Home is where your heart is
von Nici Cavanaugh

Disclaimer: Nichts gehört mir, alles gehört Tim Kring. Ich borge mir die Figuren und Orte nur aus und werde alles ordentlich gewaschen und gebügelt wieder zurückgeben! Nur die Handlung gehört mir…
Ich weiß, es hat schon wieder ewig gedauert, bis das nächste Kapitel fertig war, dafür ist es auch ein bisschen länger als die anderen und es werden einige Fragen beantwortet… (und es gibt mal ausnahmsweise keinen Cliffhanger)


Kapitel 8 – Enlightenment

Woody kniff die Augen zusammen und öffnete sie vorsichtig wieder, in der Hoffnung, dass er sich das leere Bett nur eingebildet hatte; doch das Bett war und blieb leer.
Er blinzelte eine hartnäckige Träne weg und versuchte ruhig zu bleiben, der Panik, die in ihm aufstieg, keine Chance zu geben und vernünftig nachzudenken. Ohne Erfolg.
Das Bild des leeren Bettes, der glatt gezogenen weißen Krankenhausdecke, der abgeschalteten Apparate hätte unter anderen Umständen friedlich, ja vielleicht sogar beruhigend gewirkt, doch in dieser Situation machte es Woody nur Angst.

Angst, dass er Jordan für immer verloren hatte.
Angst, dass er nie wieder eine Gelegenheit bekommen würde, mit ihr zu sprechen, ihr zu sagen, was er fühlte, wie er empfand.
Angst, dass …

„He, sind Sie taub?" Eine Hand klopfte ihm von hinten auf die Schulter, und Woody drehte sich herum.

Vor ihm stand eine kleine grauhaarige Krankenschwester, die ihre besten Jahre schon lange hinter sich hatte. Sie trug neben dem obligatorischen weißen Kittel eine weiße Haube, wie sie in religiösen Krankenhäusern oder in den Fünfzigern getragen wurden und heutzutage schon lange aus der Mode war. Auf dem kleinen Schild, dass in Brusthöhe an ihren Kittel geheftet war, stand Schwester Agnes, ein Name, der sehr gut zu ihr passte, wie Woody feststellen musste. Schwester Agnes hatte beide Hände in die Hüften gestemmt und sah ihn mit funkelnden Augen an.
„Was haben Sie hier zu suchen?", fragte sie mit rauer Stimme. „Sie dürfen hier nicht rein."
„Ich wollte zu Jordan Cavanaugh", sagte Woody. „Sie ist -"
„Ms Cavanaugh ist nicht mehr da", unterbrach die Schwester ihn kühl und deutete auf das Blumenmeer zu Woodys Füßen. „Waren Sie das?"
Woody nickte.
„Ja, ich -"
„Räumen Sie die zusammen und dann raus hier! Das Zimmer wird gleich gebraucht. Wir haben einen Notfall bekommen und brauchen das leere Bett." Die Stimme der Schwester war immer noch kühl, unpersönlich und distanziert und Woody bekam langsam das Gefühl, es mit dem Vorstandsvorsitzenden eines Weltkonzerns zutun zu haben, statt mit einer Krankenschwester. Sie schien sich mehr Sorgen um freie Betten zu machen als um ihre Patienten oder deren Besucher.

„Hören Sie", sagte Woody so freundlich er konnte. „Ich möchte zu Jordan Cavanaugh."
„Ja, das sagten Sie bereits", unterbrach ihn die Schwester wieder. „Und ich habe Ihnen schon gesagt, dass sie nicht hier ist."
„Dann sagen Sie mir doch in Gottes Namen, wo sie ist", sagte Woody etwas lauter und barscher als gewollt, und rechnete ängstlich damit, dass dieses Ungeheuer von Schwester ihn in den Keller schickte, wo die Pathologie untergebracht war.
„Sie ist vor etwa zwei Stunden verlegt worden. Fragen Sie draußen auf dem Gang, in welches Zimmer. Ich habe keine Zeit, mich auch noch darum zu kümmern." Während sie sprach, war Schwester Agnes zum Fenster getreten und hatte die Vorhänge aufgezogen. Freundliches, helles Sonnenlicht durchflutete den Raum und nahm ihm ein wenig den Schrecken des vermeintlichen Todes.

Woody bückte sich, um die Blumen und die Zeitschriften einzusammeln. Er vermied es dabei, die Krankenschwester anzusehen, die sich nun am Bett zu schaffen machte und die Kissen aufschüttelte.

Jordan war verlegt worden. Sie war nicht … tot.

Woody wagte es kaum, dieses Wort auch nur zu denken, nahm die letzte Zeitschrift vom Boden und richtete sich auf. Einen Moment lang überlegte er, ob er sich von der Schwester verabschieden oder einfach gehen sollte. Er entschied sich für ersteres, wünschte Schwester Agnes noch einen schönen Tag und ein paar Stunden Ruhe und schlüpfte dann zum Flur hinaus.

Auf dem Weg zum Fahrstuhl kam er am Schwesterzimmer vorbei und fragte nach Jordan. Eine junge dunkelhaarige Frau mit strahlend blauen Augen lächelte ihn freundlich an, bat ihn herein und ging dann zum Telefon.

„Ms Cavanaugh liegt im achten Stock", sagte sie, nachdem sie ihr Telefonat beendet hatte. „Sie ist vorhin aufgewacht und wollte unbedingt in ein normales Zimmer. Und bei ihrem Sturkopf konnte der Doktor gar nicht anders; er musste es genehmigen." Sie lächelte Woody wissend an, während sie ihn zur Tür begleitete. „Fahren Sie einfach mit dem Fahrstuhl hoch. Das Zimmer liegt am Ende des Ganges auf der rechten Seite. Nummer 815."

Woody bedankte sich und ging zum Fahrstuhl.
Während er nach oben fuhr, konnte er gar nicht anders als Grinsen, zu erleichtert war er, dass es Jordan scheinbar gut ging.
Gleichzeitig war da aber auch dieses beklemmende Gefühl in seinem Magen. Er hatte Angst Jordan zu sehen, wusste nicht, wie sie reagieren würde oder was er sagen sollte.

Als die Fahrstuhltüren aufglitten, trat Woody auf dem Gang hinaus und ging diesen langsam entlang, bis er vor der Tür mit der Nummer 815 stehen blieb. Er atmete einmal tief durch, warf einen kritischen Blick auf dem provisorischen Blumenstrauß in seiner Hand und entschied, dass er mit etwas gutem Willen noch gut genug aussah, um verschenkt zu werden.

Dann klopfte er an und öffnete die Tür.

Jordan lag in dem hinteren Bett am Fenster, sie war wach und sah ihn an. Das Bett neben ihr war leer. Im vorderen Bett neben der Tür lag eine ältere Frau, die ihn erst neugierig ansah und dann enttäuscht den Blick abwandte.
Was war denn mit der los, dachte Woody verwundert. Er runzelte die Stirn und blickte die Frau an, wie sie da in ihrem Bett lag und die Decke anstarrte. Keine Blumen, keine Zeitschriften, kein persönlicher Gegenstand war auf dem Nachtisch zu entdecken, nur ein kleiner brauner Wecker tickte leise vor sich her.

„Traust du dich nicht rein, Cowboy?" Jordans Stimme lenkte Woody von der alten Frau ab. Er schloss die Tür hinter sich und ging zu Jordans Bett hinüber.
„He", sagte er leise. „Wie geht es dir?" Unschlüssig, wie er sich verhalten sollte, blieb er vor dem Bett stehen.
„Gut", sagte Jordan. „Ich glaube, Football kann ich damit erstmal nicht spielen, aber ansonsten geht es."
„Du hast noch nie Football gespielt, Jordan", sagte Woody grinsend.
„Aber ich wollte damit anfangen", entgegnete Jordan ernst, grinste dann aber zurück. „Setz dich doch." Sie deutete auf den Holzstuhl, der neben dem Bett stand.

Woody legte die Blumen und Zeitschriften auf den kleinen Tisch an der Wand, zog seine Jacke aus und setzte sich dann neben Jordan.

Lange Zeit sah er sie einfach nur stumm an, versuchte sich jeden Millimeter ihres Gesichtes einzuprägen, und zu ergründen, ob sie es wirklich war oder ob er wieder nur träumte. Erst, als Jordan seine Hand sanft drückte, wurde ihm bewusst, dass er ganz instinktiv nach ihrer Hand gegriffen und sie sanft gestreichelt hatte.
„Du siehst mich an als wäre ich ein Geist", sagte Jordan. „Sehe ich wirklich so schlimm aus?"
Woody schüttelte den Kopf.
„Nein, du bist … wunderschön. Wie immer", sagte er leise.
„Na, übertreib mal nicht, Cowboy!", sagte Jordan. „Mein linkes Auge fühlt sich an, als hätte es Bekanntschaft mit einem Baseballschläger gemacht. Wenn es so aussieht, wie es sich anfühlt, dann kann ich beim nächsten Hafenfest in der Geisterbahn anheuern."

Woody verzog das Gesicht zu einem Lächeln und sah sich besorgt Jordans Auge an. Es war tatsächlich geschwollen, und der Bluterguss sah schlimm aus, würde aber heilen, da war er sich sicher.
Und die Hauptsache war doch, dass Jordan hier war, dass sie lebte und mit ihm sprach.

„Du hast uns ganz schön Angst eingejagt, Jordan", sagte Woody ernst. „Ich … wir haben uns Sorgen gemacht. Wirklich!", fügte er auf Jordans ungläubigen Blick hinzu. Dass er vor ein paar Minuten vor Angst noch fast gestorben war, verschwieg er lieber. Er wollte nicht, dass Jordans sich aufregte oder sich im schlimmsten Fall lustig über ihn und seine Gefühle machte.

„Sind die für mich?" Jordan zog ihre Hand aus seinem Griff und zeigte auf die Blumen, die immer noch auf dem kleinen Tisch an der Wand lagen.
„Oh ja", sagte Woody schnell, sprang auf und griff nach dem Strauß und reichte ihn ihr. „Wir … ähm … es gab einen kleinen Zusammenstoß", erklärte er. „deshalb sehen Sie etwas mitgenommen aus."
„Ach, halb so wild!"
Woody war froh, dass Jordan nicht weiter nachfragte und zeigte schnell auf die Zeitschriften.
„Ich habe dir auch noch was zum Lesen mitgebracht", sagte er. „Falls du Langeweile bekommst."
„Das ist lieb von dir, Woody", sagte Jordan lächelnd und sah ihn einen Moment lang fest an. Woody hielt dem Blick stand, versank in den honigbraunen Augen und genoss das Kribbeln in seinem Bauch.

„Würdest du eine Vase holen?", fragte Jordan plötzlich und senkte den Blick.
„Natürlich", sagte Woody und seufzte leise frustriert auf. Wieso mussten diese kurzen Momente der Vertrautheit immer so schnell vorbei sein? Entweder klingelte irgendein Handy, ein Verrückter kam mit seinem Wagen vorbei und hielt sie für Außerirdische oder sonst irgendetwas passierte. Es war echt zum Verrücktwerden.

Als Woody das Zimmer wieder betrat und die Vase auf Jordans Nachttisch stellen wollte, schüttelte sie den Kopf und deutete auf den Tisch neben dem mittleren freien Bett.
„Stell sie bitte dort hin", sagte sie zu Woody und fuhr dann etwas lauter fort: „Schauen Sie mal, Mrs. Mallory. Der nette Detective hier hat uns Blumen mitgebracht." Sie deutete auf den Strauß, den Woody gerade abstellte und lächelte die alte Mrs. Mallory an. Diese schaute erst skeptisch zu Jordan, dann auf den Strauß und lächelte Woody schließlich an.
„Das ist sehr nett von Ihnen, Detective", sagte sie.
„Nennen Sie mich einfach Woody, Ma'am", entgegnete Woody. „Ich bin nicht im Dienst." Er zwinkerte ihr zu und ging dann wieder zu Jordan hinüber.

Eine ganze Weile redeten sie über alles Mögliche. Jordan fragte nach den Kollegen vom PD und nach Woodys Bruder Calvin, und Woody erzählte ihr, was es Neues gab. Sie vermieden es beide, das Gespräch auf die persönliche Schiene zu lenken, und als eine Stunde später Mrs. Mallory für eine Untersuchung abgeholt wurde, erklärte Jordan ihm, dass die alte Frau schon seit mehreren Monaten hier im Krankenhaus sei und nie Besuch bekam. Ihr Mann war vor zwei Jahren gestorben, ihr einziger Sohn lebte in San Francisco und hatte sie noch kein einziges Mal besucht.

„So etwas ist traurig, weißt du", endete Jordan und blickte traurig zu dem leeren Bett neben der Tür hinüber.
Woody folgte ihrem Blick und nickte.
„Ja, das stimmt", sagte er nachdenklich. „Zu wissen, dass da draußen jemand ist, den man liebt, aber keinen Kontakt zu haben, das ist schrecklich." Er vermied es, Jordan anzusehen und starrte stattdessen auf seine Hände.

Es dauerte eine ganze Weile, bis Jordan die Stille durchbrach. Sie legte eine Hand auf seine und zog sie zu sich aufs Bett.
„Es tut mir Leid", sagte sie leise. „Ich hätte nicht weglaufen dürfen."
Woody hob den Kopf und sah sie an.
„Das war dein gutes Recht, Jordan", sagte er ernst. „Ich bin ja irgendwie auch selber Schuld. Ich habe dich zu etwas gedrängt, was du nicht wolltest, also musste ich mit den Konsequenzen leben."
„Es war trotzdem nicht richtig", sagte Jordan und richtete sich mühsam ein wenig auf. „Und du hast mich auch nicht gedrängt, Woody."
„Wir sind, was wir sind, Jordan", erklärte Woody. „Das ist nun mal deine Art, einfach wegzulaufen." Und die zurückzulassen, denen zu etwas bedeutest, fügte er in Gedanken hinzu.
„Ich hätte es wissen müssen", fuhr er fort. „Aber ich verstehe es nicht. Ich … ich denke, du schuldest mir eine Erklärung – uns allen", sagte er vorsichtig und sah Jordan an.
Er hatte damit gerechnet, dass sie ihn wegschicken und dicht machen würde, wenn er das Thema ansprach, doch nichts von dem geschah.
Jordan senkte den Blick und nickte vorsichtig.
„Ja, das tue ich wohl", sagte sie langsam. „Das wäre nur fair, nicht?"
Woody entgegnete nichts darauf, sah sie nur weiter unverwandt an und wartete.

Lange Zeit sprach niemand mehr ein Wort. Woody saß da und beobachte, wie Jordan gedankenverloren mit einer Ecke ihrer Decke spielte. Er wollte sie nicht drängen und schwieg deshalb, doch er wollte auch nicht nachgeben und ohne eine Erklärung gehen müssen.
Neben dem leisen Ticken des braunen Weckers auf Mrs. Mallorys Tisch war das Klappern der Teller und Schüsseln auf dem Gang das einzige Geräusch im Zimmer.

„Ich hatte einfach Angst, alles kaputt gemacht zu haben." Die Worte waren nur ein leises Flüstern, und Woody fragte sich, ob er sie sich nur eingebildet hatte. Doch als Jordan fortfuhr, rutschte er etwas näher zu ihr, sah sie an und hörte schweigend zu, was sie zu sagen hatte.
„Ich bin nachts aufgewacht, in deiner Wohnung, in deinem Bett", sie sah ihm fest in die Augen, „und es hat mich einfach so überrollt. Es hat sich so richtig angefühlt, neben dir zu liegen, Woody, und auch gleichzeitig so falsch."
Sie hatte eine Weile einfach dagelegen und in die Dunkelheit gestarrt, während sie seinem leisen, gleichmäßigen Atem gelauscht hatte, und den Abend Revue passieren gelassen hatte.

„Ich habe es nicht bereut, mit dir geschlafen zu haben", erklärte sie. „Es war einfach nur … wunderschön." Sie grinste kurz, wurde dann aber wieder ernst. „Es war so ein vertrautes Gefühl, deine nackte Haut auf meiner spüren, Woody. So als ob es nie anders gewesen wäre. Ich … es war einfach überwältigend. Schön - und erschreckend zugleich."
Die Erkenntnis, dass es eines Tages nicht mehr so sein könnte, dass Woody einmal nicht mehr Teil ihres Lebens sein könnte, hatte sie so erschreckt und ihr Angst gemacht, dass sie Panik bekommen hatte. Sie hatte ihre Sachen zusammengesucht, ihm eine Nachricht hinterlassen und war dann mit einem Taxi nach Hause gefahren. Doch auch dort hatte sie die panische Angst nicht hinter sich lassen können, im Gegenteil. Es war nur noch schlimmer geworden. Sie hatte schnell ein paar Sachen gepackt, den Wagen getankt und war losgefahren. Stunden um Stunden, in den Morgen hinein, ohne ein richtiges Ziel vor Augen.

„Ich wollte nur noch weg, weg aus Boston, weg von allem Vertrauten, weg von …"
„Mir", sagte Woody.
Jordan nickte, während sie sich eine Träne aus dem Augenwinkel ihres geschwollenen Auges wischte.
„Du hast gedacht, bevor du mich eines Tages verlierst, sorgst du lieber dafür, dass ich dich verliere." Woodys Stimme klang neutral, weder abweisend, noch freundlich. Doch in seinem Inneren brodelte es.

Jordan schluckte und sah ihn dann an.
„Ich habe einfach Angst gehabt, dich auch noch zu verlieren, und früher oder später hätte ich dich verloren", sagte sie ernst, „so, wie ich alle anderen auch verloren habe, die mir je etwas bedeuteten."
Woody wusste, dass sie dabei an ihre Mutter dachte, und an Paul, ihre erste große Liebe, der sie verlassen hatte, um Priester zu werden. Vielleicht dachte sie dabei auch an ihren Vater, der zwar noch da war, an den sie aber trotzdem nicht mehr richtig herankam, weil der alte Mann viel zu viele Geheimnisse hatte, die er nicht mit ihr teilen wollte.

Aber war das ein Grund, eine Erklärung für ihr Verhalten?
Gab es ihr das Recht, immer wieder wegzulaufen, wenn es schwierig wurde, wenn jemand in ihr Leben trat, der ihr etwas bedeutete?

Etwas bedeutete …

Er bedeutete ihr etwas, das hatte sie indirekt damit gesagt. Er war ihr wichtig; wenn nicht als Partner, dann vielleicht doch als … Freund?
Woody spürte, wie der Groll langsam abflaute und seine Laune sich besserte. Im Prinzip hatte er all diese Dinge schon gewusst oder geahnt. Was Jordan ihm erzählte, war nichts Neues für ihn, aber es tat doch gut, es aus ihrem Mund zu hören.
Seine verkrampfte Miene entspannte sich und er nahm wieder ihre Hand.
„Wo bist du denn all die Monate gewesen?", fragte er.
„In New York", antwortete Jordan. „Erinnerst du dich an meine Freundin Kim? Ich glaube, ich habe dir von ihr erzählt. Sie ist dort Anwältin in einer Kanzlei, und ich konnte bei ihr wohnen."
Woody nickte. Er kannte Kim zwar nicht persönlich, hatte aber schon von ihr gehört.

Als Jordan umständlich nach ihrem Wasserglas griff, half Woody ihr und wartete, bis sie getrunken hatte. Dann nahm er ihr das Glas wieder ab und stellte es zurück auf dem Tisch.
„Und warum bist du zurückgekommen?", fragte er. „Ich meine, ich freue mich darüber, wirklich, aber warum so plötzlich? Warum jetzt?"
Das Bild einer hochschwangeren Jordan, die sich mühsam von New York nach Boston quälte, im Institut auftauchte und dann gekidnappt wurde, tauchte vor seinem inneren Auge auf, und er schob es schnell wieder beiseite.

„Kim ist nach Los Angeles versetzt worden", sagte Jordan. „Letzte Woche ist sie abgereist. Da konnte und wollte ich nicht mit. Du kennst ja meine Einstellung zu L.A." Sie grinste ihn an und verzog dann schmerzhaft das Gesicht.
„Ich sollte mir das Grinsen abgewöhnen", sagte sie und strich sich vorsichtig über das Auge. „Aber ich kann jetzt verstehen, warum diese Preisboxer nach einem Kampf so selten lachen."
Woody lächelte sie an und streichelte ihre Hand.
„Ich bin froh, dass du L.A. nicht magst, Jordan", sagte er. „Und ich bin sehr froh, dass du wieder da bist. Ich habe dich vermisst. Als Kumpel, als Kollegin und überhaupt." Er drückte kurz ihre Hand und ließ sie dann los.
„Aber ruh dich jetzt aus. Ich komme morgen wieder." Er beugte sich über sie und gab ihr einen sanften Kuss auf die Stirn.

„Schlaf schön."

Als er sich von ihr abwandte, registrierte er mit einer inneren Genugtuung den Hauch von Traurigkeit in Jordans Blick, und fühlte sich in seinem gerade gefassten Entschluss bestärkt. Wenn er für Jordan mehr als ein Freund sein sollte, dann lag es an ihr, das zu ändern. Er würde für sie da sein, ihr helfen, sich aber nicht aufdrängen, und wenn sie etwas daran ändern wollte, dann sollte sie die Initiative ergreifen.

Als er die Tür hinter sich schloss, kamen Woody jedoch schon die ersten Zweifel.
Würde Jordan diejenige sein, die die Initiative ergriff? Würde sie auf ihn zukommen? Oder würde alles so weiterlaufen wie bisher? Wenn ja, konnte er damit umgehen? Wollte er das?
Die Antwort darauf war einfach: Ja. Bevor er Jordan ganz verlor, wollte er sie zumindest als Freundin behalten.


-TBC-