Neunzehn
Kashgar, China
Hospital
12.Dezember 2004
01:59 Uhr
Lara erwachte von einem tippen auf der Schulter. Sie blickte sich fragend um, bis ihr einfiel, dass sie noch im Hospital in China war. Sara war auch hier.
Sara.
Dann sah sie Chase, wie er vor ihr in der Hocke war und Indy, wie dieser mit einem Arzt sprang. Sein Gesicht war sauber und er hatte das Jackett ausgezogen. Sie blickte auf die Uhr und stellte fest, dass sie mehr als eine Stunde geschlafen hatte. Dann konzentrierte sie sich auf das Gespräch, dass sie auf Englisch führten. „Sie wird bald aufwachen.", erklärte der Arzt: „Sie hat Glück gehabt. Nur einige Minuten später und sie wäre tot." Sein Akzent war unüberhörbar, aber er sprach ohne Probleme.
Indy bedankte sich, dann deutete der Arzt auf ein Klemmbrett und flüsterte etwas. Währenddessen wachte Lara schließlich ganz auf. Ihre Gedanken klärten sich und sie verstand endlich, was der Mann gemeint hatte mit: Sie hat Glück gehabt. Sara lebte. Sie lebte. Lara sprang auf, voller Vorfreude. Dann verabschiedete sich der Arzt und Indy wand sich an seine Freunde: „Also, Sara geht es gut.", Lara sprang ihm um den Hals und löste sich dann aber wieder: „Und wir können zu ihr gehen. Sie liegt in Zimmer 353 im vierten Stockwerk."
Lara begann zu lächeln und folgte dann dem Grabräuber durch die sterilen Gänge des Krankenhauses. Lara mochte diesen Ort nicht. Er war so rein, hier roch es weder nach Tod noch nach Leben. Sie wusste immer gerne, womit sie es zu tun hatte...aber hier war sie sich gar nicht sicher. Hier konnte alles passieren. Und man merkte erst, wenn man direkt davor stand.
Dann erreichten sie einen Aufzug und fuhren hinauf. Lara strich sich über das Gesicht um die letzten Reste der Müdigkeit loszuwerden. „Ich hab mich hier einwenig umgesehen, während ihr gewartet habt.", erklärte Jones: „Es ist ein tolles Krankenhaus. Keines von diesen Quacksalberunternehmen."
Die Türen glitten mit einem Pling auf. Zu langsam, fand Lara. Dann schritt sie hinaus und folgte Indy weiter durch den Flur, während Chase das Schlusslicht bildete. Dann standen sie vor einer weißen Tür, auf der vorne die Zahlen 353 prangten. In einem düsteren Schwarz. Indy wollte klopfen, doch Lara drückte die Tür einfach auf. Sollte Sara schlafen, würde sie ihre Freundin nicht gerne wecken.
Und sie schlief tatsächlich. Ihr Brustkorb hob und senkte sich leicht und ihre Augenlider zuckten einwenig. Lara atmete aus. Zwar hatte der Arzt die Bestätigung gegeben. Doch Lara wusste selbst, dass man sich nur auf sein eigenes Ich verlassen konnte. Erst wenn sie etwas mit eigenen Augen sah, glaubte sie daran, egal wie viel unwahrscheinliches sie schon gesehen hatte. Würde ihr jemand mit: „Ich hab im Erdkern den Teufel gesehen.", kommen, würde sie eher selbst dorthinein steigen, als dass sie es demjenigen abkaufen würde.
Sie war viel zu vorsichtig. Und jetzt, da sie Sara sah, wie diese in einem der berühmten Krankenhausnachthemden schlief, beruhigte sich ihr Herz und sie spürt einen länger schon nicht mehr gespürten Drang: nach Essen.
Ihr Magen knurrte regelrecht. Dann öffnete Sara leicht die Augen und sah ihre Freundin an: „Lara?" Diese nickte: „Ja ich bin's.", sie lächelte: „Wie geht's dir Süße?" Sara versuchte zu lächeln, doch sie war von der Narkose noch viel zu geschwächt: „Scheiße!", dann versuchte sie den Kopf zu heben und an sich hinabzusehen: „Sind noch alle Körperteile dran?"
Lara lachte, dann nickte sie zur Bestätigung und griff sich den einzigen Stuhl im Raum, setzte sich hin und blickte Sara an.
Ihr Gesicht strahlte vor Freude. „Und das Pergament?", wollte die geschwächte Polizistin wissen. Typisch Sara, immer auf Achse, egal ob sie nun kurz vorm Sterben war oder nicht. „Wir haben's.", erklärte Lara ihr kurz und spürte, wie ihr Magen erneut nach Essen rief. Sie wand sich an Chase und Indy: „Könntet ihr vielleicht was Essbares auftreiben?", wollte sie wissen und setzte ihren besten Ich-bin-so-schwach-Blick ein.
Da konnte Chase natürlich nicht nein sagen, außerdem sollten die Mädels etwas Zeit für sich haben. Also bugsierte er Indy aus der Tür und schloss diese. Dann veränderte sich Saras Gesichtsausdruck plötzlich: „Was ist eigentlich mit dir und Chase?" Weibergespräche, dachte Lara, wie tief bin ich eigentlich schon gesunken. Doch sie antwortete trotzdem: „Ist dir wohl nicht entgangen, was?"
Sara nickte: „Klar doch.", sie lachte, hörte aber abrupt auf, als ein scharfer Schmerz durch ihre Schulter schoss. Lara seufzte: „Ich denke, dass wir wieder zusammen sind.", sie zuckte mit den Achseln. „Also doch.", Sara sah aus, als hätte sie eine Dosis Drogen genommen. Was ja vom Prinzip nicht falsch war. Narkosemittel waren nun mal Drogen.
„Erzähl.", meinte ihre Freundin und Sara tat es. Sie war erstaunt, dass sie vollkommen aufging. Sie lachte wieder und erzählte viel, während Sara einige Kommentare abgab und während sie da so saß und redete, stellte sie fest das sie solche Gespräche doch genoss. Es war schön einfach nur ein Mädchen zu sein. Und sie merkte gar nicht wie die Zeit verging und wie sie wieder einschlief.
Chase und Indy betraten das Zimmer mit einigen Tüten von einem schnell Imbiss an der Ecke (McDonalds). Es war irgendwie cool gewesen einfach mal unter Männern über Frauen zu reden. So ein typisches Gespräch bei einem Glas Bier. Weswegen sie auch einwenig länger gebraucht hatten, als geplant. Und Indy wusste, dass er in Chase einen wahren Freund gefunden hatte. Es war toll zu wissen, dass man gemocht wurde von jemandem. Er war eh froh nach seiner Erwachung an so tolle Menschen gekommen zu sein.
Chase lachte noch immer über den letzten Witz, den Indy ihm erzählt hatte. Dann verstummte er sofort, als er Sara und Lara schlafen sah. Lara hatte einen Arm unter ihren Kopf gelegt, der andere hing über die Stuhllehne und hielt Saras Hand, die friedlich in ihrem Krankenhausbett lag. Ein Moment den sie gerne festhalten würden. Doch dann erwachte Lara zögernd. Sie streckte sich und blickte die beiden aus verschlafenen Augen an. „Hey.", grüßte Chase und hielt ihr grinsend die Tüte vor, wo vorne das McDonalds Logo zu sehen war. Das gelbrote M grinste sie regelrecht an.
Aber ihr war im Moment alles egal. Sie hatte Hunger, also griff sie nach der Tüte und verschlang die Portion Pommes und den Big Mac. Es schmeckte zwar immer noch wie Pappe, aber in der Not fraß der Teufel bekanntlich Fliegen. Und sie fühlte sich im Moment sehr in Not. Als sie fertig war, zerknüllte sie die Tüte und warf diese in den Mülleimer. „Und wie hat dir deine Poltion Pommes mit Ketsup geschmeckt?", parodierte Chase die Einwohner und flüsterte dabei, um Sara nicht zu wecken.
Lara blickte ihn düster an, grinste dann und erwiderte: „Chase. Das waren die Japaner!" Er zog eine Grimasse, dann setzte er sich auf den Boden und lehnte sich zurück: „Ich!", begann er: „Schlafe jetzt!" Dann machte sich auch Indy es auf dem Boden bequem. Lara ging rüber zum Fenster und öffnete dieses auf Kipp, so dass frische Luft hineinströmen konnte, dann ging sie rüber zu Chase und legte sich auf seinen Schoss. Zu viert in einem Krankenhauszimmer würde stickig werden. Aber Lara war die seltsamsten Lager gewohnt.
Kashgar, China
Hospital
12.Dezember 2004
9:19 Uhr
Sara erwachte mit den Strahlen der aufgehenden Sonne. Sie streckte sich mit einem Arm, da der andere noch immer verbunden war und bei jeder Bewegung weh tat. Dann versuchte sie sich aufzurichten. Es gelang ihr sogar, nachdem sie eine Fernbedienung für das Krankenhausbett gefunden hatte. Sie drückte den Knopf für hoch. Sie konnte nur vermuten das er es war, denn er war ganz oben und außerdem mit einem kleinen Pfeil gekennzeichnet. Das Kopfende ihres Bettes neigte sich einwenig nach oben und sie hatte endlich den nötigen Überblick.
Indy lag auf dem Boden, während Lara und Chase aneinander gekuschelt an den Schrank lehnten. Sara schmunzelte, als sie ihre besten Freunde zusammen sah. Kam sich aber gleichzeitig total überflüssig vor. Sie wusste nicht, ob Indy für immer bleiben würde. Und wenn er ging, wo auch immer hin, so war sie alleine. Chase und Lara würden einander haben und sie hatte niemanden.
Das war traurig. Aber sie wollte ihrer Freundin nicht böse sein. Sie freute sich, wenn Lara so glücklich war. Draußen erhob sich die Sonne am Horizont. Das hier war das Land der aufgehenden Sonne. Sara liebte es. Diese alte Kultur, die antiken Gebäude, die Geschichte. Doch sie hatte keine Zeit sich das alles anzusehen. Es war einfach nicht der Moment. Sie fühlte sich wie auf der Durchreise, in der man einen Zwischenstop machte. Man konnte zwar sagen: Hey, ich war in China.
Aber man konnte nicht sagen: Hey, so was cooles wie die chinesische Mauer hab ich noch nie gesehen. Willst du die Fotos mal anschauen? Das war einwenig schade. Die Tür wurde geöffnet und eine Krankenschwester, die Sara schon gestern versorgt hatte, trat ein. Ihr Name war Sandy. Sie war Amerikanerin und studierte hier in China Medizin. Das war praktisch, denn Sara konnte kein einziges Wort chinesisch außer: Conichiwa und das war sehr wahrscheinlich auch noch japanisch.
Sandy lächelte, während sie mit einem Tablett eintrat. Ihr Frühstück, verstand Sara. Die junge, blonde Frau blickte auf die drei Gestalten hinab, zog eine Augenbraue fragend hoch und stellte das Tablett auf einen kleinen, ausklappbaren Tisch über Saras Bett. Dann prüfte sie den Tropf und die Werte an den leise piepsenden Maschinen. Die Sara nicht einmal beim Namen kannte.
Sie wusste nicht mal den Verwendungszweck für so was. Dann reichte Sandy Sara noch ein Blatt, lächelte und verschwand. Die Polizistin war wieder alleine. Und dann blickte sie auf das Papier hinab. Es war ein ausgedrucktes, englisches Kreuzworträtsel. Sara hatte sich gestern beschwert, dass es hier kein Entertainment gäbe, welches sie nutzen konnte. Kurz bevor sie eingeschlafen war. Dann waren Lara und ihre Freunde vor ihrem Bett aufgetaucht.
Sara grinste, als sie das Kreuzworträtsel sah, faltete dies zusammen und legte es auf den kleinen Nachttisch neben ihrem Bett. Dort lagen auch ihre Sachen. Sie kam in die Versuchung den Infusionstropf abzumachen und sich anzuziehen, doch die Ärzte meinten, sie soll noch zwei Tage hier bleiben. Lara hatte daraufhin eingewilligt und hatte gesagt, dass Winston noch mehr als fünf Tage hatte.
Sie würden es schaffen. Sara fühlte sich gut. Sie hatten das Pergament und sogar einwenig Zeit sich zu entspannen. Doch Saras Entspannung würde darin bestehen hier rumzuliegen. Das gefiel Sara nicht aber was sollte sie tun? Vielleicht konnten sie ja mit einem Rollstuhl einwenig herumfahren.
Doch zuerst galt es abzuwarten. Immerhin schliefen die anderen noch. Sie hörte ein seufzen, blickte zu Lara und sah, dass sie sich bewegte. Ihre Augen öffneten sich leicht, dann erhob sie sich, streckte sich und fasste sich an Kopf und Rücken, ein leises: Uh!", entrang sich ihr. Dann blickte sie zu Sara und lächelte: „Morgen!"
„Morgen!", entgegnete sie und blickte belustigt zu, wie Lara sich die Haare ohne Spiegel richtete. Dann ließ sie sich auf dem Stuhl nieder und ließ den Kopf hängen, zupfte an dem zerrissenen Shirt: „Es ist kalt hier drin." Sara nickte. Das Fenster war offen, obwohl sie sich nicht daran erinnern konnte, es geöffnet zu haben. Wahrscheinlich war Lara so gut gewesen. Dann blickte sie wieder zu ihrer Freundin in dem gelben Shirt und den zerknitterten Hosen. „Du brauchst dringend neue Klamotten, nicht?", fragte Sara und blickte auf ihre eigenen. Auch sie brauchte bald neue. Denn das weiße T-Shirt war schon total dreckig, die Hose einwenig gerissen. Und das Kleid war Blutdurchtränkt. „Du auch.", erwiderte die Archäologin geknickt.
Sie hatte die Nacht auf dem Boden verbracht, kein Wunder das sie total fertig war. Und trotzdem sorgte sie sich immer noch um Sara: „Wie geht es dir?" Die Polizistin zuckte mit den Schultern und bereute es gleich: „Gut. Wäre da nicht dieser Schmerz.", presste sie aus zusammengebissenen Zähnen hervor. Es war zum heulen. Diese Schmerzen. Sie konnte sich nicht daran gewöhnen, dass ihre Schulter schmerzte. Sara zog einen gespielten Schmollmund und bekam einen kurzen Kuss von Lara auf die Stirn als Dank.
Es war schön mit ihr zusammen zu sein. Gut, dass Lara sie angerufen hatte. Und sie schien den Tot von Werner von Croy endlich überwunden zu haben. Es war auch besser so. Sie hatte noch nie eine Frau wie sie getroffen. Sie hielt so ziemlich alles aus. Sie hatte die einstürzende Pyramide überlebt, den Pharao Amenhotep, einfach alles was Sara einfiel.
Sie konnte sich glücklich schätzen Lara Croft ihre Freundin nennen zu können. Und sie hatte beinah schon Mitleid mit Laras Feinden. Aber eben nur beinah. „Und wie hast du geschlafen?", fragte sie schließlich. Lara lachte auf: „Blendend! Echt, muss ich schon sagen.", dann sah sie sich um: „Was machen wir heute? Wir haben immerhin noch einwenig Zeit bis zu unserem nächsten Flug." Sara wollte wieder mit den Schultern zucken, dann fiel ihr ein, was beim letzten Mal passiert war.
Also belies sie es bei einer Antwort: „Weiß nicht. Ich kann doch eh nicht weg." Dann hob Lara beide Augenbrauen und sah sie fragend an: „Hast du einen Schaden? Wir gehen. Ich will dich doch die zwei Tage nicht hier versauern lassen. Du brauchst frische Luft. Das ist auch schon alles." „Ich kann meine rechte Hand nicht heben.", erklärte Sara und deutete mit einem Kopfnicken auf diesen.
„Na und!", Lara lachte erneut auf: „Versteh mich nicht falsch, ich will das du gesund wirst. Aber nicht in diesem Krankenhaus." Das gefiel Sara. Sie hatte sowieso keine Lust zwei freie Tage hier zu versauern. Ihr Flug ging eh in zwei Tagen, deswegen konnten sie sich auch einwenig entspannen. Einwenig abschalten.
Klar, die Sorge um Winston würde immer über allem hängen. Aber Lara schien Simon zu vertrauen, dass er Winston nichts tat, so lange die Frist nicht abgelaufen war. Vorsichtig weckte Lara die beiden Männer, während Sara ihre Hose anzog und versuchte den Schmerz zu unterdrücken. Und es gelang ihr sogar einwenig.
Dann brauchte sie aber Hilfe, denn sie konnte ihr T-Shirt nicht anziehen, ohne den Arm zu heben. Das war ein Problem. Also half ihr Lara und zog erst den Ärmel über den verletzten Arm, dann neigte sie den Kopf und Lara stülpte den Kragen darüber. Den Rest schaffte sie alleine. Zu viert verließen sie das Zimmer, wobei Sara versuchte unauffällig zu gehen. Sie hatte das Kreuzworträtsel von Sandy mitgenommen und einige Bissen von dem Krankenhausfraß genommen. Doch sie musste zugeben, dass es ihr nicht schmeckte. Also waren sie dann losgegangen.
Und sie schafften es sogar ohne weiteres aus dem Krankenhaus. Draußen empfing Sara die Sonne und sie spürte regelrecht, wie die nahende Depression wich und wie sie sich sofort besser fühlte, wie sie wieder Farbe im Gesicht bekam. Wozu waren Krankenhäuser eigentlich gut wenn man darin eh nur noch kranker wurde?
Und als die blonde Sandy an diesem Morgen erneut nach ihrer Patientin sah, fand sie nur einen Brief und ein ungemachtes Bett, ein angefangenes Essen und ein offenes Fenster. Sie schluckte, als ihr bewusst wurde, was jetzt auf sie zukam. Dann blickte sie auf die Nachricht:
Sorry, Sandy. Sag ihnen doch einfach nichts, die merken das schon nicht. Sara!
Fortsetzung folgt:
