Home is where your heart is
von Nici Cavanaugh

Disclaimer: Nichts gehört mir, alles gehört Tim Kring. Ich borge mir die Figuren und Orte nur aus und werde alles ordentlich gewaschen und gebügelt wieder zurückgeben! Nur die Handlung gehört mir…

Vielen Dank für Eure Reviews: Ludewika, Mariacharly und CallistaEvans.
Es tut mir Leid, dass das Kapitel wieder etwas länger gedauert hat, aber ich hoffe, Ihr lest trotzdem weiter.
Das Kapitel ist nicht Korrektur gelesen. Wenn Ihr Fehler findet, dürft Ihr sie gerne behalten.


Kapitel 5 - The dawn of a new day

Boston General, 14.04.2005 früher Morgen

Es gibt Tage, die vergehen wie im Flug; so schnell, dass man meint, kaum Luft geholt zu haben, wenn sie schon wieder vorbei sind. Es gibt aber auch Sekunden, die ziehen sich wie in der Sonne weich gewordenes Kaugummi. Das Gummi wird weicher, elastischer, man zieht und zieht, doch statt zu reißen, dehnt es sich nur immer weiter und weiter aus.
Ein eben solches Kaugummi war es, das die letzten Stunden gefangen hatte.

Würde man ihn später fragen, wie lange er auf diesem weißen, unbequem harten Plastikstuhl, in diesem neonlichtgefluteten und mit Desinfektionsmittelgeruch getränkten Gang gesessen hatte, würde er sagen: „Monate". In Wirklichkeit waren gerade einmal acht Stunden seit der Schießerei in der Lagerhalle vergangen.
Acht Stunden, die er mit Bangen und Hoffen, mit Selbstvorwürfen und aufkommender Hoffnungslosigkeit verbracht hatte. Acht Stunden, in denen Woody feststellen musste, dass er doch mehr Freunde besaß, als er jemals geglaubt hatte. Jordans Kollegen, Bug, Nigel, Lily, Garret, sie alle waren gekommen, hatten neben ihm gesessen, ihn mit Kaffee versorgt, ihm Mut gemacht. Max war da und sogar Annie Capra hatte kurz vorbeischaut bevor ihre Schicht anfing.
Mittlerweile dämmerte es schon. Annie, Garret und die anderen waren gegangen, hatten schweren Herzens ihre Arbeit aufnehmen müssen, und Woody befand sich in einem jener Zustände, die man weder als wach noch als schlafend bezeichnen konnte.
Der Körper fährt seine Funktionen auf ein Minimum herunter. Die Augenlider werden so schwer, dass sie von alleine zufallen, die Nervenbahnen werden unempfindlich, der harte Stuhl, das grelle Licht werden nicht mehr als solches wahrgenommen, die Welt um einen herum erscheint mit einem Male wie in Watte gepackt, Geräusche, Stimmen dringen nur noch gedämpft zu einem hinüber.

Wie geht es ihr?
Wir haben sie soweit stabilisiert, Mr. Cavanaugh. Sie ist noch sehr schwach. Sie können kurz zu ihr. Aber nur kurz.

Ein leises Seufzen, ein Blick, ein kurzer Moment des Schweigens, das alles entging Woody, der langsam aus jenem Dämmerzustand erwachte, die Umwelt erst schemenhaft, dann immer klarer erkannte. Ein weißer Kittel, der sich kaum vom Weiß der Wände abhob, das Aufblitzen des metallfarbenes Stethoskops, eine rot karierte Fläche, weiße Haare, müde Augen, die zu ihm hinüber sahen.
Mitleidig. Traurig. Erschöpft.

„Er soll gehen." Max Stimme zitterte leicht, hat aber nichts von dem energischen Unterton verloren, der typisch für den ehemaligen Polizisten ist.
Woody registrierte den zweifelnden Blick des Arztes, sein kurzes Innehalten und für einen Moment glaubte er, von dem Arzt gemustert zu werden, spürte den Blick des Halbgottes in Weiß, der ihn kritisch betrachtete, auf seinem Gesicht ruhen blieb und sich dann abwandte.

Woody wusste, dass er schrecklich aussehen musste. Das Blut, Jordans Blut klebte immer noch auf seiner Jacke, seiner Hose. Er hatte es einfach nicht geschafft, auf die Toilette zu gehen, um es abzuwaschen.
Seine zitternden, mit Blut und Schmutz befleckten Hände hielten immer noch den kleinen Stoffengel, klammerten sich an dem kleinen Glücksbringer fest; so fest, dass das Weiß der Knöcheln hervortrat.

Lass sie nicht sterben. Mach, dass es ihr gut geht, dass alles wieder gut wird.
Wie ein Mantra hatte er diese Sätze immer und immer wieder leise vor sich her gesprochen, den kleinen Stoffengel angefleht, gebetet.

„Mr. Hoyt?" Der Arzt war zu ihm gekommen, sah ihn fragend an. „Ich bin Dr. Donahue. Kommen Sie bitte mit. Ms Cavanaugh wartet auf Sie." Der fragende Blick wich einem freundlichen Lächeln.

Woody stand langsam auf und folgte dem Arzt.
„Ich sehe gleich nach ihr, Woody. Geh nur", war alles, was Max zu ihm sagte, als er an ihm vorbeiging. „Sie braucht dich."

Er war sich nicht sicher, ob das stimmte, ob Jordan ihn wirklich brauchte. Warum sonst war sie nach ihrer gemeinsamen Nacht verschwunden? Warum sonst hatte sie sich nicht bei ihm gemeldet?
Aber er war Max sehr, sehr dankbar, dass er ihn zu Jordan ließ. So dankbar, dass er es ihm nie wieder gutmachen konnte.

Der Arzt führte Woody in einen kleinen Raum, an dessen Wänden Regale voll grüner Kleidung standen. In der Ecke hing ein kleiner Spiegel über einem eben so kleinen Waschbecken. Woody wollte es vermeiden, einen Blick auf sein Spiegelbild zu werfen, doch der Arzt führte ihn genau in diese Ecke.
„Hier können Sie sich waschen, Mr. Hoyt. Ich suche Ihnen in der Zwischenzeit einen passenden Kittel.

Nachdem Woody sich den Schmutz von Gesicht und Händen gewaschen hatte, einen Blick in sein mitleid erregendes Antlitz geworfen hatte und in einen dieser grünen Kittel geschlüpft war, wurde er von Dr. Donahue zu einer Tür ganz am Ende eines langen Ganges geführt.

Intensivstation. Eintritt nur nach Genehmigung.

Dr. Donahue tippte einen Code in die Tastatur neben der Tür, woraufhin diese mit einem leisen Summen aufsprang. Der Arzt ließ Woody den Vortritt und ging dann wieder voraus, bis sie eine weiße Tür auf der linken Seite erreichten, auf der eine 311 in blauen Buchstaben gepinselt war.
Wie passend, dachte Woody und trat ein.

Jordan lag in einem Bett unter einer dicken, weißen Bettdecke. Sie hatte die Augen geschlossen und schlief. Bis auf das leise, aber stetige Piepsen der Apparate, die man um das Bett herum aufgestellt und angeschlossen hatte, war es still.
Donahue führte Woody zum Bett und rückte ihm einen Stuhl zurecht.
„Sie schläft", sagte er überflüssigerweise. „Sie hat sehr viel Blut verloren, aber sie wird es schaffen. Die nächsten Stunden sind entscheidend, aber ich mache mir eigentlich keine Sorgen." Die offenen, positiven Worte des Arztes überraschten Woody ein wenig. Normalerweise war man von Ärzten eher das Gegenteil gewohnt.

Woody nickte, setzte sich hin und bekam nicht mehr mit, wie der Arzt ging und ihn alleine ließ. Alleine mit all den Apparaten. Alleine mit Jordan, die so klein und zerbrechlich in diesem großen Bett wirkte. Sie hatte die Augen geschlossen und wirkte so friedlich.

Woody sah sie einen Moment an und musste wieder einmal feststellen, wie schön sie doch war. Ihr haselnussbraunes Haar, das ihr in leichten Wellen über die Schulter fiel und ihr zartes Gesicht umrahmte, die süße Stupsnase, die kleinen Grübchen, die nie ganz verschwanden. Und der große Kratzer, der ihre linke Wange von der Schläfe bis zum Mundwinkel zierte, nahm ihr nichts von der Schönheit, die Woody jedes Mal den Atem raubte, wenn er sie ansah.

Zögernd griff er nach ihrer Hand, die auf der Bettdecke lag. Vorsichtig, um die dicke Nadel nicht zu berühren, streichelte er über ihren Handrücken. Die Weichheit und die Wärme, die von dieser Berührung ausging, erweckten seine Lebensgeister und zum ersten Mal seit acht Monaten fühlte sich Woody wieder wohl. Beschützt, geborgen, sicher. Ein wenig grotesk kam es ihm schon vor, wo Jordan doch diejenige war, die in diesem Moment beschützt werden musste – nicht er.

„Hallo Jordan", flüsterte er leise. „Ich weiß, du kannst mich nicht hören. Aber ich… ich…" Tränen, die er in den letzten Stunden erfolgreich bekämpft hatte, traten in seine Augen, ließen seinen Blick verschwimmen und tropften auf die Bettdecke. Er war ein Mann, der nicht oft weinte, der seine Tränen zurückhielt, sich seiner Schwäche schämte. Doch heute, hier in diesem Zimmer, in diesem Moment waren ihm die Tränen egal. Er ließ der angestauten Traurigkeit, der Angst und Sorge freien Lauf und schluchzte leise vor sich hin.

„Es tut mir so Leid, Jordan", sagte er leise. „Es ist alles meine Schuld. Ich hätte… ich… Wenn ich damals nicht schwach geworden wäre, wenn ich diese Nacht, unsere Nacht nicht zugelassen hätte, dann wäre das alles gar nicht passiert. Dann… dann würdest du nicht hier liegen, verletzt, mit dem Leben ringend. Dann würden wir vielleicht gerade zusammen frühstücken." Er verzog sein Gesicht zu einem kurzen Lachen. „Weißt du noch, Jordan, wie du mir immer das Frühstück ins Büro gebracht hast? Donuts und einen Warmduscherkaffee. Und wie…"

Er brach ab. Der Gedanke an die Zeit, als noch alles in bester Ordnung gewesen war, als sie Freunde und nur Freunde gewesen waren, machte ihn traurig. Er wollte nicht an die Dinge denken, die vergangen waren, die nie wieder so sein würden können. Sie würde ihm sicher niemals wieder Kaffee ins Büro bringen oder ihn mit seiner Herkunft aufziehen. Wenn er Glück hatte, würde sie vielleicht noch mit ihm sprechen. Wenn überhaupt…

Sein Daumen strich sanft über den Nagel ihres Zeigefingers und Woody blickte stumm auf das regelmäßige Aufleuchten des roten LEDs vor ihm.
In Gedanken versunken bemerkte er die Veränderung erst nicht. Er realisierte nicht, wie sich die Anzeige der Maschine, die den Blutdruck überwachte, veränderte, unregelmäßiger wurde. Erst, als sich Jordans Hand seinem Griff entzog und er ein leises „Hi" hörte, wachte er aus seiner Lethargie auf.

Erschrocken blickte er auf seine jetzt leere Hand und dann zu Jordans Gesicht. Sie hatte sie Augen leicht geöffnet und versuchte zu sprechen. Er lächelte. „Pst", sagte er leise. „Sag nichts. Du musst dich ausruhen."

Jordan wäre nicht Jordan, wenn sie sich an seine Aufforderung gehalten hätte. Sie versuchte sich aufzurichten, indem sie sich mit beiden Händen auf dem Bett abstütze und bevor Woody reagieren und sie an der Bewegung hindern konnte, sank sie mit schmerz verzerrtem Gesicht zurück.
„Ich hab dir doch gesagt, du sollst liegen bleiben", sagte er gespielt böse.
„Was… was ist… pas -" Woody konnte die geflüsterten Worte kaum hören und rutschte ein wenig näher an Jordan heran. Er nahm wieder ihre Hand und strich ihr mit eine Strähne aus dem Gesicht. Ohne zu protestieren, ließ sie sich seine Berührung gefallen, was Woodys Selbstvertrauen einen kleinen Schub gab.

„Du bist angeschossen worden", sagte er leise. „Weißt du es nicht mehr? Der Banküberfall, die Entführung? Du hast mich auf dem Handy angerufen und Nigel und ich haben dich gesucht."
Jordan nickte leicht.
„Bevor ich es verhindern konnte, hat der Kerl dir in den Oberschenkel geschossen. Du hast sehr viel Blut verloren." Er sah den Schrecken in ihrem Gesicht und fuhr schnell fort: „Aber es wird alles wieder gut. Die Kugel hat keine wichtigen Nerven oder Muskeln getroffen. In ein paar Wochen kannst du wieder laufen."

Woody lächelte sie aufmunternd an und drückte sanft ihre Hand.
„Wenn du möchtest, werde ich dir helfen, Jordan", sagte er leise und verfluchte sich im selben Moment für seine Worte. Er wollte Jordan nicht schon wieder unter Druck setzen, aus Angst, dass sie ihn wieder zurückstieß. Doch zu seiner Freude, zog sie weder die Hand weg noch schüttelte sie den Kopf. Ihr Mund verzog sich zu einem leichten Lächeln und sie sahen sich einen Moment in die Augen, bevor sich Jordans Augenlider wie in Zeitlupe senkten und geschlossen blieben.

„Du musst erschöpft sein. Schlaf ein bisschen. Wenn du magst, schaue ich später wieder vorbei und -" Eine ruckartige Bewegung ihres Kopfes ließ ihn verstummen. Sie öffnete die Augen und sah ihn mit schmerz erfüllten Blick an.
„Jordan, was ist los?", fragte Woody erschrocken und sprang auf. „Hast du Schmerzen? Warte, ich hole einen Arzt."

Er wollte sie los lassen und zur Tür eilen, doch sie umklammerte seine Hand und hielt ihn zurück.

„Mein… wo ist mein…" Ihr Flüstern war kaum zu verstehen und ging in dem alarmierend lauten Piepen, das von einer der Maschine kam, fast unter. Ihre Augen fielen zu, ihr Griff erschlaffte, die Lampen der Apparate flackerten erschreckend schnell und kurze Zeit später flog die Tür auf, und Woody wurde von einer Schwester energisch aus dem Raum geführt.


-TBC-

Ups, schon wieder ein Cliffhanger ;-))
Na ja, ihr werdet es überleben, oder? Schreibt es mir.