Eigentlich wollte ich gerade ein Doppelkapitel ins Netz stellen und musste dann voller Schreck feststellen, dass die anderen Kapitel nur auf einem anderen Rechner gespeichert sind. Also gibt es doch nur eines. Sorry. Dafür eine gute Nachricht: ich habe in einem wahnsinnig kreativen Anfall die vor zwei Tagen die Geschichte fertig geschrieben mit von Stolz geschwellter Brust dasitz JAAAAA! Jetzt muss ich es nur noch Korrektur lesen und dann… Dann kriegt ihr es zu lesen. Ich war ja sooooooo bööööööööse! Genug der Anspielungen: Jetzt gibt es erst einmal ein Kapitel in dem so einiges zum Verhältnis von Snape zu Dumbledore geklärt wird.
Hatte ich eigentlich schon für das letzte Kapitel allen eine Antwort versprochen? nachdenklich am Kopf kratz
13. Dich trifft keine Schuld
Sie saß schweigend vor dem Kamin und starrte ins Feuer. Lange hatte keiner gesprochen. Snape hatte sein Gesicht in seinen Handflächen verborgen und rührte sich nicht. Hermine war sich nicht sicher, aber manchmal glaubte sie, dass er weinte. Heimlich, so dass sie es nicht sehen konnte. Sie wollte ihn etwas fragen, traute sich aber nicht als erstes zu sprechen.
Er konnte sie nicht ansehen, nicht nach allem, was er ihr gezeigt hatte. Es waren nur die alten Erinnerungen, nicht alles, was sie wissen musste. Doch wusste er nicht womit er weiter machen sollte. Er war überwältigt von Scham und Scheu. Er hatte ihr Dinge gezeigt, die noch niemand zu sehen bekommen hatte… nein… einer hatte sie gesehen… und er hatte genauso mit seinen Gefühlen gespielt, wie alle Menschen zuvor. Snape war sich nicht mehr sicher, ob er wirklich damit fortfahren sollte sie in seine Geheimnisse einzuweihen. Er konnte sie nicht mehr ansehen. Nein. Er weinte nicht, auch wenn er das Gefühl hatte, dass Hermine Granger glaubte es sei so. Nein. Er weinte nicht. Er weinte nie.
„War… war das der Moment… als… als du zu Dumbeldore gegangen bist?" wisperte Hermine verlegen.
Ruckartig riss Snape den Kopf hoch, sein Blick wanderte rastlos durch den Raum, blieb an ihr kleben. Hermine wünschte sich, sie könnte seinen Blick deuten, aber da war nicht. Nichts außer einer tiefen undurchdringlichen Schwärze, die alles verbarg, was dahinter sein könnte. Snapes Lider senkten sich.
„Ja, damals ging ich zu Dumbledore… um gleich den nächsten Fehler zu machen. Wie du sicher von Potter weißt, habe ich damals ein Gespräch… besser gesagt eine Prophezeiung belauscht. Ich wusste nicht, um welches Kind es sich handelte. Hätte ich es gewusst, wäre ich vermutlich vernünftiger gewesen. In meinem Schreck viel mir nichts Besseres ein, als zu Lucius zu rennen und ihm alles zu berichten. Nicht meinen Plan den Dunklen Lord zu verraten, aber den Rest. Ich begriff erst, was ich getan hatte, als der Name Lily Potter fiel. Lily… Lily…"
Hermine stand langsam auf und setzte sich wieder zu Snape auf das Sofa. „Du hast sie sehr gemocht, nicht wahr?"
Snape starrte einen Moment vor sich hin, bevor er antwortete. „Vielleicht", sagte er, „vielleicht habe ich sie sogar geliebt." Dann versank er wieder in Schweigen. Regungslos saß er da, nur seine Pupillen wanderten rastlos durch den Raum, als sähe er Bilder aus einer längst vergangenen, dunklen Zeit. Hermine wagte nicht ihn erneut anzusprechen.
„Ich… ich habe sie angefleht. Den dunklen Lord, seine Anhänger… Dumbledore… Den dunklen Lord Lily zu verschonen, meinetwegen das Kind zu töten, auf jeden Fall den Mann… aber nicht Lily. Er hat gelacht, hat gesagt er würde sie mir schenken… vielleicht. Ich… ich bin wieder geflohen. Hätte ich sie damals gewarnt… aber ich bin zu Dumbledore gerannt… dem alten Narren. Er sagte er würde sie schützen… verstecken…. Welch ein Kind ich war das zu glauben."
Hermine schüttelte den Kopf. „Aber sie haben sich doch versteckt. Hätte Pettigrew sie nicht verraten…"
Snape stöhnte auf und vergrub erneut sein Gesicht in den Händen. „Dumbledore wäre in der Lage gewesen sie besser zu schützen. Er hätte selbst ihr Geheimniswahrer werden können, aber er bevorzugte windige Gestalten wie Pettigrew und Black. Keinem von ihnen konnte man trauen. Keinem! Das hätte ich Lily sagen müssen… das und noch viel mehr." Plötzlich starrte er Hermine an. Für einen Moment glaubte sie den Schmerz in seinen Augen zu sehen und eine winzige Träne, aber dann blinzelte er und da war nichts mehr, außer dieser undurchdringlichen, nichts sagenden Schwärze. „Ich habe darum gekämpft es zu vergessen… habe gekämpft es wenigstens ein bisschen wieder gut zu machen… aber wie konnte ich das? Wie? Und dann kam ausgerechnet der kleine Potter an die Schule. Wegen ihm war sie gestorben. Wegen diesem Jungen, der genauso neunmalklug und unausstehlich war, wie sein Vater. Potter hat stets geglaubt ich verachtete ihn wegen seinem Vater, aber das war es nicht. Das war es nie. Jedes Mal… jedes verfluchte Mal, das ich ihn angesehen habe, habe ich diese Augen gesehen. Die Augen seiner Mutter. Und jedes Mal hat es mich daran erinnert, welche Schuld ich auf mich geladen habe… jedes Mal…"
Hermine starrte ihn an und wischte sich mit dem Handrücken eine Träne aus den Augen. Sie spürte, wie Snape es zu verbergen versuchte, immer wieder versuchte, die brausenden Gefühle unter einer stillen Oberfläche zu verstecken. Sein Gesicht war ausdruckslos, aber seine Stimme zitterte, brach immer wieder. Seine geflüsterten Worte waren so voller Schmerz, dass sie seine Fassade wie ein Kartenhaus zusammenstürzen ließen. Hermine wollte etwas sagen, aber wieder war es Snape, der zuerst sprach:
„Ich habe Dumbledore vertraut. Ich dachte, er würde schaffen, was ich selbst nicht konnte: Diese Finsternis endlich beenden. Aber in Wirklichkeit war ich nur eine seiner Schachfiguren, die er mit einer lässigen Bewegung auf dem Spielbrett hin und her bewegte, ohne zu bedenken, dass DIESE Figuren menschlich waren, dass Blut durch ihre Adern floss, dass sie Gefühle hatten… Und am Ende fühlte ich mich, wie jene Figur, die den König mordete und nicht wusste, warum sie es eigentlich tat."
„Aber", stieß Hermine hervor, „aber Professor Dumbledore ist… war ein großartiger Zauberer. Und er hat alles gegeben, um die Zaubererwelt zu retten. Er war immer für alle anderen da. Er…"
Snape schnaufte laut. „Ja, er hat alles gegeben. Er war genauso in jenen Krieg verstrickt, wie der Dunkle Lord selbst. Aber mehr noch als Dumbledore gegeben hat, hat er von allen anderen verlangt. Von den Potters ihren Sohn um jeden Preis zu schützen, von Mister Harry Potter, dass er seine Kindheit und Jugend einem Krieg widmete, den er gar nicht verstand. Albus Dumbledore benutzte Menschen einzig und allein als Waffe. Für ein höheres Ziel. Für den Frieden. Aber hat er einmal gefragt, wie es den Menschen dabei erging, die sich so willentlich in seine Pläne fügten? Hat er einmal danach gefragt, was er damit anrichtete? Ein einziges Mal?" Er starrte Hermine aus finsteren Augen an. Graue Wolken schwammen über seiner Iris.
Hermine biss sich auf die Lippe. „Ich… ich weiß nicht. Harry hat oft mit ihm gesprochen. Dumbeldore hat ihm stets die Wahl gelassen…"
„Hat er das?" Snape sprang auf. „Glaubst du wirklich, dass Harry das hatte? Eine Wahl? Albus hat nie geglaubt, dass der Dunkle Lord tatsächlich vernichtet wurde. Tag für Tag, Monat für Monat hat er auf ein Zeichen seines Erwachens gewartet. Umso älter Potter wurde, desto offensichtlicher wurden sie. Nur wer es genau beobachtete, konnte es bemerken. Dann Quirrel und die Kammer des Schreckens. Potter hat sich damals gut geschlagen, das muss man ihm lassen. Aber das hat Albus nur noch mehr darin bestärkt, dass Potter der Auserwählte ist. Der Junge hatte keine Wahl. Niemals. Selbst wenn Albus Dumbledore ihm das manches Mal glauben machte. Von seinem ersten Tag in Hogwarts wurde Potter systematisch darauf vorbereitet den Dunklen Lord zu besiegen… zu welchem Preis…"
Snape lief vor dem Tisch auf und ab. Seine Augen wanderten noch immer rastlos hin und her. Seine Stimme schwankte zwischen Schmerz, Verachtung und Hass. Hermine saß noch immer da und starrte ihn an. „Welcher Preis?" fragte sie leise.
Snape lachte. Schrill und heiser. „Potter hätte ein normaler Junge sein können. Er hätte ein normales Leben führen können. Seine Eltern hätten vielleicht noch leben können. Aber das war nicht in Albus´ Sinne."
Hermine atmete hörbar ein. Ihr Herz raste. Wusste Severus Snape, was er da sprach? Welche Anschuldigungen er damit erhob? Ihre Hände klammerten sich hilflos aneinander. Warum glaubte sie ihm? Warum bezichtigte sie ihn nicht als den Lügner, der er sein musste? Dumbeldore war nie so gewesen… nie so berechnend.
Fast lautlos setzte Snape sich wieder zu ihr auf das Sofa. Fast sanft sah er sie an. „Albus Dumbledore war nicht so, wie… wie viele glauben. Fudge, zum Beispiel, ist ein Narr, aber er hat sich stets in der Nähe des Schulmeisters gefürchtet. Nicht ohne Grund, Hermine. Dumbeldore war ein mächtiger Zauberer, nur nicht mächtig genug, um den Dunklen Lord zu vernichten. Nein, Albus Dumbledore war kein schlechter Mensch. Er hat nie selbst einen Menschen verletzt, er war sogar davon überzeugt, dass das Töten eines Menschen die Saat des Bösen in das Herz des Täters pflanzt. Er hatte Recht damit. Wer einmal tötet, hat sein restliches Leben damit zu kämpfen. Dumbledore hatte Angst davor. Deshalb hat er den Dunklen Lord niemals zu einem tödlichen Duell heraus gefordert. Diese Aufgabe hatte er anderen Menschen zugedacht. Menschen mit einem reineren Herz, als er selbst es stets hatte. Einem Menschen, der nicht so viel Schuld auf sich geladen hatte, wie er selbst."
Hermine schluckte schwer. „Was hat er getan?"
Snape zog eine Augenbraue nach oben. Hermine kannte diesen Blick, doch schon zu Schulzeiten war es ihr nie gelungen ihn zu deuten. „Nichts, Hermine. Das ist es gerade. Er hat nichts getan. Er hätte den Dunklen Lord besiegen können, als es noch nicht zu spät war, aber stattdessen hat er den Dingen ihren Lauf gelassen. Frag mich nicht warum. Er hätte die Potters retten können. Aber wieder hat er nichts getan. Es gab Momente und es gibt sie immer wieder, in denen ich glaube, dass er es aus Absicht tat. Dumbeldore wusste von der Prophezeiung. Und nach dem Überfall auf das Haus der Longbottems, nachdem Todesser Frank und Alice solange gefoltert hatten, dass sie den Verstand verloren, nachdem sie den kleinen Jungen hatten friedlich schlafen lassen, ohne dass der Dunkle Lord ihn gezeichnet hatte, wie die Prophezeiung vorsah, wusste Dumbledore, dass es nur einen Jungen gab, der zum Gegenspieler des Dunklen Lords werden konnte…"
„NEIN!", stieß Hermine heftig hervor und sprang von dem Sofa auf. Wütend starrte sie Snape an. „Er hat sie nicht sterben lassen. Er hätte Harrys Eltern nicht sterben lassen, er hätte Harry selbst beschützt, er…"
Langsam stand Snape auf und legte Hermine eine Hand auf die Schulter, um sie zum Schweigen zu bringen. „Vielleicht hätte er das. Vielleicht aber auch nicht. Ich… ich habe keinen Beweis dafür. Es ist nichts weiter als… als ein Gefühl. Manches Mal glaube ich, dass Albus alles viel länger geplant hatte, als allen bewusst war. Aber vielleicht…", Snape drückte Hermine wieder auf das Sofa herab, „vielleicht irre ich mich auch."
Schweigen. Severus Snape schwieg und Hermine starrte ihn an. Sie konnte und wollte nicht glauben, was er gesagt hatte. Aber… es gab eine gewisse Logik. Dumbledore hatte stets alles gewusst. Warum hatte er nicht früher eingegriffen? Hatte Dumbledore tatsächlich geglaubt er könnte Voldemort mit Worten und Geduld besiegen? Oder gab es dort tatsächlich Dinge in der Vergangenheit? Dinge, die schrecklicher waren, als sie es sich hatte ausmalen können. „Wenn das, was du sagst wahr ist", stieß sie heftig hervor, „dann war Dumbledore nicht besser als Voldemort."
Hermine spürte wie Snape zusammen zuckte, als sie Voldemorts Namen aussprach.
„Sprich nicht seinen Namen, Hermine. Bitte." Er senkte den Blick. „Ich war so ein Narr. Ein ganzes Leben lang nichts weiter als eine Witzfigur."
Hermine legte ihm eine Hand auf die Schulter. Plötzlich fühlte sie ein unglaublich großes Bedürfnis ihm Nahe zu sein. Ihm den Schmerz zu nehmen, die Einsamkeit. „Nein", wisperte sie, „ das warst du nie. Du bist ein intelligenter Mann, ein großer Zauberer… und… und… ein sehr trauriger Mensch…"
Snape wandte ihr das Gesicht zu. Zögerlich wie es schien. Seine Mundwinkel zuckten und fast schien es, als wollte er lächeln. „Das sieht unsere neunmalkluge Gryffindor also in mir?"
Snape sah auf das Mädchen herab. Ihre Augen glänzten traurig. Sie schien tatsächlich ernst zu meinen, was sie sagte. Vielleicht hatte sie sogar Recht. Vielleicht war er einsam. Aber in erster Linie fühlte er den Hass. Den Hass auf den Dunklen Lord, dessen Grausamkeit ihm fast den wohl gehüteten Verstand gekostet hatte. Hass auf Dumbledore, der nie grausam gewesen war und dennoch mit der Grausamkeit anderer Menschen spielte. Und er fühlte den Hass auf sich selbst. Hass auf seine Schwäche. Hass auf seine Naivität. Hass, weil er sich hatte von allen Menschen benutzen lassen. Oh ja, er kämpfte für die gerechte Sache. Er hatte weiterhin alles getan, was Dumbledore verlangt hatte. Weil er wusste, dass der Dunkle Lord vernichtet werden musste. Aus keinem anderen Grund. Nein, er empfand keine Loyalität mehr für den alten Schulmeister. Nur manchmal. Manchmal wünschte er sich, er wäre wieder da. Würde mit seinen Augen blinken und ihn streng über seine Brillengläser hinweg ansehen. Würde wieder lächeln und ihm einen der Zitronenbonbons anbieten, die Albus so liebte und Snape nicht ausstehen konnte. Manchmal wünschte er sich einen Rat, Hilfe bei dem, was er tat. Aber Albus Dumbledore gab es nicht mehr. Nur noch ein lächerliches Porträt, das ihn nicht ersetzen konnte. Niemals.
„Vielleicht", sagte Snape leise, während er weiter auf das Mädchen herab blickte, das ihn mit so großen und durchdringenden Augen ansah, „vielleicht tue ich Albus unrecht mit dem, was ich gesagt habe. Vielleicht ist das nur meine Phantasie… und der Hass, den ich seit jenem Abend empfinde, an dem ich Hogwarts verlassen habe… verlassen musste."
Sie sah ihn weiterhin mit diesem tiefen durchdringenden Blick an und wieder biss sie sich auf die Lippe. Sie tat das oft, wenn sie nachdachte, oder wenn sie überlegte, ob sie tatsächlich eine Frage stellen sollte. Das war ihm in den letzten Tagen aufgefallen. Dieses Mädchen war so sehr das, was er nie sein konnte, dass es ihm wie eine Ironie erschien, dass ausgerechnet sie seine Geschichte erfuhr. Sie war warm und voller Gefühl, scheute sich nie offen zu weinen, oder zu lachen… er hatte sie lange nicht lachen sehen. Aber er erinnerte sich noch genau an den Schulball in ihrer vierten Klasse, als sie Krum begleitete. Da hatten alle zum ersten Mal gemerkt, wie sie langsam zu einer Frau heran reifte. Und sie hatte gelacht… Warum erinnerte er sich so genau daran? Vielleicht, weil es einer der letzten Abende war, die er halbwegs sorglos, wenn auch gelangweilt verbracht hatte.
„Warum… warum hast du ihn getötet?" Erschrocken zuckte Snape zusammen, er hatte die bevor stehende Frage fast verdrängt. Sein Erschaudern entlockte Hermine ein leises „Entschuldige".
„Nein. Jetzt wo ich damit angefangen habe, muss ich es auch zu Ende bringen. Warum ich Albus getötet habe? Weil er es so wollte."
Er hätte mit einem Ausbruch gerechnet. Mit ihrem Entsetzen, ihrem Aufschrei. Er hätte erwartet, dass sie ihn der Lüge bezichtigte, ihn beschimpfte. Er hätte Tränen erwartet. Aber stattdessen saß sie einfach da und nickt. Nickte und sagte leise: „Ja… ja nach all dem… ergibt das Sinn…"
Snape wollte etwas sagen, brachte aber keinen Ton heraus. Er öffnete seine Lippen und schloss sie sogleich wieder, sah vermutlich aus wie ein Fisch, der an Land verzweifelt nach Luft schnappte. Das ergab Sinn?
„Severus… würdest… würdest du mir zeigen wie es dazu gekommen ist? Nicht die Nacht auf dem Turm… ich kenne alles nur zu genau von Harry. Er hat es ein ums andere Mal bis ins Detail erzählt… aber den Rest… wie es dazu gekommen ist…"
Wieder schluckte er. „Du… du glaubst mir, was ich sage?"
Ihre Hand strich sanft von seiner Schulter seinen Rücken herab. Er hatte nicht einmal bemerkt, dass sie ihre Hand dort hatte ruhen lassen. Wieder nickte sie. „Es erklärt vieles… ich habe mich so oft gefragt, wie es dazu kommen konnte. Warum Dumbledore nie etwas gemerkt hat. Aber langsam… langsam ergibt es einen Sinn."
Hermine hätte niemals zugegeben wie verwirrt sie wirklich war, wie sehr sie sich davor fürchtete sich einzugestehen, dass er Recht haben könnte. Und dass Dumbledore nicht der Mann war für den ihn alle gehalten hatten.
Snape hatte wieder das Denkarium vor sie gestellt. Ein letztes Mal sollte er ihr etwas zeigen, etwas, das endlich alles erklären würde.
Hermine beugte sich herab und wieder umfing sie die wirbelnden Bilder. Snape und Voldemort, der Pettigrew in seine Obhut gab. Snape in seinem privaten Haus, das Haus, das man nach seinem Verschwinden so gründlich durchsucht hatte. Narzissa Malfoy und ihre Schwester. Der Schmerz einer Frau, die nichts mehr fürchtete, als ihren Sohn zu verlieren. Hermine spürte die zärtliche Zuneigung, die Snape mit Narzissa verband, ihn dazu bewegte einen Eid zu leisten, den er niemals eingegangen wäre, hätte er gewusst, was ihn erwartete. Und dann endete der Bilderrausch in Dumbeldores altem Büro.
Dumbledore saß wie immer an seinem Schreibtisch, lächelte. „Nun, Severus, ich sehe, dass dich etwas bedrückt. Was ist es mein Junge?"
Snape stand zusammen gesunken am Fenster. „Dieser Eid", steiß er hervor, „dieser verfluchte Eid…wie konnte ich so töricht sein ich zu leisten?"
Dumbeldore lachte leise, doch Snape sah nicht auf. Hermine konnte seine Gefühle spüren. Das Chaos aus Hass, Angst und stiller Verzweiflung. „Aber Severus, wir haben doch bereits darüber gesprochen. Es war notwenig, um Mrs. Lestrange glauben zu machen, was sie glauben sollte."
Snape wirbelte lautlos herum und starrte Dumbeldore an. Er war blasser als er es sonst war. Fast weiß. „Es war vollkommen überflüssig… es… es war Wahnsinn, Dumbledore." Snape beugte sich über Dumbeldores Schreibtisch hinweg und starrte den alten Mann an. Hermine konnte die Spannung spüren, die zwischen ihnen lag. Dumbledores Lachen verschwand aus seinem Gesicht. Seine Augen blinkte nicht mehr.
„Ich nehme an, du hast mit dem jungen Mister Malfoy gesprochen und ihm deine Hilfe angeboten. Und ich nehme auch an, du hast herausgefunden, was sein Auftrag ist, Severus?"
Snape schluckte schwer und er wandte den Blick ab. „Er hat meine Hilfe abgelehnt. Geweint hat er, aber Hilfe wollte er auch keine…", Snapes Augen verfinsterten sich und heftig stieß er hervor: „Und ja! Ich habe herausgefunden, was er GENAU tun soll. Dmbledore… es ist Wahnsinn. Er ist doch noch ein Kind und soll…"
Dumbledore stand langsam aus seinem Sessel auf und ging um den Schreibtisch herum, er legte mit einer wenig beruhigenden Geste Snape eine Hand auf die Schulter. „Dann hat Voldemort also beschlossen, Draco für das Versagen seines Vaters büßen zu lassen." Dumbledore senkte seinen Blick und starrte auf seine geschwärzte Hand. „Er geht zum Gegenangriff über. Ausgerechnet jetzt."
„Draco soll dich töten, Albus", Snapes Stimme war nicht mehr als ein Flüstern und er sah nicht auf während er sprach.
„Ich weiß, Severus. Nichts anderes habe ich vermutet." Dumbeldore ging mit langsamen Schritten zum Fenster, plötzlich wirkte er unendlich alt. „Und dein Eid verlangt, dass du ihm dabei hilfst."
Snape zuckte zusammen. Fast schien es ihr, als habe er noch gar nicht bis zu diesem Punkt gedacht. Seine Hände und Lippen zitterten, aber er sagte nichts. Er starrte den Schulmeister an, als erwartete er ein Wunder, eine Geste, die alles ungeschehen machen würde.
„Severus, sieh mich nicht so an", Dumbledore drehte sich nicht zu ihm um, während er sprach.
„Was… was soll ich tun? Albus?" Snapes Stimme fehlte all die Stärke, die ihn sonst so Furcht erregend machte. „Ich fürchte mich nicht davor zu sterben… aber Draco… es würde seine Mutter umbringen, sollte ihm etwas zustoßen…sie…und Draco… er ist… noch fast… fast ein Kind. Ich… ich kenne ihn seit er ein kleiner Junge ist…"
Noch immer drehte sich Dumbeldore nicht um. „Lass ihn vorerst gewähren, Severus. Alles, was wir im Moment tun können, ist abwarten… und versuchen Zeit zu gewinnen. Ich brauche Zeit, um über die beste Lösung nachzudenken…"
„Und wenn wir diese Zeit nicht haben?" Hermine spürte, wie Snapes Ärger aufwallte. Ärger über Dumbledore, der scheinbar nicht zu begreifen schien, in welcher Gefahr sie sich alle befanden.
Der alte Mann drehte sich langsam, fast schwerfällig zu ihm um. Ein trauriges Lächeln umspielte seine Lippen. „Glaubst du wirklich, dass Draco in der Lage wäre einen Menschen zu töten? Einfach so?"
Snape starrte ihn an. Seine Lippen öffneten sich, schlossen sich wieder und dann schüttelte er den Kopf.
„Dann haben wir Zeit."
Hermine blieb in Dumbeldores Büro, an der gleichen Stelle, an der sie die ganze Zeit gestanden hatte, um die Szene zu beobachten. Nichts geschah. Und dann veränderte sich das Muster. Dumbeldore trug nun statt einer weinroten eine dunkelblaue Robe mit Sternenmuster. Snape stand am Fenster. Blass war er und seine Augenringe schienen in der Zeit, die vergangen war, noch tiefer geworden zu sein. Wie viel Zeit war eigentlich vergangen?
„Was willst du noch riskieren, Albus? Was noch? Ich habe dich bereits gewarnt, als das mit deinem Arm passiert ist. Allein auf die Suche zu gehen, war ein gewagtes Unterfangen. Und jetzt? Der Zwischenfall mit dem Mädchen war dir noch nicht genug? Sie ist schwer verletzt worden. Ich habe mein Bestes gegeben, aber fast wäre sie gestorben. Was Draco dort treibt, ist kein Spiel mehr. Er ist gefährlich. Albus! Es wird Zeit etwas zu unternehmen!"
Dumbledore stand unweit von Snape in einer zweiten Fensternische. Er sah Snape nicht an, sah nicht die Angst, die Hermine fühlen konnte. „Er weint so oft, Severus. Wenn ich nur eine Möglichkeit finden würde, ihm zu helfen. Euch zu helfen. Du hattest Recht: Die Zeit läuft uns davon. Was wiegt schwerer: eines oder zwei Menschenleben? Sag es mir, Severus?"
Snape biss sich auf die Lippen. „Ich weiß nicht, wovon du sprichst…"
Dumbledore blickte langsam auf. Tränen waren in seinen Augen. „Harry weiß jetzt alles, was er wissen muss. Er ist gut vorbereitet auf seine Aufgabe…ich bin alt, Severus. Aber du und Draco… ihr habt euer ganzes Leben noch vor euch."
Severus Snape stürmte auf den Schulleiter zu umfasste seine Schultern, schüttelte ihn ruckartig, aber sanft. „Nein, Albus… du willst mir nicht sagen, dass du dein Leben opfern willst, um meines und Dracos zu retten? Willst du, dass der Dunkle Lord gewinnt? Potter mag vorbereitet sein, aber er würde jegliche Hoffnung verlieren. Und nicht nur er. Weißt du, was du verlangst?" Snape schüttelte den Kopf und ließ seine Hände von Dumbeldores Schultern gleiten. Sie zitterten. Fahles Sonnenlicht fiel zum Fenster hinein. Es zauberte einen goldenen Schimmer in das weiße Haar des Schulleiters und gleichzeitig ließ es die Schatten in Snapes Gesicht noch tiefer erscheinen, das Rot um seine Augen noch viel gesättigter. Hatte er geweint?
„Ich verlange nichts, Severus. Ich werde Harry bei meiner nächsten Aufgabe mit mir nehmen. Dann ist alles, was ich noch tun musste, erledigt. Ich werde euch nicht aufgeben und genauso wenig mich selbst… aber wenn der Zeitpunkt kommt, dass ich wählen muss zwischen meinem Leben und deinem, weiß ich, wie ich mich zu entscheiden habe." Hermine hatte Dumbeldore niemals weinen sehen. Niemals winzige gläserne Perlen sein Gesicht hinunter laufen sehen.
Snape wandte sich ab. Hermine fühlte, dass er den Anblick nicht ertragen konnte. „Ich fürchte mich nicht vor dem Tod, Albus", wisperte er.
„Und ebenso wenig tue ich es. Ich spüre das Ende seit einiger Zeit kommen. Die Kraft schwindet mit jedem Tag", wieder einmal starrte Dumbledore auf seine schwarze Hand, „alles, was im Moment zählt, ist dass du deine Stellung in Voldemorts Kreis behältst. Nur du kannst Harry bei seiner letzten schwierigen Aufgabe unterstützen."
Snapes Blick verfinsterte sich noch mehr. „Du suchst den Tod, nicht wahr?"
Dumbeldore umfasste Snapes Hände: „Noch immer suche ich nach einem Weg Draco von dem abzubringen, was er plant. Aber wenn es ihm gelingt, darfst du ihm nicht im Wege stehen. Du darfst dich selbst und den Jungen auf keinen Fall für mich opfern. Hast du mich verstanden, Severus?" Snape sah ihn finster an, seinen Mundwinkel zuckten. Hermine spürte den Hass in Snapes Brust. Hass auf Dumbeldore. Wie konnte er von ihm verlangen nichts zu tun? Wie, wieder einen Teil seiner Seele zu opfern? Wie, sich nicht dem Bösen in den Weg zu stellen? Längst war es Snape egal, was mit Narzissa geschah… nein… das war es nicht… aber… sie hätte Draco davor bewahren können, hätte ihn von all dem fern halten können. Aber nichts dergleichen hatte sie getan.
„Kannst du mir das versprechen?"
Obwohl Snape es nicht wollte, nickte er. Und gleichzeitig wandte er sich zum Gehen, er konnte dies alles, diese Farce nicht länger ertragen. Doch bevor er die Tür erreicht hatte, rief Dumbledore noch einmal seinen Namen.
„Severus… bevor du gehst, sei dir wenigstens gewiss: Sterbe ich, wird Harry das einzige lernen, das ihm noch fehlt, um Voldemort zu töten. Er wird lernen zu hassen."
„Ja", stieß Snape hervor, „in der Tat. Das wird er." Während er noch sprach, griff er zur Türklinke.
Wie Snape konnte auch Hermine die Stimme hören. Die Stimme in Snapes Kopf. „Severus, mein…mein teuerster Freund. Wenn es so weit ist, lass mich nicht im Stich. Wenn Draco versagt und keine andere Wahl mehr bleibt… du wirst wissen, wann das ist. Severus, lass mich dann nicht im Stich. Vollende es! Ich flehe dich an. Beende es! Steh weiterhin treu an meiner Seite. Severus. Dann musst du mich töten… bitte!"
Hermine sah die Tränen auf Dumbledores Wangen und hörte Snapes wutverzerrten Schrei „NIEMALS!" und dann wurde sie aus der Erinnerung geschleudert.
Sie war im Wald. Irgendwo im Dunkel. Snape lehnte an einem Baum, versteckt vor dem grellen Mondlicht, das durch die Zweige fiel. Er atmete schwer. Hinter ihm hörte sie Schritte, Stimmen, ab und zu ein heiseres Lachen. Hermine spürte den Schmerz, nichts als Schmerz. Und sie hörte seine gewisperten Worte. „Ich hab es getan… wie konnte ich? So viel Hass?… Albus, was hast du nur von mir verlangt…" Nur mühsam unterdrückte er die Tränen, als er spürte, wie jemand an ihn heran trat.
„Ist alles in Ordnung mit Ihnen, Professor?" Die Stimme war unsicher, aber gefestigt.
Langsam drehte Snape sich herum und blickte zu dem blonden Jungen. „Sicher, Draco", sagte er heiser.
Die anderen näherten sich ihnen und betrachteten die ungleichen Männer. Sie lachten und grinsten. Der Triumph glänzte in ihren Augen. Draco klopfte Snape kumpelhaft auf die Schulter, als wollte er den anderen zeigen, was für ein Mann er schon war.
„Das haben wir gut gemacht, oder, Sir? Sie… sie waren großartig! Ich meine: Sie haben es dem alten Mann echt gezeigt…"
Snapes Augen trübten sich und er schüttelte den Kopf, dann beugte er sich herab. Er flüsterte so leise, dass selbst Draco es kaum verstehen konnte. „Du hast keine Ahnung, Draco, welche Schuld du… welche Schuld wir auf uns geladen haben…"
Mit diesem Satz wurde Hermine wieder zurück in die Realität geschleudert.
Snape saß wie immer mit ausdruckslosem Gesicht da. Es schien Hermine, als wagte er nicht sie anzusehen. Schließlich nahm sie allen Mut zusammen und sprach ihn an, leise und mit gesenkter Stimme, als wollte sie ihn nicht erschrecken. „Severus", sagte sie, „Severus, dich trifft doch gar keine Schuld."
