte der Schmugglerkapitän die Menüvorschläge auf. „Mmh, lassen sie mich kurz überlegen! Das ganz zum Schluss mit dem Apfelsaft hat doch gar nicht so schlecht geklungen! Das nehm ich! Will mein Freund, was hast du denn heute schon gegessen? Ich hoffe was Gutes, wenn ich schon deine Rest verputzen soll!", entschied er sich für das Spezialgericht. „Gut, gut! Wie der Captain wünscht!", tat Jacks Nebenbuhler ganz liebenswürdig, obwohl er „Captain" immer noch ausspuckte wie ein Stück Schokolade. Ein Wurm im Apfel, das war kein Problem, den aß man mit und genoss ihn, aber der Oberbefehlshaber des Schiffes hasste Schokolade! Die Tatsache, dass die Essgewohnheiten seiner gesamten Mannschaft genau umgekehrt waren, entsetzte ihn immer wieder aufs Neue. „Bloom! Zeig Will doch mal wie er unserem Gast zu Diensten sein kann", wandte er sich dann an seinen Untergebenen, der ihn auch ganz unterwürfig ansah und sich sofort auf den Weg zum Piratenneuling aufmachte und ihn hinter eine Holzwand zerrte.
Kurz darauf hörte Jack einige dumpfe Schläge und Gekeuche und Gewürge, das unüberhörbar zu Will gehörten. Kaum waren die Würgegeräusche von Gestöhne abgelöst worden, trat Bloom hinter der Wand hervor und überbrachte seinem Boss einen Holzeimer, während Depp ihm einen Becher reichte, der, wie Jack annahm, mit Apfelsaft gefüllt war. „Hier, bitte schön! Lassen Sie es sich schmecken, Captain!", sagte der Gastgeber zuckersüß und reichte Jack den Eimer und den Becher. „Vielen Dank! Der Service auf dem Schiff ist ja ausgezeichnet! Ich werde Sie weiterempfehlen!", plapperte der Vorzeigepirat wieder vergnügt drauflos und begann ohne mit der Wimper zu zucken den Holzeimer auszulöffeln. „Mmh, mmmhhhh, mmmmmmmmmmmhhhh! Köstlich! Will mein Junge, ich werden deinen Boss fragen, ob er dich nicht mir als Privatkoch überlassen will. Was du mit deiner Magensäure alles zu Wege bringst! Erstaunlich, wirklich erstaunlich. Das hätte ich dir gar nicht zugetraut! Dieser leicht säuerliche Beigeschmack gibt einer Mahlzeit erst das spezielle Etwas! Unglaublich! Und dazu ein Schlückchen frisch gepresster Apfelsaft. Die Art von Gefangenschaft lass ich mir gern gefallen!" Mit weit aufgerissenen Augen sahen die im Raum Anwesenden Jack dabei zu wie er sein „Festmahl" verspeiste. Zwischendurch verabschiedete sich Will wieder hinter die Holzwand, um für Nachschub zu sorgen, falls Jack noch eine zweite Portion haben wollte, aber ansonsten ruhten aller Augen auf dem schlürfenden und schmatzenden Piraten in der Zelle. Die Gesichter von Bloom und Depp verzogen sich immer mehr zu angewiderten Grimassen und selbst ihr Boss konnte das eine oder andere Zucken der Mundwinkel nicht verhindern. Schließlich hatte Jack seinen Hunger gestillt und leckte sich genüsslich die Lippen. „Mmmmh! Ich weiß, ich wiederhole mich, aber es war einfach köstlich! Wie lange darf ich denn hier bei euch bleiben? Wie Sie wissen sicher wissen, Chefchen, ist das Leben eines Piraten hart und die Nahrungsaufnahme zu Weilen nicht gerade regelmäßig. Also wenn ihr mich ein bisschen durchfuttern oder besser gesagt, aufpäppeln wollt…da hätte ich nichts dagegen." Zufrieden streckte er sich und ließ sich dann schläfrig zurücksinken um sich von der Anstrengung zu machen.
Chefchen! Er hatte ihn Chefchen genannt! Völlig perplex (dieser Zustand begann sich langsam aber sicher in einen dauerhaften zu verwandeln) und wie in Trance ging der Captain langsam die Stufen zu seiner Kajüte hinauf, schloss die Tür hinter sich und setzte sich vorsichtig auf seinen Stuhl. In seinem Schockzustand hatte er vollkommen vergessen, dass er dem Gefangenen eigentlich die Leviten hatte lesen wollen, doch das immer ungebührlichere Verhalten dieses Hippies brachte ihn ein ums andere Mal aus dem Konzept! Das war richtig unfair! Wie sollte er so sein Gesicht vor der Mannschaft wahren können? Natürlich hatten Bloom und Depp ihren Kollegen sofort vom etwas anderen Frühstück des neuen Captains berichtet und jetzt machten sie Mutproben, indem sie die verschiedensten grauenhaften Dinge aßen oder tranken. Er wollte sich lieber nicht zu genau vorstellen, was sie sich da gegenseitig zusammenmischen. Obwohl – vielleicht entdeckten sie ja etwas giftiges, das er dann seinem Peiniger unterjubeln konnte. Stöhnen schleppte sich der Captain zu seinem Bett (könnte auch als durchgelegene Matratze auf einem alten, wackligen Holztisch bezeichnet werden), zog sich die Decke über den Kopf und versuchte ein bisschen zu schlafen. Schließlich hatte er Kopfschmerzen…
