Hallo,

wieder keine persönliche Antwort von mir und auf das neue Kapitel musstet ihr lange warten. Sorry dafür! Aber die letzten Tage ging mein Internet nicht, hab den Anbieter gewechselt und wie sollte es auch anders sein: Da ging dann erst einmal gar nichts mehr… aber jetzt! Und da ihr so lange warten musstet und da die nächsten Kapitel recht kurz sind, gibt es gleich drei auf einmal.

Lieber Gruß

Este

14. Harrys Triumph

„Wenn sie es sehen könnte", sagte er leise, „Harry, wenn Hermine das nur sehen könnte. Wir haben es geschafft, Harry."

Harry Potter senkte seinen Blick. Ja, Ron hatte Recht. Sie hatten es tatsächlich geschafft. Er hatte Dumbledore nicht enttäuscht, jedenfalls bisher nicht. Noch ein oder zwei Tage, dann würde es soweit sein. Sie hatten sich entschlossen nicht zu warten, bis Voldemort den ersten Schritt tat. Der Orden des Phönix würde angreifen. Es hatte Harry Potter große Mühe gekostet die Mitglieder zu überreden ihm zu vertrauen, ihm zu glauben, dass sie Voldemort vernichten konnten. Nein. Sie hatten nicht auf ihn hören wollen. Und dann hatte er sie eingeweiht: Tonks, Lupin, McGonagall, Molly und Arthur. Bewunderung und Entsetzen. Enttäuschung, dass Dumbledore ihnen nicht vertraut hatte und diese wichtige Aufgabe einem Haufen Kinder überlassen hatte. Es war Lupin gewesen, der gesagt hatte, es sei so besser gewesen. So großes Vertrauen, wie zwischen Harry und seinen Freunden war sonst nirgends zu finden. Und das hatte Dumbledore gewusst. Freundschaft und Liebe, das war notwendig gewesen, um diese Aufgabe zu vollenden. Nicht die geballte Zauberkraft des Ordens, nicht der Rat der Erwachsenen. Es war Lupin gewesen, der die anderen überzeugt hatte, Harry zu vertrauen. Es war Lupin, der jetzt die Vorbereitungen übernahm. Gemeinsam mit Tonks. Liebe, hatte Dumbledore immer gesagt, war eine mächtige Kraft.

„Was meinst du wo sie jetzt ist Harry? Was sie mit ihr gemacht haben? Ich meine, Harry… sie ist doch nicht tot, nicht wahr?" Ron sah ihn aus großen Augen an. Woher sollte Harry das wissen. Seit dem Foto hatte er nichts mehr von ihr gehört. Snape. Snape hatte sie in seiner Gewalt. Er hatte die Handschrift sofort erkannt und gleichzeitig begriffen, dass er nichts tun konnte, ehe er nicht die Horcruxes zerstört hatte. Es hatte ihm so geschmerzt. So an ihm gerissen. Hermine. Er hatte sie im Stich gelassen.

„Ich weiß es nicht, Ron."

„Aber… er wird sie nicht umgebracht haben, oder Harry. Ich meine, sie war doch einmal seine Schülerin…"

Harry sah Ron an. Dann schüttelte er den Kopf. „Ron, ich weiß es wirklich nicht. Snape… Snape hat Dumbledore getötet. Wer kann schon wissen, wozu er fähig ist."

Ron biss sich auf die Lippe. Seit Hermine fort war, schlief er kaum noch. Harry hörte ihn jede Nacht ihren Namen murmeln. Jeden Morgen war Ron der Erste, der aufstand und die Treppe hinunter lief. Harry wusste, dass er jedes Mal hoffte, Hermine sei zurück. Jeden Morgen stand Ron einen Moment völlig angespannt in der Einganghalle des Hauptquartiers und lauschte in alle Richtungen. Dann sackte er in sich zusammen und trottete wie ein geprügelter Hund in Richtung Küche. Dort trank er lustlos eine Tasse Tee und stopfte ein Marmeladenbrot in sich hinein. Ron war immer so fröhlich gewesen, ein Idiot manchmal, aber trotzdem immer bereit Harry aufzubauen. Jetzt war er nur noch ein Schatten seiner selbst.

„Wir haben sie im Stich gelassen, nicht wahr Harry?" Ron war fast lautlos an den großen Kamin heran getreten. Wie jeden Nachmittag hatten sie sich im Arbeitszimmer getroffen, vor dem großen prasselnden Feuer, das sie doch nicht zu wärmen vermochte.

Harry Potter sah seinen Freund traurig an. „Ja", flüsterte er, „ja, wir haben Hermine im Stich gelassen.

Er hätte Triumph empfinden sollen, Freude, dass ihnen das nahezu unmögliche gelungen war, dass sie gesiegt hatten über Voldemorts Hinterlist. Er hätte Triumph empfinden sollen, dass sie nun nicht länger ohne Hoffnung waren, dass sie die Zaubererwelt retten konnten. Die Mugglegeborenen. Aber da war nichts, außer einer alles erstickenden Traurigkeit. Der einzigen Mugglegeborenen, die ihnen je wirklich etwas bedeutet hatte, hatten sie nicht helfen können. Sie hatten Hermine im Stich gelassen. Harry Potters Triumph war bitter.

15. Abschied

Sie lag vor dem Kamin und schlief, ab und zu zuckte sie zusammen, war unruhig. Snape kniete sich langsam neben sie. Wie jung sie noch war. Jung, schön und intelligent. Aber am meisten hatte ihn etwas anderes beeindruckt: Sie war genau das Gegenteil von dem, was er in ihrem Alter gewesen war. Sie war vollkommen rein. Da war kein Hass, keine Vorurteile. Hermine besaß ein mitfühlendes Wesen und zugleich eine Stärke, die ihn in ihren Bann zog. Vielleicht, wenn es früher in seinem Leben einen Menschen mit ihrem Wesen gegeben hätte… wenn er sich früher einem Menschen geöffnet hätte. Vielleicht…

Aber, was sollte es noch über diese Dinge nachzudenken. Es war vorbei. Noch ein paar Tage und Harry Potters Schicksal würde endlich seine Bestimmung finden. Voldemort würde sterben und all seine Ideale mit ihm. Er selbst würde sterben und mit ihm sein Schmerz. Es würde endlich vorbei sein. Endlich Frieden.

Snape seufzte.

Wie würde sie es aufnehmen? Wenn Harry ihn, Severus Snape, zum Kampf forderte? Rache üben würde für Dumbledores Tod? Es tat ihm Leid um das Mädchen. Ein letztes Mal würde er einem Menschen Schmerz bereiten.

Vorsichtig streckte Snape die Hand aus und berührte ihre Wange. Lange hatte er keine Zärtlichkeit mehr empfunden. Aber sie… sie war so anders. Wie konnte er sich nicht zu ihrer Seele hingezogen fühlen, wie sich ihrer Wärme verschließen?

Hermine zuckte leicht zusammen, als seine kalte Hand ihre Wange berührte. Doch dann lächelte sie, umfasste seine Hand mit der ihren, strich mit ihrem Daumen über seinen Handrücken. Er zitterte bei ihrer Berührung.

Verschlafen öffnete sie die Augen.

„Wie spät ist es", flüsterte sie.

Sein Lächeln war verkrampft. Er war das nicht gewohnt. Zu lächeln. Freundlich zu sein.

„Zu früh zum aufstehen… es… es tut mir leid dich geweckt zu haben…"

Ihre Augen lachten. Es waren kleine Lichter, die darin tanzten. Früher hatte er das nie gesehen. Hatte er sie damals überhaupt jemals richtig angesehen? Diese Alleswisserin… Diese Potter-Freundin…?

„Nicht schlimm", sagte Hermine, „hast du nicht geschlafen?"

Er schüttelte den Kopf. „Ich … ich bin nicht müde."

„Es ist kalt."

Er nickte. „Ich kann Holz nachlegen, wenn du willst…"

Sie schüttelte den Kopf. „Hier ist es angenehm… aber du musst frieren."

Wieder huschte nur ein zaghaftes Lächeln über sein Gesicht. Er wusste nicht so Recht worauf sie hinaus wollte.

„Komm", wisperte sie.

„Was?"

„Als ich hier her kam, hast du gesagt wir müssten das Lager teilen, wenn es kalt ist. Also komm."

Verwirrt starrte er sie an. Wusste dieses Mädchen, was sie tat? Er fürchtete sich davor bei ihr zu liegen. Fürchtete mehr Nähe zuzulassen, als bisher geschehen. Fürchtete sich davor die Kontrolle zu verlieren. Was würde sie wohl tun, wenn…?

Hermine zog ihn auf das Lager herab. Dabei lachte sie. „Sind Sie schüchtern, Professor?"

Er schüttelte entnervt den Kopf und warf ihr dabei einen Blick zu, der ihr früher Angst gemacht hätte. Aber dieses Mal brachte er nicht einmal ihr Lachen zum Verstummen. Dann legte er sich tatsächlich neben sie und zog eine Decke zu sich heran. Nicht, dass er so hätte schlafen können, aber es war tatsächlich ein schönes Gefühl neben der jungen Frau zu liegen.

Als sich das Mädchen in seinen Arm kuschelte, wusste er nicht mehr, was er tun sollte. Überhaupt: Was tat er hier eigentlich? Reflexartig legte er einen Arm um sie. Es schien sie nicht zu stören.

„Fürchtest du dich nicht? …Ich meine vor mir."

Verschlafen schüttelte Hermine den Kopf. „Nicht mehr", flüsterte sie und er konnte die Traurigkeit in ihrer Stimme hören.

„Warum nicht? Ich… ich bin…"

Sie unterbrach ihn. Wie konnte sie nur… „Nein", sagte sie mit noch eben so leiser Stimme. „Das kann ich nicht mehr nach allem, was ich jetzt weiß."

Er wollte sich aufrichten, wollte eigentlich nur noch weg. Keine Nähe zu lassen. Das war die Regel. Das war seine Pflicht. Aber sie schmiegte sich nur noch enger an ihn. „Hermine, bitte. Das ist keine gute Idee."

Fast fürchtete er sich vor ihr, vor der Weigerung ihn gehen zu lassen. Ihn in der Einsamkeit zurück zu lassen, in der er immer gelebt hatte. Er wollte nicht, dass sie sich um ihn sorgte. Wollte nicht, dass sie etwas für ihn empfand, schon gar kein Mitleid.

Snape betrachtete sie. Hermine hatte ihre Augen schon längst wieder geschlossen. Ein sanfter und feiner Zug umspielte ihre Lippen. Wie verdammt hübsch sie war. Und so voller Wärme. Unwillkürlich rückte er ein Stück näher, um sich gleich daraufhin zu verfluchen. Sie lächelte. Sie hatte es gemerkt.

„Versuchen Sie zu schlafen, Professor", sagte sie voller Zärtlichkeit.

„Ich bin kein Professor mehr… werde es nie mehr sein." Wieso verstand sie das nicht? Warum erzeugte sie diese Illusion… und diese Erinnerungen? Er hatte das Unterrichten nie wirklich gemocht, zumindest bei den unteren Klassen. Aber er hatte es geliebt, wenn sich unter seinen Schülern ein wahres Talent zeigte, eines, dessen Förderung sich lohnte. Es sei denn, es war so ein neunmalkluges Wesen wie Hermine Granger, die ihm wirklich den letzten Nerv geraubt hatte. Aber was das Wichtigste war: Er hatte Hogwarts geliebt, ein wenig sogar die Lehrer… McGonagall… Albus…. Hogwarts war das einzige Zuhause, das er jemals besessen hatte. Es war der einzige Ort, an dem er jemals so etwas wie Zufriedenheit empfunden hatte. Liebe…

Hermines Hand umfasste die seine. „Für mich wirst du immer ein Professor sein", wisperte sie und er spürte, dass sie dabei war einzuschlafen. „Der Beste Tränkelehrer, den Hogwarts je hatte."

Er wusste sie sagte das nur aus Nettigkeit und Snape wollte etwas erwidern. Aber er verstummte, als er merkte wie langsam und gleichmäßig ihr Atmen ging. Sie war dabei einzuschlafen.

Warum sollte er sie stören? Warum den kostbaren und seltenen Moment, der sich ihm bot, nicht genießen? Er bettete seinen Kopf in die Kissen, so dass sein Gesicht ganz nah bei ihren Haaren lag. Braune, wilde Locken, aber unendlich weich. Sie rochen nach Rauch, ein wenig. Aber darunter lag ein anderer Duft. Etwas, das soviel süßer roch, soviel vollkommener, als alle anderen Düfte. Es war etwas, das ganz Hermine war. Etwas, das er stets in seiner Erinnerung bewahren sollte.

„Wieso?" wisperte sie und er sah die Tränen in ihren Augen. „Wieso bist du wieder so kalt, so unnahbar?"

Wieder stieß er ihre Hände von sich. Er war an diesem Morgen als erster erwacht und sofort hatte er begriffen welch Fehler es gewesen war sie so nah an sich heran zu lassen. Die Wärme, die er empfand, wich einer unendlich großen Angst. Vielleicht war es die Nacht oder das Zwielicht des Abends, die ihn diese Täuschung hatten glauben lassen. Glauben lassen, es wäre richtig sie zu halten. Ihre Seele mit der seinen zu berühren.

„Hermine, es ist besser so."

Er war aufgestanden und als sie erwacht, hatte er sie keines Blickes gewürdigt. Vielleicht hatte sie das „Miss Granger" so verletzt. Er hatte das Mädchen noch nie so wütend erlebt. Sie hatte ihn angefahren. Aber dann war sie zusammen gesackt und ihm nur noch einen schmerzhaften Blick zugeworfen.

„Ich verstehe", stieß sie hervor, „bloß niemanden an sich heran lassen. Bloß alle von sich stoßen, die nett zu einem sind. Wirklich ein tolles Leben, Snape!"

Wie sie das sagte: „Snape." Sie wirbelte herum und drehte ihm den Rücken zu, verschränkte die Arme vor der Brust. Wieder beeindruckte sie ihn. Wieder fühlte er sich zu ihr hingezogen.

„Du wirst bald gehen müssen. Potter und dein Freund Weasley… sie haben es bald geschafft. Glaub mir es ist besser so, wie es jetzt ist.

Sie schnaufte. „Sicher." Ihre Stimme zitterte vor Wut.

Er legte ihre Hände auf ihre Schultern und ihr angespannter Körper erschlaffte unter seinen Händen. „Glaub mir das, Hermine", sagte er sanft, „es ist besser so." Und damit küsste er ihren Nacken. Ein einziger winzig dahin gehauchter Kuss, aber er raubte ihm fast den Verstand und ihr die Sinne.

Es war ein kalter Morgen. Nebelschleier hingen in der Luft und bedeckten die im Dämmerlicht verblassenden Sterne. Die Sonne war noch nicht aufgegangen, als Snape sich zu ihr umdrehte. Hermine wusste wohin sie appariert waren. Ein kleiner Park umweit des Grimmault Place. Sie wusste, dass es Zeit war Abschied zu nehmen. Und es schmerzte sie. Vielleicht würde sie ihn niemals wieder sehen. Vielleicht würde keiner von ihnen die nächsten Tage überleben, vielleicht blieb einer von ihnen alleine zurück. Vielleicht bekam sie niemals die Gelegenheit Snapes wahre Geschichte zu erzählen. Vielleicht… Ganz sicher würde bald alles anders sein.

„Es ist Zeit zu gehen, Hermine. Deine Freunde haben es tatsächlich geschafft den vorletzten Seelenteil zu vernichten. Ich habe es dir vorher nicht gesagt, weil ich … ich… Fawkes hat mir heute die Nachricht gebracht. Jetzt bleibt nur noch die Aufgabe den Dunklen Lord selbst zu töten. Es wird nicht mehr lange dauern, bis er bemerkt, dass all seine Maßnahmen fehlgeschlagen sind. Nicht mehr lange, bis er bemerkt, dass er nicht länger unsterblich ist. Nicht mehr lange, bis er mich ruft. Es ist Zeit dich in Sicherheit zu bringen. Geh zum Orden, sie werden dich schützen können." Seine Hände ruhten schwer auf ihrer Schulter, seine schwarzen Augen blitzten aufmerksam. So stark. Plötzlich erschien Hermine der Mann, dessen ganze Schwächen sie gesehen hatte, unendlich stark.

„Und was wird aus dir?" Ihre Hand berührte seine Wange. Sie war ganz kalt, als hätte ein Teil des Lebens ihn bereits verlassen. Sie fürchtete um ihn.

„Mach dir deshalb keine Sorgen. Ich werde mir eine Ausrede einfallen lassen, was mit dir geschehen ist. Sie nur zu, dass du dich versteckst. Zu meiner und vor allem deiner Sicherheit. Sollte jemand erfahren, dass du unversehrt zurück bist, schweben wir beide in Lebensgefahr."

Hermine wusste, dass er die Wahrheit sagte. Ihn würden sie wegen Verrates töten. Und wenn nicht das, dann doch wegen seiner Schwäche für sie und seines Versagens so lange foltern, bis er den Verstand verlor. Und dann würden die Todesser Hermine Granger jagen. Jagen, foltern, töten… und was ihnen sonst noch an Grausamkeit einfiel. Selbst wenn Voldemort starb, würden sie nicht sicher sein… Sie nickte. „Ja… aber bitte", sie senkte den Blick, „bitte pass auf dich auf."

Fast schien es ihr, als wollte er lächeln. „Jetzt geh… und noch eines Hermine: Das nächste Mal, wenn wir uns gegenüber stehen, Hermine, werden wir Feinde sein."

„Nein", sagte sie entschieden, „ nein, das werden wir nie mehr sein." Und damit drehte sie sich um und verließ die Höhle. Ehe er etwas sagen konnte, etwas das erneut zwischen ihnen stehen könnte.

16. Heimkehr

Es war wie jeden Morgen. Jeden bitteren Morgen. Als das Sonnenlicht in seinen Augen brannte, wusste Ron, dass wieder eine Nacht vergangen war, in der er nicht geschlafen hatte. Eine Nacht in der er nichts anderes gesehen hatte, als ihr Gesicht. Nichts anderes gehört hatte, als ihre Stimme, ihr Lachen. Was hätte er selbst dafür gegeben, sie schimpfen zu hören oder zu sehen, wie sie ihre Augen verdrehte, weil er wieder einmal über nichts anderes sprach als Quidditch.

Ron stand langsam auf. Er hatte zum einen nicht das Bedürfnis das Bett zu verlassen, nur um durch ein leeres Haus zu geistern, zum anderen taten ihm die Muskeln weh. Er hatte trainiert, gestern. Eigentlich jeden Tag. Er wollte vorbereitet sein. Wollte Snape heimzahlen, was er Hermine angetan hatte. Er wollte ihm jeden einzelnen Knochen brechen, jeden Zentimeter seiner Körpers blutig prügeln… es schmerzte ihn zu wissen, was der Krieg aus ihm gemacht hatte. Hass und das Bedürfnis Rache zu nehmen, hatte er früher nicht gekannt, aber jetzt war es allgegenwärtig. Seit Hermine fort war. Seit… Er wünschte sich so sehr, dass sie nicht leiden musste. Aber noch mehr wünschte er sich, dass sie noch am leben war. Er wusste, dass das ein unfairer, egoistischer Gedanke war. Wenn sie noch immer in Snapes Händen war, wenn er sie folterte, wenn er… Ron mochte nicht daran denken. Für Hermine wäre es dann vielleicht besser tot zu sein, als all das überstehen zu müssen. Aber er wollte sie doch wieder haben. Sie in seine Arme schließen, ihren Geruch einsaugen, sie küssen und ihr durch die Haare wuscheln… und…

Ron kämpfte mit den Tränen, wie so oft. Harry weinte nicht. Hielt sich selbst für stark. Aber sein Gesicht war starr geworden, seine Augen leer. Und Ron wusste, dass er hinter all der Leere nur den Schmerz verbarg. Einen Schmerz, den auch Ginny ihm nicht zu nehmen vermochte. Ginna, die Harry liebte, obwohl er sich zusehend von ihr entfernte. Ginny, die hoffte, dass wenn der Krieg einmal vorbei sei, es einen Raum für sie und Harry geben würde. Ginny, seine kleine, starke Schwester.

Ron zog sich einen Morgenmantel über den Schlafanzug und schlüpfte in seine Hausschuhe. Er würde jetzt wie jeden Tag in die Halle hinunter gehen, lauschen, bei einem unerwarteten Geräusch einen Moment Hoffnung empfinden und dann doch enttäuscht werden. So war es jeden Morgen und er wusste es. Und trotzdem tat er es immer wieder. Es war ein Ritual geworden. Eines, das ihn am Leben erhielt.

Er schlurfte leise die Treppe hinab, er wollte die anderen nicht stören. Diejenigen, die noch in ihren Betten schliefen, ruhig, als kannten sie keinen Schmerz und keine Alpträume. Er wagte es nicht in die Halle zu blicken, wagte es nicht schon jetzt die Leere zu sehen, zu fühlen. Erst als er die letzte Treppenstufe erreicht hatte, blickte er auf.

„Hallo, Ron", sagte sie leise.

Er taumelte zurück. Blinzelte. Sie war noch immer da. Eingewickelt in einen dicken schwarzen Mantel, der ihr etwas zu groß zu sein schien. Das Haar war vom Wind zerzaust, die Wangen leuchteten rot von der schneidenden Kälte, durch die sie gekommen war. Und sie lächelte zärtlich. Wieder blinzelte er. Wagte nicht zu sprechen, um den Traum nicht zu zerstören. Er war zu schön, zu gnädig.

„Sieh mich an, Ron", sagte sie und wieder ganz leise, „ich bin wirklich hier. Ich bin zurück."

Und da brach er in Tränen aus. Stürmte auf sie zu, wusste nicht, was er sagen sollte, tun sollte. Zögerte. Dann riss er sie an sich, riss sie in die Höhe, schleuderte sie durch die Luft. Lachte und weinte zugleich. Und sein Aufschrei hallte durch das ganze Haus.

„HERMINEEEEEEEEEEEEE!"