Es wird etwas düsterer, aber ich muss die Story in die richtige Richtung treiben.
Viel Spaß
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New York Central Park
4:07 AM
Selbst in der Stadt die niemals schlief, gab es Plätze an denen in der Nacht ein Schrei ungehört verklingen konnte.
Sheryl Thompson hielt ihren Blick gesenkt und verbissen schritt sie durch die Dunkelheit. Die Luft war immer noch schwül und drückend. Der Central Park galt mit seinen 330 Hektar Baum- und Rasenfläche als grüne Lunge New Yorks, aber trotzdem glaubte sie Staub in der Luft zu schmecken. Der Lärm Manhattens drang gedämpft durch die Ohrstöpsel in ihren Ohren und eine heftige Brise wehte ihr dunkles Haar wild durcheinander.
Die junge Frau warf einen Blick zurück. Die Lichter der Upper East Side waren weiter in die Ferne gerückt und das Rauschen der Bäume wurde immer lauter. Es war ein Fehler gewesen durch den Park zu gehen.
Was anfangs wie ein kleines Abenteuer ausgesehen hatte, wie ein kleiner Kick um etwas mehr Spannung in ihr Leben zu bringen, wurde immer mehr zu einem nervlichen Alptraum für sie. Seit sie den Central Park betreten hatte fühlte sie sich beobachtet. Erst hatte sie umdrehen wollen, aber die Lust auf den Kick war größer. Also ging sie weiter.
Mittlerweile hatte sie fast die Mitte des Parks erreicht. Zu ihrer Linken mußte irgendwo das Jacqueline-Kennedy-Reservoir liegen, jener große künstliche See der so beliebt bei Joggern war. Die Wege um den See boten einen wunderbaren Ausblick auf die Skyline von Manhatten.
Sheryl war kein ängstlicher Mensch, aber die Dunkelheit war erdrückend und das nahende Unwetter verstärkte ihr Unbehagen noch. Plötzlich glaubte sie eine Bewegung vor sich zu sehen. Ein Schatten der in der Dunkelheit lauerte, wie ein Löwe seiner Beute auflauerte.
Ängstlich umklammerte sie ihren silbernen Ipod und drehte die Lautstärke ein wenig höher. Das Rauschen der Bäume wurde von den Klängen der neuesten Robbie Williams Single übertönt. Die Musik machte ihr Mut. Langsam beschleunigte sie ihre Schritte und fiel schließlich in einen langsamen Trab. Der Weg rüber zur West Side war noch weit und würde sie direkt an den Tennisplätzen vorbei führen. Sie verband viele schöne Erinnerungen mit der Sportanlage. Schließlich hatte sie dort vor mehr als fünf Jahren ihren Mann kennengelernt. Sie musste lächeln.
Die Erinnerung hob ihre Stimmung und die Beklemmung ließ etwas nach.
Herrjeh, sie war keine vierzehn mehr. Sie konnte die Angst in den Griff bekommen. Früher hatte sie sich immer unter der Decke versteckt, wenn ihre Schwester mal wieder einen dieser widerlichen Horrorstreifen sehen mußte. Maria war verrückt nach billigen Horrorfilmen gewesen. Sie selber konnte dieser Art Film nicht ausstehen.
Wann hatte sie eigentlich das letzte Mal mit Maria telefoniert ? Es mußte schon eine Weile her sein.
Sheryl war so in Gedanken versunken, daß sie den Schatten nicht sah, der hinter ihr auftauchte.
Die Attacke kam vollkommen überraschend und der erste Schlag ließ die junge Frau nach vorne fallen. Ein Schrei löste sich aus ihre Kehle, aber wurde von zwei Händen, die sich um ihren Hals schlossen, erstickt.
Sheryl versuchte sich zu wehren, aber ihr Angreifer drückte sie mit seinem Gewicht zu Boden und ließ ihr keine Chance.
Sie fühlte wie ihr ein Tuch über Nase und Mund gepresst wurde. Anfangs vermied sie es einzuatmen, doch schon nach kurzer Zeit wurde der Drang Luft zu holen immer größer und schließlich konnte sie es nicht länger hinauszögern.
Das Tuch roch komisch, erinnerte sie an einen lange zurückliegenden Krankenhausaufenthalt. Beim Einatmen fiel ihr der pelzige Geschmack auf, den die Chemikalie auf ihrer Zunge verursachte. Sie konnte fühlen wie sich ihre Sinne benebelten, fühlte wie sie auf den Rücken gedreht wurde und ein Mann sich an ihrer Kleidung zu schaffen machte. Doch sie konnte sich nicht bewegen, es schien als wäre ihr Körper nicht länger ein Teil von ihr. Gewaltsam wurde ihr die Hose runtergerissen und als der Mann brutal in sie eindrang, floh der letzte bewußte Gedanke aus ihrem Sinn. Tränen liefen ihr über die Wangen, doch ihr Peiniger kannte kein Mitleid.
Das letzte was sie fühlte waren Regentropfen die auf ihre Haut prasselten, dann wurde alles schwarz.
Der Himmel über dem Central Park schien zu weinen, als sich die Wolken wie Schleusen öffneten und alles hinter einem Schleier aus Regen verschwand.
CSI HQ City of N.Y.
4:56 AM
Der einsetzende Regen klatschte an die Fensterscheiben seines Büros. Mac Taylor löste seinen Blick von dem Dokument in dem er bis gerade gelesen hatte und schaute aus dem Fenster.
Sein Team hatte im Sommer die neuen Räumlichkeiten weiter oben bezogen, und er erwischte sich immer wieder dabei, wie sein Blick aus dem Fenster und rüber zu den Häusern wanderte. Die Lichter der Stadt wirkten hypnotisierend auf ihn. Gott, er liebte diese Stadt. Er kannte alle ihre strahlenden Facetten, aber er wußte auch um ihre dunklen Seiten.
Mit einer fließenden Bewegung glitt er aus seinem Sessel und trat näher an das Fenster. Mac hob die Hand und presste seine linke Handfläche auf das kühle Glas. Anfangs war er von der Idee umzuziehen nicht begeistert gewesen. Sein Chef hatte ihm mitgeteilt, daß die Büros der Tagschicht nach oben in die zweite Etage verlegt werden sollten. Doch je länger er hier in diesem gläsernen Büro saß, und die Augen über seine Stadt schweifen ließ, desto mehr akzeptierte er den Umzug.
Stella war sofort begeistert gewesen. Ihr war es schon immer zu düster in dem Kellergewölbe gewesen. Stella.
Unwillkürlich glitt sein Blick zu der Frau die unweit von ihm auf dem Sofa lag.
Die tiefen, ruhigen Atemzüge verrieten ihm, daß sie noch immer schlief. Ab und zu bewegte sie sich leicht im Schlaf und murmelte undeutliche Worte.
Vorsichtig, um sie nicht zu wecken, trat Mac näher an sie heran. Er blickte einen kurzen Moment auf sie herab, ehe er in die Hocke ging und sein Gesicht auf ihre Höhe brachte.
Ihr Gesicht war vollkommen entspannt, fast schon friedlich. Eine Strähne ihres dunklen Haares hatte sich gelöst und bewegte sich sacht bei jedem ihrer Atemzüge. Vorsichtig hob Mac eine Hand. Sanft strich er ihr die Strähne aus dem Gesicht. Er wollte sie nicht wecken, aber das Bedürfnis sie zu berühren war unerträglich.
Die Bewegung war kaum zu spüren, und doch sah er plötzlich in die ruhigen, grünen Augen seiner Partnerin.
Schnell zog er die Hand zurück. Er fühlte sich ertappt.
" Hey Stella. " Er lächelte sie an. " Ich wollte dich nicht wecken. Schlaf ruhig weiter. " Er sprach schnell, wollte seine Unsicherheit überspielen.
" Wie spät ist es ? " Stella stützte sich auf die Ellenbogen und brachte sich in eine halbsitzende Position.
" Kurz nach fünf. Du hast etwas über eine Stunde geschlafen... " Mac betrachtete sie eingehend.
Stella wand sich unter seinem prüfenden Blick. Sie wußte was er sagen wollte, doch sie war nicht bereit ein weiteres Mal nachzugeben. Der kurze Schlaf hatte ihr gut getan, sie fühlte sich so erholt wie schon lange nicht mehr.
" Mir geht es viel besser, Mac. Danke. " Ihr Blick wanderte zu der breiten Fensterfront.
" Seit wann regnet es ? "
" Noch nicht lange. Vielleicht fünf, maximal zehn Minuten. "
Stella schob die Decke zur Seite und schwang ihre Beine über den Rand des roten Ledersofas. Mac wich vor ihrer schwungvollen Bewegung zurück und stemmte sich nach oben. Er drehte sich um und ging einen Schritt zur Tür. Stella sah ihm fragend nach, aber ihr Gesicht erhellte sich, als sie sah, daß er nach dem Lichtschalter griff.
Das Büro wurde schlagartig in ein weißes Licht getaucht und Stella kniff leicht die Augen zusammen. Das sanfte Licht der Schreibtischlampe verlor sich in dem kalten Licht der Neonröhren.
" Hm, irgendwie habe ich Hunger. Wann hast du das letzte gegessen ? "
Er mußte eine Weile überlegen, ehe er antwortete " Gestern. "
" Und ?"
" Was und ?"
" Mac, für einen Wissenschaftler läßt die Präzision deiner Angaben aber sehr zu Wünschen übrig. " , tadelte sie.
" Ich glaube es war gestern Mittag, wieso fragst du ? "
Seufzend sah sie ihn an. " Es ist gleich halb sechs. Wir haben beide seit gestern Mittag nichts mehr gegessen, und es ist nicht anzunehmen, daß dieser Tag ein schnelles Ende finden wird. "
Er schaute sie immer noch verständnislos an.
Herrjeh, manchmal war es wirklich schwer mit Mac Taylor. Wie konnte ein so brillianter Geist nur manchmal so schwer von Begriff sein. Gab es für diesen Mann denn nichts außer seiner Arbeit ?
" Lass uns frühstücken gehen. Ich lad dich ein. " Stella griff seinen Arm, und ehe er protestieren konnte, hatte sie ihn schon halb aus dem Büro gezogen.
Im letzten Moment griff er nach seiner Jacke, die neben der Tür an einem Kleiderständer hing, tastete schnell nach Schlüssel und Handy, ehe er mit zwei raschen Schritten auf Stella aufschloß.
Er paßte seine Schritte ihrem Tempo an und gemeinsam gingen sie in Richtung Ausgang.
" Sullivans ? "
"Yep ! "
Seine Frage war überflüssig gewesen. In der letzten Zeit war auch er immer öfter mitgegangen, wenn seine Kollegen nach Feierabend noch etwas getrunken hatten. Man konnte sagen, dass sein
Team in der kleinen Bar zu den Stammgästen gehörte. Der Laden hatte rund um die Uhr geöffnet und Mac mußte zugeben, daß der Irish Coffee ganz passabel war. Im Laufe der Jahre hatte sich Sullivans zum Stammlokal der CSI-Mitarbeiter entwickelt.
New York Central Park
6:13 AM
Das war die beste Zeit zum Laufen. Kurz nach Sonnenaufgang war die schönste Zeit im Central Park.
Michael Rickmann ließ seinen Blick nach vorne gleiten und lief federnd über den Rasen.
Automatisch paßte er seine Atmung den Rhythmus seiner Schritte an.
Der sintflutartige Regen hatte den Boden aufgeweicht, und das kurze aber heftige Unwetter hatte die drückende Schwüle, die über der Stadt gelegen hatte, fortgespült. Jetzt war die Luft kühl und klar.
Michael entschied sich für die Route um das Kennedy-Reservoir. Dort waren die Wege befestigt und er würde nicht so viel aufpassen müssen. Vorsichtig umlief er die Pfützen und wollte gerade nach Süden abbiegen, als er eine Gestalt in der Ferne liegen sah. Er dachte an einen Penner oder Drogenjunkie; die traf man häufiger im Park, obwohl das N.Y.P.D. mittlerweile sehr auf Ordnung und Sicherheit achtete.
Michael änderte abermals seine Richtung und näherte sich vorsichtig der Gestalt am Boden.
" Oh mein Gott ! "
Michael Rickmann lebte schon sein halbes Leben in New York, aber er hatte noch nie eine Leiche gesehen. Er hatte Glück gehabt. Bis jetzt.
Er war kein Fachmann, doch er erkannte sofort, daß die Frau tot sein mußte. Sie lag halbnackt vor ihm. Die Hose heruntergerissen und die Bluse zerfetzt. Hals und Brust waren blutverschmiert und ihre Augen blickten leblos in den graublauen Himmel.
Michael zog sein Handy hervor und klappte das Display auf um die Polizei zu alarmieren.
TBC
