Vorwort: In diesem Kapitel kommt Lara Croft nicht vor (außer in einigen Erinnerungen) und es dient auch weniger dem Fortschritt der Geschichte, sondern eher um Simon Williams kranke Psyche zu erklären.

Siebzehn

Sankt Petersburg, Russland

Williams Anwesen

11.Dezember 2004

22:12 Uhr

Simon erwachte von einem pochen in seiner Brust.

Er schlief seit Tagen nicht mehr ruhig, seit Jahren schon wenn er mit sich ehrlich war. Zuerst hatte es angefangen mit einwenig Schlaflosigkeit, dann Alpträume und jetzt litt er unter starken Schmerzen. Er wusste, dass diese Schmerzen nicht wirklich existierten. Er bildete sich diese nur ein, in der Hoffnung das diese ihm das Leben nahmen. Schon seit Jahren litt er unter starken Depressionen. Die Ärzte sagten immer, es sei eine Phase, bis er ihnen eine Kanone an den Kopf hielt, oder sie tötete.

Deswegen hatte er des Öfteren schon umziehen müssen. Aber in Russland war es nicht schwer. Die Polizei war beinah genauso korrupt wie der Rest dieses Landes. Man sollte ihn nicht falsch verstehen, er mochte Russland, aber irgendwie war ihm doch so manches zu wider. Das meiste davon war praktischer Natur.

Simon Williams war kein Mann der lange fackelte, wenn ihm etwas nicht passte...bumm...war das Problem bereinigt. Er liebte seinen Colt und hatte einen genauso starken Hang zu anderen Waffen. Alles was ihm und anderen Schmerzen bereitete, war für ihn von Bedeutung. Deswegen war er auch von Lara Croft so besessen. Was sie wohl gerade machte? Wahrscheinlich würde sie nicht schlafen. Sie würde auch nicht an ihn denken, so wie er es tat. Sie würde feiern, oder sich um das Pergament kümmern. Eins von beidem.

Sein Blick wanderte zu den Büchern auf der anderen Seite seines Zimmers. Langsam erhob er sich und der Schmerz verklang. Ebbte ab. Doch er war immer da und wartete nur darauf wieder auszubrechen, wie eine Bestie in seinem Körper. Simon seufzte und blickte sich um. Durch die Schlitze der Rolllade drang kaltes, bläuliches Licht von Mond und Sternen hinein, der vom Schnee draußen reflektiert wurde.

So konnte er wenigstens in seinem Zimmer sehen. Sein längliches, schwarzes Haar war Schweißdurchtränkt und seine sonst so klaren Augen schmerzten. Wahrscheinlich waren ihm von der ganzen Anstrengung wieder ein paar Adern geplatzt.

Das Zimmer selbst war ein Bild von Chaos. Eigentlich würde es ja ganz schön sein, mit den blauen Wänden und dem blauen Teppich. Doch Simon hatte mit dem Messer während einem seiner Einfälle die halbe Tapete heruntergerissen. Es sah baufällig aus, dass war alles. Sein Bett war auch nicht mehr das neuste und auch der Kleiderschrank in der Ecke war schon Uralt. Simon mochte das Antike und das düstere.

Es war eine seiner Leidenschaften. Und das düsterste, was ihm je begegnet war, war Lara Croft. Und doch wollte sie ihn nicht haben. Sie waren doch Freunde gewesen. Er erinnerte sich noch gut, als seine Eltern und er in das Nachbarsanwesen gezogen waren. Damals hatte es noch gestanden. Mittlerweile war es abgebrannt, bei einem großen Feuer im Jahre 1988. Simon war es mehr oder weniger Schuld gewesen, doch er wollte sich nicht an diese Zeiten erinnern, stattdessen blickte er zurück auf die damalige Zeit, als er und Lara sich kennengelernt hatten.

Surrey, England Croft Manor

12.Juni 1979

12:00 Uhr

Der junge Simon Williams staunte nicht schlecht, als er vor seinem neuen Zuhause stand. Ein großes Anwesen mit einer Reihe von gotischen Fenstern an der Frontseite. Man hatte ihm erklärt, dass dieses Grundstück noch ein Teil von dem Nachbars Anwesen war. Croft Manor! Aber das sie hier wohnen würden, so als wäre es ihres. Und Simon freute sich.

Das Haus hatte vierzig Zimmer und einen Haufen Platz zum spielen und verstecken. Das einzig blöde war, dass alle seine Freunde noch in Wimbledon waren und die Schule eine halbe Autofahrtstunde von hier entfernt war. Das gefiel ihm weniger, denn das hieß, dass er keine Freunde hier hatte. Noch keine.

Er würde sich schnell welche machen, schwor er sich. Am besten echte. Früher hatte er sich Freunde vorgestellt. Seine Eltern hatte das gesorgt, doch der Therapeut hatte behauptet es sei für sein Alter normal. Seine Eltern hatten es geglaubt. Doch Simon wusste selbst, er war nicht normal.

Das einzige was seine Eltern taten war, die Augen zu verschließen und zu zählen, in der Hoffnung es würde vorbeigehen.

Man sollte ihn nicht falsch verstehen, er war nicht etwa irgendwie körperlich behindert. Er war einfach nur einwenig verrückt, mit einem Hang zum makaberen. Und genau das verstanden seine Eltern nicht. Ignoranten! Simon grinste, als ihm bewusst wurde, dass das alles nun ihm gehörte. Er war gerade mal Acht Jahre alt, aber er hatte schon mehr erlebt, als die meisten Erwachsenen. Sein Vater trat neben ihn, während einige Butler die Kleinigkeiten aus dem Mercedes luden.

Na Junior, wie gefällt dir dein neues Zuhause?", wollte dieser wissen. „Gut.", entgegnete er kleinlaut und verachtete seinen Vater im Inneren. Junior, warum nannte er ihn so? Nannte Simon seinen Vater etwa Alter Sack? Nein, er zeigte immer Respekt vor den Älteren. Aber sie respektierten ihn nicht.

Immer wenn er versuchte mitzureden, wurde er unterbrochen oder ähnliches. Man hielt ihn für nicht reif genug und er hasste es, dass zu hören. Ein mal hatte er ihnen gezeigt, wie reif er war und hatte den Wagen seines Vaters, einen alten BMW (ein antikes, teures Stück), gegen den nächsten Baum gefahren. Er hatte sich nicht angeschnallt gehabt und lag danach deswegen Monate lang im Krankenhaus, erst im Koma dann eine Zeit lang als gelähmter. Doch er hatte alle seine Krankheiten besiegt.

Seine Mutter sagte immer das sei die Gabe Gottes, doch er wusste das etwas in ihm war, dass ihm dieses ermöglichte. Dummerweise kam dieses Etwas manchmal in unregelmäßigen Schmerzschüben die von mal zu mal stärker wurden.

Zuerst hatte er es als eine Art Jucken empfunden, dann als Bauchkrämpfe. Simon lächelte seinen Vater an, dann eilte er an dem Dienern vorbei ins Haus. Dabei streifte sein Blick die Nachbars Villa. Diese war um einiges größer und schöner, als seine eigene aber er wollte ja nicht von vornherein urteilen.

Dann hatte er dieses junge Mädchen erblickt, etwa in seinem Alter auf der Schaukel in ihrem Garten. Sie war niedlich und er schwor sich, dass er sie irgendwann heiraten wollte. Dann eilte er ins Haus und hinauf in sein Zimmer. Es war ein tolles Zimmer, voller Spielsachen und sogar einem eigenen Fernseher.

Sein Bett stand in der rechten Ecke des Zimmers und sonst nur ein Kleiderschrank. Dann links einige Kisten voller Actionfiguren und Autos. Doch Simon interessierte sich nicht besonders für die Spielsachen. Viel mehr interessierte ihn, dass Fernrohr. Schnell griff er sich das und eilte zum Fenster, blickte hinaus. Dort war sie immer noch. Ein Mädchen auf der Schaukel. Er merkte gar nicht, wie sein Vater hinein kam und ihn fragend musterte. Seine Mutter hatte nicht besonders viel mit Simon zu tun. Sie kümmerte sich fast gar nicht um ihn. Doch sein Vater hielt viel auf ihn.

Was tust du da?", wollte der Mann mit dem leicht ergrauten Haar und dem Vollbart wissen. Simon grinste ihn an und zeigte aus dem Fenster. Dieser folgte seiner Geste und blickte hinaus, erblickte das Mädchen und lachte. „Das ist Lara Croft, Junge. Sie ist nicht das richtige für dich.", erklärte er ihm lachend.

Simon verachtete seinen Vater in diesem Moment nur noch mehr. Wieso urteilte er über sie, bevor er sie kannte und wieso urteilte er immer schlecht über das, was Simon toll fand: „Ich werde sie heiraten.", sagte er stolz und klopfte sich auf die Brust.

Doch sein Vater lachte nur noch mehr: „Ja, ja...Sohnemann. Mach du nur, dass will ich gerne sehen." Simon funkelte ihn böse an und eilte wieder die Stufen hinab ins Foyer. Dort stellten die Diener gerade eine Standuhr auf und einer der Männer lächelte ihn an und meinte: „Na, willst du vielleicht einwenig helfen?" Er meinte es nur nett und doch konnte Simon sich den Kommentar nicht verkneifen: „Ich rede nicht mir dreckigem Gesocks.", dann eilte er hinaus und hörte noch wie jemand anderes meinte: „Lass, er ist nur ein Kind. Denk dir nichts dabei."

Und auch das machte ihn wütend. Simon war nicht nur ein Kind. Er war mehr, er war ein Mensch. Und er war verrückt. Draußen war ein schöner Juli Sommertag und er stürmte in den Hintergarten. Dann fiel er und begann zu weinen. Doch niemand kam, um ihm zu helfen. Niemand war da.

Keinen interessierte es, was er fühlte. Er war nur da, wegen einem dummen Unfall. Und genauso wurde er auch von seiner Mutter und den Dienern behandelt. „Warum heulst du?", wollte plötzlich eine Stimme wissen.

Simon blickte sich um und sah besagte Lara Croft, wie diese ihn fragend auf der anderen Seite des Zaunes ansah. Der Zaun war viel zu hoch, um drüber zu klettern. Aber Simon mochte ihn. Er war schwarz und schön verziert und oben konnte man Sachen aufspießen. Das schwor er sich, würde er mit seinen Feinden machen, wenn sie ihm dumm kamen.

Schnell wischte er sich die Tränen weg und meinte: „Tu ich doch gar nicht."

Doch die kleine Lara lachte nur: „Tust du wohl!", dann begann auch er zu lachen.

Simon konnte sich noch daran erinnern, als wäre es gestern gewesen. Er hatte sich vom ersten Moment an in Lara Croft verliebt und sie hatte ihn so gemein ausgenutzt und er wünschte, er hätte auf seinen Vater gehört. Doch er hatte ihn umgebracht. Williams lachte leise und zog sich an. Er würde heute Nacht keinen Schlaf finden. Dann verließ er sein düsteres Zimmer und streifte durch den Flur. Sein Herz hatte sich beruhigt und doch war er einfach nicht in der Stimmung für Schlaf. Noch immer pochte sein Kopf, als hätte man ihn mit einem Hammer bearbeitet. Die Croft würde sicher irgendwas probieren, so dass sie alles bekam.

Sie wollte immer alles haben. Freunde, Liebe, Geld. Doch sie würde lernen müssen, dass man nie alles haben konnte. So war es auch Simon ergangen. Seit er Lara gekannt hatte, war es ihm besser gegangen. Er hatte gelernt zu lieben und zu leben. Doch sie hatte ihn brutal ausgenutzt. Sie hatte ihn einfach fallen lassen. Simon würde ihr das niemals verzeihen. Er würde sich rächen.

Er könnte Winston töten. Seine Schritte führten ihn in die Küche, um ein Messer zu holen. Doch dann fiel ihm der Deal ein. Lara würde ihn sofort erlegen, wenn Winston vor der Zeit tot war.

Simon ließ das Messer fallen und lehnte sich an die Wand. Er hasste sie. Er liebte sie.

Surrey, England

Croft Manor

1.Mai 1988

19:32 Uhr

Simon war jetzt siebzehn. Lara und er waren seit vielen Jahren die dicksten Freunde. Sie hatten so viel mit einander geteilt. Unter anderem ihr Blut. Kurz nach dem ersten Treffen hatten sie Blutsbruderschaft begangen und waren seit dem unzertrennlich. Doch jetzt war die sechszehnjährige Lara Croft auf ein Mädcheninternat gekommen und kam nur noch an den Wochenenden und in den Ferien.

Es war Freitag. Und Simon freute sich schon wie ein blöder auf ihre Ankunft. Immer wenn er an sie dachte, durchfuhr ihn ein heißer Schwall von Gefühlen und Hormonen. Er hatte sich verliebt. Die Schmerzen, die er früher empfunden hatte, waren von einem auf den anderen Tag verschwunden. Und er hatte auch angefangen seinen Vater zu mögen.

Simon saß in seinem Zimmer und träumte von ihr. Früher hatte er sich in solchen Situationen selbstbefriedigt doch seit einiger Zeit reichte ihm das nicht mehr. Um genau zu sein, seit letztem Wochenende. Er und Lara hatten miteinander geschlafen. Er war danach so glücklich gewesen, dass er sogar einem Obdachlosen etwas Geld gegeben hatte. Er blühte regelrecht auf.

Sein Blick fiel aus dem Fenster und er sah eine schwarze Limousine auf den Vorhof von Croft Manor fahren. Das musste sie sein. Schnell sprang er auf von seinem Bett und eilte die Stufen hinab. Dabei rannte er beinah die Diener um, die damals auch bei dem Umzug geholfen hatten. „Entschuldigung!", rief er fröhlich und eilte weiter.

Mit jedem Schritt pochte sein Herz umso mehr. Er wollte wieder mit ihr zusammen sein. Mit jedem seiner Schritte kam eine alte Erinnerung hoch. Von dem ersten Treffen, über die Blutsbruderschaft, über das erste Treffen, das erste richtige Date, den ersten Kuss und sein erstes Mal.

Die Tür kam immer näher, dann erreichte er sie und stürmte hinaus. Er konnte den Wagen sehen, wie er hielt und wie Winston und Laras Mutter ausstieg. Aber das schlimmste war: Keine Lara!

Sein Herz setzte einen Schlag aus und dann rannte er los: „Winston! Winston!", rief er.

Der Butler blickte auf und kam auf ihn zu, bis nur der hohe Zaun sie trennte. Simon hasste ihn mittlerweile. „Wo ist Lara?", wollte Simon wissen. Der Butler versuchte zu lächeln und zuerst dachte Simon, dass etwas schlimmes passiert sei. Dann erklärte er: „Miss Croft wird nicht mehr hierher kommen. Weil..."

Doch Simon wollte es gar nicht mehr wissen. „Nein!", brüllte er und hielt sich die Ohren zu, Tränen stiegen ihm in die Augen. Sie wollte ihn nicht mehr, fuhr es ihm durch den Kopf. Er spürte wie sein Herzt brach und er spürte den altbekannten Schmerz, den er schon so lange nicht mehr gespürt hatte.

Langsam wand er sich ab und blickte zu seinem Vater, der lachend in der Tür stand. Simon überkam eine höllische Wut und er wäre ihm am besten an die Gurgel gesprungen. „Was sagte ich Junior?", begann sein Vater. Doch Simon gab ihm eine Ohrfeige und stürmte die Treppe hinauf. Immer wieder schoss ihm durch den Kopf: Sie will mich nicht mehr. Sie will mich nicht mehr.

Zwei Stunden später war aus Selbstmitleid Hass geworden. Aus sie will mich nicht wurde sie fickt einen anderen, die Schlampe. Er hasste sie. Simon fluchte und weinte. Sein Kissen war schon vollkommen aufgeweicht und seine Schranktür hing halb aus den Angeln gerissen. Jemand klopfte an der Tür. Sein Vater: „Hör auf zu heulen, bist Mann oder Weib?" Simon schrie und dann verstummte die Stimme.

Der Schmerz war immer noch da. Er wollte nicht mehr weinen, aber er hasste dieses Gör. Sie hatte ihn einfach verlassen. Sie hatte ihn ausgenutzt und jetzt war er ein gebrochener Mann. Und dann beleidigte ihn sein Vater auch noch. Das willst du doch nicht auf dir sitzen lassen? Simon blickte sich fragend um und verneinte, als ihm klar wurde wer es war. Lass mich das machen. Simon nickte. Es war niemand zu Hause außer seinem Vater und ihm.

Etwas drang in ihn ein und sein Schmerz erlosch. Er wurde zurückgedrängt und dann erhob er sich. Sein anderes Ich. Langsam und ohne zu blinzeln schritt er aus seinem Zimmer und erreichte die Küche, zog ein Messer aus dem Block und ging ins Wohnzimmer, wo sein Vater fern sah.

Was ist los? Hast du Lust essen zu machen?", scherzte sein Vater. Was er nicht wusste war, dass es der letzte seiner Scherze sein würde. Simon trat vor ihn, blickte verachtend auf den Mann im Ohrensessel hinab und holte aus. „Was?", entfuhr es seinem Vater. Dann bohrte sich das große Küchenmesser in seine Eingeweide.

Simon schrie und holte immer wieder aus, stach mindestens zwanzig mal zu. Dann ließ er die Waffe fallen, blickte seinen toten Vater an und seine blutigen Hände. Dann wurde ihm bewusst, was er getan hatte und er schrie. Schrie seinen Schmerz hinaus. Und während er das tat, hörte er immer wieder diese seltsame Stimme in sich. Was war das?

In dieser Nacht verbrannten alle Beweise mitsamt des Hauses in einem großen Feuer und nur Simon hatte überlebt

Fortsetzung folgt:

Ich weiß, ich weiß...keine leichte Kost. Und außerdem lass ich euch immer noch im dunklen was aus Lara wird. Aber eins kann ich euch sagen...es bleibt weiter hin spannend. Seht selbst wie es weitergeht in Tomb Raider Kapitel 18: Wettlauf mit der Zeit.