Aragorn
und Legolas schienen die letzten Besucher zu sein. Alle anderen
hatten das große Gebäude schon vor Stunden verlassen.
Einige Türen knallten. Und auf einmal kam ein dunkel
gekleideter Mann auf sie zu.
"Wir machen zu. Ich muss sie
leider bitten die Räumlichkeiten zu
verlassen."
"Selbstverständlich." antwortete
Aragorn und legte einige Papierrollen in das Regal zurück. Dann
folgte er Legolas aus in die Eingangshalle und von dort aus auf die
verlassenen Straßen zurück.
"Hast du etwas
herausgefunden?" fragte Aragorn Legolas auf dem Weg zu den
Pferden.
"Einige Dinge waren schon interessant, aber was wir
gesucht haben war nicht zu finden."
"Dann ist es dir wie
mir ergangen. Jedoch habe ich vielleicht etwas gefunden, was Aysha
interessieren könnte..."
"So?"
"Nun
ich habe herausfinden können, wer den Willen von ihr nehmen
kann..."
Mitten in der Nacht wachte Pippin auf. Er hob
verschlafenden Kopf und sah sich um. Lanjaniel hatte sich anscheinend
überhaupt nicht bewegt und auch Mergon schlief noch immer.
Nur
Merry war unruhig. Manchmal schlug er mit den Händen um sich und
murmelte seltsame Dinge.
Erst jetzt bemerkte der Hobbit, dass
Ayshas Blick auf ihn gerichtet war. Schnell schloss er die Augen.
Doch merkwürdiger Weise hatte sie überhaupt nichts bemerkt.
Sie schien auch in irgendeiner Art zu...schlafen?
Und doch schien
sie ihn die ganze Zeit zu beobachten.
Langsam nährte sich
Pippins Hand Ayshas Gesicht. Sie rührte sich nicht.
"Was
tue ich hier eigentlich?" dachte Pippin und berührte Ayshas
Wange. "Was soll´s. Ganz oder gar nicht!"
Er zog
ihr Gesicht zu seinem und im nächsten Moment berührten sich
ihre Lippen.
Aysha sah auf. Noch immer waren ihre Gedanken
verhüllt. Kerker...Nacht...Hobbit...Pippin...
Plötzlich
erwachte sie aus ihrer Starre. Mit ihrer verletzten Hand schlug sie
Pippin von sich.
"Ahhh..mmgrggmm..." unterdrückte
sie ihren Schmerz. Was war passiert? Warum hatte sie nichts bemerkt?
Wieso war sie so in Gedanken versunken gewesen?
"Oh, ich...
es tut mit Leid..."
"Warum hast du das getan?"
verwirrt du ängstlich starrte sie den Hobbit
an.
"Ich...ähhh..."
"Schon gut. Oh,
verdammt!"
Die Wunde an ihrer Hand war wieder aufgerissen
und das Blut tropfte auf Pippins Knie.
"Ja...tut mir
Leid..."
"Manchmal bist du so ein Trottel,
Peregrin!"
"Ich weiß..." Aysha sah ihn
freundlich an und grinste.
"Aber ein ziemlich mutiger
Trottel... Eine Heiligelbe zu küssen würde normalerweise
schwerwiegende Folgen haben..."
"Und das wäre?"
Langsam
fuhr Aysha sich mit dem Finger am Hals entlang. Pippin
schluckte.
"Weißt du was, Pippin?"
"Was?"
"Du hast mich vorhin etwas gefragt, weißt du noch?
Sieh einfach in einen Spiegel. Vielleicht verstehst du dann
mehr..."
Der Hobbit sah verlegen zu Boden.
"Und
jetzt? Deine Hand..."
"Gib mir mal... das da. Von deinem
Mantel."
"Das hier?"
"Zerreiß
es."
Pippin griff nach dem Stoff und riss einen langen dünnen
Streifen heraus. Dann reichte er ihn der Heiligelbe. Diese wickelte
den Streifen um ihre Hand und hielt sie zum Schluss dem Hobbit
hin.
"Du musst das Ende noch einmal unten durchstecken und
dann einen Knoten machen."
Pippin tat, was sie ihm sagte.
Vorsichtig machte er einen lockeren Knoten. Aysha biss in den Stoff
und zog ihn noch um einiges fester. Dann legte sie den Arm um Pippin
und murmelte etwas Unverständliches. Und einen Sekundenbruchteil
später war er eingeschlafen...
Aragorn und Legolas
ritten durch die dunklen Gassen. Trotz der späten Stunde wurden
sie in eines der Gasthäuser eingelassen. Der Wirt kam ihnen
mürrisch entgegen:
"Zimmer für zwei?"
"Für
eine Nacht." antwortete Legolas langsam.
"Name.
Unterschrift. Da unten. Mitkommen."
Als Aragorn sich
eingetragen hatte wurde sie in ein Zimmer geführt.
"Gute
Nacht." murmelte der Wirt und schleifte in ein anderes Zimmer
davon. Der Elb schloss die Tür hinter sich und drehte dem
Schlüssel im Schloss herum. Aragorn zündete einige der
Kerzen an, die auf dem Tisch standen.
"Warum haben wir
nichts über dieses Gefängnis herausgefunden? Es muss doch
Aufzeichnungen geben. Es scheint, als ob es dieses... Ding...gar
nicht...Moment mal."
"Was hast du?"
Aragorn
reichte Legolas eine der Kerzen.
"Lies!"
Mit einem
Stempel waren Buchstaben auf die Kerze gedruckt worden. Der Elb hielt
sie ins Licht und las:
"Eigentum des Gasthauses: "Zur
schwarzen Klippe"."
Merry rüttelte Pippin
wach. Er schreckte auf.
"Was? Ich?" Dann sah er sich
um. "Aysha?"
"Ganz ruhig, Pip."
Langsam
beruhigte er sich und beobachtete Lanjaniel, die nervös im Raum
auf und ab ging.
"Wo ist sie?"
"Sie ist
kämpfen, Herr Hobbit. Vor einigen Minuten haben sie sie
geholt."
Dann sah die Heiligelbe zur Tür hinaus.
"He,
seht mal!" rief Mergon, der neben Lanjaniel stand. "Das ist
ja ein ganz zäher Bursche!"
Die Hobbits sprangen auf.
Mergon und Lanjaniel hoben die beiden hoch, damit die auf den Gang
sehen konnten. Die beiden Halblinge brauchten nicht lange um etwas
erkennen zu können.
"Lasst mich los...ihr...ihr..."
"Gimli!"
"Oh, junge Hobbits! Mir geht es gut!
Keine Sorge! Lasst mich los! Verdammtes Elbenvolk! Zwei gegen einen!
Wie unfair! Aber ich kenne jemanden, der ist genauso groß wie
ihr! Und..."
"Halt den Mund!" Sofort wurde dem
Zwerg ein Stück Stoff in den Mund gestopft und er
verstummte.
Der Elb ließ die Kerze sinken.
"Dann
hat uns dieser verdammte Händler angelogen! Verließ bei
den schwarzen Klippen... Ein Verließ bei Bier und Wein ist
das!"
"Wie viel hast du ihm für seine Lüge
gegeben?"
"Den ganzen Beutel..."
"Dann
besitzen wir jetzt nur noch die Hälfte unseres Geldes. Was ist
in dich gefahren? Nie hast du vorher so etwas Unüberlegtes
getan."
Legolas ging zum Fenster und starrte in die
Dunkelheit hinaus.
"Und nun? Wir müssen von vorne
beginnen. Und diesmal müssen wir mehr als eine Person
finden."
Aragorn nickte.
"Wir dürfen auf jeden
Fall nichts überstürzen..."
Legolas fuhr
herum.
"Aber wir müssen SCHNELL etwas tun! Gandalf hat
uns gewarnt. Vielleicht sind sie schon gar nicht mehr am
Leben!"
Aragorn sah auf und blickte den Elben an.
"Willst
du jetzt schon die Hoffnung verlieren? Legolas, sie sind noch am
Leben!"
"Können wir uns da sicher sein?"
Aragorn
rührte sich nicht...
Daynic saß, wie drei Tage
zuvor, in den Zuschauerreihen und starrte in die leere Arena hinab.
Und diesmal war er noch angespannter als zuvor.
Neben ihm saß
diesmal nicht einer aus seinem Orden, sondern ein unbekannter Mann,
der Daynic die ganze Zeit etwas ins Ohr schrie.
Aber der Elb
redete gar nicht mit ihm. Er rief seine Worte einem jungen Mann zu,
der einige Reihen von ihnen entfernt saß und der ebenfalls
seinen Nachbar damit belästigte.
Plötzlich sah dieser zu
Daynic hinauf. Er machte eine kurze Kopfbewegung und Daynic erwiderte
diese. Im selben Moment sahen beide zu ihren störenden Nachbarn
hinüber, hoben kurz die Hand und plötzlich knallten die
Körper der beiden schreienden zu Boden.
Jeweils ein Wächter
kam auf sie zu gerannt und schleifte den Körper, ohne einen
weiteren Kommentar aus den Reihen.
Der junge Elb setzte sich
daraufhin neben Daynic:
"Sie werden es nie lernen!
Störenfriede!"
Daynic nickte.
"Da habt ihr
Recht. Habt ihr auf das Mädchen gewettet?"
"Ja, ich
wette immer. Bis jetzt habe ich zwar mehr verloren als gewonnen aber
ich gebe die Hoffnung nicht auf. Man weiß ja nie was
kommt."
"Ja, ja..." Daynic lachte leise.
"Irgendwann muss man ja auch einmal Glück haben..."
Der
Klang eines Hornes durchsprang die Stille.
Die beiden Hobbits,
Lanjaniel und Mergon schreckten auf. Die Elbe sah aus dem kleinen
vergitterten Fenster hinaus.
"Sie fangen an!"
Pippin
wusste nicht, was er tun sollte. Er stand auf, ging zur Tür,
krallte die Hände in die Gitterstäbe und rüttelte
daran.
"Lasst uns hier raus!"
Der Wächter auf
dem Gang lachte laut auf.
"Pass bloß auf, Kleiner.
Sonst fressen dich die Ratten!"
Dem Hobbit gefiel das gar
nicht. Doch er musste sich mit seinem Schicksal zufrieden
geben.
Wie drei Tage zuvor öffnete sich das schwere
Tor. Aysha wurde mit genau neunzehn anderen Gefangen hinaus gestoßen.
Wieder erschallte die bekannte Stimme des Sprechers. Doch Aysha hörte
nicht hin.
Ihre Waffen waren ihr zurückgegeben worden und
irgendjemand hatte sich sogar die Mühe gemacht ihren Bogen zu
reparieren.
Auf einmal traten die Angreifer aus den Toren heraus.
Und als Aysha nun auch noch Daynic in den Zuschauerreihen erblickte,
kam es ihr wirklich genauso vor, wie bei ihrem ersten Kampf.
Ein
Signal erschallte und die Schlacht um Leben und Tod begann ein
zweites Mal.
"Wenn du mich beschützen wolltest, Aragorn,
dann ist es dafür jetzt zu spät!" murmelte Aysha sich
selbst zu und legte einen ihrer letzten Pfeile an die Sehne ihres
Bogens. Langsam spannte sie ihn.
Doch kurz bevor sie loslassen
konnte wurde sie von der Seite angefallen.
Einer der Angreifer
warf sich auf die Brust der Heiligelbe und grinste ihr düster
zu.
Aysha schrie auf, als ein großer Knüppel wieder
und wieder auf ihr Gesicht zuschnellte. Sie spürte, wie das Blut
aus ihrem Mund floss und wie langsam das Leben aus ihrem Körper
schwand.
Sie hörte nur noch ein weit entferntes Trommeln. Und
kurz bevor sie unter der Last des Mannes erdrückt wurde ließ
er von ihr ab. Erschöpft rang sie nach Luft.
Als letztes
bemerkte sie, dass nicht nur die Angreifer, sondern auch alle
Zuschauer die Arena hastig verließen. Dann wurde tiefe Nacht
vor Ayshas Augen...
"Was ist das?" fragte Legolas,
der von dem Lauten Klang eines Hornes aufgeschreckt worden war.
Aragorn öffnete das Fenster und starrte hinaus. Es war Vormittag
und die Sonne strahlte auf die Straße.
"Ich weiß
nicht genau. Aber die ganz Stadt scheint auf den Beinen zu sein!"
Dann zeigte er auf einen dunklen Fleck am Himmel, der schnell
näher kam.
Plötzlich klopfte es an die Zimmertür.
"Ja?" Aragorn drückte die Klinke hinunter. Ihr
mürrischer Gastgeber kam in das Zimmer.
"Der Rat hat es
anscheinend wieder nicht geschafft einen dieser verdammten Zauberer
festzuhalten..."
Legolas nickte stumm ohne wirklich zu
wissen, wovon sein Gegenüber sprach.
"Passiert nicht
oft...alle 200 Jahre bricht mal wieder einer aus. Dagegen kann man
nichts machen. Dann fliegt der Kerl über die ganze Stadt und
zerstört alles, was ihm in den Weg kommt. Nicht gut... Musste
mein Gasthaus schon zweimal wieder aufbauen lassen...eine Menge
Geld..."
Ein lauter Knall drang an ihr Ohr.
"Geht
los...Kommt mit mir..."
Aragorn warf sich schnell seinen
Mantel über die Schultern, bevor er hinter Legolas und dem Wirt
auf die Straße lief.
