Legolas
starrte Daynic an. Der Heiligelb wartete bis Gimli außer
Sichtweite war. Dann sah er auf den dunklen Boden und griff nach
einem kleinen Stein, den er in seiner Hand drehte und wendete bis er
seine Farbe von einem matten goldgelb zu einem dunklen blau änderte.
Nach einigen Momenten konnte Legolas sich von Daynics Magie befreien.
"Nun?" Der Heiligelb sah auf.
"Kennst du ihr
Alter?" Legolas zuckte mit den Achseln. "1200, wenn ich
raten müsste..."
"Gut geschätzt! Und vor etwa
1200 Jahren sind wir uns zum ersten Mal begegnet. Sie war so jung..."
Daynic lächelte in Erinnerungen schwelgend. Doch bald kehrte er
zu sich zurück.
"In dieser Zeit herrschte Krieg in den
Landen des Herrn von Rhûn. Krieg...ja... Die Könige von
Rhovanion. Sie griffen uns an..." "Rhovanion? Düsterwald?"
Legolas erschrak. "Mein Vater zog damals in die Schlacht. Und
kehrte mit einer großen Wunde zurück!" Daynic hielt
Legolas einen langen, verzierten Dolch entgegen.
"Die
Klinge, der er sie zu verdanken hat."
"Du warst es! Du
wolltest meine Vater töten!" Der Elb sprang auf.
"Aber
er ist doch noch am Leben! Ruhig bleiben. Ja, ich habe es getan. Und
nicht nur eine körperliche Wunde fügte ich ihm zu. Sein
Geist wurde zerschlagen. Denn er hatte verloren. Sie haben euch von
einem glorreichen Sieg berichtet, nicht wahr?" Legolas nickte
langsam nachdem er sich wieder gesetzt hatte.
"Aber sie
hatten verloren. Sie konnten nicht zulassen, dass die Angst vor
meinem Volk dein Volk zerstreuen würde. Deshalb hielten sie es
geheim. Nicht einmal du als Thronerbe wusstest davon. Wir taten alle
unseren Dienst in der Schlacht." Legolas horchte gespannt
Daynics Worten, denn was er hörte stellte alles auf den Kopf,
was man ihm bis jetzt erzählt hatte. "Aber ich verweigerte
den Dienst, als ich sah, was sie taten. Einige von uns stellten uns
gegen den Willen unseres Volkes. Wie Aysha es noch immer hoffnungslos
versucht. Wir wollten euer Volk nicht mehr vernichten. Doch unsere
Strafe für den Ungehorsam folgte schnell. Ich wurde mit einigen
anderen an die einsamsten Orte verbannt. Dort waren wir auf uns
allein gestellt. Wir hatten nichts und liefen ziellos umher. Wir
waren wohl zu weit nach Süden gegangen, als wir plötzlich,
wie aus dem Nichts, von einer Horde Orks angegriffen wurden. Nicht
üblich für diese Gegenden. Sie führten riesige Tiere
mit sich. Wir kämpften bis unsere Kräfte uns verließen.
Die wenigen Überlebenden verloren auch nach kurzer Zeit ihr
Leben. Ich überlebte als einziger von uns. Ich schlug mich bis
zu einem Dorf durch, in dem die ersten Heiligelben lebten, denen ich
seit meiner Verbannung begegnet bin. Es war ein merkwürdiger
Ort. Die Frauen wurden wie Männer erzogen, lernten reiten und
kämpfen, verloren dabei trotzdem nicht ihre Gabe zu kochen oder
zu weben. Ich klopfte an eine der ersten Haustüren, die ich zu
Gesicht bekam. Als die Tür sich öffnete, glaubte ich einen
hellen Stern am Himmel gesehen zu haben..." Daynic schloss für
einen Moment die Augen. Legolas schluckte. Nervös tastete er
nach dem Baumstamm.
"Sie stand vor mir. Dann sah sie zu mir
hinab, denn ich war kurz nach meinem Klopfen zusammen gebrochen und
hatte mein Bewusstsein verloren. Ich erwachte in einem Bett. Sie
pflegte mich, bis ich wieder zu Kräften kam. Sie versteckte
mich, bis zu jenem Tag. An diesem Tag fanden sie mich. Sie zerrten
mich aus der Tür und hielten Aysha fest, damit sie mir nicht
hinterher lief. Doch ich wehrte mich. Ich hörte Ayshas Schreie.
Und plötzlich riss sie sich los und nahm es mit den Wachen auf.
Gemeinsam hatten wir eine, wenn auch geringe Chance zu entkommen.
Jetzt bemerkte ich die Kräfte, die in ihr ruhten. Bald hatten
wir die meisten Angreifer überwältigt. Doch wir hatten ein
größeres Problem. Die Heiligelben hatten ein... Monster
erschaffen. Ein Ork, von Elben ins Leben gerufen. Den Kampf über
war er fest gekettet gewesen, doch er hatte sich los gerissen. Ich
konnte mich kaum noch bewegen und Aysha holte zum letzten Schlag aus,
um das Ungeheuer zu töten. Ihr Schwert bohrte sich in seinem
Rücken und es sank zu Boden. Kurz darauf brach sie über ihm
zusammen. Sicher es besiegt zu haben versuchte sich auf zu stehen.
Plötzlich schnellte eine Hand hervor. Es durchzog mit seinen
mächtigen Krallen Ayshas Gesicht und ergötzte sich an ihren
Schmerzensschreien. Und ich konnte nur zusehen. Ich schleuderte einen
Doch in den Arm des Ungeheuers." Daynic starrte Legolas an. Und
dieser schien genauso betroffen zu sein.
"Ayshas Schrei
hallte in den Tälern wieder. Doch wir hatten überlebt. Seit
diesem Tag verfolgen mich furchtbare Gedanken, vor denen ich nicht
fliehen kann. Ihre Neugierde trieb sie in viele Ecken des Nordens und
Ostens. Bald darauf verloren wir einander. Durch glückliche und
unglückliche Geschehnisse. Als wir uns ein letztes Mal zu
Gesicht bekamen meinte sie: ´Lass uns den Bund eingehen, wenn
wir uns wieder treffen. Dann werden wir sehen, ob wir auch verbunden
sind, wenn wir hunderte Meilen von einander entfernt waren. Doch sie
brach ihr Versprechen. Während ich zu meinem Volk zurück
gefunden hatte blieb sie standhaft und ich konnte sie nicht mehr
erreichen. Seit ihr euch getroffen habt habe ich sie innerlich
verfolgt... Dann habe ich euch beide zusammen gesehen." Daynic
wartete Legolas Reaktion ab. Doch dieser musste das Gehörte erst
verarbeiten und rührte sich nicht. Doch hätte er nicht an
sich gehalten, wäre er aufgesprungen und hätte Daynic ein
Messer an die Brust gehalten um ihn von Aysha fern zu halten. Doch
auf der anderen Seite war der Elb sehr gerührt von der
Geschichte.
"Sie will nicht zurück." beteuerte
Legolas.
"Sie weiß nur nicht, dass sie zurück
will." entgegnete Daynic schnell. "Ich-liebe-sie!"
Legolas zuckte zusammen. Hatte er das wirklich gesagt? Das war
das Letzte, was er aus Daynics Mund hören wollte.
"Liebt
sie dich?"
Daynic wartete. "Es ist nicht wegen mir. Sie
MUSS zurück. Der Rat will sie zurück, weil sie sich zu
lange widersetzt hat. Ich will ihr helfen!"
"Indem du
sie versteckst?"
"Was soll ich sonst tun? Wenn du einen
besseren Vorschlag hast, befolge ich ihn! Ich habe keine anderen
Möglichkeiten." Langsam wurde Legolas wütend.
"Weißt
du, warum sie davon läuft, warum sie sich versteckt und die Zeit
hinter sich lässt? Weil sie ihr Leben alleine leben will. Wie
sie es immer getan hat und wie sie es immer tun wird, egal wer ihr
zur Seite steht!" "Was weißt du denn schon? Du hast
sie nie kennen gelernt." Daynic richtete sich auf. "Überlege
einmal, was du wirklich über sie weißt!"
"Ich
kenne sie vielleicht nicht so wie du, aber ich kenne sie anders. Ich
kenne viele ihrer anderen Seiten. Ich weiß manches von ihr, was
dir vielleicht für immer verborgen bleiben wird. Und..."
Legolas holte langatmig aus.
"Ich will sie nicht verlieren.
An dich." Wie zu Stein erstarrt sah Daynic Legolas an. Er zog
seine Kapuze in sein Gesicht und huschte in die Dunkelheit hinaus.
Gimli kam sofort zu Legolas zurück geeilt, als er Daynic über
das Gras schleichen sah.
"Was ist...?" stürmte er
herein, doch er hielt sofort inne, denn Legolas starrte hinter Daynic
her. Und auf seinem Gesicht zeichnete sich langsam tiefe Trauer ab.
