Einunddreißig
Surrey, England
Croft Manor
2.Januar 2005
13:00 Uhr
„Wenn ich es ihnen doch sage Misses Rivers.", Miss Hovan, Lara schmunzelte. Noch immer gewöhnte sie sich nicht daran, dass die Frau jetzt verheiratet war: „Hitler hat einen Haufen Kram getrieben, der nicht verzeichnet worden ist in seinen Büchern oder der Geschichte.", Lara blätterte in den Seiten die sie bereits übersetzt hatten. Ihre Arbeit ging immer schneller voran und es kam ihr nicht so vor, als würde sie von irgendwem kontrolliert werden, wie vor einigen Wochen noch.
Sie hatten auch Silvester ohne Probleme und fremden Besuch überstanden und es war ein schönes Fest gewesen. „Und was zum Beispiel?", wollte Misses Rivers am anderen Ende der Leitung von der Archäologin wissen. „Na ja, hier sind zum Beispiel Aufzeichnungen über einen Versuch, den sie Schlachtruf nannten. Dabei ging es darum, totes Gewebe zum Leben zu erwecken."
„Und hatten sie Erfolg?", wollte die Museumskuratorin wissen. „Ja. Sie benutzten dafür ein mächtiges Artefakt, dass hier als Sichel bezeichnet wird.", Lara blätterte weiter: „Ich hab den Verdacht, dass es sich dabei um die Sichel des Mondes handeln mag. Doch es könnte auch was anderes sein. Es wird von einem Volk in Afrika berichtet, dass mit den Azteken Kontakt pflegte. Dort hatte Indiana vor vielen Jahren die Sichel gefunden. Danach fiel sie den Nazis in die Hand. Ich weiß nicht warum, aber sie scheinen eine andere Fähigkeit in der Sichel gefunden zu haben, außer der die sie erfüllt, sobald die Ellipse dazukommt."
„Eine Frage Miss Croft. Hat diese Ellipse eigentlich auch einen Namen?", fragte Madeline am anderen Ende. Lara wurde einwenig stutzig, aber sie hatte geschworen Misses Rivers auf dem laufenden zu halten. „Ja. Die Sichel des Mondes und Quezacotls Auge.", erklärte Lara: „Das kommt von dem Glaube der Azteken. Sie sahen in Quezacotl ihren Gott der Sonne und der Mond bildete das Gegenstück. Aber das eine kann ohne das andere nicht existieren. Deswegen ergeben sie zusammen dieses mächtige Artefakt."
„Scheint ja alles einen tieferen Sinn zu haben. Haben sie denn schon einen Ahnung, wo sich diese Sichel befindet?", langsam wurde Lara wütend. Sie hielt Lara von der Arbeit ab und stellte ihr Fragen, deren Antwort Lara noch unmöglich wissen konnte.
Immerhin war sie noch nicht so weit gekommen. Aber sie hatte schon ein Viertel des Buches durch. Indy war schon einwenig weiter und half deshalb Sara manchmal, da sie einwenig zurückhing. „Nein, keine Ahnung. Hören sie Madeline. Ich werde jetzt auflegen.", meinte sie: „Tschüss."...
..."Tschüss.", erwiderte Madeline und schluckte, dann legte sie den Hörer auf. „Ich bin stolz auf sie.", erklang eine Männerstimme über ihr. Dann fasste eine Hand an ihre Schulter und dieser Widerling Simon beugte sich vor zu ihr: „Sie machen das wirklich toll." Tränen traten in Madelines Augen und kullerten die Wangen hinab. „Wirklich toll.", Simon lachte und wischte sich die Finger an einem weißen Tuch ab. Dann ging er in dem Büro zu einem Stuhl, setzte sich hin und überschlug die Beine und faltete die Hände: „Wirklich.", ein Grinsen trat in sein Gesicht und sein Blick wanderte zu Hillary.
Diese trug ihr blondes Haar zu einem strengen Pferdeschwanz und dazu noch ein schwarzen Kampfanzug, der ihr totale Bewegungsfreiheit erlaubte. Sie kauerte über der Leiche von diesem Rivers, der versucht hatte sich zu wehren. Es war ein leichtes gewesen ihn zu überrumpeln: „Es hat sich wirklich gelohnt den weiten Weg nach England zu nehmen.", murmelte Simon.
Hillary beendete die Durchsuchung des Leichnams. Langsam erhob sie sich, wobei sie sich an der Wand abstützte und ein Stück Tapete abkratzte. „Autsch.", murmelte sie und ging zu ihrem Bruder hin. Ihr Blick fiel unweigerlich auf Quezacotls Auge. Ein bestimmter Glanz erschien in ihren Augen und Simon musste grinsen. Er wusste, was sie vor hatte. So doof war er nicht. Und sie wusste, dass er wusste was sie vorhatte. Und deswegen verstanden sie sich auch so gut.
Denn sie würde niemals probieren die Macht für sich zu holen, solange Simon existierte. Aber sie brauchte ihn auch, bis das Artefakt komplett war, denn er hatte das Geld für die Söldner. Sie würde es nicht wagen und falls doch...ein Fingerschnippen genügte und sie würde zu Brei verarbeitet. Dann würde ihr auch ihre Schnelligkeit und ihre Jahre als Profikiller nichts nützen.
Geld regierte die Welt und wenn Simon den Männern Geld versprach, taten sie alles. Eigentlich waren sie nichts anderes, als männliche Prostituierten, die sich allerdings dann nicht auszogen. Er schmunzelte und erhob sich von seinem Stuhl: „Ich denke wir haben alles was wir wollten. Nehmen wir unsere Geisel mit und fahren ins Hotel.", seine Hand griff beinah automatisch nach dem Artefakt, dass er auf den Tisch gelegt hatte.
Hillary lachte kurz und ergriff Madeline am Nacken, zerrte sie in die Höhe und schob sie vor sich aus der Tür. Tränen rannen Madelines Wangen hinab. Sie konnte immer noch nicht fassen, was da passiert war. Eigentlich war ihr Mann gekommen um mit ihr nachher in den Park zu fahren, doch plötzlich waren diese zwei Gestalten hier aufgetaucht.
Sie hatten ihn einfach erschossen. Und sie zweifelte daran, dass sie hier noch mal lebend rauskommen würde.
Sie hatte Lara eine Spur gelassen, die sie auf die richtige Fährte bringen müsste. Aber das auch nur, wenn die Cops es nicht wegräumten, denn sie würden die Leiche finden. Das war allen klar. Und sie würden Madeline den Mord anhängen.
Surrey, England
Croft Manor
2.Januar 2005
13:07 Uhr
Lara legte den Hörer auf und staunte einwenig. Madeline hatte sich so seltsam benommen. Ob vielleicht irgendwas passiert war? Doch dann hätte Madeline sicher was gesagt. Sie hatten vor einiger Zeit abgemacht, dass Madeline an die Hörermuschel tippen sollte, sollte irgendwer bei ihr sein. Drei Mal...eine Art Code für die beiden, als Madeline noch für Lara gearbeitet hatte. Doch jetzt hatte sie nichts gemacht, also war dort wahrscheinlich auch niemand und Madeline nur sehr neugierig.
Langsam erhob sich Lara von ihrem Bürostuhl, blickte aus dem Fenster wo noch immer der Schnee Knöcheltief lag. Es war wie ein Winterwunderland. Ein wirklich schöner Anblick. Der abgestellte Springbrunnen war über und über mit Schnee bedeckt und auch die Hecken und kahlen Bäume. Draußen arbeitete Winston. Er kehrte Wege für den Schnee frei. Lara winkte ihm zu und wand sich schließlich ab, ging ihrer Arbeit nach.
Sie klemmte sich das Buch und die Notizen untern Arm und schritt hinaus aus ihrem Büro. Ihr Weg führte sie hinauf in die Bibliothek wo Sara und Indy über den anderen Büchern saßen. Chase war nach Hause gefahren, da er im Moment nicht helfen konnte. Aber Lara würde ihn rufen, sobald es daran ging sich den zweiten Teil zu besorgen.
Sie hatte wage Informationen bekommen, dass sich der zweite Teil der Sonnenscheibe irgendwo in Europa befinden sollte. Das war gut, immerhin waren die Reisekosten dann bei weitem nicht so hoch. Laras Konto war sowieso schon geschrumpft. Sie sollte echt wieder den ein oder anderen Auftrag annehmen, dann würde wieder schneller Geld in die Kasse kommen. Aber jetzt galt es erst mal sich auf das zu konzentrieren was man vor sich hatte. Und das war eine Menge Arbeit.
„Und was hat Madeline gesagt?", wollte Sara wissen, als sie sah wie ihre Freundin die Bibliothek betrat. Lara wirkte einwenig desorientiert: „Sie meinte, dass wir weiter suchen sollen und hat viele Fragen gestellt. War einwenig merkwürdig." „Hmm.", entfuhr es Indy und er kaute abwesend auf einem Stift herum.
Lara schmunzelte, als die den Grabräuber da so sitzen sah. Er war total in seine Notizen und das Buch vertieft. Möglicherweise war er bereits auf einer heißen Spur. Lara setzte sich neben die beiden und sie suchten noch weitere sechs Stunden.
Während der Zeit unterhielten sie sich auch, tauschten Informationen und Blätter aus, notierten Sachen an Tafeln, bestellten und aßen was, da Lara ihrem Butler einen Urlaub gegönnt hatte, und sie legten auch Pausen ein. Als Lara dann um kurz vor acht den Stift auf ihre Notizen warf und sich zurück lehnte fühlte sie sich verdammt erschöpft. Aber sie waren wieder ein gutes Stück weit gekommen.
Aus einem Radio plärrte leise eine Stimme: „Und hier sind wieder die News, mit Wesley Chambers. Eine Sondermeldung erreichte uns vor kurzer Zeit, dass Scotland Yard in dem Britischen Museum einen Toten gefunden haben. Bei dem Toten handelt es sich um John Rivers, einen 47 jährigen Professor der Universität...", Lara erschrak und kippte beinah vom Stuhl. John Rivers! Das war Madelines Mann. Sie konzentrierte sich wieder auf den Sprecher: „Die Polizei ist noch vor Ort und sichert die Spuren. Er wurde vor etwa vier Stunden Tot aufgefunden. Ist es aber seit mindestens sechs. Die Hauptverdächtige ist seine Frau Madeline Rivers doch von ihr fehlt jede Spur...", genau, dass was sie befürchtet hatte. Madeline war vielleicht deswegen so seltsam gewesen.
Indy hatte es auch gehört und blickte sie erschrocken an. Sara betrat den Raum kurze Zeit später und blickte in die Gesichter von ihren Freunden: „Was ist los? Haben wir die Lösung?" Doch Lara verneinte: „Ich fahre zum Museum. Bleibt ihr bitte hier.", dann stürmte sie hinaus aus der Bibliothek und hinunter in das Foyer, wo sie sich einen schwarzen Mantel und die Autoschlüssel für den blauen Bugatti holte.
Kurze Zeit später sauste sie mit hundert Sachen von dem Hof ihres Anwesens und hinaus in die Nacht. Ihr Wagen fuhr durch Laras privat Wald, der das komplette Anwesen umrandete. Ihre Eltern hatten dort Bäume gepflanzt, wo früher das Haus von Simon Williams und seiner Familie gestanden hatte.
Und Lara hatte diesen Wald ausgeweitet. Jetzt müsste man erst mal dreißig Minuten durch den Wald wandern um erst mal an die Tore von Croft Manor zu kommen. Das war ein gutes Mittel um die Presse abzuhalten. Denn die waren meist zu faul um den Weg durch den Wald zu gehen.
Oder vielleicht fürchteten sie auch irgendwelche Monster in dem Wald. Sie vermuteten wohl, dass Lara das Monster von Paris mitgebracht hatte. Immerhin waren die Meldungen um ihn plötzlich verschwunden. Aber außer Vögeln und Füchsen gab es hier gar nichts. Na ja, vielleicht noch Würmer und Käfer.
Madeline hat ihren Mann ermordet, schoss es ihr wieder durch den Kopf, während sie nach rechts auf die Straße bog. Nein halt, denk rational Lara, sagte sie sich selbst. Warum sollte Madeline so was tun? Sie hatte keinen Grund. Und dann kam ihr eine Erkenntnis, die sie noch schneller fahren ließ: „Simon!"
Vielleicht hätte sie Sara mitnehmen sollen. Immerhin war sie ja ein Cop und vielleicht hätte sie es einfacher gehabt sich dort ebenfalls etwas umsehen zu können. Jetzt würde sie wieder einbrechen müssen. Oh, wie sie das doch hasste.
Zehn Minuten später hielt ihr Wagen einige Straßen weiter von dem Museum entfernt. Sie war vorhin dran vorbei gefahren und hatte sich die Sache mal angesehen. Der Haupteingang war von der Polizei abgesperrt und ein Haufen Presseleute stand drum herum. Die Fenster im Erdgeschoss um in ersten Stock waren alle mit Brettern vernagelt worden, damit niemand von dort aus Fotos machen konnte.
Der zweite Stock lag viel zu hoch und die Bäume die um das Museum standen wuchsen nicht so hoch. Der Gärtner war ein kluger Mann. Aber es wäre sowieso sinnlos gewesen, denn blinkende Lichter an den Fenstern wiesen Lara auf ein Alarmsystem hin, dass sie ohne Ausrüstung nicht umgehen würde.
Schnell durchsuchte sie ihren Wagen nach was passendem und fand es. Ein Stift und ein Block, der nur halbvoll war. Dann löste sie den Zopf in ihrem Haar und schlug den Kragen ihres Mantels um. Sie konnte vielleicht als Pressemensch durchgehen und so einwenig Infos sammeln oder vielleicht sich irgendwie hineinschmuggeln.
Also ging sie den Weg zurück und mischte sich unter die Menschenmenge, die mit erhobenen Kameras herum standen und Fotos von dem Abtransport der Leiche machten. Schnell drängte sie sich nach vorne und stellte sich an die Absperrung. Und was sie sah ließ sie gleichermaßen erschrecken und auflachen. Chase stand neben den ermittelnden Beamten und trug ebenfalls die Uniform der Scotland Yard.
Als er Lara erblickte grinste er und ging zu ihr hin. Schnell sprach er sich mit einem der Cops ab, die vor der Menge standen und den Eingang abschirmten. Dann wurde Lara auch schon durchgelassen. Gemeinsam mit Chase betrat sie das Innere der Eingangshalle, wo weitaus weniger Cops herumstanden.
Keiner blickte auf. „Was tust du hier?", wollte Lara wissen. „Ich? Ich hab von dem Toten Rivers erfahren und bin hier hergekommen.", erklärte Chase.
„Ja, dass dachte ich mir bereits. Ich meine, was machst du hier in dieser Uniform?", Lara grinste als sie ihn noch mal von oben bis unten musterte: „Sieht ulkig aus." „Ein Freund von mir arbeitete bei den Yards und ich hab ihn mal darum gebeten mir so eine Uniform zu besorgen. Und das hat er auch getan, kurz bevor er sich wegen Trunkenheit und Depression vor einen Zug geworfen hat.", er stoppte, so als hielte er es für nötig einen kurzen Moment des Schweigens für seinen Freund einzulegen: „Du wirst nicht glauben wie doof englische Cops sein können. Ich kam hier an und schon wurde ich hineingelassen."
Während er ihr das erzählte führte er sie zum Büro von Madeline, wo der Tote gefunden worden war. Dort waren die Cops bereits fertig und deshalb war der Raum nur mit einem Band abgesperrt. „Aber mach schnell.", mahnte Chase sie und ging wieder zurück an seinen Posten.
Lara nickte und blickte sich in dem schönen Zimmer um. Einige Bücher waren auf den Boden geworfen worden und lagen jetzt einsam da rum. Ihr erster Blick galt dem Schreibtisch, doch bis auf einige Arbeitsunterlagen und ein zerbrochenes Glas fand sie nichts wichtiges. Dann wanderte ihr Blick zu der gegenüberliegenden Ecke. Blut klebte an der Wand, dass die Cops nicht weggewischt hatten.
Aber etwas anderes lenkte ihre Aufmerksamkeit auf sich. Eine Unebenheit in der Tapete. Sie ging da hin und besah sich diesen Fehler. Es war ein Stück Tapete, dass abgekratzt worden war. Aber es wirkte nicht so, als wäre es mit einem Messer passiert. Eher wirkte es als hätte jemand mit einem Fingernagel was entfernt. Aber da es nur eine kleine Ecke war, war es wahrscheinlich nicht absichtlich passiert.
Nur eine Frau würde sich solche Fingernägel wachsen lassen, dass sie damit Tapeten abkratzen könnte. Das entfernte Stück fand sie auch auf dem Boden. Die Cops schien es nicht für wichtig empfunden zu haben. Es lag da auf dem Boden, erinnerte einwenig an eine Speerspitze die in die andere Richtung zeigte.
Lara erhob sich wieder und suchte weiter. Suchte etwas, dass ihr helfen würde zu zeigen, dass Madeline nicht die Mörderin sein konnte. Ihr Weg führte sie durch die Bücherregale, doch außer einigen privaten Fotos und zerstreuten Büchern fand sie nichts. Bis sie plötzlich den Blumentopf umtrat.
Erschrocken zuckte sie zusammen, als der Keramiktopf auf dem Boden zerbrach und sich schwarze Erde auf dem Boden verteilte. Und in dieser Erde glänzte etwas. Lara schob die Erde mit der Hand bei Seite und griff nach dem glänzenden Ding. Es war ein kleines Gefäß. Lara hatte es Madeline mal gegeben und gesagt, dass sich darin gut kleine Sachen verstecken ließen. Die Archäologin schraubte es vorsichtig auf und ließ den Inhalt in ihre Hand gleiten. Ein zusammengerollter Zettel.
Dort standen die Worte: Thistle Tower Hotel, London und Sichel drauf. „Simon.", brachte Lara aus zusammengebissenen Zähnen hervor und ballte ihre offene Handfläche zu einer Faust. Ein plötzlicher Ruf erschreckte sie allerdings: „Hände hoch!"
Fortsetzung folgt:
Wird Lara aus diesem Debakel rauskommen und was meint Madeline mit ihrer Nachricht? Das und mehr im nächsten Kapitel von Tomb Raider. „Himmel und Hölle."
