Die
Schritte näherten sich und Legolas folgte Aragorns Anweisungen
und Verließ den Platz durch eine Seitenstraße. Ungesehen
späte er um die Hauswand.
Plötzlich hörte er
Stimmen und kurz darauf erkannte er zwei hagere Gestalten, die ein
Pferd hinter sich her führten. Und sie gingen direkt auf die
anderen zu!
Aber was sollte er tun? Gegen zwei Heiligelben würde
er nicht ankommen. Also wartete er und hoffte, dass sie Aragorn,
dessen Kopf über den Brunnenrand hinausragte übersehen
würden.
Da lachte einer der Männer auf. Ihre Schritte
wurden schneller und sie näherten sich Legolas Freunden. Langsam
hoben sie erst einen, dann den anderen Hobbit auf, stülpten
ihnen einen Sack über den Kopf und trugen sie zu ihrem
Pferd.
Legolas hätte sie befreien sollen, doch irgendetwas
sagte ihm es nicht zu tun. Jetzt gingen die beiden Männer ein
weiteres Mal zurück um Gimli zu holen.
Da hatte der Elb eine
Idee. Er erhoffte sich jedoch nicht viel davon. Lautlos zog er den
kleinen Beutel, den Gandalf ihm gegeben hatte aus seiner Tasche und
griff hinein. In diesem Moment füllte sich der Sack mit feinstem
Sand.
Legolas nahm eine Hand davon, sah ihn kurz an und holte dann
zum Wurf aus...
Nach einigen Sekunden Überlegung schnellte
seine Hand vor und der Sand flog über den Platz.
Plötzlich
wurde aus dem feinen Staub eine Art schwarzer Rauch, der Legolas
gesamte Umgebung in Dunkelheit hüllte.
Der Elb versuchte
etwas zu erkennen, doch es gelang ihm selbst mit seinen Elbenaugen
nicht. Aus irgendeiner Richtung hörte er die Schreie der beiden
Männer:
"Was soll das? Hilfe! Verdammte..."
Bald
lichtete sich der Rauch und Legolas sah nur noch, wie einer der
beiden Gimli auf das Pferd hievte und mit den Zügeln in der Hand
davon lief.
Legolas lief geradewegs auf den anderen Mann zu und
schlug ihm gegen den Kopf. Überrumpelt fiel dieser zu
Boden.
Einige Momente später stand Aragorn neben ihnen, der
durch den Tumult aufgewacht war und wollte hinter dem Pferd
herlaufen, doch Legolas hielt ihn zurück:
"Warte! Du
holst sie nicht ein. Eher verlieren wir uns in dieser Stadt. Wir
haben den hier!"
Dabei hielt er ihrem neuen Gefangenen den
Mund zu. Aragorn packte ihn am Kragen und zog ihn zu sich
heran.
"Los, raus damit! Wo bringt er sie hin?"
Der
Mann schüttelte sich frei und begann um Hilfe zu rufen.
"Du
sagst nur, was ich dir sage, verstanden?"
Er nickte
vorsichtig.
"Also noch mal: Wo bringt er sie hin?"
Keine
Antwort.
"Rede!"
Plötzlich wurden die Augen des
Mannes leer und schienen durch Aragorn hindurch zu starren. Aragorn
ließ ihn los und sah an seinem Oberkörper herab.
Legolas
kniete sich neben ihn.
"Sieh dir das an!"
Vorsichtig
hob er die Hand des Mannes. Anscheinend hatte er sich selber eine
giftige Nadel in den Arm gerammt, als Aragorn mit ihm gesprochen
hatte.
"Was soll das?" murmelte Aragorn. "Er muss
seinem Herrn sehr treu gewesen sein, wenn er sich sogar umbringt um
nichts preiszugeben..."
Die Sonne war erst vor einigen
Stunden aufgegangen. Wie jeden Morgen kam einer der Wächter in
die Zelle und warf einen kleinen Haufen Essen auf den
Boden.
Lanjaniel und Aysha hielten sich mit dem Essen zurück.
Mergon jedoch sah aus, als ob er einige Tage nichts gegessen
hatte.
Plötzlich wurde die Tür ein weiteres Mal
aufgeschlagen und der Wächter erschien wieder.
"Ihr
bekommt Gesellschaft..."
Aysha schien sich nicht dafür
zu interessieren. Wie bei ihrer Ankunft in dem Gefängnis setzte
sie sich stumm in eine Ecke und verdeckte ihr Gesicht. Vor der
dunklen Wand war sie fast unsichtbar.
"Ich glaube, es war
doch keine so gute Idee mitzugehen..."
Eine sehr bekannte
Stimme ließ Aysha aufblicken.
"Merry?"
"Aysha?
Du hier? Pippin, sieh wer hier ist!"
Die zweite kleine
Gestalt erhob sich.
"Oh, du?"
Die beiden Hobbits
stürmten sofort auf Aysha zu und umarmten sie. Überrumpelt
verlor sie fast das Gleichgewicht.
"Wie kommt ihr beide denn
hierher?"
Pippin klopfte sich den Schmutz von den
Kleidern.
"Keine Ahnung. Eben laufen wir noch mit den anderen
in der Stadt herum und im nächsten Moment sind wir hier!"
Aysha
hielt für eine Sekunde den Atem an.
"Sie sind hier..."
dachte sie. "Sie suchen nach mir. Das wird sie in ihr Verderben
führen! In diesem Landen überlebt man nicht so
einfach..."
Als die Hobbits sie endlich freigaben stellte sie
sie Lanjaniel und Mergon vor, die anscheinend ebenfalls über die
Gesellschaft erfreut waren.
Legolas und Aragorn streiften
ungesehen durch die dunklen Gassen. Niemand von ihnen konnte den
beiden etwas über einen Mann mit einem Pferd sagen. Und auch das
Gefängnis bei den schwarzen Klippen schien unbekannt zu
sein.
"Wenn mir dieser Daynic noch einmal in die Finger
kommt..." murmelte Aragorn und ballte die Fäuste.
"Daynic
sucht ihr?" drang unerwartet eine helle Stimme zu ihnen hinauf.
Eine Dienstmagd mit einem großen Korb voll Gemüse stand am
Straßenrand und rückte ihr Kleid zurecht.
"Daynic,
Darends Sohn?"
Legolas nickte kurz.
"Sein Haus steht
einige Straßen weiter. Ich kann euch hinführen. Folgt
mir!"
Aragorn sah erst zu Legolas, dann zu der Frau.
"In
Ordnung. Führe uns. Kannst du uns auf dem Weg noch etwas über
ihn erzählen?"
"Ich weiß nicht viel über
ihn. Niemand weiß etwas. Aber was ich weiß, will ich euch
mitteilen. Kommt hier entlang!"
"Wie lange seid ihr
schon unterwegs?" fragte Mergon die Hobbits und drückte
jedem von ihnen ein Stück Brot in die Hand.
"Seit
einigen Tagen..." begann Merry und biss ab. "Oder Wochen?
Ich hab´ aufgehört zu zählen."
Pippin sah in
die Runde.
"Was machen die mit uns?"
"Erst
einmal nichts." Lanjaniel stand auf und ging zu dem vergitterten
Fenster.
"Entweder, ihr werdet zu etwas Sinnvollem gezwungen,
oder ihr dürft zur Belustigung der hohen Herren in einer Arena
kämpfen."
"Kämpfen?" Merry ließ
sein Brot zu Boden fallen.
Aysha krempelte ihren Mantel hoch und
hielt den Hobbits ihre Arme entgegen.
Pippin starrte auf ihre
verbundene Hand. Und langsam begann Aysha damit den Stofffetzen
abzuwickeln. Immer mehr kam von ihrer tiefen Wunde zum Vorschein.
Der
Hobbit berührte ihre Handfläche. Ayshas Arm zitterte, doch
sie blinzelte nicht einmal.
"Ich muss morgen ein weiteres
Mal hinaus."
"Du wirst doch überleben, oder?"
fragte Merry leise.
Sie schmunzelte. Genau das hatte sie
vermisst.
Nach einigen Minuten hatten sie das prunkvolle
Haus erreicht. Die junge Frau war ohne eine weitere Bemerkung in
einem Hintereingang verschwunden.
"Gehen wir hinauf?"
fragte Legolas langsam und stieg ab.
Aragorn nickte.
"Kommt!
Dort entlang."
Vor der Tür angekommen betätigte der
Elb den vergoldeten Türklopfer.
Nach einigen Momenten wurde
die Tür geöffnet und ein Wächter in schillernder
Rüstung baute sich vor ihnen auf.
"Guten Tag,
wir..."
"Ich habe den Befehl euch nicht einzulassen.
Ganz egal, was euer Anliegen ist. Guten Tag!"
Dann schlug er
die Tür wieder zu.
"Wir müssen aber..." begann
Aragorn, doch er blieb ungehört.
Legolas ging zurück.
"Es hat keinen Sinn. Er wird uns erwartet haben. Wir müssen
uns etwas anderen einfallen lassen."
"Wenn ich ehrlich
sein soll, habe ich auch nichts anderes erwartet..." Legolas
nickte stumm.
"Komm mit. Wenn wir hier unerwünscht sind,
lass uns Gimli und die Halblinge suchen. Oder die schwarzen Klippen.
Irgendwann muss der feine Herr auch aus seinem Palast heraus kommen.
Dann kommen wir zurück..."
Der Elb erwiderte nichts. Er
dachte nach.
"Hast du sie fortgeschickt?"
Daynics Stimme hallte durch die große Eingangshalle.
"Ja,
Herr. Wie ihr es befohlen habt."
"Und sorge dafür,
dass sie nicht noch einmal versuchen hier einzudringen!"
"Ja,
Herr."
"Sie sind kleine Tiere. Irgendwann werden sie
gefressen..." Er grinste. "Wie niedlich sie ihre Freundin
suchen. Ich habe ja gehört, dass Menschen sich mehr Gedanken um
ihre Freunde machen als wir hier. Aber jemanden bis in diese Lande zu
folgen, grenzt an Irrsinn. Außerdem ist mir zu Ohren gekommen,
dass letzte Nacht drei Zwerge gefunden wurden. Die gehören mit
ziemlicher Sicherheit auch zu unseren Suchenden. Findest du nicht
auch?"
"Ja, Herr. Nur leider werden diese Suchenden ewig
suchen. Niemand dringt in das Gefängnis ein..."
Den
ganzen Tag ritten die beiden Ziellos in der Stadt umher. Plötzlich
hielt Legolas an.
"Aragorn, dort hinten. Sieht aus wie ein
Bibliothek."
"Du hast Recht. Das sollten wir uns genauer
ansehen..."
Einige Minuten später standen sie in einem
großen Saal. Von dort aus führten einige Türen zu
noch größeren Räumen.
Ihre Stiefel knallten auf
den dunklen Steinen. Aragorn ging auf die erste Tür zu und
versuchte zu entziffern, was über ihrem Rahmen stand.
"Legolas,
kannst du mir mal sagen, was das heißen soll?"
Die
elbischen Runen waren so merkwürdig verschnörkelt und
verdreht, dass Aragorn kein Wort verstehen konnte.
Legolas trat
neben ihn. Er überlegte für einen Moment.
"Ich
kennen das erste Zeichen... nur woher...Ich weiß! Hier stehen
alle Bücher von A-D. Aysha zeigte mir diese Buchstaben. Sie
kamen mir damals schon ziemlich unlesbar vor..."
Aragorn
zählte die Türen ab und fand heraus, wo sich die
Aufzeichnungen über "schwarze Klippen", "Stadt"
und "Gefängnis" befinden mussten.
"Wir trennen
uns. Du gehst dort hinein und ich hier. Wenn wir etwas entdeckt haben
treffen wir uns wieder. Viel Glück, Legolas."
Legolas
ging durch eine der Türen, zog ein Buch aus einem der riesigen
Regale, setzte sich in einen Sessel und begann zu lesen.
Und
viele Stunden vergingen...
Aysha saß
zusammengekauert in der dunklen Ecke des Verlieses. Merry hatte sich
gegen ihre Schultern gelehnt und schlief ruhig. Pippin lag an Ayshas
anderer Schulter, doch er war noch wach. Mergon war ebenfalls
eingeschlafen und Lanjaniel war mit ihren Gedanken in einer anderen
Welt.
Aysha zählte die Minuten bis zu ihrem bevor stehenden
Kampf. Zuerst sah Pippin zur Decke. Dann begann er zu
flüstern:
"Aysha?"
"Mmmhh?" Die
Heiligelbe ließ ihre Augen jedoch geschlossen.
"Wirst
du morgen wirklich zu uns zurückkommen, wenn du da draußen
warst?"
"Wenn ich dir so etwas sagen könnte, wären
wir mit großer Wahrscheinlichkeit gar nicht hier. Vielleicht
hätten wir uns dann sogar nie getroffen..."
"Warum?"
"Das
verstehst du nicht..."
"Ich verstehe mehr als du
denkst."
"Nein, das glaubst du nur, Peregrin Tuk. Die
Welt verbirgt mehr Geheimnisse, als du verstehen kannst..."
Pippin
überlegte.
"Dann hast du dich sehr verändert, seit
wir uns zum ersten Mal getroffen haben. Damals hast du mir gesagt,
dass die Welt einfach gestrickt ist. Alle Geheimnisse sind
miteinander verbunden und..."
"Zu lange ist es her, seid
ich hier war. Wenn ich in diesen Landen bin werde ich daran erinnert,
dass es nicht so ist..."
"Das versteh´ ich
nicht."
"Hab´ ich dir doch gesagt, junger
Hobbit..."
"Du hast dich trotzdem verändert. Ich
weiß nur nicht in welcher Weise..."
"Das ist nun
mal der Lauf der Dinge. Nichts bleibt wie es ist und nichts ist wie
es scheint. Habe ich mich wirklich verändert oder siehst du mich
nur anders? Denke einmal darüber nach..."
Pippin
versicherte sich, dass nur Aysha ihn hören konnte. Dann
flüsterte er:
"Warst du schon
einmal...naja...verliebt?"
Sie öffnete ihre
Augen.
"Wieso stellst du mir diese Frage?"
"Sag
einfach."
Ayshas Hand zitterte. Der Hobbit bemerkte es.
"Was
ist? Bekomme ich eine Antwort von dir?"
"Ich..."
schluchzte Aysha langsam.
"Aysha?"
"Liebe zu
Anderen ist meinem Volk immer verwehrt geblieben... Immer war ich
dazu gezwungen zu töten...Dann traf ich Daynic... Doch nun bin
ich mir nicht mehr sicher, ob ich ihn noch lieben soll..."
schluchzte sie weiter.
"Aysha?"
Sie zog ihre
Kapuze noch ein Stück tiefer und verbarg ihre Tränen. Dann
sagte sie nichts mehr...
