Kapitel 7

Petunia im Garten

"Was habt ihr vor?" Ron war unbemerkt in den Salon gekommen.

"Wo bist du denn gewesen?", fragte Hermione.

"Hab Dad noch zur U-Bahn begleitet. Er wollte sich mal wieder 'ne Tour mit 'ner Muggelkutsche gönnen, aber er wusste nicht, wo die nächste Haltestelle ist. Na, und wir sind ja letztens noch da angekommen."

Ron kam zum Schreibtisch.

"Ehrlich, ich freue mich auf die Schule. Diese Sommerferien waren nicht der Hit. Erst das Dauertheater mit Phlegm, dann hier mehr oder weniger eingesperrt. Von allem, was sonst noch so war, ganz zu schweigen."

"Ich kann mir Hogwarts ohne Dumbledore gar nicht vorstellen", sagte Hermione traurig. "Alles wird irgendwie anders sein."

"Und es ist unser letztes Jahr", sagte Ron. "Was machst du da, Hermione, schon mal ein paar Hausaufgaben oder was?"

"Ich hab nur was nachgeschlagen. Den Drachen, den die Ohrgehänge von Harrys Mutter bilden."

"Normannischer Seidenflügel, stimmt's?"

"Ron!", rief Hermione erstaunt. "Das haut mich echt um! Woher wusstest du das? Ich hab mindestens 'ne Stunde in diesem Drachenatlas gesucht!"

"Tja, hättest mich direkt fragen sollen. Mein Bruder ist schließlich Experte! Ich hab schon als Dreijähriger die Drachenpuzzles gemacht, die er uns dauernd geschenkt hat. Wir haben bestimmt zwanzig Stück davon zu Hause."

Er setzte sich auf die einzige freie Ecke des Schreibtischs und sah die beiden an. Schließlich seufzte er.

"Ist nicht gerade schmeichelhaft, wie platt ihr immer seid, wenn ich auch mal was beisteuere", sagte er. "Aber ich geb's zu, in letzter Zeit hab ich mich wirklich reichlich überflüssig hier gefühlt. Ich meine, Okklumentik und so ein Zeug, das ist einfach nicht mein Ding."

Hermione starrte auf ihr Pergament und malte ein paar sorgfältige O an den Rand.

"Lass den Quatsch, Ron", sagte Harry. "Glaubst du etwa, ich steh auf den Kram? Aber Hermione hat Recht, ich muss es lernen. Und ohne euch wäre ich hier einfach ausgeflippt."

Er steckte das Schmuckkästchen ein, das er immer noch in der Hand hielt.

"Ich muss jetzt weg, Leute. Versucht alles, damit es keiner merkt, okay? Ich beeile mich so sehr ich kann."

"Du willst wirklich deine Tante besuchen? Die, die du damals – äh – aufgepumpt hast?"

"Genau die. Allerdings hoffe ich sehr, dass sie mir nicht über den Weg läuft. Und ihre Köter auch nicht."

"Wie willst du denn hinkommen? Weißt du überhaupt, wo sie wohnt?"

"Klar. Ich war mal da, als mich die Dursleys auf einen Ausflug dahin mitnehmen mussten, weil die alte Figg krank war und nicht auf mich aufpassen konnte. Es war das schrecklichste Wochenende, das ich je erlebt habe."

Er ging in sein Schlafzimmer, und sie hörten ihn herumwühlen. Dann kam er mit seinem Tarnumhang in der Hand wieder heraus.

"Kannst du mir deinen Zauberstab leihen, Hermione?", fragte er unerwartet.

"Was willst du denn damit?", fragte sie entgeistert zurück.

"Also, ich hab doch noch immer keine Lizenz. Und ich dachte, wenn ich einen anderen Zauberstab benutze, äh – dann fällt das vielleicht nicht als unerlaubtes Apparieren auf, versteht ihr? Vielleicht ist das auch Quatsch, aber ich –"

"Ich glaub', du spinnst, Harry. Aber bitte, versuch's doch. Wahrscheinlich apparierst du dann in Einzelteilen quer durch England", schnaubte Hermione.

"Gib her, lass mich's wenigstens mal versuchen!"

Zögernd reichte Hermione ihren Zauberstab an Harry weiter. Der nahm ihn, betrachtete ihn zweifelnd und wirbelte ihn probeweise durch die Luft. Nichts geschah. Ron und Hermione beobachteten ihn gespannt.

"Versuch's lieber erst mal von hier ins Schlafzimmer oder so", riet Ron.

Das war ein guter Ratschlag, und Harry machte sich daran, ihn zu befolgen.

Er hob Hermiones Zauberstab, holte tief Luft und konzentrierte sich auf die Goldene Dreierregel. Als er wieder aufsah, stand er mit den Schuhen auf seinem Kopfkissen und starrte die Wand an. Die beiden anderen kamen gerade durch die Tür. Ron grinste und sagte: "Wow!" Hermione aber sah ihn mit einem seltsamen Blick an und sagte gar nichts.

"Na, wie war ich?", fragte Harry triumphierend. "Danke, Hermione! Ich bring ihn dir bald zurück. Und jetzt drückt mir die Daumen, dass die Dursleys wirklich bei Tante Marge untergekrochen sind."

"Dann mach's gut, Alter." Und mit einem forschenden Blick auf Hermione, die immer noch schweigend in der Tür stand, fuhr er fort: "Ich werd dann den Vormittag nutzen und mal an Fabienne schreiben."

Harry schüttelte resigniert den Kopf.

"Ich überlass' euch euren Spielchen. Bis bald!"

oooOOOooo

Wenige Minuten später stand er auf einer Wiese mit ungemähtem, regennassem Gras voller Maulwurfshügel. Es war grau und kühl hier, und aus einiger Entfernung hörte er eine Kirchturmuhr schlagen. Elf Uhr.

Er warf einen hastigen Blick in die Runde und atmete erleichtert auf. Das war Tante Marges Grundstück, und niemand war zu sehen. Er zerrte den Tarnumhang aus seiner Tasche und warf ihn um. Dann ging er zögernd in Richtung des alten Hauses am anderen Ende der Wiese, wobei er sorgfältig der Reihe der Hundezwinger auswich, die auf der linken Seite unter dem Schutz einiger großer Ulmen standen. Ebenso aufmerksam hielt er Ausschau nach eventuellen Hinterlassenschaften der Insassen dieser Zwinger. Er hatte seinen einzigen Besuch hier noch allzu gut in Erinnerung.

Vier der sechs Zwinger standen leer. Das schien ihm ein gutes Zeichen zu sein, denn es bedeutete sicher, dass Tante Marge mit den Hunden aus war. Die beiden zurückgebliebenen Bulldoggen aber bellten und knurrten wie wild, als er unter seinem Tarnumhang vorbeiging. Daraufhin flog die Terrassentür am Haus auf, und eine schrille Stimme keifte los.

"Ruhe, ihr verdammten Köter! Könnt ihr nicht einmal dieses Gekläffe lassen! Euer liebes Frauchen ist sicher bald zurück!!"

Und Harrys Herz machte einen kleinen Sprung, als er in der mageren Frau im grau-karierten Tweedkleid Tante Petunia erkannte. Sie blickte argwöhnisch in die Runde, und plötzlich fragte sich Harry, wie er nur so naiv hatte glauben können, dass sie ihn anhören, mit ihm sprechen würde. Er fühlte sich einen Moment lang so beklommen, dass er am liebsten sofort zurückgekehrt wäre. Dann gab er sich einen Ruck.

"Tante Petunia! Hier, beim Zwinger!", rief er leise.

Petunia blieb wie angewurzelt stehen.

"Bitte komm herüber! Ich bin's, Harry!"

Entweder schlug sie jetzt sofort Alarm, dann konnte er immer noch verschwinden. Oder sie –

Petunia, die ihm knochiger und blasser als je zuvor erschien, kam entschlossenen Schrittes auf die Hundezwinger zu. Zaghaft zog sich Harry den Umhang vom Kopf und ging ihr entgegen. Sie hatte rote Flecken auf den spitzen Wangenknochen, und ihr schmaler Mund war so verkniffen, dass sie ziemlich verhärmt wirkte. Aber sie sah ihm gerade entgegen.

"Ich – ich war es nicht! Das mit eurem Haus, meine ich", sagte Harry anstelle einer Begrüßung. Ihm schien, dies müsse als Erstes geklärt werden.

"Du hast Glück. Vernon ist in London, Grunnings kann nicht so lange auf ihn verzichten. Er ist also bei einem Kollegen untergekommen und versucht, die Dinge zu regeln. Und Marge ist mit den Hunden aus."

"Dudley?"

"Der ist drinnen vor dem Fernseher."

Und plötzlich brach Petunia in Tränen aus.

"Ich hasse dieses Haus! Diese Hunde! Der Lärm, die Haare und der Hundedreck überall! Und zu wissen, dass das eigene Heim zerstört ist –"

Irgendwie fühlte Harry sich schuldig. Irgendwie war er sogar schuld. Und er fühlte ganz unerwartet etwas wie Mitleid mit dieser Frau, deren ganzes Dasein um ihr Heim, ihren Sohn und ihre Nachbarschaft gekreist war und die hier nun völlig entwurzelt auf einer Wiese voller Hundekacke stand.

"Es tut mir wirklich leid, Tante Petunia", murmelte er. "Ich war das nicht, das musst du mir einfach glauben."

"Ich habe das auch nie geglaubt", schluchzte seine Tante. "Vernon schon, natürlich. Aber es hat was mit – mit deinen Leuten zu tun, nicht wahr? All diese ungeklärten Einzelheiten, die Versicherung spielt verrückt deshalb, und die Polizei kommt nicht weiter –"

Mit zitternden Händen putzte sie sich die Nase.

"Was willst du eigentlich hier? Du kannst hier unmöglich wohnen, weißt du. Wenn Marge oder Vernon dich sehen –"

"Nein, darum geht's nicht. Ich muss dich nur unbedingt was fragen."

Sie verkniff ihren Mund noch mehr.

"Wirklich, Harry, ich habe jetzt andere Sorgen. Ich will einfach nichts mehr mit deinen Angelegenheiten zu tun haben. Ich war sechzehn Jahre für dich da und –"

Harry verbiss sich die verschiedenen Erwiderungen, die ihm zu dieser Formulierung einfielen, und sagte nur drängend: "Bitte, es ist sehr wichtig. Und ich kann nur dich fragen. Hör mir zu, nur dieses eine Mal noch!"

"Es geht wieder um meine Schwester, oder?"

Harry nickte. Dann zog er das Schmuckkästchen hervor, öffnete es und hielt es seiner Tante hin.

Sie nahm das Kästchen mit spitzen Fingern, sah hinein und direkt wieder auf. Ihr Gesicht verschloss sich wenn möglich noch mehr, als sie ihm das Kästchen zurückreichte.

"Kennst du die Ohrringe?"

"Ja, natürlich. Ziemlich hässliche Dinger. Sie gehörten Lily."

"Woher hatte sie sie?", fragte Harry mit klopfendem Herzen.

"Von Nanna Dora. Unserer Urgroßmutter. Ich glaube, du hast sogar ein Foto von ihr gesehen in dem Album, das ich dir gegeben habe. Was ist nun mit den Ohrringen?"

Harry musste erst einmal schlucken.

"Kannst du dich daran erinnern, wie sie sie ihr geschenkt hat? Oder wann, warum?"

"Ja, zufällig kann ich das ganz genau", antwortete Tante Petunia bissig. "Sie besuchte uns an einem Sonntag, da war ich so etwa zehn. Mir brachte sie ein Buch mit dem Titel 1000 Witze für kleine Leute mit. Und Lily bekam diese – diese Ohrringe. Ein achtjähriges Mädchen! Ich meine, sie waren nicht besonders schön, aber sicher wertvoll und ganz und gar unpassend für ein Kind!"

Tante Petunias Empörung schien sich in all den Jahren nicht gelegt zu haben.

"Sie konnte noch nicht mal ein Kleid tragen, ohne es zu verdrecken oder zu zerreißen. Aber sie bekam die Ohrringe!"

"Kannst du – erinnerst du dich an irgendwas – irgendwas Besonderes von deiner Urgroßmutter? Ich meine, wie war sie so?"

"Also, vor allem ist sie kurz danach gestorben", begann Tante Petunia. Aber dann bekam ihr Blick etwas Glasiges, und sie verstummte.

Harry wartete atemlos und hörte sein Blut in den Schläfen rauschen. Jeden Moment würde Marge um die Ecke biegen, mit vier sabbernden, hechelnden Kötern im Gefolge, das fühlte er. Gerade wollte er noch einmal drängen, da fuhr Tante Petunia in ganz anderem Ton als vorher fort, und es schien fast, als spreche sie zu sich selbst.

"Ja, da war etwas mit Nanna Dora. Hab jahrelang nicht mehr dran gedacht. Nie mehr. Wollte das vergessen. Wenn Lily und ich bei ihr zu Besuch waren, haben wir oft zusammen gebacken. War immer lustig, ich glaube, sie war einsam und freute sich, wenn wir kamen. Ihr Mann war da ja schon tot. Und sie hat immer so kleine Sachen gemacht, wenn wir fertig waren mit Backen oder wenn wir müde waren, dann hat sie gesagt, sie hext mal schnell die Küche sauber oder so was. Dann hat sie rumgefuchtelt und lange Sprüche gemacht, und wir haben gelacht, und dann war die Küche tatsächlich auf einmal sauber. Lily und ich haben einfach nie rausgekriegt, wie sie das machte. Aber wir fanden das toll und ziemlich lustig."

Abrupt kam Petunia in die Gegenwart zurück. Sie lief rot an und machte ein entsetztes Gesicht.

"Das – das wusste ich gar nicht mehr. Erst als du jetzt gefragt hast, ist mir das wieder eingefallen. Ich war immer so eifersüchtig, weil sie Lily lieber mochte als mich. Was bedeutet das alles? War sie – eine – eine von diesen –? Heißt das, Lily hatte es doch geerbt – von ihr? Oh mein Gott, heißt das etwa, dass auch ich oder sogar vielleicht Dudders –?!"

Harry hatte stumm zugehört. Sein Mund war trocken, und er konnte nur krächzen.

"Kannst du dich an ihren Mann erinnern? Deinen Urgroßvater? Oder an irgendjemanden aus ihrer Familie?"

Petunia starrte ihn an.

"Ich glaube, sie – sie hatte gar keine Familie", sagte sie leise. "Außer uns natürlich. Mein Urgroßvater hat sie oft ‚meine kleine Zigeunerin' genannt. Ich erinnere mich daran, weil ich damals nicht wusste, was eine Zigeunerin ist und nachgefragt habe. Meine Mutter hat sich immer geärgert hat, wenn er das sagte. Sie hing sehr an ihr und meinte, es würde sie kränken."

Harry starrte sie an.

"Harry, sag mir, was der Unsinn soll! Überhaupt, wie kannst du dich jetzt, wo all diese schrecklichen Dinge passieren, mit so etwas beschäftigen?"

Er schüttelte nur den Kopf.

"Hör zu, du musst mir glauben, ich habe Lily nicht gehasst! Ich habe nie gewollt, dass ihr so etwas Schreckliches passiert! Aber sie – sie musste einfach immer mit dem Feuer spielen, bis sie sich dann verbrannt hat. Und jetzt du – du machst dasselbe! Es – es passieren dieselben bösen Dinge –", sie senkte ihre Stimme zu einem drängenden Flüstern, "genau wie damals. Häuser fliegen in die Luft! Leute verschwinden oder werden auf seltsame Art – ermordet!"

Lautes Hundegebell verkündete das Herannahen von Tante Marge. Petunia fuhr zusammen.

"Sie darf dich hier nicht sehen! Du musst verschwinden! Bitte, geh, Harry! Das Leben hier ist sowieso schon die Hölle."

Harry nickte.

"Ich werde sehen, ob ich – ob ich euch irgendwie Geld schicken kann", sagte er heiser. "Es war schließlich meinetwegen."

Das Letzte, was er sah, waren Tante Petunias überraschtes Gesicht und die erste wild kläffende Bulldogge, die sich auf die Stelle stürzte, wo er Sekundenbruchteile zuvor noch gestanden hatte. Dann war alles dunkel, und er befand sich wieder im Sog des Apparierens.

oooOOOooo

Erst als er wieder auf seinen Füßen stand und den vertrauten schwarzen Steinboden des Hauses am Grimmauldplatz sah, wurde ihm bewusst, wie gefährlich es gewesen war, so Hals über Kopf und in innerem Aufruhr zu apparieren, noch dazu mithilfe eines fremden Zauberstabs.

Er fühlte sich völlig erledigt und ließ sich einfach auf eine Treppenstufe fallen, dankbar dafür, dass niemand zu sehen war. Er saß da und schlug die Hände vors Gesicht. Wollte niemanden sehen. Nichts mehr denken. Aber in der purpurnen Schwärze hinter seinen geschlossenen Augenlidern formte sich immer wieder ein einziger Name.

Er wusste nicht, wie lange er so dagesessen hatte, als er bemerkte, dass er nicht mehr allein war. Er nahm die Hände vom Gesicht und sah auf. Neben ihm stand Hermione.

"Ich wollte dich nicht stören", sagte sie mit ungewohnter Zurückhaltung. "Ich bin froh, dass du wieder da bist, das ging ja wirklich schnell. Niemand hat bemerkt, dass du weg warst."

Zögernd setzte sie sich neben ihn auf die Treppenstufe und zupfte an einer ausgefransten Stelle am Knie ihrer Jeans herum.

"Und? Hast du sie gefunden?"

Harry nickte.

"Hast du erfahren, was du wissen wolltest?"

"Ja, hab ich", antwortete er leise.

Dann saßen sie schweigend da. Das ganze Haus war ungewohnt still.

"Wo sind denn alle?", fragte Harry, nur um etwas zu sagen.

"Ron ist oben im Zimmer von Mrs Black, wir haben da ein bisschen herumgesucht. Hestia – wo schon! Wo die alle dauernd rumhängen, in der Küche."

Hermione hatte es inzwischen geschafft, aus der ausgefransten Stelle so viele Fäden zu ziehen, dass ihr Knie hindurchschien.

"Oh klar, dein Zauberstab!", fiel es Harry plötzlich ein. Er nahm ihn aus seiner Jackentasche. "Danke, wirklich! Ich weiß nicht, ob ich damit getarnt war. Aber jedenfalls hat es geklappt – und bisher steht ja auch niemand auf der Schwelle, um mich zu verhaften."

Sie nahm ihren Zauberstab zurück und drehte ihn in den Händen.

"Du willst nicht darüber reden, oder?", fragte sie schließlich.

"Ich – weiß nicht. Muss erst drüber nachdenken", murmelte er.

"Äh – ich habe übrigens die Verbindung zwischen Peverell und Slytherin gefunden", sagte sie.

Harry sprang auf, und Hermione sah ihn überrascht an.

"Es gibt also eine? Bist du sicher?"

"Allerdings. Eine ganz einfache. Ich zeige es dir, komm mit."

Sie ging ihm mit ihrer üblichen Energie voran, die Treppe zu Harrys Wohnung hinauf.

"Wir haben wie gesagt oben in den Black-Sachen ein bisschen herumgewühlt – äh, ich hoffe, das war okay?"

Harry nickte nur. Mach weiter, sagte sein Blick.

"Ich wollte unbedingt dieses Buch finden, von dem wir geredet hatten – diese Genealogie der Zauberei, erinnerst du dich? Ich dachte, es ist vielleicht bei den anderen Sachen oben in dem Zimmer gelandet. Und bingo, das stimmte. Ich hab's gefunden!", sagte sie triumphierend.

Sie riss schwungvoll die Tür zum Salon auf und ging zum Schreibtisch. Der war übersät mit ihren Pergamentrollen. Mittendrin lag aufgeschlagen ein sehr dicker Wälzer.

"Da, lies selbst!", sagte sie und drehte das Buch zu ihm herum.

Harry starrte auf die mit winziger Schrift bedeckte Seite, den umfangreichen Fußnotenteil darunter, die zahlreichen eingeklammerten Verweise. Das musste wirklich ein Buch nach Hermiones Geschmack sein. Zu allem Überfluss fanden sich auch noch handschriftliche Notizen am Rand, bei deren Anblick ihm noch beklommener zumute wurde, weil es ihn an das Buch des Halbblutprinzen erinnerte. Schließlich begann er zu lesen.

"Am besten fängst du gleich da an", riet sie und tippte auf einen Abschnitt in der Mitte der Seite. Harry las:

"Dankenswerterweise ermöglichen es einige seltene Dokumente, einen großen Teil von Salazar Slytherins Familiengeschichte zu erschließen. Als Quellentext ist hier vor allem das Vorwort des im 13. Jahrhunderts berühmten Heilers Leon Peverell zu seinem Werk Magische Heilpflanzen zu nennen, in welchem er seine Ahnenreihe auf Salazar Slytherin zurückführt."

Harry seufzte und las weiter.

"Als Salazar Slytherin nach wirren Wanderjahren mit einem immensen Wissen und anscheinend auch mit reichen Schätzen aus dem Orient in seine Heimat zurückkehrte, machte er sich schnell einen Namen und wurde sehr berühmt. Zusammen mit seinem alten Studiengefährten Godric Gryffindor und den beiden gelehrten Hexen –"

Harry überflog ein paar Zeilen, in denen die Gründung von Hogwarts beschrieben wurde, und las weiter, als der gesuchte Name seinen Blick fing.

"In demselben Jahr, in dem er Hogwarts mitbegründete, heiratete Salazar Slytherin die aus einem normannischen Adelsgeschlecht stammende Lucille Peverell, "eine Jungfrau, deren Schönheit und Klugheit überall gerühmet ward". Sie hatten drei Töchter, Salome, Syriadne und Selena.

Es ist überliefert (siehe den bereits erwähnten Text von Leon Peverell im Anhang 4), dass Syriadne ihren Cousin Jerome Peverell heiratete und damit jenen Zweig der Slytherin-Nachfahren begründete, der bis in dieses Jahrhundert hinein belegt ist (vgl. Ahnentafel auf S. 725; zum Wappen siehe Tafel 25 im Anhang).

Weniger klar ist, ob Salome tatsächlich bereits einen Spross der zu dieser Zeit schon belegten Zaubererfamilie Ghaunt geheiratet hat. Ein Jahrhundert später rühmt sich jedenfalls der wohlhabende Kaufmann Claudius Ghaunt im Vorwort zu Handelswege durch Muggel-Lande seiner Ahnen und führt seine Familie auf die Slytherin-Tochter Salome zurück, die Theodorus Ghaunt geheiratet habe.

Was Salazars jüngste Tochter anbelangt, so berichtet eine Legende, Godric Gryffindor sei in heftiger Liebe zu Selena entbrannt und mit ihr geflohen; als ihr Vater sie dann aber aufgefunden habe, habe sich Selena ins Meer gestürzt. In jedem Fall sind keine Nachfahren von Selena bekannt."

Harry blätterte um. Seine Finger zitterten. Es folgten seitenweise Stammbäume und Erwähnungen gesicherter Zweige der Familien Peverell und Ghaunt. Die Stammbäume erschienen ihm erstaunlich wenig verzweigt; wie es aussah, reichte die Tradition der Heirat innerhalb enger Grenzen der Großfamilie tatsächlich sehr weit zurück. Im letzten Zweig vereinigten sich dann die beiden Stämme der Peverells und der Ghaunts, die sich inzwischen "Gaunt" schrieben.

Harrys Blick löste sich nicht mehr von den letzten Namen – Namen, die er bereits kannte und noch vor wenigen Tagen auf Sirius' altem Wandteppich gelesen hatte. Der letzte Name, bei dem sowohl Geburts- als auch Todesdatum angegeben war, war Morfin Gaunt. Für seine Schwester Merope und seine Mutter Pandora wurde nur das Datum ihrer Geburt verzeichnet. Anstelle von Todesdaten sah Harry winzige Fragezeichen.

Pandora Gaunt. Pandora Gaunt, geborene Peverell. Voldemorts Großmutter. Wo war sie gewesen, damals, während jener Szene in Marvolo Gaunts Haushalt, die Dumbledore ihn in seinem Denkarium hatte sehen lassen?

Als er den Blick schließlich hob, waren Hermiones Augen erwartungsvoll auf ihn gerichtet.

"Ist das nicht klasse? Schien doch so ein großes Rätsel zu sein, aber wir mussten einfach nur in dieses Buch sehen! Und wir sind nicht die Ersten, die sich für das Thema interessieren, wie du siehst."

"Ich bin sicher, Dumbledore hat das sowieso gewusst", sagte Harry tonlos.

Aber Hermiones Entdeckerfreude war nicht so leicht zu dämpfen.

"Sogar die Geschichte, die dir diese Bibliothekarin in Godric's Hollow aufgetischt hat, scheint irgendeinen wahren Kern zu haben. Wahrscheinlich war diese Sache zwischen Godric und Selena der eigentliche Grund für die Entzweiung von Slytherin und Gryffindor."

"Meinst du?", fragte Harry trübe. "Ist das nicht ein bisschen zu romantisch gedacht?"

Ihn bewegten andere Probleme, und schließlich konnte auch Hermione seinen Mangel an Begeisterung über ihre Entdeckung nicht länger übersehen.

"Was ist denn nun, Harry? Was hast du denn bei deiner Tante rausgefunden?"

Harry kramte auf seinem Schreibtisch herum, schob die Rollen ineinander, steckte Schreibfedern in den Becher zurück.

"Lass mir noch ein bisschen Zeit, Hermione", bat er schließlich. "Ich muss einfach erst mal in Ruhe drüber nachdenken. Vielen Dank, dass du dieses Buch ausgegraben hast. Ich seh' jetzt – viel klarer als ich wollte."

"Okay", sagte Hermione und klang ein wenig eingeschnappt. "Dann geh ich jetzt mal nach Ron sehen."

Sie schloss die Tür nicht gerade sanft, und Harry ließ den Kopf auf seine aufgestützten Arme sinken.

Pandora Peverell. Nanna Dora. Die kleine Zigeunerin ohne Familie. Die für die Kinder die Hexe spielte. Das war alles einfach un-

Ein gellender Schrei zerriss die Stille des Hauses.

"Harry! Harry!! Komm schnell!!"

Das war Hermione, ihre Stimme kam von oben. Harry sprang auf und rannte los, nahm mehrere Stufen auf einmal. Oben unter dem Dach gab es außer einem Bad nur noch dieses eine Zimmer, das Sirius' Mutter gehört hatte und in dem nun alle Dinge aus dem Black-Nachlass aufbewahrt wurden, die nicht mehr von Nutzen waren.

Die Tür stand offen, und drinnen kniete Hermione auf einem alten Teppich. Das Tageslicht fiel nur spärlich durch die Ritzen der Jalousie vor dem Fenster. Aber es reichte aus, um Ron zu erkennen, der reglos neben Hermione auf dem Boden lag. Harry hatte auf einmal so schreckliche Angst, dass er nicht sprechen konnte.

Hermione sah ihm mit Tränen in den Augen entgegen.

"Er bewegt sich nicht!", schluchzte sie. "Er atmet kaum noch."

Harry schüttelte ihn vorsichtig. Keine Reaktion. Er suchte nach dem Puls. Der war da und erschien Harry sogar normal. Zitternd holte er Luft und ließ sich dann auch auf den Teppich sinken.

"Vielleicht – vielleicht übt er nur wieder – ersetzende Imagination", krächzte er. Aber Hermione hörte ihm gar nicht zu.

"Oh Ron! Ich hätte ihn hier oben nicht allein lassen dürfen!"

Sie hielt seine schlaffe Hand und weinte. Erst jetzt wurde Harry bewusst, dass die Gefahr, worin auch immer sie bestehen mochte, vielleicht noch auf sie alle lauerte. Er sah sich um, und dann fiel sein Blick auf einen Gegenstand, den er schon einmal gesehen hatte. Eine der Vitrinentüren stand offen, und auf dem Boden davor lag – eine Spieldose.

Harry stand auf und hob sie vorsichtig auf.

"Was ist das?", fragte Hermione.

"Diese Spieluhr. Weißt du noch? Wir hatten sie aufgezogen. Wurden alle schläfrig – komisch. Dann hat Ginny sie zugemacht."

"Aber – aber jetzt ist der Deckel auf", flüsterte Hermione. "Und es ist nichts zu hören."

Harry nickte. Er betrachtete das kleine Ding eingehend. Es war aus Holz, mit einer zart eingravierten Tanzszene auf den Seiten und dem Deckel. Erst bei genauerem Hinsehen erkannte man, dass man nicht tanzende Feen oder Veelas vor sich hatte, sondern bösartig aussehende, seltsam missgestaltete kleine Ungeheuer.

Harry stellte das Kästchen mit angewidertem Blick in die Vitrine zurück, sorgsam darauf bedacht, es nicht zu schließen oder irgendwie zu beschädigen.

"Lupin. Wir brauchen ihn."

Er schien keine vollständigen Sätze mehr herausbringen zu können.

"Außer Hestia ist niemand im Haus." Hermione weinte immer noch. "Warum bin ich nur runtergegangen?"

"Nicht verrückt machen, Hermione." Harry berührte sanft ihren Arm. "Er atmet. Wird schon nicht so schlimm sein."

Aber er fühlte sich selbst am Rande einer Panik. Ron war so weiß im Gesicht und so starr. Und er fühlte sich so kalt an.

"Wir sollten ihn vielleicht runterbringen, in sein Bett. Warm halten. Und irgendwie Lupin verständigen."

Sie wollten Ron nicht mit einem Schwebezauber die Treppe hinunterschaffen. Das wäre ihnen grob erschienen und hätte zu sehr so ausgesehen, als ob –

Harry bückte sich und schaffte es mit viel Mühe, den um einiges größeren Ron aufzuheben und die Treppe hinunter in sein Zimmer zu tragen.

Inzwischen hatten sie wohl genug Lärm gemacht, denn Hestia stand auf der Treppe.

"Was ist passiert?", fragte sie alarmiert.

"Ron – wir wissen es nicht. Wir brauchen unbedingt Lupin, sofort! Kannst du ihn irgendwie erreichen?"

Sie nickte knapp und eilte die Treppe wieder hinunter.

Harry und Hermione legten Ron in sein Bett und deckten ihn fest zu. Sein Zustand erschien ihnen immer noch unverändert.

Ängstlich saßen sie nebeneinander an seinem Bett und wagten kaum, den Blick von ihm zu nehmen. Die Minuten tickten vorbei.

Und dann stand auf einmal Lupin im Zimmer, mit einem Schwall kühler Regenluft von draußen, im Gesicht grau vor Sorge. Hinter ihm kam eine große dunkelhaarige Frau herein, die sich sofort über Ron beugte.

"Das ist Melanie Raeburn, sie ist Heilerin und ein Mitglied des Ordens, wie ihr euch denken könnt", erklärte Lupin.

Melanie Raeburn befühlte Rons Stirn, seinen Puls, sah in seine Augen, indem sie die Lider anhob. Er reagierte überhaupt nicht.

"Er steht unter einer Art Schock oder Bann, ich kann es nicht genau sagen", sagte sie schließlich. "Wisst ihr, was er gemacht hat?"

Sie erzählten von der Spieldose. Sie nickte mit ernstem Gesicht.

"Ich werde sie mir sofort ansehen", sagte Lupin.

"Im Moment scheint keine Lebensgefahr zu bestehen. Ich kann aber auch nicht viel für ihn tun. Ihn warm zu halten, ist schon mal eine gute Idee. Ich würde ihn außerdem nicht aus den Augen lassen. Es kann sein, dass er in ein paar Stunden wieder aufwacht und völlig in Ordnung ist. Man muss das erst mal abwarten."

Lupin verließ das Zimmer, um die Spieldose zu untersuchen. Harry folgte ihm langsam die Treppe hinauf. Er fühlte sich allmählich völlig betäubt.

Als er oben ankam, hatte Lupin die Dose schon in der Hand.

"Sie war auf, als wir sie fanden. Hab sie extra nicht zugemacht. Hätte ja sein können, dass ich damit irgendwas – endgültig mache oder so", schloss Harry lahm.

"Das war sehr umsichtig von dir", sagte Lupin, der seinen Zauberstab zog.

"Specialis revelio!", murmelte er, als er ihn sacht über die Dose schwenkte.

Es gab nur ein seltsames, knirschendes Geräusch, das aus dem Holz zu kommen schien.

"Sie spielte keine Melodie mehr, als ihr kamt, oder?", fragte Lupin.

Harry schüttelte den Kopf. "Damals, als wir hier mit den Weasleys das Haus entgifteten, da hatten wir das Ding schon mal aufgezogen. Wir wurden alle müde und irgendwie schwach, als wir die Melodie hörten. Ginny hat es gerade noch geschafft, den Deckel zuzumachen."

"Und er hat sie trotzdem noch mal angestellt?", fragte Lupin mit hochgezogenen Augenbrauen.

"Vielleicht ist sie auch nur aus der Vitrine gefallen", sagte Harry leise.

Lupin stellte die Dose zurück in den Schrank. Dann wandte er sich zu Harry um.

"Wir müssen wohl abwarten, wie Melanie sagt", sagte er mit sorgenvollem Gesicht. "Und jetzt muss ich die anderen Mitglieder des Ordens zusammenrufen. Wir müssen heute Abend ein Treffen abhalten."

"Was ist passiert?", fragte Harry in dem deutlichen Empfinden, heute nicht viel mehr ertragen zu können.

"Eine Kleinstadt bei Liverpool hatte vor drei Tagen einen kompletten Ausfall der – na, wie nennen die Muggel das, wenn ihre Lichter und Geräte nicht mehr funktionieren – genau, einen Stromausfall. Das kommt gelegentlich vor, habe ich gehört. In diesem Fall aber konnte es nicht repariert werden. Und nicht nur das. Alle Versuche, irgendeine Form von Energieversorgung – so hieß es – in die Stadt zu bringen, waren vergeblich. Es funktioniert dort nichts mehr. Die Bewohner müssen die Stadt verlassen."

Harry und Lupin sahen sich an.

"Magische Einwirkung", sagte Harry mehr bestätigend als fragend.

Lupin nickte. "Nach meiner Einschätzung ein überaus komplexer Zauber. Kein Todesser-Scharmützel. Da war der Meister am Werk."

Harry spürte, wie ihn ein Schauer überlief. Es hatte endlich begonnen.

oooOOOooo

Sie saßen den ganzen Abend an Rons Bett und hofften, er werde aufwachen. Unten im Haus hörten sie die Leute vom Phönixorden hereinkommen und in die Küche hinunterstampfen, aber an diesem Abend interessierte es sie ausnahmsweise einmal nicht in erster Linie. Trübselig fütterte Harry Hedwig mit einem Eulenkeks. Sie war ihm auf die Schulter gehüpft, beinahe als wolle sie ihm Gesellschaft leisten.

"Ich wünschte, ich hätte Krummbein nicht bei den Weasleys gelassen", sagte Hermione bei diesem Anblick. "Es wäre so tröstlich, wenn er jetzt hier wäre. Aber –"

Der Rest ihres Satzes war ein Kreischen, das Harry durch Mark und Bein ging. Er fuhr herum. Ron hatte die Augen geöffnet. Sie schienen völlig schwarz zu sein. Erst als er genauer hinsah, stellte Harry fest, dass dieser Eindruck dadurch entstand, dass seine Pupillen extrem stark geweitet waren. Ron schien nichts zu sehen. Er lag weiterhin wie erstarrt da, aber seine Augen rollten beängstigend in den Höhlen. Der Anblick war schwer zu ertragen.

"Ron! Ron, kannst du uns hören?", sagte Hermione drängend und fasste wieder seine Hand. "Ron!"

Minutenlang starrten sie ihn an und warteten auf eine Reaktion. Nichts geschah.

"Glaubst du, er wird wieder?", fragte Hermione schließlich mit zitternder Stimme.

"Ich hoffe es!", sagte Harry.

Irgendwann löschten sie die Lichter, weil sie dachten, dass sie Ron vielleicht störten, und blieben im Dunkel zurück, das nur durch das Licht einer Straßenlaterne von draußen ein wenig erhellt wurde.

Harry hatte sich auf dem Teppich ausgestreckt, und während er da lag, kamen langsam die Ereignisse des Tages zurück in seinen Verstand.

Ob meine Mutter es gewusst hat, fragte er sich. Und wenn, hat sie es meinem Vater gesagt? Hat sie es irgendwem gesagt? Und wie hat sie es geschafft, ins Gryffindor-Haus zu kommen? Genauso wie ich damals?

Der Sprechende Hut hatte Recht, damals, dachte er bitter. Ich hätte nach Slytherin gehört!

Ihm fiel ein, was Slughorn im vergangenen Jahr von Lily Evans erzählt hatte: wie er sie damit aufgezogen habe, dass sie in seinem Haus – Slytherin – hätte sein sollen. Wie sie ihm mit frechen Antworten darauf zu erwidern pflegte.

Aber wenn sie es geheim halten wollte, warum trug sie die Ohrringe dann?

Und die ganze Wahrheit konnte sie gar nicht gewusst haben, die konnte sich erst Harry jetzt zusammenreimen.

Pandora Gaunt musste ihre Familie verlassen haben, ihren Mann und ihre reizenden Kinder Morfin und Merope. Harry konnte es ihr nicht einmal verdenken. Dann hatte sie die magische Welt hinter sich gelassen – und die Magie! – und war in der Muggelwelt untergetaucht. Hatte einen Muggel geheiratet und eine zweite Familie gegründet. Als Dora, die Zigeunerin. Später dann Nanna Dora.

Die Großmutter meiner Mutter war Merope Gaunts Halbschwester.

Harry stieß ein irres Kichern aus, das er sofort zu ersticken versuchte.

Ich bin der Erbe von Slytherin, dachte er voller Sarkasmus. Ich, Harry Potter, bin Voldemorts letzter lebender Verwandter! Ich – und Tante Petunia und Dudley!

Er fragte sich, was seine Freunde wohl sagen würden, wenn sie es erfuhren.

Dumbledores Worte fielen ihm ein, und jetzt bekamen sie einen tieferen Sinn für ihn: Es sind die Entscheidungen, die wir treffen, die zeigen, wer wir wirklich sind – und nicht die Anlagen, die wir haben.

Und dann erklang in seinem Kopf gespenstisch die Stimme Voldemorts, wie er zu seiner Mutter sagte: "Ich fürchte, du hast die falschen Entscheidungen getroffen, Lily. Immer wieder die falschen Entscheidungen. Und jetzt musst du die Konsequenzen tragen."