Ein
Schlüssel knackte im eisernen Schloss der Zellentür. Ein
dunkel gekleideter Mann trat ein und warf den Gefangenen einen Beutel
mit Essen vor die Füße.
"In wenigen Stunden werdet
ihr hinausgelassen. Dann werden wir sehen, ob man euch in die
Sklaverei verkauft, oder als Krieger kämpfen lassen wird."
sagte der Mann langsam. "Ich muss wissen mit welchen Waffen ihr
nachher geprüft werden wollt."
"Schwert..."
grummelten Lanjaniel und Rangier fast gleichzeitig. Mergon stand auf.
"Ich ebenfalls. Mit dem Schwert, das euch den Kopf
abschlagen wird!"
Aysha zog ihn auf den Boden zurück.
"Und du da?" fragte der Mann Aysha.
"Ich will
mit dem Bogen kämpfen, den ihr mir genommen habt!" Der
Wächter richtete sein Schwert auf die Heiligelbe. Sie rührte
sich nicht. "Keine Angst, wie? Nun ja, man soll schließlich
dafür sorgen, dass der letzte Wunsch erfüllt wird. Mal
sehen was sich da machen lässt..." Dann schlug der Mann die
Tür hinter sich zu.
"Warum tust du so etwas?"
fragte Lanjaniel Aysha kurze Zeit später. "Das wird dir
nicht gerade einen besseren Ruf verschaffen."
"Ruf?
Falls du mal einen hattest, ist er spätestens hier
verloren."
"Bist du so von dir überzeugt, dass du
dir deines Sieges bereits sicher bist?"
"Ich versuche
das Beste daraus zu machen."
"Es ist sehr töricht
große Worte von sich zu geben!"
"Doch große
Worte können auch viel verändern!"
"Lass uns
lieber ruhig bleiben." bemerkte Lanjaniel schließlich.
"Das bringt uns auch nicht hier raus."
Aysha nickte.
Plötzlich klopfte es.
"Das hier jemand anklopft, ist ja
was ganz neues..." grummelte Mergon und stand auf. "Ja?"
Ein
kleiner, hagerer, ängstlich aussehender Mann trat ein.
"Hi...Hier...sind euere Wa...Wa...Waf...Waffffff..."
"Waffen?" Mergon ging einen Schritt auf den Mann zu.
Dieser warf schnell einen riesigen Lederbeutel auf den Boden, dann
lief er panisch aus der Gefängniszelle.
"Was war das
denn?" fragte Lanjaniel langsam.
"Ist doch egal..."
rief Rangier. "Wir haben unsere Waffen. Was wollen wir mehr?"
Er ging auf den Beutel zu und wickelte die schweren Klingen aus. Dann
suchte er sich eines der Schwerter heraus und warf die restlichen zu
Lanjaniel hinüber.
Als er nach Ayshas Bogen greifen wollte,
stand die Heiligelbe jedoch schon neben ihm und funkelte ihn an.
"Liegen lassen!"
"Wenn du meinst..."
Rangier kehrte Aysha den Rücken zu. Die Heiligelbe strich mit
ihrer Hand über das Holz ihres Bogens. Mit der anderen Hand zog
sie ihren Köcher zu sich heran.
Im selben Moment wurde die
Tür aufgeschlagen.
"Mitkommen!" schrie eine tiefe
Stimme in das Verließ hinein.
Lanjaniel sah in die Runde.
Dann folgte sie dem Wächter. Die anderen schlossen sich ihr an.
Auf dem Gang hatten sich schon viele Gefangene versammelt. Jeder
von ihnen trug mindestens eine Waffe bei sich. Doch ein Angriff wäre
trotzdem sinnlos gewesen. Die Wächter waren zu zahlreich. Doch
daran dachte Aysha im Moment gar nicht erst. Einige Zellentüren
entfernt wurden ebenfalls Gefangene auf den Gang geführt.
Elben,
Menschen und sogar ein Zwerg, der jedoch rasch in der Menge
unterging...
Zur Mittagstunde hatte sie den Fuß
der Berge erreicht und suchten sich einen Weg durch eine feuchte und
kalte Schlucht, die sich durch den gesamten Berg schlängelte.
"Moment!" rief Merry plötzlich. "Woher sollen
wir eigentlich wissen, dass Aysha da in dieser... komischen Stadt
ist?"
Alle hielten an und starrten zu dem Halbling hinüber.
"War ja nur so ´ne Frage..."
"Nein, der
Hobbit hat Recht!" warf Gimli plötzlich ein. "Wer sagt
uns, dass sie hier ist? Sie könnte genauso gut in Mordor, im
Auenland oder in Bruchtal sein!"
Aragorn hörte nicht auf
den Zwerg und trottete langsam weiter. "Gandalf hat uns hierher
geschickt. Und er hat sich bis jetzt nie geirrt, wenn es um den Weg
ging. Kommt weiter und wartet nicht darauf, dass sie gleich neben
euch steht und wir wieder zurück können!"
Von dem
Zeitpunkt an hielten sich die beiden Hobbits ein großes Stück
hinter den anderen.
"Merry?" fragte Pippin seinen
Freund einige Minuten später.
"Mmmhhh?"
"Wie
sehr magst du sie? Ich find´ ja, dass sie vollllll nett
ist."
Merry drehte sich vorsichtig um.
"Jetzt sag´
nicht, du bist in sie ver..."
"Red´ keinen
Quatsch! Naja...vielleicht ´n bisschen..."
"Alles
klar, Kumpel! Irgendwie versteh´ ich das ja auch. Aber zurück
in die Wirklichkeit. Da vorne reitet nämlich so ein großer
Elb. Auf dem weißen Pferd. Nicht zu übersehen. Der hat
nämlich auch was dazu zu sagen..."
"Aber da war
doch was mit diesem Heiligelben-Kram... Wie war das noch? Erst wirst
VERFÜHRT und danach ABGEFÜHRT."
"Freu dich,
dass du kein gut aussehender, starker und intelligenter Elb
bist."
Pippin sah es schon vor sich: Er, Aysha die Ketten von
den Händen reißend und Daynic ein Schwert zwischen die
Rippen rammend, in einem tiefen düsterem Keller, in den sich
keiner seiner Gefährten getraut hatte.
Und in den
zahlreichen Nächten, die ihnen auf ihrer Reise bevorstanden,
schwebten Pippins Gedanken immer weiter von der Wirklichkeit
davon...
Die Gefangenen drängten sich immer weiter
in den langen Gang hinein. Aysha wusste nicht genau, was sie
erwartete.
Nach einiger Zeit erblickten sie ein Licht am Ende der
dunklen Gänge. Nervös kratzte die Heiligelbe an ihrem
Bogen. Es dauerte keine zwei Minuten, da wurden sie ins Freie
geschoben. Aysha blieb stehen und sah sich um.
Sie befand sich
auf einer riesigen, gepflasterten Ebene. Eine steinerne Mauer trennte
die Gefangenen von der Freiheit. Alle zehn Fuß stand ein schwer
bewaffneter Wächter. Keiner von ihnen hätte einen
Gefangenen lebendig fliehen lassen.
Hinter den Wächtern
schoben sich manchmal die Spitzen einiger Berge hervor.
Zu Ayshas
Linken erhob sich das riesige Verließ des Nebels.
Plötzlich
knallte sie gegen Lanjaniel, die genau wie sie selbst interessiert um
sich sah.
"Was soll das hier werden?" fragte Lanjaniel
leise und ließ ihren Blick über die hohen Mauern wandern.
"Dort!" schrie jemand hinter ihnen und zeigte nach
links.
Plötzlich verschoben sich die Mauern links von ihnen
und einige riesige Tribünen kamen zum Vorschein. In den Reihen
saßen Männer und Frauen. Heiligelben und Menschen. Und...
Orks?
Aysha traute ihren Augen kaum. Doch unter der
Zuschauerschar drängten sich tatsächlich Orks auf ihre
Plätze.
Hinter Ayshas Rücken hallte eine leise Stimme,
die versuchte die Gefangenen anzuschreien:
"Ihr werdet
gleich in Gruppen gegen einigen von unseren Männern antreten.
Der Zufall entscheidet, welche zwanzig von euch das sein werden.
Also: Betteln und Flehen ist sinnlos! Gekämpft wird bis zum Tod!
Noch irgendwelche Fragen? Dann können wir ja anfangen!"
Die
fünf Gestalten hatten die Schlucht hinter sich gelassen und
ritten weiter auf den Rand der Stadt zu. Ihr Weg führte sie
durch ein kleines Waldstück.
Der wirklich tiefe Wald
erstreckte sich zu ihrer Rechten. Doch kein Tierlaut drang an ihr
Ohr.
"Vollkommen ausgestorben alles hier..." murmelte
Gimli und begann aufgeregt auf dem Mundstück seiner Pfeife herum
zu kauen, die er einige Momente vorher aus seiner Tasche
herausgezogen hatte.
Plötzlich blieb Aragorn stehen. Er
lauschte eine Sekunde. Dann sah er angestrengt in eine Richtung. Auch
Legolas hielt den Atem an.
"Schnell!" rief der Elb und
sprang vom Pferd. "In Deckung!"
Auch Aragorn sprang ab
und führte sein und das Pferd der Hobbits in den Wald
hinein.
Legolas wartete kurz. Für einen Augenblick fühlte
er sich von irgendetwas angezogen, das immer näher auf sie
zukam.
"Legolas! Gimli!" zischte Aragorn ihm zu.
"Kommt!"
Der Elb rührte sich nicht.
Erst als
Gimli ihm seinen Fuß gegen den Rücken rammte löste er
sich aus seiner Starre.
Schnell lief er mit dem Zwerg und seinem
Pferd in Richtung der anderen.
"Danke, Gimli!"
flüsterte er. "Ohne dich wäre ich wahrscheinlich ewig
dort stehen geblieben."
"Leise!" krächzte
Merry. "Da kommt jemand!"
"Meine..." Doch
Aragorn hielt Gimli den Mund zu. Stumm zeigte der Zwerg auf die
Straße. Seine Pfeife war ihm aus dem Mund gefallen und auf den
harten Steinen zerbrochen. Legolas schlich einige Schritte
vorwärts.
"Es sind Reiter. Vier oder fünf..."
Dann warf sich der Elb zu Boden. Da kamen sie auch schon
angaloppiert. Vier schwer bewaffnete Männer mit gold glänzenden
Helmen.
"Halt!" rief einer der vier und seine Mitreiter
hielten an. Der Elb schwang sich aus dem Sattel und landete vor
Gimlis Pfeife. Er hob die Einzelteile auf und sah sie sich genauer
an.
"Was haben wir denn hier? Eine Zwergenpfeife, gestopft
und noch brennend? Und wo ist der dazugehörende Herr, der sie
verloren hat?" Er winkte die Reiter zu sich und sah sich um. Für
einen Moment kniff er die Augen zusammen. Dann ging er zielstrebig
auf Aragorn und die anderen zu. Mit jedem Moment kam er einen Schritt
näher. Und die Momente verstrichen...
