Legolas
träumte sich zu seinem Vater zurück in den Düsterwald,
den er vor wenigen Wochen erst wieder verlassen hatte. Bald führten
ihn seine Gedanken aber wieder zu Aysha zurück.
"Jetzt
kannst du mir doch erzählen wo du warst." Aysha sagte
nichts. "Du warst weit entfernt von hier, nicht wahr? Du hast
mir nie erzählt, wo du herkommst. Man sagt, ihr lebt in Rhûn."
Sie antwortete immer noch nicht.
"Dort liegt ein Meer..."
"Das Meer. Das Meer von Rhûn. Es ist unglaublich.
Klarer als Glas und Diamanten. Aber auch voller Trauer, Angst und
Hass... Wenn du es siehst, ist es fantastisch. Doch blickst du
hinein, siehst du in das Gesicht von tausend Seelen..."
"Also
warst du doch dort! Was wolltest du im Osten?" Aysha sah ihn
ernst an. Und da verstand er, dass es besser wäre nicht weiter
zu fragen. Trotzdem öffnete Aysha langsam ihren Mund:
"Ich
will mich nicht im Westen verstecken, wenn der Osten so nah liegt.
Ich wollte erst einer der letzten Gruppen aus Bruchtal in die
unsterblichen Lande folgen, aber sie hätten mich ja doch nie bei
sich aufgenommen..." Ein dicker Tropfen rollte über Legolas
Gesicht und auch Aysha spürte den Regen auf ihren Wangen. Der
Elb holte seine letzte Decke hervor und reichte sie Aysha. Diese
wickelte sich darin ein und sah Legolas an, der regungslos in den
Regen starrte und versuchte seine Kälte zu unterdrücken.
Aysha berührte seine eisige Hand. Schnell zog er sie zurück.
Dann legte sie die Decke um seine Schultern.
"Du brauchst das
mehr als ich." Sie zog ihre Hände in die Ärmel ihres
wärmenden Mantels. Als der nächste Blitz den Himmel
erleuchtete und Aysha ein weiteres Mal zusammen zuckte konnte Legolas
in ihr Gesicht sehen, dass genauso starr vor Kälte war wie sein
eigenes. Schützend legte er seinen Arm um Aysha.
"Wieso
tust du das alles?" flüsterte er.
"Was?"
"Feuer
machen, uns ein Dach bauen und mir sogar deine Decke geben."
"Weshalb soll ich etwas annehmen was mir nicht gehört.
Meine Decke hängt über uns. Und außerdem: Wieso
sollte ich es nicht tun?" Aysha warf Legolas einen vorsichtigen
Blick zu.
"Nur weil ich nicht bin wie du?"
"Du
bist anders. Aber nicht für uns. Nicht für mich. Du warst
immer die Aysha, die ich vor langer Zeit kennen lernte, aber über
die ich doch nichts weiß. Ich..." begann Legolas
langsam.
"Wenn du schlafen würdest, wie ein Mensch...
Ich würde dich küssen, damit du es nicht bemerkst und der
Wille deines Volkes nicht wieder gegen mich gerichtet wird." Er
atmete auf. Aysha wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte.
"Bitte, vergiss diese Sache zwischen uns. Ich kann es nicht
mehr hören... Das Schreien meines Inneren, wenn du so etwas zu
mir sagst und ich dir nicht antworten darf."
"Dann tut
es mir Leid."
"Nichts muss dir Leid tun. Legolas, wenn
ich könnte, würde ich aufwachen wollen." Stille. Aysha
schluchzte.
"Was ist mir dir?"
"Man bestraft
mich für etwas, was ich nicht getan habe. Ich will nicht davon
laufen. Es muss doch einen Weg geben!"
"Was hast du
vor?" fragte Legolas leise.
"Es gibt sicher einen Weg,
doch er ist gewiss nicht leicht zu gehen." Er zögerte einen
Moment.
"Mein Vater hat mir einmal etwas gesagt: Den Weg, den
du vor dir hast kennt keiner. Nie ist ihn jemand so gegangen, wie du
ihn gehen wirst. Deinen Weg."
"Es leben weise Männer
in deinem Reich..."
"Das sagte er, bevor ich mich nach
Bruchtal auf den Weg machte. Er sagte: Du wirst vielleicht Freunde
finden, die im Gras neben deinem Weg gehen und dir über die
Steine helfen. Aber sie können dir nicht sagen, ob dein Weg dich
nach links oder rechts führt."
"Aber ich kenne
meinen Weg nicht. Ich habe lange nach ihm gesucht und ihn nicht
gefunden."
"Vielleicht liegt er schon direkt in deinen
Händen." Legolas stricht über Ayshas kalte Finger. Sie
starrte in die Nacht hinaus.
"Aragorn hätte sicher einen
Weg gefunden. Und auf jeden Fall kennt die Herrin des Waldes Lorien
eine Antwort. Aber sie würde mir nie helfen." "Nur
weil du eine Heligelbe bist?"
"Nur? Du weißt
nicht, was es heißt als Heiligelbe geboren zu werden und zu
leben. Ich wünschte, ich könnte es dir zeigen."
"Versuch es doch!" antwortete der Elb und rückte
noch näher an Aysha heran. "Vielleicht kann ich dich danach
besser verstehen..." Plötzlich erschallte eine leise, klare
Stimme durch den Regen in ihrem Unterschlupf.
"Heiligelbe..."
"Königin der Galadhrim!" rief Legolas und sah sich
um.
"Sohn Thranduils. Eigentlich war es nie für deine
Ohren bestimmt!" Legolas sah zu Boden.
"Heiligelbe, ich
kenne den Weg. Aber helfen werde ich dir deshalb trotzdem nicht. Aber
Galadriel hat Fehler begangen, die so beglichen werden können."
"Was
muss ich tun, Herrin?"
"Finde dein Volk. Finde dein Volk
um dich selbst zu finden."
"Aber das kann ich nicht!
Ich weiß nicht wo ich sie finde. Und..."
"Mehr
kann ich dir nicht sagen..." Galadriels Stimme verstummte.
"Du
weißt, wo du sie findest. Du warst bei ihnen."
"Ja
und nein. Aber ich kann nicht zurück!" Aysha stand auf und
ging einen Schritt in den strömenden Regen hinaus. Legolas
wollte sie zu sich zurückziehen, doch sie rührte sich
nicht. Dann erhob auch er sich, stellte sich dicht neben die
Heiligelbe und legte die Decke um ihre Schultern. "Was hast du
zu verlieren?" Aysha sah in seine meeresblauen Augen und
flüsterte leise:
"Dich!"
A/N:
Alle
lieben Romanitk LOL
