Kapitel 27

Zwischenwelt

Harry fühlte, wie er mit davongerissen wurde, und so Übelkeit erregend wie dieses Mal war es zuvor nie gewesen. Würgend knallte er auf steinigem Boden wieder auf die Knie. Später sah er, dass sie beide aufgeschlagen waren. Frische Luft! Er keuchte.

Hermione! Wo war sie?

Neben ihm stand Bill, der sich mit raschen Blicken orientierte. Sie waren auf einem schotterigen, schmalen Pfad aufgekommen, den von beiden Seiten wirr aufgetürmte Felsbrocken begrenzten.

"Komm, hier können wir nicht bleiben!", sagte Bill und wollte Harry mit sich ziehen.

"Halt, warte! Wo – wo ist Hermione? Ich – eben – da oben war sie noch bei mir", stammelte Harry.

Er konnte nicht klar denken. Gerade noch die Schreie, diese Feuerwand mit ihrer Hitze, die ihn zu überrollen drohte. Jetzt hier in der kalten Luft, irgendwo draußen. Immer noch nahm er die Welt um sich herum mehr in einzelnen Bildern wahr, die nicht viel miteinander zu tun haben schienen. Bills Ohrring. Die Schnur, mit der er den sich auflösenden Zopf im Nacken zusammengebunden hatte. Er musste sie aus seinem Hemd gezogen haben, denn das hatte eine Schnürung am Hals, die jetzt offen stand.

Ich werde verrückt, dachte er mit milder Überraschung.

Er wusste nur, er brauchte Hermione bei sich, um auch nur einen Schritt weiter gehen zu können.

"Harry!", drängte Bill. "Wir müssen –"

Seine Worte gingen unter, weil in dem Moment mehrere Personen gleichzeitig um sie herum apparierten.

"Harry! Harry, bist du hier irgendwo?"

Da, das war ihre Stimme! Unsagbar erleichtert sprang er auf die Füße. Er konnte nicht einmal antworten, aber das war auch nicht nötig. Sie hatte ihn schon entdeckt.

"Oh Harry! Du bist hier! Ich dachte schon –"

Sie fiel ihm in die Arme.

"Wo sind die anderen?", hörten sie Rons Stimme.

"Wir sind jedenfalls auch hier", antwortete George und kam mit Hagrid und Moody auf sie zu.

"Wir müssen wenigstens Deckung suchen", sagte Bill. "Hinter die Felsen da – kommt schon! Hier werden sicher auch Todesser apparieren! Jetzt macht schon!"

Er trieb sie alle vor sich her zu den Felsen am Rand des Pfades. Keine Sekunde zu früh, denn kaum waren sie dazwischen verschwunden, apparierten fünf, sechs Leute in schwarzen Kapuzenmänteln auf dem Weg.

"Verdammt – Avery, bist du das?"

"Steh schon auf! Und dann los, runter zu den Flößen! Bevor diese Meute aus dem Heerlager sie erreicht!"

Sie jagten davon, und die Steine unter ihren Füßen spritzten zu den Seiten auf.

"Was meinten die damit?", fragte Ron. "Wo sind wir überhaupt?"

"Wir sind in Azkaban", sagte Hermione an Harrys Schulter.

"Was!"

"Ja, sie hat Recht", sagte Hagrid düster. "Hab's schon oben vom Fenster aus gesehen."

"Die haben von Flößen geredet."

"Klar. Mit denen sind sie doch im Hogwarts-See aufgetaucht", sagte George finster. "Jetzt werden sie damit abhauen."

"Da! Da ist Neville! Und die Pomfrey!"

"Neville! Kommt hier rüber, wir sind hier! Kommt runter vom Weg!", rief Ron.

Madam Pomfrey dirigierte Neville energisch zu den Felsbrocken hinüber. Mit dem anderen Arm stützte sie immer noch Mrs Malfoy.

"Nun komm schon, Junge. Geh da rüber."

Neville stolperte an ihrer Seite zwischen die Felsen zu den anderen, die ihnen entgegensahen. Er weinte immer noch.

"Mann, Neville – ich kann's nicht glauben, dass du – hier bist. Ich meine –" Ron brach ab. Dass du noch lebst, hatte er sagen wollen. Ihm war selbst zum Heulen zumute.

"He, seht mal!", rief George, der auf einem der Felsen kauerte und gebannt nach oben sah. Noch während sie seinen Blicken folgten, loderte es über ihnen auf.

"Das ganze Ding geht in Flammen auf!", sagte George ehrfürchtig. "Was immer es auch war!"

Dann starrten sie alle hinauf, wo über gigantischen Mauern – hoch, aber bei weitem nicht so hoch, wie es eben von oben ausgesehen hatte – Voldemorts Festung in einem Feuermeer zusammenbrach. Die Flammen schlugen hinauf in den rasch dunkelnden Himmel, Funken wirbelten durch die Luft – noch glühende Stücke flogen über ihre Köpfe, einige gingen auf dem Pfad vor ihnen nieder. Das Feuer erhellte die Umgebung bis hier unten.

Sie konnten die Blicke nicht abwenden, obwohl jetzt weitere Todesser apparierten, schreiend, brennende Umhänge von sich werfend. Sie stürmten in Panik den Pfad entlang.

"Ob die anderen es geschafft haben?", flüsterte Madam Pomfrey.

Wie als Antwort sahen sie etwas weiter oben auf dem Weg Luna Lovegood erscheinen. Sie führte immer noch Harper.

"Luna! Luna, hier sind wir!"

Ron sprang wieder auf den Pfad hinaus und winkte. Neben ihm verbrannte ein Kapuzenumhang.

"Hi, Ron!"

Luna lächelte ihm entgegen. Es war irgendwie unglaublich, dass weder ihr langes Haar noch das flatternde Kleid Feuer gefangen hatten.

"Da kommen auch noch Professor Slughorn und Professor Sinistra. Die waren direkt hinter uns", sagte sie und beugte sich über einen der glimmenden Brocken, von denen eben ein ganzer Schauer niederregnete. "Da oben ist ein Tor in den Mauern. Der Weg hier führt direkt in diese Burg oder was das ist. Hier liegt übrigens ein Stück davon."

Sie wollte es mit dem Fuß anstoßen, aber Harper zog sie mit sich.

"Lassen Sie es, Miss Lovegood. Nicht anfassen", sagte sie.

Die anderen sahen immer noch hinauf in das Feuer, dessen Brausen die Luft erfüllte. Noch standen die hohen, schwarzen Mauern unberührt um die Festung, und wo der Feuerschein auf sie fiel, schimmerten sie golden. Es erschien ihnen wie ein Hohn.

"Das soll Azkaban sein?", fragte Ron zweifelnd. "Ich weiß nicht. Habt ihr gesehen, wie sich da vorhin alles – verändert hat? Da oben, meine ich."

Seine Stimme war leise und irgendwie ängstlich, als befürchtete er, er habe das als Einziger festgestellt und litte unter Halluzinationen.

"Ja", sagte George. "Als wär's etwas Lebendiges gewesen, das er verhext hat."

"Genau", sagte Ron erleichtert.

"Das war ein riesiger Tintenfisch", sagte Luna einfach. "Ein Krake."

"Weißt du das auch wieder aus einem Traum oder was?", fragte Ron.

"Lass sie, Ron. Es stimmt", mischte sich überraschend Bill ein, der neben George auf den Felsbrocken gestiegen war und sich jetzt umsah. "Ich hab es in dem Moment gespürt, als wir da auf dem Fußboden in diesem Saal ankamen. Es war ein Tier, irgendwas Riesiges, aus dem Meer. Ich – ich konnte es riechen."

"Ganz recht, mein Freund!", sagte eine heisere Stimme vom Pfad her.

Sie fuhren herum und sahen entsetzt in das wölfische Gesicht des Mannes, der dort unbemerkt appariert war.

Harry erkannte mit einem traumartigen Erschrecken Greyback, der die Kapuze seines Umhangs zurückgeschlagen hatte und sie nun mit gierigen Blicken aus seinen grün funkelnden Augen ansah.

"Ich habe deine Instinkte geschärft, was?", wandte er sich mit einem zähnefletschenden Grinsen an Bill. "Eigentlich bin ich ganz dankbar für das, was ihr da eben angerichtet habt! Wird gut sein, wieder auf eigene Rechnung zu arbeiten! Und nun sieh an, was für Leckerbissen wir hier alles haben!"

"Vergiss es!", bellte Moody in diesem Moment und riss dem neben ihm stehenden Neville den Zauberstab aus der Hand.

"Stupor!", schrie er, und ein roter Strahl schoss auf Greyback zu.

Dieser wich aus und sprang mit einem seiner unglaublichen Sprünge auf einen Felsen hinter ihnen. Lachend hob er seinen eigenen Zauberstab, und dann peitschte ein grüner Strahl über die Felsbrocken weg. Moody war schon wieder in einen krampfartigen Hustenanfall verfallen und sah nicht einmal hin.

"Mr Moody! Vorsicht!", rief Luna und trat zu ihm, als wollte sie ihn zur Seite schieben – oder den Strahl mit den Händen abfangen.

Er traf sie in die Schulter.

"Luna!"

"Petrificus Totalus!", brüllte Bill, und sein Zauber traf.

Sie sahen, wie das Lachen aus dem bösartigen Gesicht wich, als der Werwolf taumelte und dann erstarrt, unfähig, sich irgendwo festzuhalten, nach hinten kippte – und verschwand.

Währenddessen knieten Ron und Hermione bei Luna. Harry und Neville standen hilflos daneben.

"Was ist mit ihr?"

"Das war doch kein Avada –?"

"Nein. Sie atmet noch", sagte Madam Pomfrey, die hastig hinzugekommen war.

Luna sah Harry an.

"Harry! Tut mir so leid für dich", sagte sie mit erstaunlich klarer Stimme. "Du musst unbedingt mit Professor Dumbledore sprechen."

Dann schloss sie die Augen.

"Luna!", schrie Ron auf. "Luna, wach auf! Komm schon!"

Madam Pomfrey hielt immer noch ihr Handgelenk.

"Still!", sagte sie knapp. "Sie lebt! Aber wir sollten sie sofort irgendwohin bringen, wo ich etwas für sie tun kann."

"Aber wie denn?", schrie Ron. "Wir sind hier mitten im – was sollen wir denn nur machen –"

"Da unten haben Schiffe angelegt", sagte Bill. "Wir warten nicht länger hier. Kommt, runter ans Meer."

"Aber –"

"Da sind Leute von uns angekommen, glaube ich. Jedenfalls kämpfen sie mit den Todessern", schnitt Bill Hermione das Wort ab.

Er sah hinunter, über den Pfad hinweg, der sich zwischen den Felsen hindurchschlängelte und steil hinunterführte. Weit unten konnte man in der von der brennenden Festung erhellten Dunkelheit einen schmalen, steinigen Kai erahnen. Zumindest rannten dort die Wellen nicht so wütend auf Felsspitzen auf. Und dort lagen tatsächlich zwei Schiffe.

"Von hier oben könnt ihr's sehen", rief George, der immer noch auf dem Felsbrocken stand. "Die kämpfen tatsächlich! Und da rennen auch noch 'ne Menge anderer Leute rum. Ich glaub – ich glaub, da sind sogar Kinder bei!", schloss er überrascht.

"Jetzt komm da runter. Wir gehen", sagte Bill knapp. "Sieht auch nicht so aus, als würde noch jemand apparieren."

Keiner sprach aus, was sie alle dachten. Sie waren noch nicht vollzählig. Aber da oben war nur noch dieses Flammenmeer –

"Vielleicht sind ja auch ein paar von uns woanders appariert", sagte Bill leise, als er ihre Blicke sah. "Wir müssen jedenfalls jetzt von hier weg! Luna braucht Hilfe, und – sie hier auch."

Er deutete auf Mrs Malfoy, die kraftlos an Madam Pomfrey gelehnt dastand. Sie hatte noch kein Wort gesagt. Aber Harry sah, wie sich jetzt ihre Lippen bewegten.

Draco! Sie hat bemerkt, dass er nicht hier ist, ging es ihm durch den Kopf.

Ron hob indessen Luna auf. Hermione nahm Harrys Hand.

Sie traten auf den Pfad hinaus. Über ihren Gesichtern lag dumpfe Betäubung.

"Haben alle einen Zauberstab?", fragte Bill.

"Die meisten", sagte George.

Slughorn klopfte sich immer noch Asche und Brandflocken von seinem ohnehin rettungslos schmutzigen Umhang und fingerte nervös an dem Zauberstab in seinen Händen, den er mit skeptischen Blicken betrachtete.

"Ich bin es nicht gewohnt, mit einem anderen als meinem eigenen Zauberstab zu zaubern", murmelte er.

"Seien Sie lieber froh, dass wir die Dinger überhaupt wiederhaben", erwiderte George grob. "Das war ein verdammter Zufall, dass ich die da hab liegen sehen! Er muss sie irgendwie bei sich gehabt haben! Tauschen können wir später."

"Woher wollen Sie wissen, dass das unsere sind?", fragte Professor Sinistra, die sich, immer noch leicht hinkend, auf Slughorn stützte. "Zuletzt haben wir sie doch in Hogwarts gesehen, auf einem Stapel vor – vor –"

"Das ist richtig", sagte Harper. "Er hat sie mitgenommen. Verkleinert und eingesteckt. Ich war dabei, als er das getan hat. Wir können also vermutlich davon ausgehen, dass das Ihre Zauberstäbe sind."

"Na also, da hört ihr's", sagte George, der offenbar das Gefühl hatte, seine Entdeckung werde nicht gebührend gewürdigt. Aber Slughorn warf Harper einen merkwürdigen Blick zu.

Harry dachte flüchtig daran, dass sein eigener Zauberstab jetzt wahrscheinlich schon verbrannt war, da oben in diesem unheimlichen Saal. Sein Zauberstab – und wohl auch sein Tarnumhang. Er brachte es nicht einmal über sich, Hermione danach zu fragen.

Aber so sehr berührte es ihn auch nicht. Er stellte es nur fest, während er da dicht an Hermione geschmiegt in der Düsternis stand. Auch sie sagte nichts. Im Moment war es genug, dass er ihren Arm um sich spürte.

"Also, los jetzt", sagte Bill schließlich, nachdem er seinen Blick über die stumm beieinander stehenden Leute hatte schweifen lassen. Sie schienen sich ohne Worte darauf geeinigt zu haben, dass er hier das Sagen hatte. "George, Alastor, Hagrid – ihr geht voran. Ich werde den Schluss bilden. Wer keinen Zauberstab hat, geht hier zwischen den anderen! Keiner appariert! Wir wissen nicht, was uns da unten erwartet."

Sie gingen an ihm vorbei, bis nur noch Harper neben ihm zurückblieb.

"Bevor wir gehen, sollten Sie das hier an sich nehmen", sagte sie und hielt Bill das Medaillon entgegen. "Ich denke, das wird vielleicht die neue Aufgabe des Phönixordens sein."

Bill starrte sie an, dann streckte er zögernd die Hand aus und nahm das Medaillon entgegen, in dem sich nun das letzte Stückchen von Voldemorts Existenz befand.

"Nehmen Sie meinen Arm", sagte er, als sie sich abwenden wollte. "Ich führe Sie."

oooOOOooo

Der Pfad bot kaum mehr Platz als für zwei, drei Leute nebeneinander, und sie fühlten sich zwischen den hoch aufragenden Felsen zu beiden Seiten eingeengt. Der Weg war rutschig, voller loser Steine und hatte immer wieder sehr steile Abschnitte.

"Da – vor uns! Da kommen Leute!", rief George plötzlich.

Sie sahen es alle. Das waren keine versprengten Flüchtlinge, die blindlings auf dem Weg apparierten. Sie kamen ihnen im Laufschritt entgegen, in Formation, entschlossen und beängstigend.

"Das sind – Magische Brigaden!", sagte Slughorn plötzlich. "Na endlich! Das Ministerium schickt Hilfe!"

"Die Kavallerie trifft ein! So heißt das doch, Harry, oder?", rief George nach hinten.

Harry bekam es gar nicht mit. Seit sie losgegangen waren, standen in ständigem Wechsel Bilder aus den vergangenen Stunden vor seinen Augen wie stumme Schnappschüsse. Er musste sich mit Mühe davon losreißen, um überhaupt zu sehen, wer da kam.

Der Trupp erreichte sie wenige Sekunden später.

"Halt!", rief der Anführer seine Leute zum Stehen. "Na, was für ein Glück! Sie sind es! Mr Moody! Was ist mit Ihrem Auge geschehen? Und Sie – Sie müssen Hagrid sein. Man hat Sie mir beschrieben. Sie werden schon erwartet."

"Wo kommen Sie her?", fragte Moody heiser. "Wenn wir hier wirklich in Azkaban sind – wie sind Sie durch den Nebel gekommen?"

"Das müssen Sie uns alles erklären – später! Der Nebel hat sich einfach aufgelöst, vorhin. Hatten da jetzt seit Wochen patrouilliert. Kein Durchkommen. Und dann plötzlich – als wär' er nie da gewesen!"

Die Flüchtlinge sahen einander stumm an.

"Sind noch mehr Leute da oben?", fragte der Mann.

"Wir wissen es nicht", antwortete Bill, der mit Harper nach vorne gekommen war.

"Na dann – wir sind auf dem Weg – da rein. So weit wir eben kommen", erwiderte der Mann mit einem skeptischen Blick auf die Flammenwand über den Felsen. "Haben Sie Verwundete?"

"Ja. Zwei, die dringend Versorgung brauchen", meldete sich Madam Pomfrey.

"Gehen Sie so schnell wie möglich zum Hafen runter. Wir haben Schiffe dort. Schon jede Menge gefangene Todesser an Bord. Und diese anderen armen Hunde", sagte er voller Widerwillen. "Da sind Frauen und Kinder dabei – sagen, sie wären das Heer von – von ihm. Sie wissen schon. Na, wir haben 'ne Menge von diesem Heer gehört in den letzten Tagen!"

Ihm ging erst allmählich auf, dass die Leute, denen er gegenüberstand, eigentlich überhaupt nicht begriffen, wovon er sprach.

"Kommen Sie klar?", fragte er Bill, der ihm noch am aufnahmefähigsten erschien. Er warf einen zweifelnden Blick über die übrige Gruppe, dem Harry ziemlich genau entnehmen konnte, wie ihr versprengtes Trüpplein wohl aussehen musste.

Der Mann wandte sich denn auch zu seinen Leuten um, die wartend da gestanden hatten.

"Jones, Wilbur – nehmen Sie sich noch zwei Mann und begleiten Sie die Leute hier runter zu den Schiffen. Die stehen alle unter Schock."

Dann sah er wieder Bill an.

"Nehmen Sie sich am Hafen in Acht. Da tauchen immer noch Todesser auf. Verdammte Brut. Sehen Sie zu, dass Sie denen nicht ins Messer rennen."

"Wir passen auf", sagte Bill.

Der andere nickte. Bei seiner nächsten Frage verlor seine Stimme den militärischen Ton.

"Stimmt es, was sie sagen? Er – er – Voldemort – ist – vernichtet?", fragte er, scheinbar gegen seinen eigenen Willen.

"Ja", antwortete Bill ruhig. "Das stimmt."

Sie sahen das Aufleuchten in den Augen des Mannes.

"Los, Männer! Es geht weiter!", rief er.

Und während sich der Trupp der Magischen Brigaden wieder in Bewegung setzte und weiter den Weg hinauflief, blieben vier von ihnen bei den Flüchtlingen zurück und nahmen sie sozusagen in die Mitte.

Als sie mit dieser Eskorte weitergingen, wandte sich Hermione, die nicht länger warten konnte, an den Mann, der neben ihnen ging.

"Bitte – sagen Sie – wissen Sie was von Hogwarts?"

"Hogwarts – klar! Da ist zur Zeit das halbe Ministerium versammelt, glaube ich. Scrimgeour soll selbst da sein, hab ich gehört. Riesenaufruhr dort!"

Alle hatten zugehört. Nun prasselten die Fragen nur so auf den armen Mann los.

"Sind die anderen in Sicherheit?"

"Hat er Hogwarts nicht zerstört?"

"Haben sie die Schutzräume schon geöffnet?"

"Was ist mit den Dementoren?"

Diese Frage blieb im Raum stehen

"Ich denke, Sie sollten mit den Fragen warten, bis wir an Bord sind", sagte einer der Männer schließlich. "Machen Sie sich jetzt erst mal keine weiteren Sorgen."

"Die Dementoren!", platzte Neville da heraus. "Die Dementoren! Wo sind die denn jetzt?"

"Es wurden seit zwei Tagen keine mehr gesichtet", sagte Jones, ihr neuer Anführer. "Wir hatten eigentlich erwartet, dass sie alle hier sind."

"Sind sie auch", keuchte Neville. "Ich hab sie selbst gesehen."

"Bisher ist jedenfalls noch keiner gesehen worden", erwiderte Jones beruhigend. "Kommen Sie jetzt, je schneller Sie von hier weg kommen, desto besser."

Hermione streckte ihre freie Hand nach Neville aus. Aber er sah es nicht einmal, sondern ging blicklos weiter.

"Da – ich glaub, da liegt noch einer!", rief Hagrid von weiter vorn und deutete auf ein dunkles Bündel, das ganz am Rand des Weges lag, halb versteckt zwischen den Felstrümmern dort.

"Halt! Seien Sie vorsichtig, das könnte ein Todesser sein!", rief Jones, der vorangegangen war und nun Hagrid nacheilte.

"Ist es einer?", fragte George, während Hagrid sich über den leblosen Körper beugte und ihn schließlich vorsichtig herumdrehte.

"Nein. Das heißt – ich weiß nich' – es is' Snape!", rief er völlig überrascht.

"Ist er tot?", fragte Harry, ohne selbst zu wissen, welche Antwort er hören wollte. Er war unwillkürlich stehen geblieben.

"Nee. Aber viel fehlt wohl nich'. 'ne Menge Blut hier", murmelte Hagrid.

"Lass ihn liegen", sagte Ron hart. "Soll er doch hier sterben, wo er selbst hingegangen ist!"

Hermione sah ihn vorwurfsvoll an. Aber in Ron war eine neue Härte.

"Was guckst du mich so an?", fuhr er sie an. "Es stimmt doch! Er hat Dumbledore ermordet und ist dann zu seinem Dunklen Lord gerannt! Der ist fertig! Und wenn du mich fragst, gut so!"

"Seh' ich genauso", sagte Moody grimmig.

"Nein, hört auf", mischte sich Harry lahm und mit krächzender Stimme ein. Konnte man so müde sein? "Es war Snape – er hat mir diesen Zauber zugespielt – den von eben –"

"Was!"

Ron starrte ihn an, als sei er übergeschnappt.

Harry konnte nur nicken. Auch Hermione sah ihn verwundert an.

"Im Tränkebuch – Buch des Prinzen –", seine Stimme brach. "Kann jetzt nicht darüber reden. Später –"

"Sie sagen, das ist Snape – Severus Snape? Der Mörder von Dumbledore?", kam nun endlich Jones zu Wort, der dem Gespräch ungläubig gefolgt war. "Wir haben einen Haftbefehl gegen ihn! Er ist in jedem Fall mitzunehmen!"

"Ich mach' das schon", sagte Hagrid entschlossen. Er hob den reglosen Körper auf. Der Boden um ihn herum war dunkel von Blut. Sie sahen mit Schaudern, wie Snapes Kopf über Hagrids Arm nach hinten fiel. Madam Pomfrey ging mit ihrer Patientin ziemlich demonstrativ weiter.

"Dumbledore hätt' das nich' anders gewollt", sagte Hagrid leise. "Hätt' ihn nich' hier gelassen. Egal, was war."

Dann stapfte er den Weg hinunter, dem Kai entgegen. Harry und Hermione sahen ihm nach, wie er Snape wie ein Kind davontrug. So hatten sie ihn auch schon Dumbledore tragen sehen – und Lupin –

Jones folgte ihm dichtauf; er befürchtete wohl, sie könnten ihm entkommen.

"Der ist hinüber", sagte George.

"George!"

"Du hast ihn nicht gesehen, Hermione. Wie er neben seinem Herrn und Meister stand und zusah, wie seine Leute uns alle zusammengetrieben haben. Seine eigenen Kollegen und Schüler. Hagrid hätt' ihn da übrigens auch ganz gern erledigt."

"Und meinen Zauberstab hat er auch auf dem Gewissen", sagte Ron. "Das nur nebenbei."

"Kommt jetzt weiter!", drängte Bill.

Sie schlossen sich ihm nur zögernd an.

"Diesen Zauber hattest du von Snape?", fragte Hermione, die es immer noch nicht glauben konnte.

"Er hatte ihn in sein Tränkebuch geschrieben. Auf 'ner Seite, auf der es mir auffallen musste. Wo er auch Sectumsempra drauf gekritzelt hatte. Ich hatte die Seite mal umgeknickt. Und er wusste, dass ich Sectumsempra kannte. Und im letzten Schuljahr – bevor ich das Buch versteckt hab, meine ich – da war der Zauber noch nicht drin, der andere, meine ich. Der von – vorhin. Er hat's erst danach reingeschrieben – nachdem –"

Harry brach ab. Nachdem die Worte so hervorgesprudelt waren, hatte er das Gefühl, keine Kraft mehr zu einem einzigen weiteren Satz zu haben.

"Heißt das – er war also doch – auf unserer Seite?", fragte Hermione zögernd.

Harry starrte vor sich hin.

"Irgendwie. Vielleicht. Versteh's auch nicht. Vielleicht hat er auch nur jemanden gebraucht, der für ihn die Dreckarbeit erledigt. Damit er dann selbst an Voldemorts Stelle treten konnte."

"Meinst du wirklich? Warum hast du dann –"

Der Mann, der das Ende ihrer Gruppe bildete, blieb bei ihnen stehen.

"Gibt's ein Problem? Brauchen Sie Hilfe?", fragte er Hermione, die immer noch nicht richtig auftreten konnte.

"Nein, nein", murmelte sie. "Ist schon gut. Wir gehen ja schon."

"Dann kommen Sie zügig weiter! Wir müssen so bald wie möglich von hier ablegen. Wir haben mehrere Schwerverletzte und brauchen Heiler!"

Sein Blick streifte Ron, der vor ihnen herging und Luna trug. Sie sah aus, als schliefe sie.

Sie setzten ihren Weg zum Meer fort. Die Dunkelheit war nun voll hereingebrochen.

"Ich konnt' es sowieso nie glauben, dass Snape Dumbledore wirklich verraten hat", sagte Hermione auf und erwiderte kampflustig Rons Blick, den er ihr mit hochgezogenen Augenbrauen über die Schulter hin zuwarf.

"Er hat ihn ermordet", sagte Harry hart. "Ich war dabei. Sollen die im Ministerium ihn verurteilen. Ich – ich will ihn nie mehr sehen –"

"Du hast die Sache beinahe aufs Spiel gesetzt wegen ihm", sagte sie leise. "Warum? Ich dachte – ich dachte, du würdest ihn – töten!"

Er zuckte die Schultern. Dann brüllte er völlig unerwartet los.

"Ich weiß es nicht, verdammt! Frag mich das nicht! Ich weiß es nicht, ich weiß es nicht!"

"Wieso hast du übrigens auf einmal einen neuen Patronus?", fragte Ron, unbeeindruckt von Harrys Gebrüll.

"Was? Was soll der Blödsinn? Der war genau wie immer. Ihr habt ihn doch gesehen!"

"Das war aber kein Hirsch!"

"Klar war das ein Hirsch. Und jetzt lasst mich in Ruhe damit!"

"Harry – das war kein Hirsch", sagte auch Hermione. "Das war ein Einhorn."

"Nein", sagte Harry, und es klang wie ein Schrei. "Schluss damit!"

oooOOOooo

Schweigend setzten sie ihren Weg fort. Sie waren nun so nahe beim Hafen, dass sie das eine der beiden Schiffe sehen konnten. Es war nicht besonders groß und sah aus wie eine Kreuzung aus einem Ausflugsboot für Besichtigungstouren und einem Frachtschiff. Es war hell beleuchtet, und eine Menge Leute war geschäftig unterwegs.

Als sie zwischen den Felswänden hinaus auf den kleinen Kai traten, war der Szenenwechsel wieder so abrupt, dass sie benommen anhielten. Wenn nicht die Leute von der Magischen Brigade bei ihnen gewesen wären, wären sie vermutlich einfach gaffend stehen geblieben.

Gefesselte Gestalten in Kapuzenumhängen. Mehrere zerlumpte Frauen mit weinenden Säuglingen. Verwahrloste Kinder, die viel zu dicht an der ungesicherten Kaimauer herumlungerten. Ein paar Männer, die ebenfalls gefesselt waren und auf dem Boden saßen, erschöpft, besiegt. Ein Stapel Zauberstäbe und kuriose Waffen. Harry erkannte ein Samuraischwert und fragte sich wieder einmal, ob er langsam den Verstand verlor.

Dann kamen zwei Männer auf sie zu.

Jones erstattete ihnen Bericht.

"Hier sind die Leute von Hogwarts. Hoffentlich sind das jetzt alle. Larkins ist mit seinen Männern noch rauf in die Festung gegangen."

"Da wird er nicht mehr viel machen können. Brennt alles, bis auf die Außenmauern. Unglaublich, was der hier aufgebaut hat!", schloss der Mann. "Diese Mauern! Hätten wir nie so hinbekommen! Konnten sie übrigens bestätigen, was die Leute hier schon berichtet haben?"

"Ja", sagte Jones. "Anscheinend ist es richtig. Er – Voldemort ist vernichtet."

Für einen Moment standen sie alle schweigend da und sahen einander an. Es war, als sickere diese Erkenntnis jetzt erst allmählich in ihr Bewusstsein. Irgendjemand schluchzte auf.

Ein Zischen kam aus der Gruppe der gefesselten Todesser.

"Da ist er! Potter!", hörte Harry jemanden sagen.

"Wir kriegen dich doch noch, eines Tages!", schrie einer schrill herüber. "Dann wirst du das büßen, Halbblut!"

"Silencio!", schnippte Jones lässig hinüber. "Die kapieren's einfach nicht. Selbst jetzt noch –"

"Sie haben Verletzte?", sagte der andere Mann zu Bill.

"Ja. Zwei. Nein, drei."

"Wir haben Snape!", fiel es Jones wieder ein. "Ist das zu fassen? Lag da einfach am Wegrand. Hier, der Große hat ihn!"

"Snape? Unglaublich! Nach all den Monaten!"

"Er is' schwer verletzt", sagte Hagrid. "Ich glaub, er stirbt."

"Kommen Sie jetzt erst mal an Bord. Wir bringen nur noch die Todesser rauf. Dann legen wir ab."

"Sind das alle?"

"Livingston hat das ganze Schiff voll. Die hier sind der letzte Rest. Natürlich sind zu Anfang eine Menge Leute entkommen, auf den Flößen. Wer konnte auch damit rechnen, dass die diese Karkaroff-Nummer draufhaben", schloss er empört.

Harry fühlte, wie seine Aufmerksamkeit, die ganz kurz noch einmal aufgeflammt war, wieder erlosch. Er konnte einfach nichts mehr aufnehmen. Er wollte nur noch an Bord dieses Schiffes gehen, sich irgendwo in eine Ecke setzen und nichts mehr hören und sehen. Mussten die jetzt hier rumstehen und die Ereignisse des Tages bequatschen?

Er hatte die Augen wohl tatsächlich für einen Moment geschlossen, denn auf einmal fand er sich auf der Landungsbrücke des Schiffes wieder, fest in Hermiones Arm.

"Nicht einschlafen, Harry", sagte sie sanft. "Du hast es gleich geschafft. Nur noch ein paar Schritte."

Er stolperte weiter und kniff die Augen zusammen, als er in die Helligkeit des Schiffsraums hinein trat. Eng war es hier, und der Boden schwankte unangenehm. Sie standen wieder alle herum, blinzelten ins Licht, wussten nicht, wohin. Zwei Frauen kamen ihnen entgegen, beide in der Uniform der Brigaden.

"Sie sind Heilerin?", wandte sich die eine von ihnen an Pomfrey. "Kommen Sie mit, wir brauchen Sie dringend. Und die anderen – bringen Sie sie an Deck, Helen. Wir haben unter Deck praktisch alles voll. Oben haben sie wenigstens frische Luft."

Ein paar schmale, steile Treppen, niedrige Decken. Schwankender Horizont vor den Fenstern. Dann wieder die kalte Nachtluft. Holzdielen unter den Füßen, feucht und rutschig von der Gischt. Am Himmel die ersten Sterne. Und da – da war noch etwas. Harry riss seine müden, unwilligen Augen auf, als er an Hermiones Arm über das Deck schlitterte.

"Siehst du das auch?", fragte er mit kratziger Stimme.

"Ja. Sieht aus – ein bisschen wie – damals nachts."

Hoch oben über ihnen flammten winzige blassgrüne Funken auf und verloschen wieder. Es hätten Sternschnuppen sein können, aber es waren viele, und es wurden immer mehr.

"Komm jetzt. Wir setzen uns da an die Reling."

Sie kauerten sich an die hölzerne Wand und rückten so eng wie möglich aneinander. Harry schloss einfach die Augen.

"Heißer Tee und Decken! Bedienen Sie sich!", rief jemand.

"Ich hole uns Tee", sagte Hermione. "Harry?"

Sie löste sich vorsichtig von ihm und stand auf.

Ich hab eben Lord Voldemort erledigt, und jetzt krieg ich 'nen heißen Tee, dachte Harry und unterdrückte ein Kichern.

Da war Hermione schon wieder. Sie drückte ihm einen Becher in die Hand und legte eine schwere, rauhe Decke um ihn.

"Dean, Seamus und Ernie sind auch da. Und Draco und Pansy", sagte sie leise. "Die Auroren – du weißt schon, die in Hogwarts waren – die waren bei der Gefangenengruppe. Mit denen sind einige anscheinend gleich hier an den Hafen appariert."

Harry trank einen Schluck heißen Tee. Überrascht merkte er, dass er weinte. Oder dass jedenfalls Tränen aus seinen Augen liefen.

Er stellte den Becher hin und schlug die Hände vors Gesicht.

oooOOOooo

Unter Deck stürzte sich Madam Pomfrey mit erstaunlicher Energie in die Arbeit. Der schmale Raum war voll gestopft mit Notlagern, auf denen Verwundete lagen. Einige von ihnen waren unverkennbar schwer verletzt.

"Sie müssen unbedingt was für Luna tun!", sagte Ron heiser. Er konnte sich kaum noch auf den Beinen halten, und als er Luna auf einem weiteren Notlager abgelegt hatte, wäre er beinahe gestürzt.

"Ich tue, was ich kann, Mr Weasley. Gehen Sie jetzt rauf an Deck und setzen Sie sich zu den anderen. Hier sind Sie im Moment nur im Weg!"

Ron warf noch einen Blick auf Lunas Gesicht, das voller Ruß war, aber sonst ganz entspannt wirkte.

"Sie schläft, Mr Weasley. Ich glaube, wir sind alle ziemlich erschöpft. Und jetzt raus hier."

"Ich geh ja schon", murmelte er und stieß beinahe mit Hagrid zusammen, der den Kopf einziehen musste, um nicht an die Decke zu stoßen, und fast die ganze Breite des Raumes einnahm. Er trug immer noch Snape.

Ron wich zurück, als er Snapes Bein sah.

"Was is' mit ihm?", fragte Hagrid schließlich, als Madam Pomfrey ihn keines Blickes würdigte, sondern sich daranmachte, für Narcissa Malfoy ein Lager herzurichten. "Er braucht Hilfe."

Pomfrey warf ihm einen kurzen Blick zu.

"Ich kümmere mich um ihn, wenn ich Zeit habe! Sie sehen ja selbst, was hier los ist. Kein Platz mehr! Bringen Sie ihn zu den anderen Todessern. Oder meinetwegen auch an Deck. Fliehen wird er ja wohl nicht mehr."

oooOOOooo

Ron drückte sich im Gang an seinen Brüdern und Harper vorbei, die da mit zwei Männern von den Magischen Brigaden zusammenstanden. Nur jetzt nicht mehr mit jemandem reden müssen!

Als er an Deck trat, sah er Harry und Hermione eng umschlungen an der Reling sitzen und fühlte einen heftigen Stich in der Brust. Beinahe wäre er wieder umgekehrt. Aber als hätte sie seine Anwesenheit gespürt, sah Hermione auf und direkt in seine Augen.

Und endlich, endlich setzte er sich in Bewegung und kam zu ihnen herüber. Wortlos ließ er sich neben Hermione auf die Planken fallen. Sie legte einen Arm um ihn und zog ihn an sich.

"Das Schiff hat abgelegt. Wir fahren!", sagte er rauh, wich Hermiones Haar aus, das kitzelnd sein Gesicht streifte, und griff nach Harrys Teebecher.

Hagrid kam an Deck. Er stand einen Moment da und sah sich suchend um, dann ging er in eine windgeschützte Ecke hinüber und legte seine Last dort ab.

"Wieso bringt er Snape denn hier rauf?", fragte Hermione entrüstet.

"Unten ist alles belegt. Die Pomfrey sagt, sie sieht nach ihm, wenn sie Zeit hat", murmelte Ron und trank in tiefen Zügen Harrys Teebecher leer.

Hermione schüttelte den Kopf, aber sogar sie war zu erschöpft, um ein weiteres Wort an die Sache zu verlieren.

Hinter Hagrid war Neville erschienen, der jetzt ziellos über das Deck wanderte. Er schien nicht einmal zu sehen, wo er hintrat, und fiel fast über Draco und Pansy.

"Neville!", rief Hermione und winkte ihm. "Hier sind wir! Komm rüber!"

Er blickte mit trüben Augen auf und kam dann tatsächlich zu ihnen, mit schlingernden Schritten, als sei er betrunken. Als er Harry sah, verzog sich sein ohnehin ziemlich verzerrtes Gesicht noch mehr.

"Warum haben wir ihn nicht getötet?", rief er. "Harry, sag mir das! Warum hast du ihn nicht getötet?"

"Neville, komm! Beruhig dich. Setz dich, Mann", versuchte Ron ihn zu beschwichtigen.

"Wir haben versagt!", schluchzte Neville auf. "Wir hätten sie rächen müssen, all die Toten! Warum hast du mich nicht gelassen? Ich wollte ihn umbringen! Ich wollte nichts so sehr wie ihn töten! Und ich hätt's auch gemacht!"

Harry schluckte. Ja, warum hab ich ihn nicht getötet?

Er hatte sich diese Frage selbst gestellt. Eigentlich tat er die ganze Zeit nichts anderes ...

"Warum? Warum haben wir's nicht gekonnt? Ich versteh das einfach nicht!"

"Ich weiß nicht, Neville", krächzte Harry.

Er hatte auf einmal wieder Kreachers Gesicht im Todeskampf vor Augen. Und auch Snapes Blick, als die Inferi über ihn hergefallen waren.

"Er hat deine Eltern getötet! Und meine hat er foltern lassen! Und wir haben ihm noch nicht mal ein Haar gekrümmt. Ich wollte, dass er blutet! Ich wollte ihn leiden sehen!", brüllte Neville und schlug mit der geballten Faust gegen die Reling, dass es krachte.

"Jetzt dreh nicht durch", sagte Ron. "Setz dich einfach hin."

"Wer weiß, vielleicht hätte – das Avada Kedavra auch gar nicht mehr gewirkt –?", warf Hermione zögernd ein.

"Und wenn, dann könnte Harry jetzt wahrscheinlich den Rest seines Lebens in Azkaban verbringen", sagte Ron trocken.

Ein Standpunkt, den Harry noch gar nicht bedacht hatte und der ihm auf einmal ungeheuer komisch vorkam. Einen Moment lang musste er sich wirklich zusammenreißen, dass er nicht mit dem Gelächter herausplatzte, das ihn plötzlich in der Kehle kitzelte. Aber Nevilles Anblick ernüchterte ihn schnell wieder. Er konnte seine Qual nur zu gut verstehen.

"Er sollte bezahlen für alles! Und wir haben ihn leben lassen!"

"Er lebt nicht mehr", sagte Harry stumpf.

"Aber richtig tot – richtig tot ist er doch auch nicht, oder?", schrie Neville, und seine Worten gellten über das Deck. "Und wenn, dann war's zu leicht!"

Neville warf sich auf den Boden und heulte wie ein Kind. Nur, dass es nicht komisch war. Harry sträubten sich die Haare. Und er fühlte sich wie gelähmt. Er wusste nichts, was er hätte sagen oder tun können. Hatte Neville nicht Recht?

Hatte nicht sogar Dumbledore gesagt, er werde Voldemort töten müssen, eines Tages?

Ja, das hatte er.

Aber Harry hörte plötzlich wieder die leise Stimme in sich, die er auch in diesem Saal gehört hatte, eben, vorhin, vor tausend Jahren. Dieselbe Stimme, die ihr leises, aber entschiedenes Nein gesagt hatte, als Neville ihm seinen Zauberstab entrissen und zum Avada Kedavra angesetzt hatte. Das war eine Stimme gewesen, die er nicht gekannt hatte, obwohl sie wiederum auch vertraut geklungen hatte – eine Stimme wie aus Träumen.

Und während er zusah, wie Hermiones Hand den weinenden Neville streichelte, weil das alles war, was es im Moment an Trost für ihn geben konnte – während er hier inmitten der Überlebenden saß und über ihnen Voldemorts Entrückungszauber sich in einen Schauer von grünen Funken auflöste wie ein großes Feuerwerk – da erkannte er, dass das seine eigene Stimme gewesen war.

Er hatte sich entschieden. Auch das hatte Dumbledore gesagt – dass er frei sei, seine eigene Entscheidung zu treffen. Und das hatte er getan.

Er würde nicht töten. Es gab andere Wege, jemanden zu vernichten – auch diese Worte hatte er im Ohr, ohne dass er sich im Moment daran erinnern konnte, wer sie ausgesprochen hatte und wann. Aber er würde nicht töten. Er würde nicht dieselbe Waffe aufheben, die seine Eltern getötet hatte und Dumbledore und wer weiß wie viele andere. Es musste ein Ende damit sein.

Und da war auch noch etwas gewesen, das er aber nicht in Worte fassen konnte. In dem Moment, als er Voldemort da hatte liegen sehen, seiner Kräfte, seiner körperlichen und fast seiner ganzen seelischen Existenz beraubt, als er ihm als ein Baby erschienen war, da hatte sich eine Erkenntnis in ihm geformt. Er hatte gewusst, dass es richtig war, ihn nicht zu töten.

Ich zweifle nicht mehr, dachte er überrascht. Ich habe das Richtige getan. Auch wenn es nicht das war, was sie von mir erwartet haben. Und irgendwann, irgendwann werde ich auch den Mut haben, Hermione zu fragen, ob sie wirklich meinte, ich hätte ihn töten sollen!

Jetzt jedenfalls wollte er einfach nur so nah wie möglich bei ihr sitzen und sich dem beinahe einschläfernden Schwanken des Schiffes überlassen, das langsam auf die See hinaussteuerte.

Er war der Einzige, der einen Blick zurückwarf zu der Insel, die allmählich hinter ihnen in der Nacht verschwand. Noch konnte man das Feuer wüten sehen, aber es schien nichts mehr mit ihm zu tun zu haben.

Wir haben überlebt, dachte er erstaunt.

Er wandte sich zu den anderen um. Da saßen sie alle in kleinen Grüppchen zusammen, schweigend, mit den betäubten Gesichtern von Leuten, die eben eine Katastrophe überstanden haben.

Das Feuerwerk aus grünen Funken, das hoch oben über ihnen begonnen hatte, lenkte ihre Blicke immer wieder zum Himmel. Bald schienen die Funken immer tiefer zu fallen, bis sie wie ein Regen über dem Meer niedergingen.

oooOOOooo

Als Letzte kamen schließlich auch George und Bill an Deck. Und mit ihnen kam Harper, von Bill noch immer am Arm geführt.

"Ist Snape hier?", fragte sie.

"Jo, hab ihn hier hingelegt", meldete sich Hagrid.

"Verstehe. Seine Behandlung hat wohl zur Zeit keine Priorität. Führen Sie mich zu ihm", sagte sie zu Bill.

Hagrid saß mit ernstem Gesicht neben Snape, der sich nicht mehr bewegt hatte.

"Hier ist er", sagte Bill. "Können Sie was für ihn tun?"

"Ich weiß es nicht. Ich bin kein Heiler."

Harper ging neben ihm in die Knie. Vorsichtig berührte sie das zerfleischte Bein und zuckte zurück, als sie das Blut fühlte.

"Blutet das etwa immer noch?", fragte sie scharf. "Und die Pomfrey hat trotzdem die Behandlung abgelehnt?"

"Ja. Glaub schon", erwiderte Hagrid und blickte auf die Spur aus dunklen Tropfen, die sie auf dem Weg hierher auf dem Boden hinterlassen hatten.

"Haben Sie einen Zauberstab?"

Bill reichte ihr wortlos seinen.

Sie strich damit über das Bein und sagte einige leise Worte. Harry fragte sich, ob sie denselben Zauber anwandte, mit dem Snape damals Draco gerettet hatte.

"Das muss für jetzt reichen. Haben Sie Decken hier?", fragte Harper, während sie wieder aufstand. "Decken Sie ihn ordentlich zu, wenn Sie wollen, dass er diese Fahrt überlebt."

Dann wandte sie sich ab und ging mit unsicheren Schritten über das Deck. Ob es Zufall war oder ob sie die Anwesenden auf irgendeine Weise erkennen konnte – jedenfalls blieb sie ganz in der Nähe von Harry, Hermione und Ron an der Reling stehen und wandte sich dem Wind entgegen. Sie war nicht einmal über Neville gestolpert, der immer noch am Boden lag, aber nur noch leise vor sich hinweinte.

Harry wünschte, sie wäre gegangen. Ihre Gegenwart zwang ihn wieder zum Denken, und das wollte er nicht mehr. Es gab so viel, das er noch klären musste. Aber nicht heute. Nicht heute.

Harper ging nicht.

"Warum haben Sie das getan? Uns geholfen?", fragte Harry schließlich elend. Er wollte endlich heraus aus all diesen Wirrnissen und Unklarheiten. "Sie haben das Messer-Horcrux vernichtet – aber dann haben Sie mir gesagt, Ihre Aufgabe wäre damit beendet. Warum –?"

"Ich glaube, ich sagte, meine Aufgabe in Hogwarts sei beendet", erwiderte Harper leise.

Er sah, dass ihre Hände, die sie auf die hölzerne Reling gelegt hatte, zitterten. Es war das erste Mal, dass sie ihm wie ein menschliches Wesen erschien.

"Wie auch immer! Sie kamen mir nicht so vor, als hätten Sie vor, bei Lord Voldemorts Vernichtung mitzuhelfen! Immer weichen Sie aus! Ich will aber endlich wissen, woran ich bei Ihnen bin!", rief Harry wütend. "Und warum Sie nicht stärker eingegriffen haben, wenn Sie wirklich vorhatten, gegen ihn anzugehen!"

"Es tut mir leid, Mr Potter", sagte Harper in demselben leisen Ton wie zuvor. "Ich weiß nicht einmal genau, wie Ihnen denn nun eigentlich gelungen ist, was da heute geschehen ist. Ich kannte den Zauber nicht, den Sie angewandt haben. Obwohl ich einen Verdacht habe, woher er stammt."

"Das ist doch keine Antwort!"

"Was ich sagen will ist: Ich persönlich sah keine andere Möglichkeit als die Vernichtung der einzelnen Horcruxe. Und da musste ich sehr genau abwägen, was ich wann tun konnte."

"Was heißt das? Was wissen Sie denn eigentlich darüber?"

"Nicht genug. Ich wusste von dem Messer und dem Medaillon. Ich wusste, dass es wahrscheinlich mehr gab. Snape hat mir gegenüber angedeutet – ja, das war gestern erst, glaube ich – dass womöglich nicht mehr als ein oder zwei noch unbeschädigt seien."

Diese Information musste Harry erst einmal verdauen. Woher konnte Snape das gewusst haben?

"Warum haben Sie mir das Medaillon abgenommen und es dann nicht vernichtet?", fragte er dann.

"Ich hatte es vor. Verzeihen Sie mir, aber ich konnte nicht ahnen, was Sie da für einen Zauber im Gepäck hatten, Mr Potter."

"Heißt das, das waren gar nicht Sie, die das Medaillon vernichtet hat?", mischte sich Hermione ein.

"Nein. Ich hab das Messer vernichtet. Und Sie sehen ja, was dabei herausgekommen ist. Es ist mir gelungen, aber – nun ja. Ich war mir ziemlich sicher, dass ich bei einem weiteren Versuch – draufgehen würde. Deshalb musste ich – sagen wir, einen geeigneten Moment abwarten."

"Wollten Sie seinen Tod?", fragte Harry direkt und ziemlich aggressiv.

"Ich habe erst in dieser Festung wirklich begriffen, was er ist. Erst nachdem ich durch die Vernichtung des Messers blind geworden war", antwortete Harper langsam. "Er hat versucht, das Pendel anzuhalten, wenn Sie verstehen, was ich damit sagen will. Und das nicht mal für ein Ziel – er hatte gar kein Ziel mehr. Vielleicht hatte er nie eins. Er handelte aus nackter Angst vor dem Tod. Mit dieser Angst ist er geboren worden, und sie war vielleicht immer sein stärkster Antrieb."

"Er war ein Mörder! Das haben Sie doch immer schon gewusst!", rief Harry.

"Haben Sie nicht durch seine Augen gesehen? Dann haben Sie gesehen, was das Töten in seiner Welt bewirkte", erwiderte Harper.

"Er – er fühlte sich – wirklich", stammelte Harry, der es nicht anders ausdrücken konnte. Woher wusste sie, was er gesehen hatte?

"Gut gesagt, Potter. Die meisten Menschen suchen diese Bestätigung ihrer selbst, ihrer eigenen Wirklichkeit bei anderen Menschen – in Freundschaften, in der Liebe. Das konnte er nicht. Seiner Seele – fehlte sozusagen das Organ dafür. Er ist verstümmelt geboren", sagte Harper. Als sie fortfuhr, klang ihre Stimme so hart und entschieden, wie Harry sie noch nicht gehört hatte. "Er war eine blinde Seele. Man musste dem ein Ende machen."

"Aber – aber –", flüsterte Harry, und die Worte kamen beinahe gegen seinen Willen heraus, "daran ist er – doch nicht wirklich schuld. Oder?"

Harper schwieg eine ganze Weile, als suche sie nach Worten.

"Ich könnte jetzt antworten: Wir haben immer die Wahl", sagte sie schließlich. "Aber ehrlich gesagt, halte ich das nicht für eine aufrichtige Antwort. Es ist nur ein weiterer Versuch, fundamentale Ungerechtigkeiten wegerklären zu wollen. Weil wir die Wahrheit so schwer ertragen: dass eben nicht alle gleich geboren werden. Er kam als dunkle Seele auf die Welt – davon bin ich überzeugt. Und er hatte nie die Wahl, weil er die andere Möglichkeit gar nicht wahrnehmen konnte. Einen Blinden können Sie nicht wählen lassen zwischen der sichtbaren Welt und der Dunkelheit –"

"Aber er hätte nicht morden müssen –", rief Hermione, die dem Gespräch mit steigender Unruhe gefolgt war.

"Er war ein Monstrum", sagte Harper ruhig. "Er war – ist etwas, das von den Menschen ferngehalten und in einen Käfig gesperrt werden muss. Nicht, weil wir uns zu seinen Richtern aufschwingen wollen. Sondern einfach, um die Welt vor ihm zu schützen."

Harry wusste nichts mehr zu erwidern. Er hoffte, dass er den Anblick dieses Kindes eines Tages vergessen würde, dieses Babys, das noch mehr wie ein Ungeborenes als wie ein Neugeborenes ausgesehen hatte. Er drängte sich dichter an Hermione und schloss die Augen.

"Aber was ist denn da oben eigentlich geschehen?", fragte Hermione unnachgiebig. "Sind die Horcruxe denn nun vernichtet?"

"Ja", sagte Harper einfach. "Sonst wäre nicht geschehen, was ja geschehen ist."

"Aber – wie? Wir wissen doch nicht mal, wo sie alle sind. Wir wissen nicht mal, wie viele es sind – und was sie sind! Wie können Sie also so sicher sein?", ereiferte sich Hermione.

"Fragen Sie Potter."

Harry seufzte tief.

"Tabula Rasa", murmelte er.

"Tabula Rasa?", fragte Ron. "Für mich klang das völlig anders vorhin."

"So heißt der Zauber. Tabula Rasa. Reinen Tisch machen, verstehst du", sagte Harry bitter. "Das war die Überschrift. Wette, die hat er sich selbst ausgedacht. Snape, meine ich. Der Spruch selbst – das war –"

"Das war Aramäisch, oder?", sagte Hermione. "So wie das Avada Kedavra."

"Genau. Weiß nicht mal, was dieser Spruch eigentlich bedeutete."

"Was!"

"Soll das heißen, du hast dich auf irgendeinen Spruch verlassen, den du nicht mal verstanden hast, und bist damit gegen Voldemort losgezogen?"

Hermione kreischte es beinahe. "Snape hätte doch sonst was aufschreiben können! Wieso warst du so sicher, dass –"

"Es war – sozusagen genau seine Handschrift", antwortete Harry zynisch. "Da stand nicht nur der Zauberspruch selbst."

"Harry! Hör auf, in Rätseln zu sprechen! Was bewirkte der Zauber? Und woher wusstest du es, wenn du ihn gar nicht verstanden hast?"

Sie starrte ihn mit flammenden Augen an. Harry hätte beinahe gelächelt, wenn er sich nicht so elend gefühlt hätte. Das war ein so typischer Hermione-Blick!

"Der Zauber löst schwarze Magie auf", erwiderte er stattdessen. "Ein Mittel, um so richtig aufzuräumen. Reinen Tisch zu machen, wie gesagt. Hilft gegen Horcruxe und alles Mögliche. Tolles Ding."

"So habe ich es auch verstanden", sagte Harper leise. "Schwarzes breche, Dunkel weiche, Leben – aus der Fessel sei befreit – das war so in etwa das, was ich verstanden habe."

"Das – das gibt's doch nicht", sagte Hermione. "Und das hattest du von ihm, von Snape?"

"Wieso hat er's nicht selbst angewandt?", fragte Ron. "Wenn er wirklich so scharf drauf war, seinen Lord abzusägen, heißt das."

"Und Dumbledore – der hat das doch bestimmt auch gekannt! Wieso hat er das nicht schon viel früher gemacht?"

Harry schüttelte den Kopf. Mit zitternden Fingern nestelte er in seiner Hemdtasche und bekam schließlich die schon ziemlich zerknüllte Buchseite zu fassen.

"Die konnten das beide nicht!", sagte er, und Hermione sah erschreckt, dass er den Tränen nahe war. "Hier, da steht alles."

Sie nahm ihm den Zettel aus der Hand.

Dicht darüber gebeugt konnte sie im Licht des Zauberstabs gerade noch etwas erkennen.

"Hier unten? Da, wo über die Zeilen geschrieben ist? Über dieses Albtraumrezept?"

"Ja", sagte Harry leise. "Du musst von unten nach oben lesen. Fang bei Tabula Rasa an."

"Tabula Rasa, unbedingt aramäisch sprechen!", las Hermione. "Dann kommt eine Zeile Aramäisch. Der Zauberspruch selbst. Na, nett von ihm, dass er's wenigstens in Umschrift notiert hat! Und dann – "

Sie las. Las noch einmal. Endlich ließ sie die Hand mit dem Blatt sinken und sah Harry an.

"Lässt du uns an deinem Wissen teilhaben, Hermione?", fragte Ron spitz.

"Da steht –", begann sie, aber die Stimme versagte ihr. Schließlich las sie stockend weiter. "Dann kommt so etwas – wie eine Erklärung. Oder eine – Warnung.

"Sprich – nur wenn du reinen Herzens bist, kein Blut an deinen Händen ist!

Sprich – nur gegen wahre Nachtgestalt, nur gegen blutigste Gewalt!

Dann wende deinen Blick und sei bereit, Hekates Welt auf immer zu verlassen."

Danach herrschte Stille.

"Hekates Welt?", fragte Ron schließlich leise. "Was hat sie damit zu tun?" Er deutete mit dem Kopf auf Harper hin.

"Nicht sie. Die griechische Göttin Hekate. Die Göttin der Zauberei", sagte Hermione gepresst. "Hekates Welt ist die magische Welt. Unsere Welt."

"Heißt das – heißt das –"

"Das heißt, es ist vorbei", sagte Harry tonlos. "Ich kann nicht mehr zaubern. Ich gehör' nicht mehr zu euch."