Dreißig

Surrey, England

Croft Manor

24.Dezember 2004

15:30 Uhr

Erschrocken blickte Lara sich um. Sie war wieder draußen, in der realen Welt und...sie fühlte den Schatten nicht mehr. Sie fühlte sich sogar richtig gut. Es war vorbei. Und sie saß aufrecht in ihrem Bett. Sara stand neben ihr. Der Kuss, den sie ihr gegeben hatte würde ihr Geheimnis bleiben, denn er war es gewesen, der ihr gezeigt hatte, dass noch jemand da war, der sie liebte...wenn auch nur als Freundin.

Und Chase und Indy waren auch da. „Hi Leute. Na, wer hat noch einen Bärenhunger?", wollte Lara wissen und lächelte. „Es ist weg!", stellte Indy fest und grinste ebenfalls: „Endlich bist du zurück, Lara." „Es war aber auch dringend nötig.", erwiderte die Archäologin und stand von ihrem Bett auf, etwas unsicher ging sie zu der Tür, hinter der sich ihr begehbarer Kleiderschrank befand.

Die Tür glitt automatisch auf und eine kleine Lampe, die warmes Licht verströmte, ging blinkend über ihrem Kopf an. Vorsichtig sah sie nach, ob sie was graues und schwarzes finden würde, denn darum wollte sie einen Bogen machen. Stattdessen nahm sie einen roten Pullover, der ihr einwenig zu groß war, mit Rollkragen und einen weißen Rock, der ihr bis zu den Knöcheln ging. Als sie fertig war, führten ihre Schritte ins Bad, während sich ihre Freunde wieder anderen Sachen zuwanden.

Dort wusch sie sich erst mal, machte sich frisch und steckte ihre langen, braunen Haare so fest, dass sie hielten. Sie hatte jetzt keine Lust auf großartige Frisuren. Dafür hatte sie einfach keinen Nerv. Sie wollte außerdem noch mit Sara sprechen, sie schien zu wissen, was mit ihr los war. Und sie wollte wissen, wer es ihr angetan hatte.

Ihre erste Vermutung war Simon, aber die Crofts hatten schon immer viele Feinde gehabt, Leute von denen sie nicht mal wussten, dass sie ihnen was böses getan hatten. So wie Simon. Er war eine wirklich traurige Figur in Laras Leben. Irgendwie tat er ihr schon leid, aber er war verrückt und daran änderte sich nichts. Schließlich, als sie sich selbst sagen konnte: „Du siehst okay aus.", ging sie wieder aus dem Bad und hinaus aus ihrem Zimmer. Irgendwie fühlte sie sich einwenig unwohl darin. Als sie den Flur hinter sich gelassen hatte und nun im Foyer stand und von dort ihre Eingangshalle überblickte, fühlte sie sich wieder lebendig. Ein tolles Gefühl.

Laras Blick wanderte hinauf zu Glaskuppel, die über der Eingangshalle thronte. Regen prasselte noch immer darauf ein. Unangenehm, aber nicht weiter tragisch. Schließlich fand sie die Person, die sie gesucht hatte. Sara verließ gerade eines der Badezimmer im Erdgeschoss und lenkte ihre Schritte in Richtung Küche und Wohnzimmer. „Sara!", rief die Archäologin laut.

Ihre Freundin hob, einwenig erschrocken den Kopf und blickte sie an: „Was ist?" „Ich wollte mit dir reden.", sagte Lara, während sie die Stufen hinabging. „Worüber?", wunderte sich Sara einwenig. „Na ja, über vorhin. Was war los mit mir? Kannst du mir das erklären?", fragte Lara.

„Es war Sandy. Wir wissen nicht warum, oder wann oder wie, aber wir wissen, dass sie es getan hat.", irgendwie hatte Lara das schon erwartet: „Und der Zauber?" „Der war aztekischer Natur. Vermuten wir jedenfalls.", erklärte ihr Sara. „Wusste ich doch.", dass war auch ihr erster Gedanke gewesen. Erstaunlich, dass sie darauf gekommen war.

„Und hast du eine Ahnung wer oder was dieses Monster war, dass da bei dir gewesen ist?", wollte Lara wissen. „Der Tod.", kam Saras nüchterne Erklärung wie aus der Pistole geschossen: „Ich weiß nicht warum, aber er wollte dir helfen."

„Er hat mich gejagt!"

„Er wollte dich sicher nur auf den richtigen Pfad bringen, damit du von selbst aus dem Traum herauskommst.", Sara zuckte mit den Schultern: „Komm, bereiten wir den Rest vor und feiern dann Weihnachten. Und danach treten wir Simon in den Arsch."

„Allerdings brauchen wir vorher die Infos aus dem Buch.", entgegnete Lara grinsend und bekam von Sara einen leichten Schlag auf die Schulter, diese murmelte belustigt: „Besserwisser." „Au.", Lara rieb sich gespielt die Schulter und folgte ihrer Freundin in die Küche, wo Winston weiter an seiner Weihnachtsgans arbeitete. „Und was machen die Männer?", wollte Lara wissen.

„Baumschmuck anlegen."

„An sich?"

„An den Baum."

„Oh. Klar doch, wusste ich.", Lara kratzte sich am Hinterkopf sie war total durch den Wind. Der Zauber hatte sie doch ziemlich mitgenommen. Sie konnte nicht mal so was logisches zu ordnen. Sara machte sich daran weiter irgendwelche Gemüsearten zu schneiden, während Lara begann den Eierpunsch anzufertigen.

Surrey, England

Croft Manor

24.Dezember 2004

21:04 Uhr

Das essen war angerichtet und sie wurden zu Tisch gebeten. Lara stand oben in ihrem Zimmer in einem roten Cocktailkleid, dass ihr bis kurz übers Knie ging. Mit geschickten Fingern steckte sie lose Strähnen ihres Haares zu einer Hochsteckfrisur fest. Es wirkte beinah wie bei einem echten Friseur. Lara mochte solche Läden nicht, sie bestellte sich, wenn schon, ihren eigenen. Und zur Not konnte Winston das auch ziemlich gut.

Sie stand schon seit zwei Stunden im Bad, hatte geduscht, gereinigt, rasiert und alles was noch dazu gehörte...es sollte ein schönes Fest werden und jetzt fühlte sie sich auch so, als könnte es wirklich ein schönes Fest werden. Immerhin war der Schatten jetzt weg und ihren Frust hatte sie sich schon mit Indy weggeredet...der Weg war frei für ein Sorgenloses Leben, jedenfalls vorerst.

Als endlich die letzte Strähne, bis auf zwei die vorne ihr Gesicht umrahmten, festgesteckt war, ging sie aus dem Bad raus und zu ihrem Bett hin. Daneben standen rote High Heals (oder so), die sie zu ihrem Kleid tragen würde. Lara mochte keine Absatzschuhe, aber zu einem solchen Fest passten sie einfach am besten. Da konnte sie nicht daran rütteln.

Schnell zog sie die Schuhe an und stand dann auf. Dann verließ sie ihr Zimmer und ging hinab ins Foyer, wo bereits Chase auf sie wartete. „Aye Caramba!", meinte mit einer Bart Simpson Parodie in seiner Stimmlage: „Siehst klasse aus, Red." Lara hatte absichtlich das rote Kleid gewählt, da ihr Spitzname, den nur Chase benutzte ja auch daher ruhte.

Gemeinsam gingen sie in den Essraum und obwohl Lara bei der Dekoration geholfen hatte, war sie doch erstaunt, als sie das fertige Bild sah. In der Mitte stand ein Eichenholztisch, abgedeckt mit einer weißen Tischdecke. Der Tisch war gedeckt für fünf Personen und zwar für mindestens vier Gänge. Lara hatte für den Abend extra einen Butlerservice angerufen, denn auch Winston sollte an diesem Abend bedient werden.

Es war kein leichtes gewesen, sieben Mann locker zumachen, die an Heilig Abend für fremde Leute den Tisch decken würden. Aber Lara hatte einen fetten Bonus versprochen, von dem die sieben Mann fein ausgehen könnten oder etwas in der Richtung. Und sie hatten sich Mühe gegeben. Auf dem Tisch standen zwei Kerzen, die mit ruhiger Flamme brannten. In der Mitte thronte ein leckeres Käse Fon Du.

Zu jedem Teller gehörten vier Gläser. Ein Rotweinglas, ein Sektglas, ein Glas für Weißwein und eines in dem Wasser war, zum umspülen. Doch egal wie schön der Tisch war, der Rest des Saals war noch viel besser. Im ganzen Raum standen verteilt große Kerzenständer die genug Licht spendeten, dass kein künstliches gebraucht wurde. Das hätte auch die Stimmung verdorben.

Der Boden war bedeckt mit weißen Rosen, die für den fehlenden Schnee stehen sollten. Weiße Schleier hingen an den hohen Fenstern mit Blick zum Gartenteich (der war so groß, dass man darin problemlos Ruderboot fahren konnte), der umrahmt wurde von Fackeln. Da es aufgehört hatte zu regnen und auch nicht so aussah, als würde es wieder anfangen brannten die Fackeln und wehten unruhig im Wind.

Das Spiegelbild, dass in dem See geworfen wurde war wirklich schön. Doch zurück zum Raum. Einige kleine Lichterketten waren an der hohen Decke angebracht worden und beleuchteten das Wandgemälde. Lara fand, es war ein Traum.

Ein plötzliches Räuspern unterbrach sie, beim bestaunen der Umgebung. Sie wand sich um und sah Sara und Indy vor sich stehen. Sara trug ein weißes, langes Kleid und hatte ihr Haar ebenfalls hochgesteckt. Weiße Blüten waren hineingewoben worden. Ein bildschöner Anblick. Und Indy war auch durch und durch Gentleman.

Sein Jackett war Champagnerfarben und seine Hose schwarz. Sein Haar war ordentlich gekämmt und er trug sogar eine Krawatte. Chase sah ihm ähnlich, nur eben mit längerem Haar und mit schwarzem Jackett. Das würde ein toller Abend werden. Sara lächelte zart und verbeugte sich zu einem Knicks: „Wow, so was hab ich noch nie gemacht."

„Was? Verbeugen?", Chase grinste. „Nein. Abendkleider tragen.", erwiderte sie, bis ihr was einfiel. Dann ergänzte sie: „Na ja, jedenfalls nicht um bei einer Feier dabei zu sein. Ansonsten ging es immer um ausspionieren."

„So ist das Leben, Süße.", erwiderte Lara darauf und machte einen einladende Handbewegung. Als letztes gesellte sich Winston zu der Truppe, ebenfalls in feinem schwarzem Anzug. Ein lächeln umspielte seine Lippen. Lara hatte ihn schon lange nicht mehr lächeln gesehen. Er wirkte viel jünger im Moment: „Hallo Winston." „Hallo Mi...", Lara schnitt ihm mit einer Handbewegung das Wort ab: „Lara!" „Hallo Lara.", entgegnete Winston daraufhin und setzte sich zu dem Rest an den Tisch.

Einen kurzen Moment später wurde auch schon ein Teller mit einem kleinen Salat und es wurde die Vorspeise gebracht. Eine leckere Tomatencremesuppe. Der Koch gesellte sich zu ihnen und meinte: „Als nächste gibt es dann Fon Du, als Hauptspeise. Und als Nachtisch gibt es exotische Früchte in Vanille- oder Schokoladensoße. Guten Appetit."

„Danke.", erwiderten die Essenden und machten sich dann an ihren Salat und die Suppe. Beides war ziemlich lecker und keineswegs füllend, so dass für das Fon Du genug Platz blieb. Dies erwies sich als äußerst spaßige Sache, denn dabei tranken sie noch Fruchtpunsch, der in den Rotwein Gläsern serviert wurde, da keiner auf Rotwein bestanden hatte. Sekt war dazu die passender Angelegenheit.

Dabei wurde viel gelacht und rumgealbert. Irgendwann war Sara dann, leicht beschwipst von dem Fon Du, da dort ja Weißwein drin war, auf die Idee gekommen der Fruchtpunsch sei bestimmt alkoholisch. Daraufhin hatte Chase einen der Köche gefragt was denn in dem Punsch so drin war. Dieser hatte erwidert, dass er aus hundert Prozent Früchten bestand. Auf diese Äußerung begann Sara zu kichern und bekam sich erst nach einigen Minuten wieder ein. „Was ist los?", wollte Lara wissen.

„Hundert Prozent. Ich wusste es.", murmelte Sara und kicherte weiter, während sie weiter aus dem Fon Du Topf aß. Winston und Indy fingen ebenfalls an zu lachen und alles endete damit, dass der Topf irgendwann leer war und Sara nicht nur einwenig beschwipst war.

Der Nachtisch war genauso köstlich wie er sich angehört hatte. Litschies, Ananas, Bananen, Erdbeeren, Melonen und viel mehr, das alles in einer himmlischen Vanillesoße, die wahrscheinlich extra frisch angefertigt worden war. Jedenfalls schmeckte sie großartig. Lara genoss jede Sekunde in der sie hier mit ihren Freunden saß und um dem Abend noch die Krone aufzusetzen begann es in diesem Moment zu schneien.

„Schnee.", Sara grinste von einem Ohr zum anderen: „Können wir rausgehen?" Keiner hatte was dagegen also fanden sie sich schon bald draußen auf der Terrasse, jeder mit einer Tasse Glühwein in der Hand (außer Sara, denn sie hatte schon genug) im Schein von Fackeln, während sie den weißen Flocken auf ihrem Weg nach unten zusahen. Und das besondere war: Der Schnee blieb liegen und so stark wie es schneite, würde er auch noch in ein oder zwei Tagen hier liegen.

Sie beendeten den Tag mit Geschichten und sogar ein, zwei Liedern obwohl Lara singen wie die Pest hasste. Aber sie tat es und sie genoss es. Und kein Simon störte sie in diesem Moment. Es war ein herrlicher Abend und es tat ihr beinah Leid, dass er zu Ende ging. Aber nachdem Sara auf der Couch eingeschlafen war und Chase und Indy angefangen hatten Walzer zu tanzen, schien es ihr doch, dass es Zeit war ins Bett zu gehen.

Trotz einiger Proteste bugsierten sie Sara in ihrem Bett, dann ging Lara auf ihr Zimmer, zog sich aus und legte sich ins Bett und keine Alpträume störten sie diese Nacht.

Surrey, England

Croft Manor

25.Dezember 2004

11:45 Uhr

Lara erwachte am nächsten Morgen, als jemand leise an ihrer Tür vorbei ging. Das erstaunliche war, sie hatte es gehört. Und dabei hatte sie gerade einen schönen Traum gehabt. Dort war alles so gewesen wie es sein sollte. Keine Verrückten, die versuchten die Welt zu vernichten, keine aufklaffenden Löcher und ähnliches. Einfach nur Friede.

Aber das war nicht die reale Welt und Lara machte sich deswegen auch keinen Kopf. Jetzt ging es eh an die Bescherung und darauf freute sie sich, wie ein kleines Kind. Sie sprang aus ihrem Bett, sortierte es so, dass es aussah als wäre es gemacht worden, schlüpfte in rosa Plüschpantoffel und in einen Morgenmantel. Dann sah sie nach links und rechts, ob auch niemand auf dem Flur war.

Schnell griff sie die Geschenke, die unter ihrem Bett lagen (eins für jeden) und eilte aus dem Zimmer. Sie nahm den Weg über die kleine Treppe und auch folgte sie verschiedenen Schleichwegen. Denn sie wollte die Sachen unter den Baum schaffen, bevor die anderen es sahen. Als sie das Wohnzimmer durch den Flur erreichte, in dem auch ihr Arbeitszimmer lag, stand Chase bereits grinsend neben den Baum und deutete auf die Geschenke, die dort unterm Baum lagen: „Erster!"

„Mist.", Hinter Lara tauchte auch Indy mit Päckchen in der Hand auf und Sara kam durch den Haupteingang. So standen sie da einige Minuten, bis sie zu dem Baum strebten, um die letzten Päckchen dort abzuladen.

Dann ging es an die Bescherung.

Fortsetzung folgt:

Ich wollte ursprünglich Geschenke einbauen, aber ich hatte keine Ahnung was sie sich schenken sollten. Und ich bin nicht so gut darin Freude und ähnliches zu beschreiben. Deswegen hab ich das ausgelassen und sie leben ihr Leben einfach weiter... 