Titel: Mondsüchtig
Autor: Daeny
Kapitel: 7?
Pairing: RL/SS (Lupin/Snape)
Rating: NC-17, Slash
Zusammenfassung: Remus erwacht auf der Krankenstation und ist völlig allein...
Danke: an M, die dieses Kapitel im Eiltempo durchgepflügt hat.
Disclaimer: Alle in dieser Geschichte verwendeten Charaktere und Orte gehören JK Rowling. Ich verdiene mit dieser Geschichte keinen Cent. Alleine die Idee entsprach meiner Fantasie.
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Steril und weiß, ein beißender Geruch nach Reinigungszaubern stach ihm in die Nase, versengte sein empfindliches Riechorgan und ließ ihn krampfhaft die Augen zusammenpressen. Nur mühsam unterdrückte er den Drang zu niesen.
Tränen traten vor Anstrengung in seine Augen, konnten aber auch von dem leichten Kitzeln, das der beißende Geruch in seiner Nase hinterlassen hatte, herrühren.
Langsam ließ der Drang, sich lautstark mit einem kräftigen Nieser bemerkbar zu machen, nach und er konnte wieder halbwegs normal atmen, ohne bei jedem Atemzug eine weitere Welle starken Kribbelns unterdrücken zu müssen.
Woher kam eigentlich dieser Geruch? Er schien ihm vage vertraut, aber dennoch, irgendwie konnte er ihn nicht so recht einordnen.
Sein Kopf dröhnte, seine Glieder schmerzten und seine Kehle war so trocken, dass sie brannte, wenn er schluckte. Sein Hals fühlte sich wie Schleifpapier an und er würde sicher gewinnen, wenn er Wetten auf den Klang seiner Stimme abschloss.
Ein leichtes Lächeln legte sich auf seine Lippen, wenn er an die stolze Summe dachte, die er bei einer solchen Wette verdienen könnte. Damit wären seine Schulden Geschichte.
Doch zunächst wollte er sich mit etwas Elementarerem beschäftigen: Seine Umgebung in Augenschein nehmen. Zu diesem Zweck unterdrückte er die Kopfschmerzen und zwang sich geduldig, seine Lider zu heben.
Weiß, um ihn herum war es weiß, und dieses grelle Weiß blendete seine empfindlichen Augen. Er zuckte vor Schmerz zusammen und beschloss, diese Erkundungstour später und vor allem in etwas gemäßigterem Tempo fortzusetzen.
Langsam beruhigten sich seine Augen wieder, der stechende Schmerz ließ nach. Für die nächsten Minuten lauschte er einfach dem gleichmäßigen Schlagen seines Herzens und freute sich an der simplen Tatsache, dass es schlug, kraftvoll gegen seinen Brustkorb hämmerte.
Tja, er hatte zwar kein Geld, aber sein Körper schien in Ordnung zu sein. Bis auf diese bohrenden Kopfschmerzen. Aber auch die würden irgendwann vergehen. Kopfschmerzen, so hatte er erst vor kurzem gelesen, waren schiere Einbildung, denn eigentlich hatte der menschliche Körper keine schmerzempfindlichen Nerven im Gehirn. Also woher sollten Kopfschmerzen kommen, wenn nicht aus seiner Phantasie?
Gut, schließlich war er bereit, einen zweiten Versuch zu wagen. Seine Augen müssten sich nur wieder an das Licht gewöhnen. Vermutlich hatte er nur etwas lange geschlafen.
Gemächlich hob er die Lider und schloss sie sofort, wenn das Licht zu grell wurde. Dann öffnete er sie kurze Zeit später wieder, immer einen Spalt breit mehr.
Und so gelang es ihm schließlich, seine Augen an das Licht zu gewöhnen. Doch seine Umgebung konnte er immer noch nicht begutachten. Durch die Tränen, die vor Schmerz und Anstrengung geflossen waren, war sein Blick verschleiert. Einzig ein paar dunkle Umrisse konnte er vor der strahlenden Helligkeit ausmachen. Aber was es genau war, konnte er nicht sagen.
Er blinzelte schließlich ein paar Mal, versuchte, die Tränenflüssigkeit aus den Augen zu pressen. Ermutigt durch den ersten Erfolg des Augenöffnens versagte er auch hier nicht.
Schließlich waren vor ihm die Umrisse einer weißen Vitrine zu erkennen. Hinter den Glasscheiben standen verschiedene Fläschchen, beschriftet mit weißen Etiketten. Doch was darauf stand konnte er nicht erkennen, dazu war er zu weit weg. Und er erkannte das Gestell eines Bettes, zwei Beine unter einer weißen Leinendecke, zwei Füße, die Zehen zur Zimmerdecke gerichtet. Seine Zehen.
Wieder huschte ein vorsichtiges Lächeln über sein Gesicht und er beschloss eine etwas gewagtere Aufgabe anzugehen. Die Bewegung seiner Gliedmaßen war vor wenigen Minuten zwar noch nicht möglich gewesen, aber durch den recht ordentlichen zurückliegenden Erfolg konnte die nächste Aktion auch nur positiv enden.
Langsam ließ er seinen Kopf auf dem Kissen nach links gleiten, drehte ihn vorsichtig um. Er spürte zwar einen starken, ziehenden Schmerz im Nacken, doch er ließ sich nicht entmutigen. Schließlich wollte er sehen, was rechts neben ihm war.
Und er wurde nicht enttäuscht. Er sah einen weißen Vorhang, der ihn vor dem Rest dieses Raumes trennte. Mist. Allerdings entdeckte er auch ein weißes Nachttischen. Verschiedene Fläschchen, ähnlich denen in der Vitrine, standen hier bereit. Er wüsste nur zu gerne, was sie enthielten oder ob sie für den beißenden Geruch verantwortlich waren.
Nun gut, die rechte Seite hatte er erkundet. Blieb nur noch die linke Seite. Langsam, genau auf den Schmerz achtend, drehte er seinen Kopf wieder in die ursprüngliche Position und ließ ihn dann langsam nach rechts gleiten. Auch in dieser Lage war ein deutlich ziehender Schmerz spürbar. Aber dieser Schmerz störte ihn nun nicht weiter, er war bereits zu einer Tatsache geworden, die man eben akzeptierte, wenn sie da war. Man konnte es nicht ändern. Der Schmerz war einfach da.
Die rechte Seite, so fand er, war äußerst interessant. Immerhin stand auch hier ein kleines Nachttischen, doch auf ihm stand lediglich ein gläserner Krug und ein Glas mit Wasser.
Und wenn er sich etwas mehr bemühte, konnte er sogar aus dem Fenster sehen. Es war leicht geöffnet und eine sanfte Brise bewegte den Vorhang, der um sein Bett herum gezogen war, um ihm mehr Intimität zu verschaffen.
Langsam begann er zu begreifen, was ihm so vertraut an dem Geruch vorkam. Er hatte dies immer gerochen, wenn er krank war. Und dies, so schien ihm, kam recht häufig vor.
Allein dieses Bett, nein, bestimmt nicht dieses Bett, nur die Art des Bettes, war ihm so vertraut, aber irgendwie konnte er den Gedanken nicht fassen. Er entwischte ihm, entglitt seinem Fassungsvermögen und verschwand in den Untiefen seines Bewusstseins, oder Unterbewusstseins.
Er versuchte noch, dem Gedanken hinterher zu jagen, als leise Schritte außerhalb des vom Vorhang begrenzten Bereiches ihn aufhorchen ließen. Angestrengt spitzte er die Ohren, die Schritte waren noch zu weit entfernt, doch schienen sich eindeutig auf ihn zu zu bewegen, sie wurden lauter, und schließlich wurde der Vorhang sanft beiseite geschoben und eine freundliche, ältere Dame schob ihr lächelndes Gesicht in sein Blickfeld.
„Oh, Professor, Sie sind ja wach?", rief sie erfreut aus und schob den Vorhang schließlich gänzlich auf. Mit plötzlicher Intensität vernahm er die schreckliche Größe des Raumes, die vielen in ordentlichen Linien aufgereihten Betten, Gott sei Dank alle leer. Er wusste zwar nicht warum, aber er wollte nicht, dass ihn jemand hier so sah.
Ihn wie sah? Er lag doch lediglich in einem Bett, hier waren viele Betten, wie in einem Schlafsaal. Seltsamerweise würde er sich in einem Schlafsaal nicht unwohl fühlen, hier schon.
„Professor?", hakte die ältere Dame fragend nach und folgte seinem Blick, den er unsicher im Raum hin und her schweifen ließ.
„Wie fühlen Sie sich?"
Er sah hastig zu ihr auf und versuchte sich an einem zaghaften Lächeln, doch alles was er zustande brachte, erzeugte Schmerzen in seinen Mundwinkeln und er beließ es dabei.
Es ging ihm eigentlich gar nicht gut – er fühlte sich zertreten, durchgekaut, verdaut und wieder ausgespuckt. Und das, was von ihm übrig war, lag hier in diesem Bett und war nicht in der Lage sich aufzurichten, geschweigedenn seine Gliedmaßen zu kontrollieren. Einzig sein Kopf hörte noch auf die Kommandos seines Gehirns.
Als er keine Antwort gab, bildeten sich tiefe Sorgenfalten auf ihrer Stirn. Sie griff nach einer Lampe, die wohl auf einem der Tischchen links und rechts neben seinem Bett gestanden haben musste und hielt sie dicht vor sein Gesicht. Sie starrte ihm angestrengt in die Augen, versuchte darin eine Antwort zu finden, doch ihr Versuch blieb ohne Erfolg, was wohl nicht minder daran lag, dass er nicht vorhatte, ihr eine Antwort zu geben.
Leider war er sich dessen kaum bewusst. Er hatte noch versucht, seine Gedanken zu sammeln, da war sie schon zur Probe übergegangen.
Nun zog sie sein rechtes Lid schmerzhaft nach oben und er wollte schreien, wollte sie bitten, damit aufzuhören. Doch noch nicht mal seine Stimmbänder waren gewillt, ihren Dienst aufzunehmen.
Nach mehreren Versuchen gab er schließlich frustriert auf und fügte sich in sein Schicksal. Was immer die Dame beschloss mit ihm anzustellen, er hatte keine Möglichkeit sie daran zu hindern.
Und sie stellte so einiges mit ihm an, dessen Sinnigkeit er allerdings nicht erkannte. Schlussendlich verschwand sie wieder und er seufzte erleichtert auf, nur um kurze Zeit später mit einem älteren Herrn zurückzukehren. Die kurze Atempause musste er wohl für ein Nickerchen genutzt haben, denn er konnte sich nicht daran erinnern, wie lange die Dame fort gewesen war.
Der ältere Herr beugte sich besorgt über ihn. „Remus, mein Junge, können Sie mich verstehen?"
Nun, da sein Kopf noch nicht seinen Dienst aufgegeben hatte, nickte er sachte, ohne sich dabei zu viel zu bewegen. Doch dann... Wer war Remus? War das sein Name? Wie war sein Name? Hatte er ihn vergessen? Er hatte die ganze Zeit noch nicht über seinen Namen nachgedacht. Nun, man dachte ja auch nicht über seinen eigenen Namen nach, man wusste ihn. So einfach war das. Aber irgendwie musste er ihm wohl entfallen sein.
Remus, nun gut, dieser Name war so gut wie jeder andere. Dennoch schüttelte er nach dem sanften Nicken heftig den Kopf, nur um anzudeuten, dass er seinen Namen nicht gekannt hatte.
Der ältere Herr runzelte sichtlich betroffen die Stirn und blickte vielsagend zu der Dame. Auch sie schien besorgt und versicherte ihm, dass bei besonders starken Anwendungen von Schockzaubern hin und wieder ein Gedächtnisverlust verkommen könnte. Es sei zwar eine Seltenheit, aber damit nicht völlig unmöglich.
Remus, wenn er so hieß, runzelte konzentriert die Stirn. Die Dame redete schnell und es erforderte seine gesamte Kraft, ihr nur annährend zu folgen.
Aber wie konnte er sein Gedächtnis verlieren, er wusste doch noch so viele Dinge. Zum Beispiel wusste er, was ein Bett war. Er hatte es früher einmal gelernt, aber wie er es erlernt hatte, wusste er das noch? Nun ja, ein Bett war eigentlich immer vorhanden gewesen...
Schlechtes Beispiel.
Er wusste aber auch, dass er immer wenig Geld gehabt hatte und dass er Schulden hatte und ihm kamen noch einige andere Dinge in den Sinn.
Der ältere Herr beugte sich wieder über ihn, lächelte ihn freundlich an. „Nun, wisst Ihr denn, wer ich bin, Remus?"
Er verdrehte die Augen und der ältere Herr wollte schon erleichtert aufatmen, doch Remus schüttelte den Kopf. Er kannte ihn, der Mann war ihm so vertraut, genauso wie die ältere Dame, aber irgendwie... Er konnte den Gedanken nicht greifen. Irgendwo ganz hinten in seinem Kopf kamen ihm ihre Namen in den Sinn, aber er hatte einfach nicht die Kraft, sich weiter auf sie zu konzentrieren. Alleine das Wachbleiben erforderte seine gesamte Kraft.
Remus seufzte tief und schloss schicksalsergeben die Augen.
Die Dame fasste den älteren Herrn an die Schulter und schüttelte sanft den Kopf. „Es ist noch zu früh, Albus. Geben wir ihm Zeit, sich zu erholen."
Der Mann, den die Dame Albus genannt hatte, nickte, doch Remus konnte spüren, wie enttäuscht er war. Nun, er selbst war auch enttäuscht, enttäuscht von sich selbst, von allem. Man vergaß doch nicht einfach seine Vergangenheit, seinen Namen, oder wie man seine Hand hebt oder wie man... er erschauderte. Oder wie man sprach.
Doch der Gedanke war ihm noch nicht richtig in den Sinn gekommen, da umhüllte ihn auch schon eine sanfte Dunkelheit, zog ihn hinab in die Tiefen der Bewusstlosigkeit, und sein geschundener, schmerzender Körper hieß diesen traumlosen, tiefen, aber sehr heilsamen Schlaf willkommen.
Die Gedanken fielen wie verwelkte Blätter im Herbst von ihm, und ließen ihn ruhen, ausruhen vom vielen Denken.
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Er lehnte sich müde an die große Schwenktür, die zur Krankenstation führte und verweilte dort ein paar Augenblicke, er wollte sich lediglich ein wenig ausruhen. Seit vorgestern Morgen hatte er kein Auge mehr zu getan, lediglich ein wenig gedöst als er auf Madame Pomfreys Diagnose gewartet hatte.
Sein Blick schweifte zum anderen Ende das Saales, dort hatte die umsichtige Medihexe einen abgeschotteten Bereich für Remus hergestellt, abgetrennt von der restlichen Krankenstation mit einem weißen Vorhang und einem starken Silencio.
So konnte er die letzten Stunden ausruhen, ungestört von den doch wenigen, aber störenden Besuchen der Schüler Hogwarts. Zwar wussten sie noch nichts vom Zustand ihres Lehrers, dennoch waren hier und da ein paar kleine Blessuren vorhanden, die versorgt werden wollten.
Severus seufzte müde auf. Vor wenigen Minuten war der Direktor zu Madame Pomfrey gegangen und beide unterhielten sich jetzt im Flüsterton, vermutlich über Remus' Zustand. Und den Blicken nach zu urteilen, welche die Medihexe ihm immer wieder zu warf, konnte ihr Bericht nicht sonderlich beruhigend ausfallen.
Auch der Direktor schien beunruhigt, warf ihm ab und zu sorgenvolle Blicke zu. Severus stöhnte. Nun gut, er hatte es verbockt. Sei's drum.
Langsam richtete er sich auf, atmete tief durch und glättete seine lange, schwarze Robe. Er würde tun, was nötig war, um Remus zu helfen, was immer er auch angerichtet haben mochte.
Gemächlichen Schrittes ging er auf den Vorhang zu, doch Poppy hielt ihn mit einer drohenden Geste zurück, und nahm den Direktor, der plötzlich außerordentlich enttäuscht, ja beinahe wirklich alt wirkte, am Arm und führte ihn von Remus' Bett fort, zu Severus.
Severus zog die Stirn kraus und sah Poppy fragend an, wollte sie mit eindringlichen Blicken auffordern, ihr zu berichten, was mit Albus, ja, verdammt, mit Remus los war. So allmählich kamen ihm Zweifel. Er war doch gar kein so mächtiger Zauberer, seine Kräfte waren begrenzt. Er wäre nie in der Lage gewesen...
„Severus, bitte folge mir in mein Büro", seufzte Albus und streifte ihn lediglich mit einem beiläufigen, aber doch sehr ernsthaften Blick. „Ich glaube, es gibt Einiges zu bereden."
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Severus nickte wie in Trance, sein Blick immer noch auf das Bett am Ende des Saales gerichtet. Poppy war gerade dabei, den Vorhang wieder zu richten. Ihr Blick verweilte einen Moment auf der Person, die hinter dem Vorhang lag, und Severus konnte erkennen, wie sich tiefe Spuren von Mitgefühl und Trauer in ihre Wangen eingruben. Eine einzelne Träne suchte sich ihren Weg über ihre Wange und sie wirkte mit einem Male so jung und hilflos.
Ihn überkam ein Gefühl der Panik. Was hatte das alles zu bedeuten? War Remus etwa schwer verletzt? Wie ging es ihm? Severus war schon drauf und dran, auf das Bett zuzustürmen, den Vorhang bei Seite zu reißen und sich selbst ein Bild dessen zu machen, was er angerichtet hatte. Verdammt, er fühlte sich so schuldig, wie noch nie in seinem Leben. Und dieses Gefühl ließ die ewige Maske, die er sich zugelegt hatte, für einen winzigen Augenblick bröckeln. Ein aufmerksamer Beobachter hätte in diesem nur Sekunden dauernden Moment den wahren Severus Snape erkannt. Doch es war niemand da, der für dieses kleine Schauspiel Aufmerksamkeit besaß und als der Direktor nach Severus rief, setzte dieser seine alte, versteinerte Maske wieder auf und folgte seinem Dienstherrn mit wehender Robe.
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Dumbledore ließ sich müde in seinen Sessel direkt hinter seinem Schreibtisch sinken. Auch er hatte die vergangen sechsunddreißig Stunden nicht geschlafen. Er hatte sich lange Sorgen um seinen Lehrer für Verteidigung gegen die Dunklen Künste gemacht, dennoch stand es außer seiner Macht, etwas für Remus zu tun. Seine einzige Aufgabe war es, Severus von dem Zustand seines Kollegen zu unterrichten. Und dieser schien so nervös, dass er seine ordentlich gefaltete und geglättete Robe zwischen den Fingern zerknetete und mit dem Schweiß seiner nervösen Hände durchtränkte.
Trotz der Ernsthaftigkeit der Situation kam Albus nicht umhin ein wenig zu lächeln. Seine Mundwinkel zuckten ein winziges Bisschen nach oben und der Ausdruck amüsierter Gelassenheit erhellte für wenige Momente seine Augen, bevor er wieder ernst wurde und Severus ein Zitronenbonbon anbot.
Zu seiner Überraschung nahm Severus das Angebot an und steckte sich äußerst jungenhaft eines der sauren Bonbons in den Mund, woraufhin er angewidert das Gesicht verzog, aber dennoch tapfer darauf herum kaute.
Albus lächelte, aber sein Lächeln erreichte nicht seine Augen. Nun galt es, dem Lehrer für Zaubertränke den Kopf zu waschen. Remus konnte er leider nicht bestrafen, denn dieser schien sich nicht mal an seinen Namen zu erinnern.
„Severus, Severus...", seufzte Albus und faltete in Oberlehrermanier die Hände und legte sie auf seine Schreibunterlage.
Der Angesprochene erwiderte zaghaft den Blick seines Direktors, jetzt sah er fast so aus, wie vor knapp 30 Jahren, als er noch ein Junge war und wie ein kleiner Junge saß er auch jetzt vor ihm, sich seiner Schuld völlig bewusst.
„Du, ihr, hättet zu mir kommen sollen", begann Albus vorsichtig. „Wir hätten gemeinsam eine Lösung finden können, ich habe schon so oft dafür gesorgt, dass Remus die Vollmondnächte ohne Schwierigkeiten..." Dumbledore hielt einen kurzen Moment inne, sein Blick traf die stechenden Augen von Severus. Nun ja, nur ein einziges Mal kam es zu Schwierigkeiten. Bitter schluckte er die Worte, die er noch sagen wollte, hinunter.
„Nun ja", begann er nach einer Weile wieder. „Wir hätten jedenfalls eine Lösung gefunden. Ohne dich der Gefahr auszusetzen, eine Nacht mit Remus in der Hütte verbringen zu müssen. Die Hütte ist sicher."
„Dessen bin ich mir nicht so sicher", meldete sich nun Severus das erste Mal, seit er im Büro des Direktors war, zu Wort. „Sie wurde seit Jahren nicht mehr von Remus benutzt. Und wenn er sie in den vergangenen Monaten nutzte, dann immer unter dem Einfluss des Wolfsbanntrankes." Ein gehässiges Lächeln zuckte um Severus' Lippen, jetzt war er wieder der Alte. Bissig, angriffslustig.
„Doch dieser sture Bettvorleger musste sich ja meinen Anweisungen widersetzen und hat den Trank nicht zu sich genommen."
Severus hätte auch genauso gut mit dem Finger auf Remus zeigen und „Es ist alles seine Schuld!" plärren können. Ein trotziges Kind hätte es nicht besser gekonnt. Aber Severus war nun mal kein Kind mehr, und als Mann hatte er Verantwortung für seine Taten zu tragen.
„Ungeachtet der Schuldfrage, hättet ihr zu mir kommen müssen", Albus ignorierte Severus Einwand völlig. „Ich bin sehr enttäuscht von dir, Severus."
Snape schluckte bitter. Dumbledore würde ihn nicht anbrüllen, ihn nicht beschuldigen, nein, er würde ihm ruhig und sachlich seine eigenen Verfehlungen darlegen. Doch das war noch nicht einmal das Schlimmste. Albus' Augen drückten solch tiefe Enttäuschung aus, dass Severus das Herz schwer wurde. Er fühlte sich, als hätte er seinen Vater enttäuscht. Eigentlich erwartete er eine Tracht Prügel, Schimpfe, irgend etwas wogegen er sich zur Wehr setzen konnte. Aber er wusste von seinen Taten, kannte seine Verfehlungen und war sich der Schuld nur allzu tief bewusst.
Und Albus hatte mit dieser Vorgehensweise immer die besten Ergebnisse erzielt. Auch wenn er manchmal glaubte, die Menschen manipulieren zu müssen, so tat er doch unbewusst genau das Richtige. Er war immer einfühlsam, hatte ewig ein offenes Ohr für die Probleme anderer, und genau diese Eigenschaft hatten Remus und Severus mit Füßen getreten, indem sie auf eigene Faust losgezogen waren... und scheiterten.
Severus blickte demütig zu Boden und studierte eine Zeit lang intensiv seine Schuhe, bevor er langsam wieder aufblickte und dem Direktor tief in die Augen blickte.
„Es tut mir Leid, Sir", brachte er schließlich nur mühsam hervor. Der Direktor nickte, doch in seinem Gesicht zeigte sich keine Regung. Es würde Zeit brauchen, diesen Schmerz, diese Enttäuschung zu überwinden.
„Wie geht es Remus?", fragte Severus, nachdem er meinte, lange genug geschwiegen zu haben. Immerhin brannte ihm diese Frage schon seit Stunden unter den Fingernägeln. Und nichts zu wissen, war eindeutig schlimmer als die Wahrheit. Wenn er wusste, was genau mit Remus passiert war, könnte er sich in seine Bücher vergraben und nach einem Hilfsmittel zur Genesung fahnden.
Albus seufzte schwer und sank in seinem großen Sessel in sich zusammen. Plötzlich sah er so alt aus, wie er war. Seine Augen glänzten nicht mehr, sondern huschten unruhig auf der Oberfläche seines großen Schreibtisches hin und her. Schließlich schüttelte er nur den Kopf.
Severus wollte ihn nicht drängen, dennoch wurde er ungeduldig, rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her und wollte schon nach einem neuen Zitronenbonbon greifen, als sich Albus endlich räusperte.
„Ein Stupor ist ein mächtiger Zauber, besonders wenn er von Angst geleitet wird, Severus", begann Albus. „Und du bist kein schwacher Zauberer. Ich erkenne die Absicht, Remus möglichst wenig Schmerz zuzufügen, und es wäre dir eventuell sogar gelungen, den Zauber unter Kontrolle zu halten und damit den Wolf zu betäuben."
Severus erstarrte, lauschte gebannt jedem Wort und konnte sich nur mühsam zurückhalten, Albus nicht seine nagendsten Fragen entgegenzuschleudern. Dennoch übte er sich in Geduld und marterte weiter mit seinen Fingern seine Robe.
„Aber deine Ängste gegenüber dem Werwolf – woran ich mit Sicherheit nicht ganz unschuldig bin – haben deine Kräfte so sehr verstärkt, dass du nicht mehr in der Lage warst, den Zauber zu kontrollieren." Schlussendlich hatte er es aber dennoch geschafft, den Zauber abzulenken. „Deine Freundschaft zu Remus hat dir vermutlich die nötige Kraft verliehen, dich aus dem Teufelskreis zu befreien." Albus seufzte ergeben. „Und Remus damit das Leben zu retten."
Severus fuhr zusammen.
„Wäre der Zauber nur wenige Minuten länger auf ihn eingegangen, hätte er vermutlich nicht überlebt. Ja, ein Mensch hätte diese gewaltige Macht wohl auch nicht überlebt. Aber als Werwolf konnte Remus überleben."
Severus atmete tief aus. Remus lebte also noch. Aber wie und in welchen Zustand? Zitternd erwartete er die Fortsetzung des Berichts.
Albus nickte ihm kurz zu, wartete bis sich Severus wieder gefasst hatte. „Aber es geht ihm nicht gut. Poppy hat ihm eine Menge Stärkungstrank verabreicht und er ist dennoch kaum in der Lage, bei Bewusstsein zu bleiben. Jede Bewegung kostet ihn enorme Kräfte. Noch kann er sich nicht bewegen, spürt seine Glieder nicht. Aber Poppy geht davon aus, dass seine Kraft zurückkehren wird."
Wieder musste Severus erleichtert aufseufzen. Kräfte zurückerlangen, das klang doch gar nicht mal so schlecht.
Als Albus Severus' Erleichterung sah, schüttelte er resigniert den Kopf. „Severus, er kann sich an nichts erinnern. Remus weiß nicht, wie er heißt, wer er ist."
Severus erstarrte. Okay, er musste zugeben, das war ein Schock. Seine Beine zitterten, ein beklommenes Gefühl der Angst und ein tiefer Schmerz des Verlustes breiteten sich in ihm aus. Das war es also, was Albus so zu schaffen machte. Man wusste von Gedächtnisverlust auf Grund des Crucio, der Grausamkeit und des Schmerzes, dem die Opfer des Dunklen Lords ausgesetzt gewesen waren. Diese Art von Amnesie war bekannt, auch wenn sie nicht behandelbar war.
Aber hier lag ein völlig anderer Fall vor. Remus war in Gestalt des Werwolfes von einem mächtigen, von Angst geleitetem Stupor getroffen worden. Dieser Fall war völlig unbekannt, und somit auch ohne Therapiemöglichkeiten.
Nun konnte er sich auch die Niedergeschlagenheit in Poppys Gesicht erklären. Es kam nicht oft vor, dass die alte und vor allem sehr erfahrene Medihexe ratlos war.
„Severus?", rief ihn Albus schließlich aus seiner Starre. „Wir werden ihm helfen, einige Spezialisten aus dem St. Mungos sind bereits auf dem Weg hierher. Sie kommen nur für ihn, da er nicht transportfähig ist."
Severus nickte schwerfällig. Diese Geiferaffen würden sich an ihm laben, ihn pieksen und kneifen und so lange studieren, bis sie genug Material hatten, wie sie kriegen konnten. Und dann würden sie ihn fallen lassen. Denn er war ja schließlich nur ein... Werwolf.
Bitterer Geschmack breitete sich in Severus' Mund aus. Nein, er würde das nicht zulassen. Er würde sie beobachten, jeden ihrer Schritt genauestens unter die Lupe nehmen. Und, bei Merlin, wenn sie es auch nur wagten...
Albus schien seine Gedanken zu erkennen. „Niemand wird ihm wehtun, Severus. Poppy wird bei allen Untersuchungen zugegen sein." Der Direktor nickte sanftmütig und erhob sich aus seinem Sessel, nur um den Tisch zu umrunden und Severus väterlich eine Hand auf die Schulter zu legen. Er drückte diese aufmunternd.
Als Severus schließlich zu ihm aufsah, lächelte Albus, obwohl er nicht wusste, warum er das tat. Vielleicht nur, um dem anderen Mann etwas Hoffnung zu geben.
„Es wird alles gut werden", versicherte er ihm schließlich und ihre Blicke umfingen sich in einer kurzen, warmen Umarmung, bevor sich Severus steif erhob, von Albus verabschiedete und verschwand.
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Langsam hob sich der Nebel der Bewusstlosigkeit um Remus' Blick, und diesmal war er schon kurz nach dem Aufwachen in der Lage, seine Augen zu öffnen. Doch es war dunkel, nur eine kleine Lampe erleuchtete den Bereich am Kopfende seines Bettes ein wenig.
Er versuchte seinen Kopf zu drehen, und auch das gelang ihm. Der Schmerz, an den er sich noch lebhaft erinnerte, war zwar allgegenwärtig, aber er war nicht mehr das unangenehme Ziehen, sondern hatte sich in ein dumpfes Pochen, tief in seinem Hinterkopf verwandelt. Das Pochen war zumindest leichter erträglich und es war ständig vorhanden, egal ob er seinen Kopf nun bewegte oder nicht.
Sein Blick fiel auf die ältere Dame, an die er sich nur mit Mühe noch erinnern konnte, die ihn vor einigen Stunden begrüßt hatte. Zwar war der restliche Bereich seiner Erinnerungen noch dunkel, aber es war eine Erinnerung. Er existierte auch in der Vergangenheit, es gab ein „War" und nicht nur ein „Jetzt". Einfach nur so zu existieren, ohne eine einzige Erinnerung an vergangene Stunden, Tage, Wochen und Monate, war grausam. Es war als würde man ihm den Boden unter den Füßen wegziehen, als würde man ihm seines Selbst berauben. Und jetzt, beim erneuten Aufwachen, fühlte er sich nicht mehr ganz so verloren. Diese eine winzige Erinnerung gab ihm die Kraft, auch seine Hand zu heben und die Dame vorsichtig am Knie zu berühren.
Sie las ein Buch, war völlig in der Geschichte oder der Abhandlung versunken. Doch als sie seine Hand fühlte, blickte sie auf, sah ihm in die Augen und lächelte ihn an. Ihr Lächeln strahle eine Zuversicht aus, die ihn belebte. Und er lächelte zurück.
Mit einem lauten Knall klappte sie das Buch zu und legte es neben ihn auf den Nachttisch.
„Nun, Remus", begann sie und beugte sich konzentriert über ihn. „Wie geht es Ihnen? Erkennen Sie mich wieder?"
Sein Lächeln wurde breiter und er nickte, dann schüttelte er den Kopf, schien einen Augenblick verwirrt.
Sie lachte herzlich. „Gut. Eine Frage nach der anderen. Erkennen Sie mich wieder?"
Remus nickte und ihr Lächeln strahlte ihn an. „Wissen Sie meinen Namen?" Sein Lächeln erstarb. In seinen Gedanken hatte er sie nur „Die Dame" genannt, aber an ihren Namen konnte er sich nicht erinnern. Es schien so, als müsse er ihn wissen. Vor seinem inneren Auge formten sich Buchstaben zu Wörtern, doch er schien vergessen zu haben, wie man sie las. Sie hatten zwar eine Bedeutung für ihn, aber er konnte sie nicht entziffern. Genauso gut hätten sie in chinesischen Schriftzeichen vor seinem inneren Auge tanzen können. Frustriert schüttelte er schließlich den Kopf.
Die Dame seufzte resigniert, besann sich dann aber wieder und gewann einen Teil ihres früheren Lächelns wieder. „Kein Grund zur Sorge, die Erinnerungen werden zurückkehren." Er nickte, teilte etwas von ihrer Zuversicht.
„Mein Name ist Poppy Pomfrey...", begann sie eine ausschweifende Erklärung über ihn, Hogwarts und die Krankenstation. Remus hörte interessiert zu, lauschte ihrer beruhigenden Stimme und ließ sich von ihr die Hand tätscheln. Sie endete schließlich mit einer Erklärung seiner kurzen Geschichte, so weit sie ihr vertraut war. Doch was genau passiert war, darüber schwieg sie sich aus. Auch als er sie fragend musterte, verneinte sie. Sie konnte die stumme Frage in seinen Augen lesen, doch eine Antwort, so erläuterte Madame Pomfrey, würde er später vom Direktor, dem älteren Herren, erhalten.
Remus, langsam gewöhnte er sich an diesen eigenartigen Namen, war mit dieser Erklärung zufrieden, schon wieder zu erschöpft, noch weitere Gedanken zu fassen. Bevor er einschlief, schenkte er der Medihexe noch ein dankbares Lächeln. Sie verdiente es, denn sie saß an seinem Bett und wachte über ihn. Und das machte Remus zufrieden und ließ ihn sich sicher fühlen.
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In den Kerkern
Severus Snape saß in seinem großen Sessel und beugte sich angestrengt über ein Buch, das er sich vor einigen Minuten aus der Bibliothek geholt hatte. Es behandelte verschiedene Flüche, sanfte Flüche, nicht die Unverzeihlichen.
Dennoch fand er nichts über die Anwendung des Stupors in Bezug auf Werwölfe. Er hätte sich in den Finger beißen können! Wie war er nur auf den absurden Gedanken gekommen, Remus mit einem Stupor anzugreifen. Er kannte ein ganzes Waffenarsenal anderer Flüche, aber nein, er musste sich ausgerechnet auf den Stupor stürzen.
Vielleicht lag es daran, dass es der erste Fluch war, den er gelernt hatte. Der Erste, der Kampfflüche, die wenigstens zu etwas zu gebrauchen waren. In seiner Schulzeit hatte er sich immer mit diesem Fluch verteidigt, dieser war ihm am Geläufigsten. Schlicht und einfach: Er beherrschte ihn wie aus dem FF.
Severus seufzte tief. Er hätte einen anderen anwenden können, die Folgen wären vielleicht anders verlaufen, aber das hatte er nicht. Nun war es an ihm, das, was er angerichtet hatte, wieder gerade zu biegen. Poppy Pomfrey war eine hervorragende Medihexe und es stand ihm nicht zu, ihre Fähigkeiten in Frage zu stellen, aber das ganze Desaster war seine Schuld. Er hätte Remus davon überzeugen müssen Albus zu Rate zu ziehen. Doch stattdessen waren sie alleine gegangen. Was hatte er damit beweisen wollen? Dass er auch ohne Albus Dumbledore in der Lage war, eine Situation zu kontrollieren? Dass er fähig war?
Vielleicht. Severus zuckte mit den Achseln und verfluchte seine eigene Selbstsüchtigkeit. Er hatte Remus beeindrucken wollen, hatte ihm helfen wollen. Und doch? Vielleicht...
Resigniert schlug Severus das Buch zu und knallte es wütend auf den Tisch. So konnte er doch nicht lesen. Seine Konzentration war im Eimer, ein guter Schluck Whiskey würde ihn beruhigen und seine aufgewühlten Nerven beruhigen.
Träge schlurfte er zum Regal und genehmigte sich einen großzügigen Schluck aus der dunkelbraunen Karaffe. Mit dem vollen Glas in der Hand ließ er sich in seinen Lieblingssessel vor den Kamin sinken, stützte den Kopf in die linke Hand und massierte sich gemächlich die Schläfen. Immer wieder nippte er an dem Glas und stellte bald zu seinem Ärgernis fest, dass es leer war.
Nun gut, er hatte sich vorgenommen, diese Flasche zusammen mit Remus zu leeren, also griff er zu dem billigeren Alkohol und verkorkte diese teurere Flüssigkeit wieder sicher und platzierte die Flasche als Mahnmal auf seinem Schreibtisch. Seinen Frust würde er heute Abend mit dem billigen Fusel ertränken, diese Flasche gebührte Remus.
Er seufzte wieder, ließ sich zum zweiten Mal in seinen Sessel sinken, in der einen Hand das Glas, in der anderen die Flasche. Und als das Glas leer war, ließ er es achtlos auf den Boden fallen und trank stattdessen aus der Flasche. Es spielte sowieso keine Rolle mehr.
