Home is where your heart is
von Nici Cavanaugh

Disclaimer: Nichts gehört mir, alles gehört Tim Kring. Ich borge mir die Figuren und Orte nur aus und werde alles ordentlich gewaschen und gebügelt wieder zurückgeben! Nur die Handlung gehört mir…

Bevor es losgeht, möchte ich mich noch bei CallistaEvans für das Korrekturlesen und bei calleigh-duquesne, CallistaEvans und MariaCharlie für die Reviews bedanken!
Und ich möchte mich noch dafür entschuldigen, dass das Kapitel so lange gebraucht hat – irgendwie war meine Muse kurzfristig anderweitig unterwegs…


Kapitel 2 – Lost and found

Boston, 13.04.2005

Die Aprilsonne stand tief an diesem Nachmittag, als Det. Woody Hoyt das Polizeipräsidium verließ und in sein Auto stieg. Nach einem langen Winter war dies der zweite Tag in Folge, an dem die Temperaturen an der zwanzig Grad Marke gekratzt hatten. Über die Dächer der Häuser zogen dunkle Wolken und kühler Wind kam auf. Die Atmosphäre kündigte das unweigerlich aufkommende Gewitter an.

Während Woody sich durch den Feierabendverkehr schlängelte, fielen erste feine Regentropfen auf seine Windschutzscheibe. Er hatte sich heute einen bürofreien Nachmittag gegönnt und beschlossen von Zuhause aus zu arbeiten. Zuvor wollte er aber noch in der Gerichtsmedizin vorbeischauen. Zum einen, um einen Bericht abzuholen, den er für den Abschluss einer Akte brauchte und zum anderen, weil er mit seinen täglichen Besuchen dort schon zwei Tage im Rückstand war.

Seit September hatte er fast täglich (manchmal auch mehrmals am Tag) in der Gerichtsmedizin vorbeigeschaut. Zu Beginn immer noch in der Hoffnung Jordan dort anzutreffen, doch seit zwei, drei Monaten mehr, weil es eine Gewohnheit geworden war. Etwas, woran er festhalten konnte, was ihm Halt gab. Halt, den er in den vergangenen acht Monaten mehr als gebraucht hatte.

Ein kluger Mensch hatte einmal behauptet, die Zeit heile alle Wunden. Wer immer dies auch gewesen war, er hatte keine Ahnung.
Damals als Kind, nachdem seine Mutter gestorben war, hatte Woody diese Erfahrung schon machen müssen. Tiefe Wunden, seelischer Schmerz heilte nicht, und seine Wunde, diese vollkommene Leere in ihm, die damals seine Mutter und jetzt Jordan hinterlassen hatte, erst Recht nicht. Sie würde es niemals tun. Schmerz, Trauer und Verletztheit würden nie verschwinden. Er würde nur irgendwann eines Morgens aufwachen und merken, dass die Gedanken an den Verlust, der Schmerz nicht mehr das Erste war, was er nach dem Aufwachen realisierte. Diese Gefühle würden zwar immer da sein, aber sie würden nicht mehr in dem Maße das Leben bestimmen, wie sie es bis dahin getan hatten. Die Erfahrung hatte er damals gemacht und hoffte innerlich, dass es dieses Mal genauso sein würde. Noch aberwar es nicht so weit. Noch wurde Woody daran gehindert, zur Ruhe zukommen. Jede freie Minute, in der er sich nicht mit Arbeit ablenken konnte, dachte er an Jordan. Abends und nachts war es besonders schlimm.

Nach der gemeinsamen Nacht mit Jordan und ihrem anschließenden Verschwinden, war für Woody eine Welt zusammengebrochen. Er konnte und wollte einfach nicht verstehen, dass sie weg war; und das war sie – und zwar unauffindbar.
Nach dem Aufwachen hatte er sich damit getröstet, dass sie vielleicht nur gegangen war, um irgendwo Brötchen zu holen. Die kurze Notiz am Badezimmerspiegel hatte ihm diese Hoffnung aber schnell geraubt.

Ich kann nicht, Woody!
Es tut mir Leid!

Jordan

P.S. Bitte versuche nicht, mich zu finden.

Die letzten Buchstaben waren verwischt, so als wäre das Papier feucht geworden und jemand hätte es versucht, trocken zuwischen. Im Papierkorb hatte Woody am nächsten Tag die offenbar erste Version von Jordans Abschiedbotschaft gefunden. Dort hatte sie noch mit In Liebe, Jordan unterschrieben.

Immer und immer wieder hatte Woody, nur in Shorts auf dem Boden sitzend, den Zettel gelesen und dabei nicht bemerkt, wie die Kälte der Fliesen in ihm hochstieg. Er hatte auch die stummen Tränen nicht bemerkt, die ihm über die Wangen gelaufen waren. Tränen voll Verzweiflung, Trauer und Wut. Wut auf sich selber, weil er sich hatte gehen lassen und Jordan zu etwas gedrängt hatte, zudem sie scheinbar nicht bereit gewesen war. Wut auf Jordan, weil sie es zugelassen hatte. Und Wut darauf, dass die Frau, die ihm soviel bedeutete, die er so sehr liebte, so unbegreifbar kompliziert war.

-o-

Im letzten Moment bemerkte Woody die roten Bremslichter vor sich aufleuchten und legte eine hollywoodreife Vollbremsung hin. Der Fahrer hinter ihm hupte aufgebracht und gestikulierte wild in seine Richtung. Woody hob entschuldigend die Hand und fuhr weiter.

Am Coroner's Office angekommen, parkte er seinen Wagen in der Tiefgarage und fuhr mit dem Aufzug nach oben. Er nickte Amy zu, die ihn wie immer hinter der Anmeldung mit „Guten Tag, Detective" begrüßte und ging in Richtung Labor. Er hoffte, dass Nigel den Autopsiebericht schon fertig hatte und er schnell wieder verschwinden konnte. So sehr etwas in seinem Inneren ihm mit magischer Kraft in dieses Gebäude drängte, so sehr wünschte er sich jedes Mal, wenn er hier war, die Räume schnellstmöglich wieder verlassen zu können. Er verband zu viele Erinnerungen mit diesem Ort. Erinnerungen an frühere Zeiten, als er und Jordan noch gemeinsam die Fälle gelöst hatten, an lange Abende und Nächte im Autopsiesaal oder in ihrem Büro. Nächte, in denen er der Frau, die schon seit ihrer ersten Begegnung sein Herz gewonnen hatte, schrittweise näher gekommen war; so nah, wie man einer Frau wie Jordan kommen konnte.

Auf dem Weg zum Labor lief ihm Lily über den Weg. „Hi Woody, was machst du denn hier?", fragte sie und umarmte ihn. Woody war einige Male mit ihr und Garret essen gegangen und hatte sogar Weihnachten bei ihnen verbracht. Beide waren so etwas wie Freunde, enge Vertraute für ihn geworden und luden ihn oft ein. Und seit Jordans Geburtstagsparty waren sie auch wieder ein Paar und schienen glücklicher als je zuvor. Woody kommentierte diese Tatsache gedanklich immer mit „Dann hat die Party wenigstens ein Gutes gehabt". Und er freute sich für die beiden - auch, wenn der Anblick des verliebten Paares ihm oft einen Stich versetzte. Er stellte sich vor, dass es zwischen Jordan und ihm auch so hätte sein können. Vielleicht…

„Hast Du Kathy nochmal gesehen?", fragte Lily und riss ihn aus seinen Gedanken.Woody verzog das Gesicht und schüttelte den Kopf.
Kathy. Scheinbar hatte Lily es sich zur Aufgabe gemacht – bei Garret konnte er es sich schwer vorstellen -, Woody abzulenken und ihm über Jordan hinwegzuhelfen. Anders konnte er sich nicht erklären, warum immer wieder irgendwelche weiblichen Bekannten bei ihren Essen dabei waren, die munter mit Woody flirteten – allerdings ohne Erfolg. Die Damen waren zwar allesamt hübsch und nett, aber sie waren kein Ersatz für Jordan.

„Ich wollte zu Nigel, um einen Bericht abholen. Ist er da?", fragte Woody und überging die Frage nach Kathy. Lily sah ihn schweigend an, als überlege sie, was sie sagen solle. Dann meinte sie zögernd: „Nigel ist bei Garret im Büro. Ich … ich wollte gerade auch hin und -" Lily brach ab. Woody sah sie fragend an, doch die blonde Frau wich seinem Blick aus.

„Was ist los, Lily?", fragte er. „Ist etwas passiert?" So seltsam benahm Lily sich eigentlich nie und Woody fragte sich, was das alles zu bedeuten hatte. „Na ja, passiert nicht gerade, aber… Ach, komm am besten mit."
Sie nahm seine Hand, und ehe Woody auch nur eine Frage stellen konnte, wurde er von Lily mitgezogen.

Durch die nur halb geschlossenen Rollos konnte Woody erkennen, dass Garrets Büro gut gefüllt war. Garret saß am Schreibtisch, auf dem Sofa saßen Bug und Peter, Nigel stand neben der Tür. Ob doch etwas passiert ist, fragte sich Woody. Es musste so sein. Warum sonst sollte sich die halbe Belegschaft im Chefbüro versammelt haben. Verwundert folgte er Lily in den Raum.

Was er dann sah, traf ihn so überraschend und unerwartet, dass nichts auf der Welt ihn darauf hätte vorbereiten können. Er fühlte sich mit einem Male wie von einer Dampfwalze überrollt.
Lily öffnete die Tür und schob ihn hinein. Woody spürte, wie alle Blicke sich auf ihn richteten. Garret sah ihn über seine Brille hinweg stumm an, Bug und Nigel tauschten erst einen unsicheren Blick aus, dann wandten sie sich Woody zu. Peter folgte ihrem Beispiel.

Woody fragte sich gerade, ob ihm plötzlich eine zweite Nase gewachsen war, als er sie sah: Jordan. Sie saß auf einem Stuhl vor Garrets Schreibtisch und wirkte nicht weniger überrascht als er selber.
Sie sah gut aus, wie Woody erfreut feststellte. Sie war zwar ein bisschen blasser als sonst, aber das lag vielleicht auch nur an der Beleuchtung. Ihre Haare waren weiter gewachsen und fielen ihr wieder lockig über die Schultern. Woody konnte nicht sagen, ob es an den Haaren lag oder nicht, aber ihr Gesicht wirkte irgendwie fülliger. Und sie sah aus, als hätte sie die letzten Wochen und Monate genossen.

Es versetzte Woody einen kleinen Stich, als er sich dessen bewusst wurde. Aber er wusste auch, dass sie sicherlich früher zurückgekommen wäre, wenn sie Boston und vielleicht auch ihn vermisst hätte. Nein, es konnte nicht anders sein. Sie musste ihre Abwesenheit genossen haben. Aber dann stellte sich die Frage, warum sie jetzt hier war. Warum war sie nach so langer Zeit, in der sie sich nicht gemeldet hatte, wieder aufgetaucht? Und dann so plötzlich und für ihn völlig unerwartet? Und wieso nicht bei ihm, nach dem was passiert war?

Jede Sekunde hatte er gehofft, dass dieser Moment eintreten würde, dass sie auf einmal wieder da sein würde; aber daran geglaubt hatte er nicht so richtig.
Zuerst hatte er ihren Wunsch, nicht nach ihr zu suchen, noch respektiert. Dann aber war seine Verzweiflung über ihr plötzliches Verschwinden in große Sorge umgeschwenkt und er hatte versucht, sie anzurufen – ohne Erfolg. Sie war nichts ans Telefon gegangen, und irgendwann hatte er ihre Mailbox so voll gesprochen, dass keine weiteren Nachrichten mehr angenommen wurden. Sie hatte nie zurückgerufen, weder ihn, noch ihren Vater oder Garret. Es war, als wäre sie vom Erdboden verschluckt worden.
Dann, nach einer Woche hatte sie Max angerufen und ihm gesagt, dass es ihr gut ginge und niemand nach ihr suchen solle. Ihr Beurlaubungsgesuch hätte Garret schon erhalten und sie wüsste nicht, wann und ob sie zurückkäme. Sie hatte ihren Vater schwören lassen, dass er Woody nichts von ihrem Anruf sagte. Max, der es nicht zum ersten Mal erlebte, dass seine Tochter einfach ihre sieben Sachen packte und auf unbestimmte Zeit verschwand, hatte Woody dennoch eingeweiht. Er hatte versucht, Woody, der mehrmals täglich bei ihm anrief oder vorbeischaute, zu beruhigen; mit mehr oder weniger großem Erfolg.

Und jetzt war sich auf einmal wieder da. Nach sieben Monaten tauchte sie wieder auf. Nicht bei ihm, wie er gehofft hatte, sondern im Institut, bei ihren Kollegen. Woody schluckte.
„Hallo Wodrow! Was machst du denn hier?" Jemand gab ihm einen freundschaftlichen Klaps auf die Schulter und durchbrach die zum Zerschneiden angespannte Stille, die seit seinem Eintreten in den Raum geherrscht hatte. Es war Nigel. „Ich … ich … also, ich wollte … ", stotterte Woody, ohne den Blick von Jordan abzuwenden, die immer noch stumm da saß und versuchte seinem Blick auszuweichen. Am liebsten wäre es Woody gewesen, wenn er einen Moment mit Jordan allein gehabt hätte; um zu reden. Er wollte ihr keine Szene machen, sie nicht beschuldigen, weil sie abgehauen war, ihn alleine gelassen hatte. Nein, dafür hatte sie schon ihre Gründe gehabt. Das einzige, was er wollte, war, sie zu verstehen. Er wollte verstehen, warum sie weggelaufen war, warum sie ihm anscheinend nicht mehr vertraute. Und er wollte herausfinden, ob es noch eine Chance für sie und ihn gab.

Woody versuchte seine Gedanken zu sortieren, als sein Telefon klingelte. Zunächst bemerkte er es nicht, erst als ihn wieder jeder anstarrte und Bug fragte, ob er nicht rangehen wollte, begriff er, dass es sein Handy war, das Sturm klingelte.
Seufzend zog er das Telefon aus der Tasche und meldete sich. Es war Annie Capra. Im Stadtpark hatte es wohl eine Schießerei gegeben und sie brauchten seine Hilfe. Er sagte ihr, dass er schon unterwegs sei und legte auf.
Mist, verdammter! Immer im falschen Moment, dachte er. Wer auch immer diese Dinger erfunden hatte, gehörte eingesperrt.

„Ich … ich muss leider gehen", informierte er die anderen und machte einen Schritt auf Jordan zu. Dann blieb er abrupt stehen. Vielleicht wäre es besser, wenn er auf Abstand bliebe, vielleicht wollte sie ihn nicht in der Nähe haben. „Jordan?", fragte er stattdessen leise. Sie blickte auf und sah ihn mit ihren großen, haselnussbraunen Augen an. „Können wir später reden?" Sie nickte stumm und Woody fühlte sich für den Moment besser. „Ok, dann bis später!"

Mit einem leichten Gefühl der Zuversicht im Magen, lief er zum Fahrstuhl und bereitete sich innerlich auf den bevorstehenden Einsatz vor. Unterwegs wurden seine Gedanken immer wieder von Jordan abgelenkt und er konnte es nicht erwarten, schnell wieder ins Institut zu kommen.

-TBC-


Bekomme ich ein Review?