Hallo ihr Lieben,

hier nun das nächste Kapitel. Wieder etwas kurz, aber es folgen noch Längere (sind gerade in Arbeit!). Leider werde ich in nächster Zeit noch seltener hochladen können, da ich mal wieder ein Praktikum mache und in dem Zimmer, das ich gemietet habe, leider kein Internetanschluss existiert. Das nächste Kapitel gibt es vermutlich am 26. oder 27. November.

Danke noch vielmals für eure Reviews. Hab mich voll gefreut und freu mich natürlich auch dieses Mal ;-)

6. Schlaf

Sie schlief. Schon seit Stunden. Ihr Puls war schwach und unregelmäßig, das Gesicht blass. Nur ihre Wangen waren vom Fieber unnatürlich gerötet. Er hatte nichts tun können, als zu warten. Wäre eine Medi-Hexe hier gewesen, ein Heiler, oder hätte er wenigstens die nötigen Zutaten für einen Trank dagehabt. Er hätte dem Mädchen helfen können. Aber so war er hilflos. Der Zauber, der sein Versteck schützte war stark und mächtig und Hermine hatte zu sehr versucht ihn zu durchdringen. Es hatte ihr die Kraft geraubt. Und er konnte nichts dagegen tun, außer da zu sein und zu warten. Ihr etwas gegen das Fieber zu geben und frisches Wasser, um den Flüssigkeitsverlust auszugleichen. Was hätte er gegeben für ein stärkeres Mittel…

Zögernd setzte er sich neben die schlafende Gestalt, dann nahm er ihre Hand und fasste suchend nach ihren Puls. Keine Veränderung. Unregelmäßig. Schwach. Wenn nicht bald eine Besserung eintrat, würde sie sterben. Und er war schuld.

Snape blickte auf Hermine herab. Wie hatte er es soweit kommen lassen können. Ja, er hatte sie retten wollen. Aber wieder war er ein zu großes Risiko eingegangen. Er hatte versagt. Nur eine einzige Aufgabe war ihm in seinem Leben geblieben. Und das erste Mal, dass es darauf ankam, versagte er.

Snape beugte sich vorsichtig herab, um auf ihren Atem zu hören. Wenigstens der war inzwischen ruhig und gleichmäßig. Wenn sie doch wenigstens erwachen würde. Wenn er ihr doch wenigstens erklären könnte.

Bedächtig tauchte er einen Lappen in die Schale mit Kräutersud. Er hatte ihn vor kurzem aufgesetzt. Er würde die Wunden reinigen und ihr Gesicht kühlen. Wenn doch nur das Fieber endlich sinken würde. Zaghaft strich er ihr mit dem angefeuchteten Lappen über das Gesicht. Sie zeigte keine Regung. Seine Finger nestelten nervös an einer Haarsträhne, seine Hand glitt ihr durchs Haar.

„Hermine", sagte er leise.

Es war so lange her, dass er eine zärtlich Regung für einen Menschen empfunden hatte. Hermine Granger war in Hogwarts eine Belastung gewesen. Jemand der sich ständig meldete, alles wusste oder zu wissen glaubte. Er hatte Hermine nicht gemocht. Vielleicht lag es daran, dass sie Snape zu sehr an seine eigene Schulzeit erinnerte. Er war genauso ein Bücherwurm gewesen wie Granger, genauso eifrig und besessen sich Wissen anzueignen. Und gleichzeitig war er so anders als Kind. So einsam. Hermine Granger hatte Freunde, wahre Freunde, die ihr stets zur Seite standen. Er, Severus Snape, war immer einsam gewesen.

Doch plötzlich war alles so anders, wie sie dort lag. So hilflos, so einsam. Er fühlte sich ihr plötzlich so nah. Und er fühlte sich schuldig. Es sollte nicht so sein. Sie sollte nicht hier sein.

Wieder strich er ihr durchs Haar. Die letzten Tage hatten erneut so viel verändert. Plötzlich war da ein Mensch, plötzlich war die Stille fort. Und er hatte sie nicht einmal vermisst. Dabei hatte er immer gedacht, dass er sich dann am besten fühlte, wenn er alleine war. Doch jetzt wünschte er sich nichts mehr, als dass sie wieder da sitzen würde. Mit ihrem bohrenden, fragenden Blick. Fragen, die sie nicht aussprach. Er vermisste das leise Rascheln, wenn sie die Blätter des Buches zwischen ihren Fingern bewegte. Die Stille erinnerte ihn daran, dass es seine Schuld war, seine eigene Nachlässigkeit.

Snape seufzte auf. Er wusste, dass er diese Gedanken nicht denken sollte, dass er sich nicht die geringsten Sorgen machen durfte. Was interessierte ihn dieses Mädchen? Er durfte seine Mauern nicht fallen lassen. Er durfte keine Schwäche zeigen. Egal, was geschah. Er hatte es geschworen.

Noch einmal berührte er ihre Wange, dann zog er seine Hand zurück und stand auf. Er musste abwarten.

Alles war blass, wie im Nebel. So fern. Hermine wusste, dass sie nicht länger lebte. Doch tot war sie auch nicht. Sie befand sich irgendwo dazwischen, an der Grenze. Ein Teil ihrer Seele drängte dem offenen Tor entgegen, bat sie ihr zu folgen und endlich den Schmerz hinter sich zu lassen. Aber sie konnte nicht. Irgendwo dort im Nebel, irgendwo war Harry und er brauchte sie. Irgendwo dort in der Finsternis war Ron, Ron, der sehnsüchtig auf sie wartete. Ginny, ihr Eltern, Molly… Sie konnte doch nicht einfach gehen.

Ihre Seele streckte die Hand nach ihr aus, flehte sie an doch endlich zu kommen. Endlich ins Licht zu gehen. Aber sie konnte nicht.

Und manchmal war dort im Nebel diese Stimme, ganz sanft. Sie sprach ihren Namen. Und dann die Hand, die ihr Gesicht berührte. Oder zumindest glaubte sie, dass es ihr Gesicht war. Wasser, das an ihre Lippen gesetzt wurde. Manchmal war dort im Nebel ein Mensch. Und er hielt sie davon ab zu gehen. Ließ sie zögern. Wer war er? War sie gerettet?

Irgendwo dort im Nebel gab es etwas, etwas, das nach ihr rief. Irgendwo dort im Nebel war das Leben.

Sie konnte nicht gehen. Noch nicht.